Aufgrund welcher (methodischer) Probleme sollten Aussagen bzgl Lernunterschieden vorsichtig gewählt werden?
Operationalisierung von Schulleistung: Wie wird Schulleistung operationalisiert? (Orientierung an den Schulnoten oder an der verbalen Beurteilung der Lehrkraft? Umfasst Schulleistung ausschließlich schulisches Wissen oder werden spezifische Fähigkeiten berücksichtigt? Wird das individuelle Leistungsvermögen oder die Klassennorm als Maßstab der Schulleistung verwendet? Wird sich am aktuellen Leistungsstand oder der Leistungsentwicklung in Form einer Verbesserung oder Verschlechterung orientiert?).
Kausalität: Die in den meisten Korrelationsstudien vorgefundenen Zusammenhänge sagen in der Regel wenig bis gar nichts über die Richtung des Zusammenhangs aus (Bsp.: Eine hohe Korrelation zwischen Selbstvertrauen und Schulleistung kann einerseits bedeuten, dass hohes Selbstvertrauen die Schulleistung positiv beeinflusst, umgekehrt aber auch, dass gute schulische Leistungen das Selbstvertrauen stärken.).
Multideterminiertheit: Es kann keineswegs nur ein einzelner Faktor Leistungsunterschiede zwischen Schülern erklären. Vielmehr existiert eine große Vielzahl an möglichen Einflussfaktoren, die sich wiederum gegenseitig beeinflussen (z. B. Intelligenz und Vorwissen).
Was kennzeichnet das Angebots-Nutzungs-Modell von Helmke?
Dem Modell zufolge stellt Unterricht zunächst das Angebot dar, welches neben zahlreichen Kontextfaktoren jedoch maßgeblich beeinflusst wird
durch Lehrermerkmale, insbesondere der fachlichen und didaktischen Expertise und den Einstellungen, Orientierungen und Maßstäben der Lehrperson
Der Lernende wiederum muss dieses Angebot in geeigneter Weise nutzen, damit sich Lernerfolge einstellen
Insofern rücken die Lernaktivitäten in den Vordergrund des Modells. „Lernrelevante Aktivitäten können durch Unterricht ebenso wie durch den Kontext und außerunterrichtliche Faktoren (Familie, Medien) zwar angeregt und unterstützt, gefördert und kontrolliert werden, liegen aber letztlich in der Kontrolle des Lernenden und hängen von dessen individuellen Merkmalen ab
Welche Determinanten schulischer Leistung konnten empirisch bestätigt werden?
Vor allem der Einfluss von Intelligenz, Vorwissen, motivationalen Merkmalen sowie Metakognitionen und Lernstrategien gilt als empirisch gesichert
Wie wirkt sich Intelligenz auf die schulische Leistung aus?
Intelligenz beschreibt ganz allgemein die Fähigkeit, Wissen zu erwerben und dieses zur Problemlösung und zur Bewältigung der Anforderungen im Leben einzusetzen
Intelligentere Menschen können sich im Vergleich zu weniger intelligenten Personen scheinbar besser auf neue Aufgaben einstellen, entwickeln effektive Problemlösestrategien und erkennen lösungsrelevante Regeln.
Intelligentere Menschen haben im Vergleich zu weniger intelligenten Personen in der Vergangenheit mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein besser vernetztes, flexibel nutzbares Wissen erworben. Diese Vorkenntnisse erleichtern die darauf aufbauenden weiteren Lernprozesse.
Allerdings benötigen auch Schüler mit hoher Intelligenz eine anregende Lernumgebung. Sie scheinen jedoch deutlich besser in der Lage zu sein, „schlechte Unterrichtsqualität zu kompensieren, während weniger intelligente und leistungsfähige Schüler stärker auf eine qualitativ hochwertige unterrichtliche Unterstützung angewiesen sind“
Die durchschnittlichen Korrelationen zwischen Intelligenz und schulischer Leistung (ermittelt über Schulnoten oder standardisierte Leistungstests) liegen dabei in einer Größenordnung zwischen r =.50 und r =.60
Wie wirkt sich Vorwissen auf die schulische Leistung aus?
Unter den individuellen Lernvoraussetzungen spielen sowohl Qualität als auch Quantität des aufgaben- und bereichsspezifischen Vorwissens eine herausragende Rolle und haben sich für die Schulleistung vielfach sogar als einflussreicher erwiesen als die Intelligenz
Schüler, die in schulrelevanten Bereichen über eine hohe Expertise verfügen (z. B. naturwissenschaftliche Vorkenntnisse), schneiden im Vergleich zu ihren Mitstreitern, die nur über geringe oder gar keine Vorkenntnisse verfügen (sogenannte Novizen), in Schulleistungstests in der Regel erfolgreicher ab
„Vorwissen ist nicht zuletzt deshalb so bedeutsam, weil ein nachhaltiger Erwerb neuen Wissens die Verknüpfung der neu aufgenommenen Informationen mit dem vorhandenen Wissen (Elaboration), d. h. die Eingliederung in die vorhandene Wissensbasis, erfordert“
Wie wirken sich Motivationale Bedingungen auf die schulische Leistung aus?
Lernprozesse sind in der Regel auch abhängig von motivationalen und emotionalen Faktoren
Während im Grundschulalter offenbar vor allem noch kognitive Fähigkeiten (z. B. Intelligenz und Vorwissen) Schulleistung erklären, steigt die Bedeutung motivationaler Variablen mit zunehmendem Alter
In einer Metaanalyse von Hattie (2009) zeigten sich Zusammenhänge zwischen der Schulleistung auf der einen und dem Selbstkonzept, der Selbstwirksamkeit, Interesse und Einstellung zum Lernen auf der anderen Seite.
Demnach weisen vor allem Schüler, die sich selbst stark ausgeprägte schulische Fähigkeiten zuschreiben (= Fähigkeitsselbstkonzept), die der Überzeugung sind, sie können mit eigenem Zutun schulische Ziele erreichen, ohne dabei ausschließlich auf Glück, Pech oder dem Einfluss der Lehrkraft angewiesen zu sein (= hohe Selbstwirksamkeit), die eine positive Einstellung zum Lernen und Interesse am Unterrichtsstoff haben, oftmals gute Schulleistungen auf (Hattie 2009).
Allerdings sagen diese Zusammenhänge, wie bereits an anderer Stelle erörtert, nur wenig über die Wirkrichtung aus. Ein stark ausgeprägtes Fähigkeitsselbstkonzept kann sowohl die Ursache als auch die Folge schulischer Erfolge sein.
Erfolgreiches Lernen setzt darüber hinaus auch eine angemessene Steuerung und Kontrolle der Aufmerksamkeit voraus
Selbstkontrolle ist für die Bildung der Lernintentionen und deren Umsetzung in Lernhandlungen sowie deren Abschirmung gegen konkurrierende Handlungstendenzen (z. B. Ablenkungen) wichtig.
Langzeitstudien haben gezeigt, dass die Fähigkeit zur Selbstkontrolle im Vorschulalter, ermittelt mit dem sogenannten Marshmallow-Test, Schul- und Berufserfolg vorhersagen zu vermag
Wie wirken sich Metakognition und Lernstrategien auf die schulische Leistung aus?
Über fachspezifisches Wissen hinaus gelten auch Kenntnisse darüber, wie dieses Wissens effizient eingesetzt werden kann, zu einer wichtigen Lernvoraussetzung
Diese Fähigkeit und das damit verbundene Wissen wird als Metakognition bezeichnet und gilt als Schlüsselqualifikation, da sie Schüler befähigt, zu lernen, wie man lernt und wie das eigene Lernen selbst zu regulieren ist
Daten der Pisa-Studie aus dem Jahr 2000 belegen, dass Schüler mit hoher Lesekompetenz auch signifikant häufiger effektive Lernstrategien einsetzen (z. B. Strategien zum Verstehen und Durchdringen des Textes, Kontrollstrategien usw.)
Umgekehrt gehen unzureichende metakognitive Prozesse mit einer geringeren Leseleistung einher
Die Forschung hat sich lange Zeit mit der Suche nach Lernstilen und Lerntypen (z. B. visueller vs. auditiver vs. kinästhetischer Lerntyp) beschäftigt, um ausgehend von einer solchen Typologie Unterrichtsangebote an die Lernpräferenz der Schüler anzupassen und damit die Wahrscheinlichkeit für Lernerfolg zu erhöhen
Wenngleich sich Lernstilansätze in der Praxis offenbar einer recht großen Beliebtheit erfreuen, ist die Befundlage zum Einfluss eines auf den Lernstil von Schülern abgestimmten Unterrichts auf die Schulleistung eher dürftig, sodass der praktische Nutzen der Lernstilkonzepte infrage zu stellen ist
Was versteht man unter einem Selbstkonzept?
Das Selbstkonzept stellt das selbstbezogene Wissenssystem zur eigenen Person dar (z. B.: Welche Eigenschaften und Fähigkeiten besitze ich? Was mag ich/mag ich nicht? Was kann ich/kann ich nicht?).
Was versteht man unter Selbstwirksamkeit?
Sie beschreibt die Überzeugung einer Person, mit eigenen Mitteln (z. B. Anstrengung) ein Ziel erreichen zu können.
Was versteht man unter Selbstkontrolle?
Die Selbstkontrolle wird in der Psychologie oft mit der Selbstregulation gleichgesetzt und beschreibt die Fähigkeit, das eigene Verhalten zu kontrollieren und gegenüber konkurrierenden Impulsen abzuschirmen.
Was bedeutet Metagkognition?
Die Metakognition beschreibt das Wissen einer Person darüber, wie sie das Lernen erfolgreich planen, überwachen und regulieren kann.
Was versteht man unter einer Lernstörung?
Bei einer Lernstörung haben Schüler trotz hinreichender Intelligenz im Vergleich zu Gleichaltrigen Defizite in einem oder mehreren schulischen Bereichen.
Betroffen ist oftmals das Schreiben, Lesen und/oder Rechnen.
Was versteht man unter einer Lernbehinderung?
Bei einer Lernbehinderung handelt es sich um Lernschwierigkeiten, die aus einer unterdurchschnittlichen Intelligenz resultieren und sich in nahezu allen schulischen Bereichen bemerkbar machen.
Wie beschreibt die ICD-10 “Lernstörungen”?
Das ICD-10 ordnet Lernstörungen den sogenannten „Umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten“ zu und unterscheidet dabei unter anderem zwischen der Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie) und der Rechenstörung (Dyskalkulie).
Was ist Legasthenie?
Bei der Lese-Rechtschreibstörung handelt es sich um eine bedeutsame Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lese- und Rechtschreibfertigkeiten
Probleme beim Lesen äußern sich dabei in einer niedrigen Lesegeschwindigkeit, dem Auslassen, Vertauschen oder Hinzufügen von Wörtern, Silben oder einzelnen Buchstaben sowie Schwierigkeiten, Inhalte des gelesenen Textes wiederzugeben
Die Rechtschreibung wiederum ist gekennzeichnet durch eine hohe Fehlerzahl bei Diktaten, aber auch beim bloßen Abschreiben von Texten
Typisch ist auch eine hohe Fehlerinkonstanz, d. h., trotz Übung werden Wörter immer wieder auf unterschiedliche Weise falsch geschrieben
Was ist Dyskalkulie?
Die Rechenstörung wiederum betrifft vor allem die Beherrschung basaler Rechenfertigkeiten, wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division. Betroffenen Kindern fehlt dabei oftmals ein grundlegendes Mengenverständnis.
Was muss im Rahmen der Diagnostik von Lernstörungen berücksichtigt werden?
Im Rahmen der Diagnostik dieser sogenannten Teilleistungsstörungen wird ein doppeltes Diskrepanzkriterium berücksichtigt
Zum einen muss die entsprechende Leistung in einem standardisierten Lese-/Rechtschreibtest
z. B. Salzburger Lese- und Rechtschreibtest SLRT;
Hamburger Schreib-Probe HSP;
Weingartener Grundwortschatz Rechtschreib-Test WRT) bzw. Rechentest (z. B. Deutscher Mathematiktest DEMAT; Heidelberger Rechentest HRT)
deutlich unter dem Durchschnitt der Altersgruppe liegen
Zum anderen muss zwischen der schulischen Leistung und der allgemeinen intellektuellen Leistungsfähigkeit (gemessen mit einem Intelligenztest, z. B. dem CFT oder WISC) eine deutliche Diskrepanz bestehen
Wie beeinflusst AD(H)S die schulische Leistung?
Die Symptomatik der ADHS umfasst Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität
Betroffene Schüler lassen sich leicht ablenken, haben Schwierigkeiten, ihre Aufgaben zu organisieren, wirken unkonzentriert und brechen Aufgaben, die ihnen keinen Spaß bereiten oder sie überfordern, vorzeitig ab (Unaufmerksamkeit)
Sie sind motorisch unruhig, zappelig und bleiben nicht lange auf ihrem Platz (Hyperaktivität)
Darüber hinaus fällt es ihnen schwer, Impulse zu kontrollieren
Sie wirken ungeduldig, können nur schwer abwarten (bis sie an der Reihe sind), platzen voreilig mit Antworten heraus und sind leicht reizbar (Impulsivität)
Die Symptomatik zeigt sich dabei bereits im Vorschulalter und führt zu erheblichen Problemen im sozialen, aber eben auch im schulischen Leben
Wenn ausschließlich die Aufmerksamkeit gestört ist (ohne Merkmale der Hyperaktivität und Impulsivität), spricht man auch von Aufmerksamkeitsstörungen (ADS)
Welche Interventionen gibt es bzgl AD(H)S und wie sollten Lehrer mit solchen Kindern umgehen?
Aufgrund der Annahme eines multifaktoriellen Entstehungsmodells genetische Veranlagung, neurobiologische bzw. neurochemische Funktionsstörungen, psychologische und psychosoziale Risikofaktoren) hat sich folgerichtig ein multimodaler Therapieansatz als effektiv erwiesen, der aus der Kombination
einer medikamentösen Therapie (v. a. Metylphenidat),
zusätzlicher Psychotherapie (z. B. Verhaltenstherapie) sowie
Eltern- und Angehörigentrainings besteht
Für den pädagogischen Umgang mit betroffenen Kindern ist sowohl die Grundhaltung der Lehrkräfte (wertschätzend und ressourcenorientiert) als auch eine klare Strukturierung des Schulalltags (räumlich, zeitlich, sozial und inhaltlich) hilfreich.
Wie beeinflusst Prüfungsangst die schulische Leistungsfähigkeit?
Von sämtlichen Ängsten, die im Kindes- und Jugendalter auftreten können, scheint die Prüfungsangst die größte Relevanz für den schulischen Kontext zu besitzen
Die Prüfungsangst besitzt eine konzeptionelle Ähnlichkeit mit der sozialen Angst (sozialen Phobie), da jeweils die Angst vor der Beurteilung und der negativen Bewertung durch andere Personen im Vordergrund steht
Prüfungsangst entsteht vorwiegend dann, wenn Misserfolge drohen, Möglichkeiten zur Verhinderung des Misserfolgs fehlen und zugleich die Konsequenzen als hinreichend bedeutsam erlebt werden
Aus welchen 2 Komponenten besteht Prüfungsangst nach Liebert und Morris?
Nach Liebert und Morris (1967) besteht Prüfungsangst aus zwei Komponenten: einer affektiven/physiologischen Komponente („emotionality“) sowie einer kognitiven Komponente („worry”)
Empirisch hat sich in erster Linie die kognitive Angstkomponente (worry) als leistungsmindernd erwiesen und korreliert negativ mit Lernleistungen
Wiederum scheint „emotionality“ die Leistung nicht zu beeinflussen
Wie lässt sich der negative Einfluss von Prüfungsangst auf schulische Leistung erklären?
Wie können Lehrer helfen?
Der negative Zusammenhang zwischen Prüfungsangst und Schulleistung lässt sich wie folgt erklärenn Durch die mit der Angst verbundenen Sorgen wird Aufmerksamkeit von der eigentlichen Aufgabenbearbeitung abgezogen;
Angst hemmt kreatives und flexibles Denken, welches jedoch v. a. in Mathematik notwendig ist (hier reicht in der Regel stupides Auswendiglernen nicht aus);
Angst reduziert Präferenzen für selbstreguliertes Lernen.
Lehrkräfte können zu einem Angstabbau beitragen, indem sie Schüler bei der Angstbewältigung unterstützen. Ein Schlüsselkonzept ist hierbei „das Geben von Kontrolle durch Vorhersehbarkeit und Planbarkeit, und Sicherheit geben durch ein Verlässlichkeit [sic!] bzw. Beziehungsangebot“
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