§ 42 I Alt 1 VwGO
§ 68 I 1 VwGO
§ 110 I 1 JustGNRW
XY begehrt die Aufhebung der Ausweisungsverfügung. Dies stelllt einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG dar. Somit ist die Anfechtungsklage gem. § 42 I Alt 1 VwGO statthaft.
XY wendet sich aber auch gegen die Länge der Befristung. Die Befristungsentscheidung ist ein eigener Verwaltungsakt, der unabhängig von der Ausweisung existiert und mit eigenen Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Der (hilfsweise) dagegen gestellte Antrag ist als Teilanfechtungsklage oder Verpflichtungsklage einzuordnen.
Gem. § 68 I 1 VwGO ist grundsätzlich ein Vorverfahren durchzuführen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt (§ 68 I 2 VwGO).
Abweichend von § 68 I 1 VwGO ist gem. § 110 I 1 JustGNRW kein Vorverfahren notwendig. Ein Ausnahmefall nach den Sätzen 2 und 3 liegt nicht vor.
Die sofortige Klageerhebung ist somit zulässig gewesen.
Folglich ist die Erhebung der Anfechtungsklage das richtige Rechtsmittel.
Die Klage war damit der richtige Rechtsbehelf.
Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit der Verwaltungsakt (die Ausweisungsverfügung) rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 I 1 VwGO).
Die Ausweisungsverfügung ist rechtswidrig, wenn sie in formeller oder materieller Hinsicht den Anfoderungen der Rechtsordnung nicht genügt.
Maßgeblich für die rechtliche Bedeutung der Ausweisung und der Befristungsentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.
I. Formelle Rechtmäßigkeit
1. Zuständigkeit der erlassenen Behörde
a) sachliche Zuständigkeit
(§ 71 I 1 AufenthG i.V.m. § 2 I AufenthG)
Für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Aufenthaltsgesetz sind gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 AufenthG die Ausländerbehörden zuständig.
Als xxx Staatsbürger ist XY Ausländer im Sinne des § 2 Abs. 1 AufenthG, so dass die Ausländerbehörde für die Entscheidung über seine Ausweisung sachlich zuständig ist.
b) instanzielle Zuständigkeit
(§ 13 ZustAVO / § 1 1 Nr. 4 ZustAVO)
Nach § 13 ZustAVO nehmen die unteren Ausländerbehörden in NRW grundsätzlich die Aufgaben der Ausländerbehörden nach dem Aufenthaltsrecht wahr.
Untere Ausländerbehörden sind gem. § 1 Satz 1 Nr. 4 ZustAVO u.a. die Ordnungsbehörden der kreisfreien Städte, zu denen auch die Stadt xxx gehört.
c) örtliche Zuständigkeit
(§ 14 I 3 ZustAVO)
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Satz 3 ZustAVO.
Danach ist die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich die ausländische Person gewöhnlich aufhält. XY hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Stadt xxx, so dass die/der Oberbürgermeister/in der Stadt xxx als Ordnungsbehörde für die Ausweisungsverfügung zuständig gewesen ist.
2. Beachtung von Formvorschriften
a) Schriftform (§ 77 I 1 Nr. 2 und 9 AufenthG)
Nach § 77 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 9 AufenthG bedürfen sowohl die Ausweisung als auch die Entscheidung über die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 der Schriftform.
Diese Form ist im vorliegenden Fall eingehalten worden.
b) Verbindung des Einreise- und Aufenthaltsverbots mit der Befristung mit der Ausweisungsverfügung
(§ 11 II 1 und 3 AufenthG)
Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gem. § 11 Abs. 2 S. 1 AufenthG gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung erlassen und entsprechend Satz 3 mit einer Befristung versehen worden.
c) Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung
(§ 77 I 2 und 3 AufenthG)
Die von § 77 Abs. 1 S. 2 und 3 AufenthG verlangte Rechtsbehelfsbelehrung ist beigefügt.
Laut Sachverhalt wird davon ausgegangen, dass der von § 77 I 2 und 3 AufenthG verlangte Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt wurde.
3. Einhaltung von Verfahrensvorschriften, insbesondere über
a) Anhörung Beteiligter (§ 28 I VwVfG)
Mit Schreiben vom xxx ist XY die von § 28 Abs. 1 VwVfG vorgeschriebene Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Nicht entnehmen lässt sich dem Sachverhalt, ob XY vor Erlass des Verwaltungsaktes entsprechend § 28 Abs. 1 VwVfG Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist.
Ein Anhörungsmangel könnte im weiteren Verfahren noch gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 in Verb. mit Abs. 2 VwVfG geheilt werden.
b) Begründung (§ 77 I 1 Nr. 2 und 9 AufenthG)
c) Bekanntgabe (§ 41 VwVfG)
Die schriftliche Ausweisungsverfügung ist dem Gebot des § 77 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 9 AufenthG entsprechend schriftlich begründet und XY bekanntgegeben/zugestellt worden (§ 41 Abs. 1 VwVfG).
Die Ausweisungsverfügung ist formell rechtmäßig.
II. Materielle Rechtmäßigkeit
1. Ausweisung:
Ermächtigungsgrundlage § 53 I AufenthG
Nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) bedarf die Ausweisungsverfügung einer gesetzlichen oder auf gesetzlicher Grundlage erlassenen Ermächtigung.
Als spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage kommt § 53 Abs. 1 AufenthG in Betracht.
Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
a) Ausländer (§ 2 I AufenthG)
XY ist als xxx Staatsbürger/in wie bereits dargestellt Ausländer i.S.d. § 2 Abs. 1 AufenthG.
I. Materielle Rechtmäßigkeit
b) Gefährdung öffentlicher Sicherheit oder Ordnung (§ 54 AufenthG)
Ihr/Sein Aufenthalt könnte die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden.
Die Begriffe öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die Gefährdung dieser Schutzgüter sind nach den im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht entwickelten Grundsätzen auszulegen.
Dabei können bekräftigend auch die Konkretisierungen in § 54 AufenthG herangezogen werden, denn ein Ausweisungsinteresse kann nur bestehen, wenn auch ein Ausweisungsgrund vorliegt.
Zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit gehört insbesondere die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung. § 54 Abs. xxx Nr. xxx AufenthG nimmt dementsprechend ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse an, wenn der Ausländer...
XY hat…
Spezialprävention
Sein Aufenthalt müsste aber auch eine Gefährdung darstellen.
(= konkrete Wiederholungsgefahr?)
Zur Rechtfertigung einer spezialpräventiv motivierten Ausweisung müssen die Tatumstände, die Persönlichkeitsstruktur, die therapeutische Aufbearbeitung seines Sucht- und/oder Aggressionspotentials, seine beruflichen Perspektiven sowie sein Verhalten nach der Ausweisung berücksichtigt werden.
Der Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 II GG) besagt, dass der Bürger erkennen muss, welche Rechtsfolgen sich aus seinem Verhalten ergeben können. Die staatliche Reaktion auf sein Handeln muss also voraussehbar sein, anderenfalls bestünde die Gefahr einer staatlichen Willkür.
(Nach der Theorie der Spezialprävention besteht die Aufgabe der Strafe darin, den verurteilten Täter von weiteren Delikten abzuhalten.)
Generalprävention
Die Ausweisung ist auch zur Abschreckung anderer Ausländer erfolgt.
Die generalpräventive Zielsetzung entspricht dem Gesetzeszweck, wenn die Ausweisung nach der Lebenserfahrung dazu dienen kann, andere Ausländer zur Vermeidung der ihnen sonst drohenden Ausweisung zu einem ordnungsgemäßen Verhalten während ihres Aufenthalts im Geltungsbereich des Aufenthaltsgesetzes anzuhalten.
Gerade bei schweren Gewalttaten aufgrund von Alkohol- und Drogenmissbrauch besteht ein gewichtiges Gemeinschaftsinteresse an der Abschreckung anderer Ausländer.
c) Abwägung (§ 53 II AufenthG) der Interessen an der Ausreise (§ 54 AufenthG) mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet (§ 55 AufenthG)
Ob der Ausländer ausgewiesen wird, entscheidet sich aufgrund der unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmenden Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers (§ 53 Abs. 2 AufenthG).
Dabei sind zunächst die typisierten gesetzlichen Einstufungen des Ausweisungsinteresses in § 54 AufenthG sowie des Bleibeinteresses in § 55 AufenthG zu berücksichtigen.
Sachverhalt: Im vorliegenden Fall steht einem schwerwiegenden Ausweisungsinteresse ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Das bedeutet aber nicht, dass damit eine Ausweisung zwingend ausgeschlossen wäre. Vielmehr muss man das Gewicht der Interessen im Einzelfall bemessen.
2. Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 AufenthG)
Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen worden ist, ist gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen.
Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass nach Absatz 2 Satz 3 von Amts wegen zu befristen.
Über die Länge der Frist wird nach Ermessen entschieden (Absatz 3).
Ausweisung auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung = Frist darf nach § 11 Abs. 5 AufenthG fünf Jahre überschreiten und bis 10 Jahre dauern.
Die Befristungsentscheidung ist deshalb ebenfalls rechtmäßig.
Mit der Aufhebung der Ausweisungsverfügung entfällt die Grundlage für das angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der darin festgesetzten Frist.
Der hilfsweise gestellte Teilanfechtungsantrag hat sich damit erledigt.
Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt somit, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Die Klage des XY ist nicht begründet.
… ergibt somit, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise nicht überwiegt.
Durch die rechtswidrige Ausweisung ist XY in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verletzt.
Die Klage des XY ist begründet.
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