Was ist “soziales Verhalten”?
“Alle Verhaltensweisen von Menschen, die auf Reaktionen oder Aktionen anderer Menschen zielen”
Was ist ein “Normangepasstes Verhalten”?
Wenn ein Mensch Normen, Werte & Rollenerwartungen einer Gesellschaft einhält und sich ihnen anpasst
Was ist ein “Normabweichendes Verhalten”?
Wenn ein Mensch…
…gegen Normen, Werte & Rollenerwartungen verstößt
…den Anforderungen in einer Gesellschaft nicht gerecht wird
Wovon hängt die Einschätzung ab, ob sich jemand Normkonform verhält?
Von:
Gesellschaftsnormen
Gesellschaftswerten
Gesellschaftserwartungen
➜ Gesamtgesellschaftlich abweichendes Verhalten kann in Subgruppen normkonform sein"!
Was ist aggressives Verhalten?
“Verhalten, durch welches Individuen oder Sachen aktiv & zielgerichtet Schaden zugefügt, sie geschwächt oder in Angst versetzt werden”
zielgerichtetes Verhalten mit Schädigungsabsicht
jede Handlung, die mit der Absicht ausgeführt wird, eine andere Person zu schädigen o. zu verletzen, die ihrerseits versucht, dieser Schädigung zu entgehen
Welche verschiedenen Formen von Aggression gibt es?
Verbale Aggression:
Schreiben
Beschimpfen
mit Worten verletzen
Körperliche Aggression:
Schlagen
Treten
Beißen
Nutzung von Waffen
Relationale Aggression:
Beziehungen zerstören
Gerüchte verbreiten
Vandalismus
Zerstörung von Sachen/Eigentum anderer
Welche Ausprägungen von Aggressionen gibt es?
Instrumentelle Aggression (ein bestimmtes Ziel erreichen wollen),
Proaktive Aggression (aus eigenem Antrieb heraus),
Kalte Aggression,
Nicht-affektive Aggression
➜ Die Formen der Aggression werden als Instrument zur Erreichung von Vorteilen (Aufmerksamkeit, Macht…) benutzt
↳ häufig fehlt es an Empathie
↳ eine unzureichende Gewissensbildung liegt vor
↳ es besteht keine Angst vor Konsequenzen
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Impulsive Aggressionen (feindselige Aggression)
Reaktive Aggressionen (defensiv auf eine Frustration o. Provokation reagierend)
Heiße Aggressionen
Affektive Aggressionen
➜ Sind Aggressionen als Reaktion auf wahrgenommene Provokationen
↳ kognitive Verzerrung bei der Bewertung von Handlungen Anderer
↳ eingeschränkte Impulskontrolle & Frustrationstoleranz
direkte Aggression
indirekte Aggression (Opfer weiß nicht, wer der Täter ist)
physische Aggressionen (körperliche Schädigung jeder Art)
verbale Aggression (z.B. verspotten, beleidigen)
relationale/soziale Aggression
↳ Verhalten, das darauf abzielt,
a) die Beziehung einer Person zu ihren Peers zu beschädigen
b) das soziale Zugehörigkeitsgefühl & Akzeptiertsein zu verletzen
Wie häufig tritt oppositionelles/aggressives Verhalen auf?
90% aller Kinder unter 2 Jahren zeigen oppositionelles/aggressives Verhalen.
Durch Sozialisation und intrapsychische Reifung gelingt es den meisten Impulse besser zu kontrollieren
↳ unter adäquater Anleitung durch kompetente Erziehungspersonen
Wann kann eine Störung des Sozialverhaltens festgestellt werden? (F 91)
Wenn ein wiederholtes, andauerndes Muster dissozialen, aggressiven oder aufsässigen Verhaltens gezeigt wird
↳ welches mind. 6 Monate oder länger anhält
Einzelne Handlungen sind alleine kein Grund für eine Diagnose!
Was sind Leitsymptome aggressiven Verhaltens nach dem ICD?
Ungewöhnlich häufige/schwere Wutausbrüche & Ungehorsam
Extremes Maß an Streiten & Tyrannisieren
Grausamkeit gegenüber anderen Menschen/Tieren
Erhebliche Destruktivität gegen Eigentum o. Feuerlegen
Stehlen
Häufiges Lügen
Schulschwänzen
Weglaufen von Zuhause
Welche Unterkategorien aggressiven Verhaltens stehen im ICD?
Beschreibt eine eher heterogene Störungsgruppe
F91.0: Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens
F91.1: Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen
F91.2: Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungen
F91.3: Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigen Verhalten
F90.1: Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
↳ ein wiederholendes und anhaltendes Muster dissozialen, aggressiven & aufsässigen Verhaltens
F92: Kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen (z.B. Depression, Angst, Zwang etc.)
↳ Komorbidität
Bei welchen Störungen tritt häufig Komorbidität auf?
Hyperkinetische Störung → F90.1
wiederholendes und anhaltendes Muster dissozialen, aggressiven & aufsässigen Verhaltens
Emotionale Störung (z.B. Angst, Depression) → F92
Substanzmittelgebrauch (Alkohol, Drogen, Medikamente)
Suizidalität
Wie ist der Verlauf und die Prognose bei den Störungen des Sozialverhaltens?
a) F91.0: Auf den familiären Rahmen beschränkte Störung des Sozialverhaltens
b) F91.1: Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen
c) F91.2: Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungen
Vorschulzeit:
oppositionelle Verhaltensstörungen im Vordergrund
↳ ggf. F91.3 (Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigen Verhalten) als Vorläuferstörung erfüllt
Grundschulzeit:
vermehrt auch aggressives Verhalten
Adoleszenz
dissoziale Verhaltensweisen, wie Diebstahl, Einbrüche
➜ Je früher auffällig, desto problematischer ist die Prognose!
Jungs:
<10. LJ: erhöhtes Risiko für chronischen Verlauf bis ins Erwachsenenalter
↳ (z.T. Übergang in antisoziale Persönlichkeitsstörung)
>10. LJ: Zunahme der Symptome bis 17. LJ → danach Abfall !
Mädchen:
Ähnlich problematisch wie bei “frühen” Jungen - mit gehäuftem Übergang in Persönlichkeitsstörung
Wie sieht die Epidemiologie in Bezug auf Einzelne dissoziale Verhaltensweisen & Störungen im sozialen Verhalten aus?
Einzelne dissoziale Verhaltensweisen:
60 - 80% der Jugendlichen
Störungen des Sozialverhaltens:
6 - 8% (Höhepunkt: 17 Jahre)
Jungen: 6 - 16%
Mädchen: 2 - 9% - wenn, dann aber zumeist stabiler!
↳ Achtung!: Kriterien auf “Jungen-Aggression” zugeschnitten → Mädchen häufiger indirekt-verbal/relational aggressiv
Ätiologischen (Ursache) multifaktoriellen Gründe
Welche biologischen Ursachen haben Störungen im Sozialverhaltens auf sich?
Genetische Vererbbarkeit von Merkmalen, die aggressives Verhalten begünstigen
↳ z.B. ungünstiges Temperament, Impulsivität etc.
Beteiligte Neurotransmitter:
Serotonin
Dopamin
GABA
Acetylcholin
Glutamat
Noradrenalin
Auffällige neuronal Aktivierung im limbischen System o. orbitofrontalen Kortex
↳ selten auch kortikale Läsionen
Mütterlicher Substanzkonsum in der Schwangerschaft
➜ Folgen:
Empathiedefizit,
unzureichende Gewissensbildung,
kognitive Verzerrungen,
Attributionsfehler
Welche soziale Ursachen haben Störungen im Sozialverhaltens auf sich?
Familie:
Ablehnender oder/und inkonsistenter Erziehungsstil
↳ mal harte Strafen (androhend/anwendend)
↳ mal gewährend
Fehlende Wärme, Akzeptanz & Unterstützung (→ schlechte Bindung)
Antisoziales Verhalten o. psychische Erkrankung der Eltern
Elterliche Streitigkeiten, Broken-home-Situation
Armut, Benachteiligung, Zugang zu Waffen
Körperliche oder sexuelle Misshandlung
Dissoziale Peergroup
Situativ:
Frustration,
Stressoren,
Alkohol-/Drogenkonsum
Ätiologie (Ursache) im Überblick
Wie läuft die Anamnese in der Diagnostik bei Kindern, mit auffäligem Sozialverhalten, ab?
Anamnese:
ein getrenntes & gemeinsames Gespräch mit Eltern und Kind findet statt über:
die Momentane Symptomatik, die Beziehungen des Kindes, das Selbstbild, die Erziehungskompetenzen der Eltern, die soziale Integration der Familie etc.
die Entwicklungsgeschichte (früher vs. später Beginn!), Entstehungsbedingungen
Auslöser für aggressives Verhalten, Schuld/Reue?, Impulskontrolle?
Alternative Handlungsstrategien, familiäre Ressourcen, Stärken des Patienten
Welche Diagnostiken bei Kindern, mit auffäligem Sozialverhalten, werden noch durchgeführt?
Fragebogenverfahren
eine standardisierte Erfassung der Auffälligkeiten in verschiedenen Kontexten findet statt
Ggf. Leistungs- und Intelligenzdiagnostik
Erkennung von schulischer Über-/Unterforderung als Gründe
Ggf. körperliche Untersuchung
insbesondere bei Verdacht auf
körperliche Misshandlung,
Substanzkonsum,
verursachende Erkrankungen
Welche multimodalen Therapiestrategien kommen bei Kindern mit Störungen im Sozialverhalten zum tragen?
Die Therapien sind Kind-, Eltern- und Umgebungszentriert & langfristig
Verhaltenstherapie
soziales Kompetenztraining,
Erlernen alternativer Problemlösestrategien,
Impulskontrolle etc.
Pharmakotherapie
kein eindeutig zugelassenes Medikament, ggf. ergänzend zur Reduktion impulsiv-aggressiver Verhaltensweisen (z.B. Stimmungsstabilisierer)
Einbeziehung sozialer Dienste
Erziehungsberatung,
Familienhilfe,
außerfamiliäre Betreuung/Unterbringung
Ggf. Teilnahme an
Teamsportarten,
Antiaggressionstraining,
Deeskalationstraining
Therapie komorbider Störungen
Welche Präventionsmaßnahmen kommen in Frage um Störungen im Sozialverhalten bei Kindern vorzubeugen?
Die Aufklärung von Schwangeren über die Folgen von Substanzkonsum auf ihr Unbegorenes
Stärkung von Erziehungskompetenzen
Beratung von Familien mit (frühen) Erziehungsschwierigkeiten
↳ Gerader die Teilnahme betroffener Eltern ist eher schwierig!
Adäquate Behandlung einer bestehenden hyperkinetischen Störung
Fall Jan?
Wie sieht die Aggressionsbereitschaft der Schüler in unterschiedlichen Schularten aus?
Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
Die Zunahme der Gewaltbereitschaft lässt sich nicht sicher belegen
Das Maß an Aggression ist sehr unterschiedlich in verschiedenen Schulen & Schulformen
Wie unterscheiden sich die Häufigkeiten der einzelnen Aggressionsformen bei Mädchen und Jungen?
eher direkt & körperlich
eher indirekt & verbal
Wie lautet die Definition von Bullying?
“Negative Handlungen (von einer Person oder mehreren Personen) die gegen eine Person gerichtet sind und die sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer bestimmen”
Wiederholte, systematische aggressive Attacken verschiedener Formen
Ungleiches, asymetrisches Kräfte- bzw. Machtverhältnis
Welche 3 Arten von Bullying unterscheidet man?
physisches Bullying
↳ fast ausschließlich von Jungen ausgeübt
verbales Bullying
relationales Bullying
↳ rufschädigendes Verhalten dem Opfer gegenüber (z.B. Gerüchte o. Verleumdungen)
Cyberbullying
➙ Können alleine oder als Mischform ausgeübt werden
Wie kommt es zu Bullying?
Systeme mit hierarchischen Strukturen (Schule, Militär..) sind sehr anfällig
Wenn eine Gruppe neu zusammengesetzt wird
↳ z.B. Zu- oder Weggang eines Kindes
Das Klassenklima nicht stimmt
Konflikte innerhalb der Klasse
Bully in einer Klasse → Umgangston & Spiele werden gröber → Geeignetes “Opfer” wird gefunden → …
Verletzung von Normen wird toleriert/bleibt ohne Folgen
Wie sieht die Prävalenz (Gesamtzahl) von Bullying aus?
Grundschule:
Opfer: hohe Prävalenz (15 - 35%) → keine Stabilität der Opferrolle
Täter: 7 - 12%
Weiterführende Schule:
Opfer: niedrigere Prävalenz (5-16%) → Stabilität der Opferrolle wegen stabilem sozialen Netzwerk höher
Täter: 10%
Wie lässt sich die Opferrolle beschreiben?
Rollenkonsistenz → abweichendes Verhalten ändert die Wahrnehmung anderer nicht mehr → führt zur Hilflosigkeit
Der Großteil fürchtet sich, zu Eltern o. Lehrkräften zu gehen
↳ sie spielen die Situation hinunter
Vermehrtes Fehlen, Leistungsabfall in der Schule
Fehlen persönlicher Gegenstände
Verhaltensänderung, plötzliche Verschlossenheit, Rückzug
Einsamkeit, Verzweiflung & Depression
Wie kann aggressives Verhalten und Bullying innerhalb des Schulethos präventiv vorgebeugt werden?
Welche Interventionen sind sinnvoll?
Ein Bewusstsein dafür schaffen, dass aggressives Verhalten nicht geduldet wird
(Wenige) klare Regeln → alle setzen sie konsequent um
Einbezug der Schüler bei der Planung & Umsetzung der Maßnahmen
Lehrer handeln als Vorbilder & informieren sich gegenseitig
Wie kann aggressives Verhalten und Bullying innerhalb der Schulgestaltung/-organisation präventiv vorgebeugt werden?
Die Umgestaltung des Schulhofs:
↳ Platz für Beschäftigungen (Sport, Gespräche)
Wohnliche Atmosphäre der Schule/Räume
Verbesserung der Aufsicht - Überwachung von Hotspots
Aufmerksame Beobachtung von ehemaligen Beteiligten sowie einsamen/isolierten Schülern
Anti-Mobbing-Beauftragte
Wie kann aggressives Verhalten und Bullying innerhalb der Unterrichtsgestaltung präventiv vorgebeugt werden?
Gruppenbasierte Lernformen einsetzen
Gute Beziehungen zu Schülern aufbauen
Operante Ansätze
Verhaltensverträge & Token
systematische Erfassung von Lernfortschritten
Übergabe verantwortungsvoller Tätigkeiten
Modelllernen
z.B. Lehrer → Schüler
Kognitive Methoden
Wecken von Einsicht
↳ Schüler zur Perspektivenübernahme auffordern
Was ist ein sehr einflussreiches Modell der Beschreibung von aggressivem Verhalten bei Kindern und Jugendlichen?
Dodge & Crick (1994): Das SIP-Modell (social information processing model)
Es unterscheidet 6 Phasen der sozialen Informationsverarbeitung
↳ diese werden durchlaufen, bevor auf eine soziale Situation reagiert wird
Aggressive Kinder zeigen in allen Phasen spezifische Tendenzen
↳ machen aggressives o. feindseliges Verhalten wahrscheinlicher
In allen Phasen kommt es zu einer Rückkopplung mit den zurückliegenden Erfahrungen des Kindes, die es in seinem Gedächtnis abgespeichert hat
Aus den eigenen Erfahrungen generierte und abgspeicherte Schemata & Skripte beeinflussen, wie neue Hinweisreize wahrgenommen & interpretiert werden und welche Reaktionsmöglichkeiten dem Kind in den sinn kommen
Aggressive und / oder abgelehnte Kinder zeigen spezifische Wahrnehmungs-, Interpretations- und Reaktionsroutinen
Was passiert in der 1. Phase des SIP-Modells?
1. Die Enkodierung der Hinweisreize:
Aggressive Kinder weisen eine selektive Wahrnehmung auf
Sie lenken ihre Aufmerksamkeit vor allem auf solche Aspekte einer sozialen Situation, die sich als feindselig o. negativ deuten lassen
z.B. “Lukas stürzt auf mich zu und kippt mir seinen Saft über die Hose”
Aspekte die freundlich o. allgemein positiv sind, werden weniger wahrscheinlich wahrgenommen & enkodiert
z.B. “Lukas nähert sich mir lächelnd mit seinem Saftglas in der Hand, mit den Worten, Du, ich muss dir was erzählen”
Was passiert in der 2. Phase des SIP-Modells?
2. Interpretation der Hinweisreize:
Kinder mit einer aggressiven “Voreinstellung” gelangen mit größerer Wahrscheinlichkeit zu Interpretationen, die die Situation als feindselig & negativ erscheinen lassen
Dies kann z.B. durch bestimmte Attributionen der Handlungen & Absichten der anderen geschehen
z.B. “Lukas hat mir mit Absicht seinen Saft über die Hose gekippt”
Was passiert in der 3. Phase des SIP-Modells?
3. Klärung der eigenen Ziele:
Kind was den Saft abbekommen hat → wählt für die Situation ein bevorzugtes Ziel & verfolgt es
Ein Ziel was wahrscheinlich zur Eskalation führt:
z.B. “Ich will jetzt mal klarstellen, dass mir keiner ungestraft Saft überkippen darf”
Was steckt dahinten? → Wahrscheinlich das Ziel, die eigene Erregung & Anspannung “irgendwie” zu vermindern
Was passiert in der 4. Phase des SIP-Modells?
4. Zugang zu Reaktionen / Konstruktion von (neuen) Reaktionen:
Kind geht das Repertoire der ihm bekannten & möglichen Reaktionen durch, bevor es eine auswählt & ausführt
Aus wie vielen versch. möglichen Reaktionsweisen ein Kind auswählen kann,
wie diese möglichen Reaktionen im Einzelnen aussehen &
in welcher Reihenfolge dem Kind die möglichen Reaktionen in den Sinn kommen
→ ist für den weiteren Verlauf der Interaktion ganz entscheidend
Aggressiven Kindern fallen als Erstes feindselige & aggressive Reaktionen ein
a) weil positive Reaktionen gar nicht gelernt wurden
b) weil positive Reaktionen in der Vergangenheit keinen Erfolg zeigten
c) weil positive Reaktionen durch seltene Ausführung wenig zugänglich sind
Eine “typische” und damit hoch zugängliche Reaktion für ein aggressives Kind wäre z.B. “Lukas einen Kinnhaken zu verpassen”
Was passiert in der 5. Phase des SIP-Modells?
5. Entscheidung für eine Reaktion:
Für welche mögliche Reaktion sich ein Kind entscheidet, hängt von
a) seiner Bewertung dieser Reaktionen ab
z.B. “ist es in Ordnung jemanden zu schlagen?”
b) seinen Erwartungen, was nach der von ihm gezeigten Reaktion weiter passieren wird (Ergebniserwartungen)
c) der Einschätzung seiner eigenen Selbstwirksamkeit
ob sich das Kind in der Lage fühlt, die jeweilige Reaktion selbst erfolgreich durchzuführen
Was passiert in der 6. Phase des SIP-Modells?
6. Ausführung des Verhaltens
Das gewählte Verhalten wird ausgeführt
➙ Danach ist die soziale Interaktion noch nicht abgeschlossen
sie führt zur Bewertung & zu Reaktionen seitens der Peers, die als neue Hinweisreize die “1. Phase” einleiten
Das Modell der sozialen Informationsverarbeitung bei Kindern
Worauf fokussiert eine erweiterte Sicht auf Aggression im Klassenkontext?
Was betonen Lagerspetz, Björkqvist, Berts & King (1982)?
Auf Bullying als ein gruppendynamisches Geschehen
so gut wie alle Mitglieder der Klasse oder Schule sind auf die eine oder andere Art daran beteiligt
Lagerspetz, Björkqvist, Berts & King (1982):
Bullying unter Schulkindern ist ein kollektives Geschehen, das auf sozialen Beziehungen & Rollen basiert
Was erfasst die Participant Role Scale von Lagerspetz, Björkqvist, Österman & Kaukiainen (1996)?
Die verschiedenen Rollen dem am Bullying direkt o. indirekt Beteiligten
Die Rollen werden mit 50 Items erfasst
Ergebnis:
573 Sechstklässler untersucht
87% konnten eine der folgenden Rollen einnehmen
8% → aktiv, initiativ & anführend beim Bullying
12% → Opfer
7% Assistenten des Bully
20% Verstärker → sind dem Bully ein interessiertes Publikum (anstiften durch Anerkennung oder Lachen)
17% Verteidiger → unterstützen das Opfer
24% Außenstehende → beteiligen sich nicht an der Bullying Situation
Was ist der sogenannte Bystander-Effekt?
Personen schauen in Situationen, in denen jemand bedroht wird, lediglich zu
Der Effekt wird umso stärker, je mehr Bystander anwesend sind / dazu kommen
Das Gefühl, persönlich verantwortlich zu sein, nimmt ab
↳ Verantwortungsdiffusion
Das Nichteingreifen der anderen Anwesenden wird als Hinweis darauf gewertet, dass keine wirkliche Notsituation vorliegt
↳ pluralistische Ignoranz
Man möchte sich als einzig Eingreifender nicht blamieren
Was kann das Bullying noch für eine Funktion haben?
Die Festlegung & Stabilisierung von Hirarchien innerhalb der Gruppe
Jungen nach Übergang von Grundschule in die Weiterführende Schule
↳ zeigen in neuen Klasse zunächst mehr Bullying
↳ geht gegen Ende des Schuljahres zurück
Im Verlauf des Jahres etablieren sich Dominanzstrukturen
Können Bullys über ausgeprägte Fähigkeiten im sozialen Bereich verfügen?
Ja
Gerade indirekte & relationale Aggressionen können nur dann zum Erfolg führen, wenn ein Großteil des sozialen Umfeldes so manipuliert wird, dass es dabei mitmacht
z.B. Gerüchte glaubt & weiter verbreitet, Personen ausschließt, etc.
Zur Initiierung & Steuerung eines solchen Prozesses ist ein erhebliches Maß an sozialen Kompetenzen nötig
Wie sieht eine Prävention als verhaltenstherapeutische Intervention bei aggressiven Verhalten und Bullying von Kindern und Jugendlichen aus?
setzen an den spezifischen Defiziten aggressiver Kinder & Jugendlichen an
Beziehen sich auf die Grundlagen des SIP-Models
Die für aggressive Kinder typischen “Fehler” in den einzelnen Phasen der sozialen Informationsverarbeitung werden in Trainings gezielt bearbeitet
die Selbst- und Fremdwahrnehmung wird geschult
neue Problemsichtweisen werden vermittelt
neue Reaktionen in Rollenspielen werden umgesetzt & geübt
Gewaltfreie Selsbtbehauptung wie Einfühlungsvermögen & kooperatives Verhalten werden eingeübt
Übungen werden durch eine bildgeleitete Kurzentspannung eingeleitet
↳ um motorische Unruhe der Kinder zu lindern
Wie läuft das Bullying Prevention Programm von Dan Olweus ab?
Es setzt an allen 3 am Bullying beteiligten Ebenen an
Schulebene
Klassenebene
Individualebene
Wichtig: Anfängliche Erhebung des tatsächlichen Auftretens von Bullying um
↳ Beweusstsein für das Problem zu schaffen &
↳ dem oft praktiziertem Wegsehen & Ignorieren (gerade auf Seiten der Lehrer & Eltern) entgegenzuwirken
Etablierung sozialer Normen
Klare Regeln zur Gewaltvermeidung & zur Bestrafung bei Verstößen
Stärkung der Klassengemeinschaft
z.B. Einsatz kooperativer Lernformen
Welchen Ansatz verfolgt das US-amerikanische Programm “Steps to Respect”?
Die gesamte Schule wird als Rahmen der Anti-Bullying Strategien gesetzt
Das gesamte Kollegium wird fortgebildet
bringt anschließend den Schülern (12 - 14 Wochen) bei,
wie sie Bullying erkennen, verhindern und melden sollen
wie sie sich selbst sozial kompetent verhalten & Freundschaften knüpfen können
Konzentriert sich auf die Rolle des Bystanders
Bystandern wird ein gesteigertes Verantwortungsgefühl & klare Umgangsregeln für Situationen vermittelt
Welchen Ansatz vertritt das Programm “Fairplayer” zur Förderung von sozialen Kompetenzen & Zivilcourage in der Schule und zur Prävention von Bullying?
Setzt explizit an der ganzen Schulklasse an
Wird in 14-16 Schuldoppelstunden von Lehrkräften durchgeführt
Haben zuvor an Lehrerfortbildung teilgenommen
Strukturierte Rollenspiele & moralische Dilemma-Diskussionen werden durchgeführt
Es wird mit Modelllernen, Verstärkung & Verhaltensrückmeldung gearbeitet
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