Wann ist nach der herrschenden Äquivalenztheorie eine Handlung kausal für einen Erfolg?
Wenn die Handlung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele, die Handlung also eine von den gleichwertigen, aber unverzichtbaren Bedingungen ist, ohne die der Erfolg nicht eingetreten wäre (csqn-Formel)
Was ist ,,kumulative Kausaltität?
Wenn mehrere unabhängig voneinander vorgenommene Handlungen, die - isoliert betrachtet - nicht in der Lage waren, den Erfolg herbeizuführen, erst im Zusammenwirken den Erfolg herbeigeführt haben. Hier ist jede Handlung kausal.
Was ist Doppelkausalität?
Wenn mehrere unabhängig voneinander vorgenommene Handlungen gleichzeitig den gleichen Erfolg herbeigeführt haben, jede der Handlungen aber bereits für sich allein zur Erfolgsherbeiführung ausgereicht hätte. Hier gilt: Von mehreren Handlungen, die zwar alternativ (jede für sich), nicht aber kumulativ (beide zusammen) hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele, ist jede Handlung kausal für den Erfolg.
WICHTIG: DURCH DIE VERSCHIEDENEN HANDLUNGEN MUSS VÖLLIG GLEICHZEITIG DER GLEICHE ERFOLG HERBEIGEFÜHRT WERDEN. WENN DIES NICHT SICHER FESTSTELLBAR IST, MUSS ZUGUNSTEN JEDES BETEILIGTEN ANGENOMMEN WERDEN, DASS ERFOLG VEREITS VORHER DURCH DIE HANDLUNG DES ANDEREN HERBEIGEFÜHRT WURDE
Wann ist ein Abbruch der Kausalkette gegeben?
Vom Abbruch der Kausalkette spricht man nur dann, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung einer früheren Ursachenkette beseitigt und nunmehr allein - unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe - den Erfolg herbeiführt. Aus der Sicht der neuen Ursachenreihe wird hier auch von überholender Kausalität gesprochen.
Wie wird in der Literatur versucht, die Äquivalenztheorie einzuschränken bzw zu korrigieren?
Über das Kriterium der objektiven Zurechnung schon im objektiven Tatbestand
Wie unterscheidet sich nach hL die Prüfung des Kausalzusammenhangs von der Prüfung des objektiven Zurechnungszusammenhangs?
Während bei der Kausalität ein Bedingungszusammenhang als Mindestverknüpfung zwischen Handlung und Erfolg geprüft wird, wird beim Zurechnungszusammenhang normativ bewertet, ob sich der Erfolg als das „Werk des Täters* darstellt. Zurechenbar ist ein durch menschliches Verhalten verursachter Erfolg dann, wenn dieses Verhalten ein rechtlich missbilligtes Risiko eines Erfolgseintritts geschaffen und sich dieses Risiko bei wertender Betrachtung im konkret eingetretenen Erfolg (noch mit-) verwirklicht hat.
Bei welcher Fallkonstellation verneint die hL im Ergebnis den objektiven Zurechnungszusammenhang?
• Erfolgseintritt liegt außerhalb des menschlichen Beherrschungsvermögens (Prinzip der Steuerbarkeit)
• erfolgsverursachendes Verhalten ist ausschließlich risikoverringernd bzw. bewegt sich noch im Rahmen des erlaubten Risikos
• atypischer Geschehensablauf zwischen Handlung und Erfolg (Adäquanztheorie)
• Erfolg liegt außerhalb des Schutzbereichs der verletzten Verhaltensnorm;
• zwischen Ersthandlung und Ertolg tritt Zweithandlung des Opfers, eines Dritten oder des Täters selbst, die nicht gem. §§ 25 ff. zugerechnet werden kann und voll verantwortlich eine neue eigenständige Gefahr schafft. (Verantwortungsprinzip)
Wie wird nach BGH Rspr. die zu weite Äquivalenztheorie beim Vorsatzdelikt eingeschränkt?
Über die Rechtsfigur des vorsatzausschließenden Irrtums über den Kausalverlauf. Dieser Tatbestandsirrtum iSd § 16 I 1 setzt voraus, dass der tatsächliche Kausalverlauf von dem vom Täter vorgestellten Kausalverlauf wesentlich abweicht. Eine wesentliche Abweichung kann dabei allerdings solange noch nicht angenommen werden, wie sich die Abweichung noch im Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt.
Wie lautet die Vorsatzdefinition?
Wissen (= intellektuelles Moment) und Wollen (= voluntatives Element) der objektiven Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören (= Bezugspunkt)
was ist der maßgebende Zeitpunkt für das Vorliegen des Tatbestandsvorsatzes?
Gem. § 16 I 1 iVm § 8 S. 1 muss der Vorsatz zeitgleich (simultan) mit der erfolgsverursachenden Handlung bzw. Unterlassung vorliegen. Auf den Zeitpunkt des Erfolgseintritts kommt es hingegen gem. § 8 S. 2 nicht an. Mit Blick auf §§ 22, 24 wird deutlich, dass genau genommen der Versuchsbeginn gemeint sein muss. Denn schon beim „unmittelbaren Ansetzen" iSd § 22 muss der Täter eine „Vorstellung* von der Tat haben. Umgekehrt zeigt § 24, dass allein der Wegfall des Vorsatzes nach Versuchsbeginn nicht zur Strafbefreiung führt
Wann liegt Vorsatz in Form von Absicht vor?
Bei der Absicht (dolus directus 1. Grades) ist die Tatbestandsverwirklichung das Ziel des Täters; er hat also zielgerichteten Erfolgswillen, d h. ihm kommt es gerade auf die Tatbestandsverwirklichung an. Die Tatbestandsverwirklichung muss aber nicht das Endziel des Täters sein, es reicht, dass es sich um ein Zwischenziel handelt. Hier dominiert also das Willenselement. Das Wissenselement kann reduziert sein
Wann ist direkter Vorsatz gegeben?
Direkter Vorsat: (dolus directus 2. Grades): Hier sieht der Täter die Tatbestandsverwirklichung als notwendige und sichere Folge seines Verhaltens an. Ein solches sicheres Wissen zieht zwingend den Willen zur Tatbestandsverwirklichung nach sich. Hier dominiert also das Wissenselement.
Wann bejaht die hM bedingten Vorsatz?
Bedingter Vorsatz oder Eventualvorsatz: ist die schwächste Vorsatzform; sowohl das Wissens- als auch das Willenselement ist reduziert. Hier muss der Täter nach der herrschenden Einwilligungs- oder Billigungstheorie den Erfolgseintritt lediglich als möglich (also nicht als sicher) ansehen und ihn billigend in Kauf nehmen oder sich damit zumindest abfinden (also ihn nicht zielgerichtet anstreben).
Was ist unter einem Alternativvorsatz zu verstehen?
Alternativvorsatz ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der maßgeblichen Handlung nicht weiß, ob er von zwei sich gegenseitig ausschließenden Tatbeständen den einen oder anderen verwirklicht, jedoch beide Alternativen in Kauf nimmt.
Wie wird der Alternativvorsatz nach hM behandelt?
Der Täter wird nach hM wegen aller konstruktiv erfassbaren Delikte bestraft, dh falls kein Erfolg eingetreten ist wegen der verschiedenen Versuche in Idealkonkurrenz, falls einer der Erfolge eingetreten ist, grds. wegen des vollendeten Delikts in Idealkonkurrenz mit dem Versuch
Welches (P) verbigt sich hinter ,,dolus generalis”
Das „dolus generalis* - Problem betrifft die Fälle, in denen der Erfolg vermeintlich durch eine vorangehende vorsätzliche, in Wirklichkeit aber erst durch eine nachträgliche unvorsätzliche Handlung des Täters eintritt (z.B. „Jauchgrubenfall*).
Wie löst die hM das (P) des dolus generalis?
Nach heute hM (sog. „Vollendungslösung*) werden diese Fälle als Sonderfälle des Irrtums über den Kausalverlauf behandelt. Anknüpfungspunkt bildet nur die mit Vorsatz vorgenommene Ersthandlung. Dass der konkrete Erfolg entgegen der Täter-vorstellung erst durch die Zweithandlung (versehentlich) herbeigeführt wird, wird als Kausalabweichung behandelt, die, je nachdem, ob sie wesentlich ist oder nicht, den Vorsatz ausschließt oder unberührt lässt (abweichend die sog. „Versuchslösung**).
Kann auch ein Bewusstloser heimtückisch getötet werden?
Auch ein Bewusstloser kann heimtückisch getötet werden, wenn der Täter zum Zwecke der Tötung die Arglosigkeit eines schutzbereiten Dritten und daraus resultierende Schutzlosigkeit des bewusstlosen Opfers zum Zwecke der Tötung ausnutzt.
DEFINITION
Wann ist ein Erfolg objektiv zurechenbar?
Objektiver Zurechnungszusammenhang
objektiv zurechenbar ist ein durch menschliches Verhalten verursachter Erfolg dann,
wenn dieses Verhalten in rechtlich missbilligter Weise ein relevantes Schadensrisiko für das verletzte Rechtsgut geschaffen hat
und sich dieses Risiko dann bei wertender Betrachtung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm
auch im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat
-> Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg dann, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert.
Vorsatz
Wissen und Wollen der objektiven Umstände, die zum gesetzlichen TB gehören, im Zeitpunkt des Versuchsbeginns (arg.: §§ 8, 16, 22, 24)
Heimtücke
Arglos
Wehrlos
Heimtückisch tötet, wer in feindseliger Willensrichtung die infolge Arglosigkeit bestehende Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zum Zwecke der Tötung ausnutzt
(P) Bewusstlose Tötungsopfer
(P) Mitleidstötung: an der feindlichen Willensrichtung fehlt es bei Mitleidstötung (Mitleidsmotiv beseitigt die feindselige Willensrichtung nur dann, wenn es sich aus einer objektiv nachvollziehbaren Wertung des Täters ableitet, die der Vermeidung schwersten Leidens den Vorrang gibt)
Arglos ist, wer sich bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs keines erheblichen tätlichen Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit versieht
es kommt auf Arglosigkeit des späteren Tatopfers an
(P) kleine Kinder, Bewusstlose können keinen Arg hegen -> heimtückische Tötung zum Argwohn unfähiger Personen dennoch möglich, wenn Arg- und Wehrlosigkeit eines schutzbereiten Dritten ausgenutzt wird
(P) Schlafende - nehmen die Arglosigkeit mit in den Schlaf
Wehrlos ist das Opfer, dessen Abwehrmöglichkeiten infolge seiner Arglosigkeit erheblich eingeschränkt sind; nicht erforderlich ist, dass es schlechthin schutzunfähig ist.
niedriger Beweggrund
niedrig ist ein Tötungsbeweggrund nur, wenn er nach allgemein sittlicher Bewertung auf tiefster Stufe steht und deshalb so verachtenswert ist, dass man dafür keinerlei Verständnis aufbringen kann
Verhätnis Mord - Totschlag
hL.: STUFENVERHÄLTNIS (§ 212 Grund-TB, § 211 Quali)
BGH: §§ 211, 212 selbstdängige Delikte
Was besagt die EINHEITSTHEORIE
in einem Tötungsvorsatz liegt zwingend auch ein Körperverletzungsvorsatz, die die KV ein notwendiges Durchgangsstadium zur Tötung ist
körperliche Misshandlung
Gesundheitsschädigung
körperliche Misshandlung: ist eine üble, unangemessene Handlung, die zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens oder der körperlichen Unversehrtheit führt (Bsp. Prellungen, Wunden,…)
Gesundheitsschädigung: jedes Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften pathologischen Zustands
Ab hier LE 2
Welche Folgen hat es, wenn der Täter zwar objektiv gerechtfertigt ist, dies subjektiv aber gar nicht weiß?
Nach hM scheidet bei fehlender subjektiver Kenntnis der Rechtfertigungsvoraussetzungen eine Rechtfertigung aus,
Streitig ist aber, ob in diesem Fall wegen vollendeten Delikts oder nur wegen versuchten Delikts bzw. entsprechend den Versuchsregeln (hM) zu bestrafen ist
Was sind die Voraussetzungen einer Notwehrlage iSd § 32?
NOTWEHRLAGE -> objektive ex Post Betrachtung
1. Angriff, d h. jede Bedrohung geschützter Interessen durch menschliches Verhalten -> nach hM ist auch ein Angriff durch Unterlassen möglich, sofern eine Rechtspflicht iSd § 13 (Garantenpflicht) zur Verhinderung oder Beseitigung der bedrohlichen Situation besteht - es muss die reale Möglichkeit bestehen, durch Vornahme einer Handlung noch den Erfolg abzuwenden
HIER PRÜFEN, OB DER ANGREIFER SELBST GERECHTGERTIGT HANDELT
2. Gegenwärtig: Diese Phase beginnt mit einem Angreiferverhalten, das aus objektiver Sicht unmittelbar in die eigentliche Verletzungshandlung umzuschlagen droht. Diese Phase ist beendet, wenn der Angriff fehlgeschlagen, endgültig aufgegeben oder vollständig durchgeführt ist, so dass die Rechtsgutsverletzung durch Gegenwehr nicht mehr abgewendet werden kann.
3. Rechtswidrig: Nach hM ist der Angrift bereits rechtswidrig, wenn der Betroffene die drohende Rechtsgutsverletzung nicht zu dulden braucht (Erfolgsunwert). Nach aA ist maßgebend, dass das Angreiferverhalten im Widerspruch zur Rechtsordnung steht (Handlungsunwert). Jedenfalls entfällt ein rw Angriff, wenn der Angreifer seinerseits gerechtfertigt ist
NOTWEHRHANDLUNG
Verteidigungshandlung gegen RG des Angreifers
Erforderlichkeit (Geeignet, Notwendig) -> rein tatsächliche Betrachtung aus der objektiven ex ante Sicht
Gebotenheit (Ausschluss d. Notwehrrechts: krasses Missverhältnis, Absichtsprovokation / verhältnismäßige abgestufte Notwehr: erkennbar schuldlos Handelnder, persönliche Beziehung, sonst vorwerfbare Provokation (= Verhalten sozialethisch missbilligenswert, strafrechtswidrig, zwischen Verhalten und Angriff enger räumlicher Provokationszusammenhang, Angriff als adäquate voraussehbare Folge, subjektiver Provokationszuammenhang, Motivationsprobleme Zusammenhang)
SUBJEKTIVES RECHTFERTIGUNGSELEMENT
Kenntnis der objektiven Vss,
Verteidigungswille
Gibt es eine Drittwirkung der Notwehr?
Notwehr deckt grds, nur Eingriffe in die Rechtsgüter des Angreifers, nicht aber Eingriffe in die Rechtsgüter am Angriff unbeteiligter Dritter,
Eine Ausnahme soll nach einer Minderansicht aber dann gemacht werden, wenn der Angreifer Gegenstände Dritter zum oder beim Angriff benutzt.
Was unterscheidet nach hM die Erforderlichkeit von der Gebotenheit der Notwehr?
Wahrend bei der Erforderlichkeitsprüfung rein ratsächlich - also auch unabhängig von einer Güterabwägung - betrachtet wird, ob die Abwehrhandlung nach der „Kampflage" geeignet und notwendig war, den Angriff sofort und nachhaltig zu stoppen, wird bei der
Gebotenheitsprüfung wertend betrachtet, ob das Notwehrrecht insbesondere unter Beachtung der Missbrauchsgrundsätze und des Rechtsbewahrungsprinzips eingeschränkt oder ausgeschlossen war.
Inwiefern spielen bei der Beurteilung der Erforderlichkeit neben der Abwehrhandlung die Abwehrfolgen eine Rolle?
Unbeabsichtigte schwere Folgen, die sich aus der Gefährlichkeit der erforderlichen Abwehrhandlung ergeben, fallen allein in den Risikobereich des Angreifers, bleiben also bei der Erforderlichkeitsprüfung außer Ansatz.
In welchen Fällen ist nach hM Notwehr nicht oder doch zumindest nicht im vollen Umfang geboten iSd § 32 I?
Ausschluss bei
• Absichtsprovokation
• Abwehrprovokation (str.)
- krassem Missverhältnis zwischen Eingriffs- und Erhaltungsgut
• Verstoß gegen Fundamentalprinzipien, wie etwa Art. 11 GG;
Einschränkung bei
• sonst vorwerfbarer Provokation
• Angriff erkennbar schuldlos Handelnder;
• Angriff im Rahmen enger persönlicher Beziehungen
Kann man sich auch durch Notwehrprovokation strafbar machen, obwohl man in der späteren Notwehrsituation gerechtfertigt ist?
LERNEN
• Der BGH bejaht unabhängig von der sog. „actio illicita in causa" die Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeitsdelikts durch das Provokationsverhalten bei reinen Erfolgsverursachungsdelikten (z.B. §§ 222, 229), wenn der später Notwehrübende schon im Zeitpunkt der Provokation mit dem Entstehen der Notwehrsituation und den sich daraus entwickelnden Verletzungsfolgen rechnen musste
• Die wohl überwiegende Lit. lehnt das unter dem Aspekt der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Angreifers bzw. als Umgehung des abgestuften Notwehrrechts und der Grenzen des erlaubten Risikos des Angegriffenen ab
Wie ist das Verhältnis von § 34 StGB zu §§ 228 und 904 BGB?
§§ 228 und 904 BGB sind spezieller als § 34 StGB, wenn es um die Rechtfertigung einer Sacheinwirkung geht.
Wie unterscheiden sich § 228 und 904 BGB untereinander?
§ 228 BGB (Defensivnotstand) rechtfertigt die Einwirkung auf die Sache, von der die Gefahr ausgeht.
§ 904 BGB (Aggressivnotstand) rechtfertigt die Einwirkung auf eine an der Gefahrentstehung unbeteiligte Sache. Da auf eine gefahrverursachende Sache eher und intensiver eingewirkt werden darf, als auf eine an der Gefahrentstehung unbeteiligte, ist die Interessenabwägung des § 228 BGB wesentlich lockerer als die des § 904 BGB.
Wie wirkt sich die prinzipielle Unterscheidung zwischen Defensiv- und Aggressivnotstand im Rahmen des § 34 aus?
In der Situation des Defensivnotstands - Eingriffshandlung richtet sich gegen Rechtsgut des Gefahrenurhebers - ist nach hM auch im Rahmen des § 34 die Interessenabwägung nach der Regelung des § 228 BGB durchzuführen, während nur in der Situation des Aggressivnotstands - Eingriffshandlung richtet sich gegen Rechtsgut eines Unbeteiligten - die Interessenabwägung nach dem Wortlaut des § 34 StGB inhaltlich übereinstimmend mit § 904 BGB läuft.
Welche Bedeutung kommt der Angemessenheitsklausel (§ 34 S. 2) zu?
Nach hM kommt dem § 34 S. 2 ähnlich der Gebotenheitsklausel des § 32 I eine eigenständige Bedeutung zu. Es wird kontrolliert, ob eine Rechtfertigung mit elementaren Grundprinzipien (z. B. Autonomie- oder Rechtsstaatsprinzip) kollidiert.
Wie ist das Merkmal „auf frischer Tat betroffen" iSd § 127 1 1 StPO zu verstehen?
Teilweise wird darunter verstanden, dass eine tatsächlich begangene Straftat vorliegen muss.
Nach aA reicht, dass dringender Tatverdacht vorliegt.
Für erstgenannte Ansicht spricht der Vergleich des § 127 I mit § 127 Il iVm 112 I 1 StPO
Welche Eingriffe können durch § 127 I 1 StPO gerechtfertigt werden?
Grds. sind nur Eingriffe in die Fortbewegungsfreiheit gedeckt.
Darüber hinaus werden in einem gewissen Umfang Eingriffe in die körperliche Integrität erfasst, wenn sie über das mit der Festnahme notwendig verbundene Maß nicht hinausgehen oder lediglich ungewollte Auswirkungen einer an sich gedeckten Festnahmehandlung sind.
Schließlich sind auch Eingriffe in andere Rechtsgüter erlaubt, wenn sie ggü. der Festnahme weniger einschneidend sind (z.B. Wegnahme des Fluchtfahrrads).
Zu welchem Zweck darf Selbsthilfe iSd § 229 BGB geübt werden?
Der Zweck des Selbsthilferechts des § 229 BGB liegt nicht in der Ermöglichung der sofortigen Anspruchsdurchsetzung, sonder nur in der Anspruchssicherung, d.h. in der Vorbereitung des dinglichen oder persönlichen Arrests gem. §§ 916 ff. ZPO, falls die Zwangsvollstreckung in einen eigenen und durchsetzbaren Anspruch gefährdet und obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig erreichbar ist.
Voraussetzungen einer rechtfertigenden Einwilligung?
• Einwilligung muss überhaupt rechtlich zulässig sein
• Einwilligung muss vor der Tat erteilt worden sein und zur Tatzeit noch fortbestehen
• Einwilligung muss nach außen kundgegeben worden sein
• Der die Einwilligung erteilende Rechtsgutsträger muss einwilligungsfähig sein
• Einwilligung muss ernstlich und frei von Willensmängeln sein
• Bei Einwilligungen in Körperverletzungen darf die Tat trotz Einwilligung nicht sittenwidrig sein, § 228 (steht rechtfertigenden Einwilligung dann nicht entgegen, solange sich tätliche Auseinandersetzung nur auf einen Zweikampf mit körperlichen Mitteln beschränkt und in etwa ein Gleichgewicht der Kräfte herrscht)
• Täter muss subjektiv in Kenntnis und aufgrund der Einwilligung handeln.
Wann ist die Einwilligung in eine Rechtsgutsverletzung unzulässig?
Wenn der Einwilligende über das verletzte Rechtsgut nicht verfügen kann.
An der Verfügungsbefugnis fehlt es hinsichtlich Rechtsgütern der Allgemeinheit (z.B. Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs bei SS 315b ff.; Lauterkeit des öffentlichen Dienstes bei §§ 332 ff. usw.) und - wie § 216 zeigt - beim Individualrechtsgut Leben.
Welche Voraussetzungen werden für die Einwilligungsfähigkeit verlangt?
Grds, wird nur die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit vorausgesetzt, die auch bei minderjährigen Jugendlichen schon vorhanden sein kann, je nach individuellem Reifegrad.
Wie beurteilt die heute hM die Sittenwidrigkeit der Tat iSd § 228?
Die heute hM vertritt hier die sog. „Rechtsgutslösung". Danach beurteilt sich die Sittenwidrigkeit der Körperverletzung grds. nach Art und Gewicht des ex ante drohenden Körperverletzungserfolgs und dem Grad der damit verbundenen weiteren Leibes- oder Lebensgefahr.
Die lange Zeit verwendete Formel vom Anstandsgefühl der billig und gerecht Denkenden bzw. die Orientierung an allgemein gültigen moralischen Maßstäben wird überwiegend nicht mehr herangezogen, da zu unbestimmt
Wie prüft man § 228 BGB
I. Objektive Vss.
Konfliktlage (gegenwärtige Gefahr durch Sache, auf die eingewirkt wird)
Rechtfertigbare Eingriffshandlung (Beschädigung / Zerstörung der Sache, von der Gefahr ausgeht)
Begrenzung der Eingriffsbefugnisse (Erforderlichkeit, Interessenabwägung = Eingriffsgut und Erhaltungsgut, Angemessenheit)
I. Subjektive Vss.
Subjektives Rechtfertigungselement (mindestens in Form der Kenntnis)
Wie prüft man § 904 BGB
objektive Vss.
Konfliktlage (gegenwärtige Gefahr)
Rechtfertigbare Eingriffshandlung (Einwirkung auf eine Sache, von der Gefahr nicht ausgeht)
Begrenzung der Eingriffsbefugnis (Notwendigkeit, Interessenabwägung, Angemessenheit)
subjektive Vss.
Subjektives Rechtfertigungselement
Wann entfällt die Rechtswidrigkeit eines Angriffs
Wenn der Angreifer seinerseits einen Rechtfertigungsgrund auf seiner Seite hat, der ihm die Befugnis zum Angriff auf das betroffene Rechtsgut gibt
Sind bedrohte privatrechtliche Forderungen notwehrfähig?
eA: relative Güter (= Forderungsrechte) nicht wehrfähig
aA: § 229 Notwehrersatzfunktion ist verdrängte Spezialregelung zu § 32
Stellungnahme: § 32 bei Angriffen auf privatrechtliche Forderungen nicht anzuwenden, es droht sonst Umgehung der engen Vss des Selbsthilferechts
Definition Erlaubnistatbestandsirrtum - Einordnung
Definition Erlaubnisirrtum - nenne die Unterfälle und Einordnung
ERLAUBNISTATBESTANDSIRRTUM
In der Situation des Erlaubnistatbestandsirrtums stellt sich jemand irrig tatsächliche Umstände vor, welche, lägen sie tatsächlich vor, seine Handlung rechtfertigen würden
Wird unter § 16 StGB eingeordnet - Strafbarkeit wegen Vorsatzes entfällt, ohne dass es auf eine Vermeidbarkeitsprüfung ankommt
ERLAUBNISIRRTUM
Täter irrt über die rechtlichen Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes - ErlaubnisGRENZirrtum
Täter nimmt Rechtfertifgungsgrund für sich in Anspruch, welchen die Rechtsordnung nicht kennt - ErlaubnisNORMirrtum
§ 17 StGB
Beim Erlaubnistatbestandsirrtum - wie ist § 16 I 1 StGB anzuwenden?
Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen: lässt Tatbestandsvorsatz gem. § 16 I 1 entfallen
eingeschränkte Schuldtheorie in der rechtsGRUNDverweisenden Variante: auf der Rechtswidrigkeitsebene entfällt das Vorsatzunrecht § 16 I 1 analog
eingeschränkte Schuldtheorie in der rechtsFOLGENverweisenden Variante: auf der Schuldebene entfällt die Vorsatzschuld § 16 I 1 analog
-> alle Meinungen einig, dass der Täter nicht über § 16 I 1 (analog) wegen einer Vorsatztat bestraft werden kann - sondern wegen einer Fahrlässigkeitstat gem. § 16 I 2 (analog)
AB HIER LE 3
Was ist der Unterschied zwischen einem echten und einem unechten Unterlassungsdelikt?
Echte Unterlassungsdelikte sind in eigenen Tatbeständen geregelte Nichttätigkeitsdelikte (z.B. §§138, 142 I,323c 1). § 13 gilt hier nicht.
Unechte Unterlassungsdelikte können grundsätzlich alle Erfolgsdelikte sein (§ 223, 212, 303 usw.), wenn die Gleichstellungsvoraussetzungen des § 13 I (Garantenstellung, Entsprechensklausel) vorliegen.
Schema: vorsätzliches unechtes Unterlassungsdelikt
A. Tatbestandsmäßigkeit
I. Objektiver TB
Äußere Unterlassungsmerkmale (Eintritt des tb Erfolgs)
Unterlassen der zur Erfolgsabwendung gebotenen Handlung (Abgrenzung vom Tun)
Physisch reale Handlungsmöglichkeit
Hypothetische Kausalität
Garantenstellung
Zurechnungszusammenhang
Entsprechensklausel § 13 I (nur bei Delikten mit besonderer Handlungsbeschreibung)
II. Subjektiver TB
Tatbestandsvorsatz -> auch hinsichtlich Garantenstellung
sonstige subj. TBM
B. RWK
I. Grundsätzlich gegeben
II. Entfällt beim Eingreifen von Rechtfertigungsgründen -> Besonderheit rechtfertigende Pflichtenkollision
C. Schuld
-> Gebotsirrtum § 17 -> Garantenpflicht
-> Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens
Wonach beurteilt sich nach hM bei mehrdeutigem Verhalten, ob der strafrechtliche Anknüpfungspunkt beim Tun oder Unterlassen liegt?
Nach hM ist bei mehrdeutigem Verhalten der strafrechtliche Anknüpfungspunkt danach zu wählen, wo bei normativer Betrachtung unter Berücksichtigung des sozialen Handlungssinns im Hinblick auf den eingetretenen Erfolg der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt. Hierbei kann ein erfolgskausaler Energieeinsatz zumindest als Indiz für den Schwerpunkt beim aktiven Tun gewertet werden
Wo liegt der strafrechtliche Anknüpfungspunkt (Tun oder Unterlassen), wenn der Täter eigene Rettungsbemühungen abbricht?
Der Anknüpfungspunkt ist im Unterlassen zu sehen, wenn der Täter abbricht, bevor die Rettungshandlung das Tatobjekt erreicht und ihm eine realisierbare Rettungsmöglichkeit eröffnet hat. Ein Abbruch der bereits „auf Erfolgskurs" liegenden Rettungshandlung nach diesem Zeitpunkt ist hingegen nach hM grds. als aktives Tun zu bewerten. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, werden heute weitgehend Einschränkungen insbes. über das Kriterium der Risikosteigerung gefordert.
Wo liegt der strafrechtliche Anknüpfungspunkt, wenn der Täter Rettungsbemühungen eines anderen verhindert?
Nach hM ist hier an das aktive Tun anzuknüpfen. Denn es kann im Hinblick auf die Verhaltensqualität keinen Unterschied machen, ob der Täter auf ein sachliches Rettungsmittel einwirkt und dadurch dem Opfer eine Rettungsmöglichkeit nimmt oder ob der Täter auf eine rettungswillige Person einwirkt. Eine weitere Frage ist dann aber noch die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Dies wird über den Gedanken des § 25 I Alt. 2 entschieden, je nachdem, ob die Einwirkung mit Mitteln der mittelbaren Täterschaft (Täuschung, Zwang) geschieht oder mit sonstigen Mitteln
Wo liegt nach bisher hM der Anknüpfungspunkt, wenn der Täter eine aussichtslose Rettung durch Abschalten lebenserhaltender Apparaturen abbricht?
Bei Abschalten durch behandelnden Arzt im Unterlassen der Weiterbehandlung, da das Abschalten des Reanimationsgeräts hier bei Aussichtslosigkeit einer Rettung nach sozialem Handlungssinn dem Unterlassen weiterer eigener Rettungsbemühungen entspricht in einer Phase, in der keine realistische Rettungsmöglichkeit für das Opfer (mehr) besteht (str.).
Bei Abschalten durch Dritte im aktiven Abschalten, da dies jetzt als Eingriff in fremde Rettungsbemühungen zu sehen ist.
Im Urteil des BGH zum Behandlungsabbruch, ist diese Abgrenzung allerdings kürzlich als „Kunstgriff* abgelehnt worden.
Wann fehlt dem Täter die physisch reale Möglichkeit zur Vornahme der gebotenen Handlung?
Wenn der Täter infolge allg. oder individueller Handlungsunfähigkeit, wegen fehlender räumlicher Nähe bzw. wegen fehlender Hilfsmittel aus Sicht eines objektiv Urteilenden zur Vornahme der gebotenen Handlung nicht in der Lage ist.
Wann ist ein Unterlassen kausal für einen Erfols?
Wenn die Vornahme der gebotenen Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der (konkrete) schädliche Erfolg entfallen wäre (umgekehrte conditio sine qua non - Formel).
Wie unterscheiden sich Beschützergarantenpflichten und Überwachungsgarantenpflichten grundlegend?
Eine Beschützergarantenpflicht verpflichtet zum Schutz eines bestimmten Rechtsguts vor unbestimmt vielen Gefahren (Pflicht zum Rundumschutz).
Eine Überwachungsgarantenpflicht verpflichtet zur Überwachung einer bestimmten Gefahrenquelle zum Schutz unbestimmt vieler Rechtsgüter (Pflicht zur Rundumüberwachung).
Welche Umstände begründen eine Beschützergarantenpflicht?
Gesetz
natürliche Verbundenheit
durch enge Vertrauensbeziehung geprägte Gemeinschaftsverhältnisse, insbes. sog. Gefahrengemeinschaften
tatsächliche (Gewährs-) Übernahme von Schutzpflichten
Stellung als Amtsträger
Wie lange besteht eigentlich die Beschützergarantenpflicht unter Ehegatten, etwa bis der Richter oder der Tod sie scheidet?
Nach neuerer Rspr. des BGH endet die strafrechtliche Garantenpflicht unter Eheleuten auch schon vor formaler Auflösung der Ehe, wenn die Voraussetzungen für ein Scheitern der Ehe nach den §§ 1353 Abs. 2 iVm 1565 Abs. 1 BGB vorliegen. Entscheidend ist also, dass sich ein Ehegatte tatsächlich vom anderen in der ernsthaften Absicht iSv § 1567 BGB getrennt hat, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder herzustellen. In der Lit. wird zusätzlich verlangt, dass die endgültige Trennungsabsicht dem anderen Ehegatten auch erkennbar ist.
Welche Umstände begründen eine Überwachungsgarantenpflicht?
Ingerenz, d.h. pflichtwidriges (hM) Schaffen einer schadensnahen Gefahrenlage
Verantwortung für sachliche Gefahrenquellen (bei Hauseigentümer, Tierhalter, Anlagenbetreiber, Veranstalter gefährlicher Events usw.) bzw. für zu beaufsichtigende Personen (bei Erziehungsberechtigte, Lehrer usw.)
Organisationsmacht (sog. Geschäftsherrenhaftung")
Kann die tatsächliche Übernahme der allgemeinen Hilfeleistungspflicht iSd § 323c Abs. 1 ein garantenpflichtbegründender Umstand sein?
Nur ausnahmsweise ist das Entstehen einer Garantenpflicht aus tatsächlicher Übernahme der allg. Hilfeleistungspflicht anzunehmen, wenn bei Hilfeleistung durch den Täter sich die Gefahr für das Opfer deswegen vergrößert, weil mit Rücksicht auf die Übernahme andere Schutzvorkehrungen unterbleiben bzw. wenn der Täter das Heft des Handelns gewissermaßen exklusiv in die Hand nimmt und so den weiteren Geschehensablauf unter Ausschluss anderer steuert.
Begründet die berufliche Stellung des Arztes für sich eine Garantenpflicht?
Für einen Arzt entstehen besondere Schutzpflichten, wenn er die Behandlung eines Patienten tatsächlich übernimmt bzw. wenn er eine ärztliche Stellung übernimmt, die ihm die Verantwortung für einen bestimmten Personenkreis auferlegt, wie z.B. beim Bereitschaftsarzt während des Dienstes.
Darüber hinaus kann aber allein aus der beruflichen Stellung des Arztes bzw. aus seiner Standespflicht keine über die allgemeine Hilfeleistungspflicht iSd § 323c I hinausgehende besondere Schutzpflicht anerkannt werden, da auch dem Arzt eine „sonderpflichtenfreie Privatsphäre" bleiben muss.
Inwieweit begründet die Stellung als Amtsträger eine Garantenpflicht?
Eine Garantenpflicht besteht nur insoweit, als eine verwaltungsrechtliche Pflicht gleichen Inhalts existiert. Sie ist beschränkt auf die Erfolgsabwendung mit verwaltungsrechtlichen Mitteln und trifft grds. nur den im Dienst befindlichen Amtsträger. Dogmatisch handelt es sich im Grunde um einen Unterfall der tatsächlichen Pflichtenübernahme.
Welche Bedeutung kommt der Entsprechensklausel des § 13 a. E. zu?
Nach hM muss die Entsprechensklausel nicht bei reinen Erfolgsverursachungsdelikten geprüft werden, sondern nur bei sog. verhaltensgebundenen Delikten, die eine bestimmte Handlungsmodalität voraussetzen (z.B. „täuschen" bei § 263).
Worin liegt der Unterschied zwischen einem Irrtum über die Garantenstellung und über die Garantenpflicht?
Ersteres liegt vor, wenn der Täter sich über die tatsächlichen Umstände, die die Garantenpflicht auslösen, irrt (= Tatbestandsirrtum gem. § 16 I 1),
letzteres, wenn der Täter bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände über die Garantenpflicht als solche irrt (= Gebotsirrtum gem. § 17).
Was sind die Voraussetzungen einer rechtfertigenden Pflichtenkollision?
Kollision zweier oder mehrerer (rechtlicher) Handlungspflichten, die in der konkreten Situation nur alternativ, nicht aber kumulativ erfüllbar sind
Bei Gleichwertigkeit der kollidierenden Pflichten: Täter kommt einer Handlungspflicht auf Kosten der anderen nach, gleichgültig welcher; bei Ungleichwertigkeit der kollidierenden Pflichten: Täter kommt der höherwertigen Handlungspflicht nach;
Subjektives Element: Täter handelt in Kenntnis der gegebenen Kollisionslage und mit Rettungswillen.
Wann ist dem Täter normgemäßes Verhalten unzumutbar?
Wenn er durch Vornahme der gebotenen Handlung billigenswerte Eigeninteressen in erheblichem Umfang verletzen müsste
und der Schutz dieser Interessen in einem angemessenen Verhältnis zum Schaden steht.
Definition: objektive Sorgfaltspflichtverletzung - pflichtwidriges Handeln
Pflichtwidrig handelt, wer objektiv gegen eine Sorgfaltspflicht verstößt, die dem Schutz des beeinträchtigten Rechtsguts dient.
Dabei bestimmen sich Art und Maß der anzuwenden Sorgfalt nach den Anforderungen, die bei objektiver Betrachtung der Gefahrenlage ex ante an einen besonnenen und gewissenhaft Menschen in der konkreten Lage und sozialen Rolle des Handelnden zu stellen sind.
Pflichtwidrigkeitszusammenhang - Vermeidbarkeitslehre
Nach der Vermeidbarkeitslehre ist der Pflichtwidrigkeitszusammenhang nur dann gegeben, wenn bei pflichtgemäßen Alternativverhalten des Täters innerhalb der Grenzen des erlaubten Risikos in der konkreten Tatsituation der schädliche Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre.
Durch was entsteht eine Überwachungsgarantenstellung?
Ingerenz (pflichtwidrige Gefahrschaffung)
Verantwortung für die Gefahrenquellen
Organisationsmacht
Beschützergarantenstellung aus enger persönlicher Verbundenheit
Gilt nur für den Familienverband § 11 Abs. 1 Nr. 1 a/b
Zur Beistandspflicht: verpflichtet sind Kinder, Eltern und Eheleute NICHT für die Seitenlinie, Verwandte oder Verschwägerte.
Hinzu kommen muss, dass die Eheleute und Verwandten in gerader Linie in häuslicher Gemeinschaft zusammen leben und die Umstände des Einzelfalls hin zu berücksichtigen..
Beschützergarantenstellung aus tatsächliche Gewahrsamsübernahme durch Ansetzen zur Rettung
Allein daraus, dass eine Person einem Verunglückten oder sonst Hilfsbedürftigen beisteht, entsteht für sie noch keine Garantenstellung zur Vollendung der begonnenen Hilfeleistung.
Ausnahmsweise doch, wenn bei Hilfeleistung durch den Täter sich das Risiko für das Opfer deswegen vergrößert, weil mit Rücksicht auf die Übernahme andere Schutzvorkehrungen berechtigterweise unterbleiben.
Überwachungsgarantenstellung aus Verkehrssicherungspflicht
Eine Auffassung: die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf die Verhinderung weiterer aus der unmittelbaren Verletzung resultierender Folgeschäden
Gegenauffassung: allein das Bestehen der Verkehrssicherungspflicht löst noch keine Strafbarkeit für jeden auf der Gefahrverwirklichung beruhenden Schaden aus. Die Verkehrssicherungspflicht macht ihren Träger vielmehr nur zum Adressaten erhöhter Sorgfaltsanforderungen.
Konsequenz: hat der Pflichtige seine Sorgfaltsanforderungen erfüllt und ist es zu einem Schaden gekommen, aus dem sich ein Folgeschaden zu entwickeln droht so wird der Verkehrssicherungspflichte nicht zum Garanten für die Abwendung des drohenden Zweitschadens, nur weil seine Gefahrenquelle die Schadensursache war. Hat er Pflichtige dagegen seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, so liegt hierin ein pflichtwidriges Vorverhalten, dass ihn zum Ingerenz Garanten macht.
Erlöscht die Garantenpflicht hinter dem Selbstbestimmungsrecht des Opfers?
Eine Ansicht: Rücktritt der Garantenpflicht – es käme sonst zum Wertungswiderspruch
Gegenauffassung: fortbestehen der Garantenpflicht, wenn sich das allein auf Selbstgefährdung und nicht auf Selbsttötung angelegte Geschehen in Richtung auf den Verlust des Rechtsgut entwickelt.
Unterschied: freiverantwortliche Selbsttötung zur freiverantwortlichen Selbstgefährdung
Freiverantwortliche Selbsttötung: Opfer hat Sterbewillen. Dieser Sterbewille ist auch nach Eintritt der Handlungsunfähigkeit vom Beteiligten Garanten zu achten, seine Garantenpflicht tritt hinter das Selbstbestimmungsrecht zurück.
Freiverantwortliche Selbstgefährdung: Opfer hat Gefährdungswillen aber keinen Sterbewillen. Es will Hilfe, wenn der Tod droht. Die Garantenpflicht tritt NICHT hinter das Selbstbestimmungsrecht zurück.
Ist die Garantenstellung ein persönliches, d.h. täterbezogenes Merkmal?
Ein Teil der Literatur: Garantenstellung ist kein persönliches Merkmal
Gegen Meinung: Garantenstellung ist ein persönliches Merkmal – besondere Pflichtenposition des Täters wird geschaffen, diese beruht nur auf dem ihm höchstpersönlich entgegengebrachten Vertrauen.
Voraussetzungen und Rechtsfolgen der rechtfertigenden (echten) Pflichtenkollision
Kollision zweier oder mehrerer (rechtlicher) Handlungspflichten, die in der konkreten Situation nur alternativ nicht aber kumulativ erfüllbar sind
Bei Gleichwertigkeit der kollidierenden Pflichten: Täter kommt einer Handlungspflicht auf Kosten der anderen nach, gleichgültig welcher
Bei Ungleichwertigkeit der kollidierenden Pflichten: Täter kommt der höherwertigen Handlungspflicht nach
Subjektives Element: Täter handelt in Kenntnis der gegebenen Kollisionslage und mit Rettungswillen; pflichtgemäße Prüfung bzw. achtenswertes Motiv sind für die Entscheidung nicht nötig (keine Motivationskontrolle)
Rechtsfolge: hinsichtlich der vernachlässigten Handlungspflicht ist der Täter gerechtfertigt
AB HIER LE 4
In welchen Fällen ist der Versuch überhaupt strafbar?
Gem. § 23 I ist der Versuch eines Verbrechens immer strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es bestimmt.
Gem. § 12 I liegt ein Verbrechen vor bei einer abstrakten Mindeststrafdrohung von 1 Jahr Freiheitsstrafe oder darüber.
Wann hat der Täter Tatentschluss?
Der Tatentschluss beim Versuch entspricht dem vollen subjektiven Tatbestand beim vollendeten Delikt, erfordert also
mindestens Tatvorsatz (Eventualvorsatz reicht) und ggf. zusätzlich subjektive TB-Elemente (wie z.B. Absichten).
Vom Tatentschluss kann dabei allerdings nur gesprochen werden, wenn der Täter bereits
unbedingten Handlungswillen hat, ohne subjektive Vorbehalte (der Erfolgswille darf durchaus bedingt sein). Ansonsten liegt nur sog. „Tatgeneigtheit" vor.
Wie wird von der hM das unmittelbare Ansetzen iSd § 22 grundsätzlich bestimmt?
Es ist zu fragen, ob nach der Tätervorstellung von Tatsituation und Tatverlauf (subjektive Bewertungsgrundlage) die Tat in eine Phase eintritt, in der das tatbestandlich geschützte Rechtsgut konkret gefährdet erscheint, sodass die Gefährdungshandlung in ungestörtem Fortgang - ohne einen weiteren wesentlichen Zwischenakt zur Tatbestandserfüllung führen muss (objektives Bewertungskriterium) und der Täter die Schwelle zum „Jetzt geht's los* überschreitet. Eine Teilverwirklichung ist nicht unbedingt nötig, aber grds. ausreichend.
In welchen Fällen wird die sog. „Entlassungsformel* angewendet?
Wann kann danach das unmittelbare Ansetzen bejaht werden?
Die sog. „Entlassungsformel" wird bei abgeschlossener Versuchshandlung herangezogen. Danach wird differenziert:
• Behält der Täter das weitere Geschehen unter Kontrolle, dann bleibt es für die Beurteilung des unmittelbaren Ansetzens bei der allg. Ansatzformel.
• Gibt der Täter hingegen das weitere Geschehen aus der Hand, so dass nach seiner Vorstellung der Erfolg jetzt selbständig und ungehindert eintreten kann, so liegt das unmittelbare Ansetzen bereits in diesem Moment vor,
Welchen Ansatz vertritt der BGH neuerdings in den sog. „Falle-Fällen?
Der BGH differenziert hier folgendermaßen:
• Steht für den Täter bei Abschluss seiner Handlung sicher fest, das Opfer werde erscheinen und sein für den Taterfolg geplantes Verhalten bewirken, so liegt eine unmittelbare Gefährdung bereits mit Abschluss der Tathandlung vor.
• Hält der Täter ein Erscheinen des Opfers im Wirkungskreis des Tatmittels hingegen für lediglich möglich, aber noch ungewiss oder gar wenig wahrscheinlich, so kann eine unmittelbare Rechtsgutgefährdung erst dann eintreten, wenn das Opfer tatsächlich erscheint und sich deshalb die Gefahr für das Opfer tatsächlich verdichtet.
Wann liegt ein untauglicher Versuch vor? Ist dieser immer strafbar?
Ein untauglicher Versuch liegt vor, wenn sich der Täter Tatumstände vorstellt und verwirklichen will, die tbmäßig wären (F umgekehrter TB-Irrtum), wenn aber die Ausführung des Tatentschlusses entgegen der subjektiven Tätervorstellung wegen Untauglichkeit des Mittels, Objekts oder Subjekts (streitig) objektiv von vornherein nicht zur TB- Verwirklichung führen kann. Der untaugliche Versuch ist grds. voll strafbar. Nur wenn die Untauglichkeit aus grobem Unverstand verkannt wird, kann nach § 23 III gemildert oder sogar von Strafe abgesehen werden.
Wann liegt ein strafloses Wahndelikt vor?
Ein strafloses Wahndelikt liegt vor, wenn der Täter bei richtiger Einschätzung der Tatumstände einen straflosen Sachverhalt infolge eines rechtlichen Bewertungsirrtums (umgekehrter Subsumtionsirrtum, umgekehrter Verbotsirrtum, umgekehrter Erlaubnisirrtum, umgekehrter Strafbarkeitsirrtum) für strafbar hält und sich deshalb zu Unrecht als strafbar „wähnt"*
Was ist ein irrealer bzw. abergläubischer Versuch?
Wie beurteilt sich hier die Strafbarkeit?
Ein abergläubischer oder irrealer Versuch liegt vor, wenn der Täter mit der menschlichen Beherrschbarkeit und Verfügungsgewalt entzogenen Mitteln (z.B. Verhexen, Totbeten) den tatbestandlichen Erfolg herbeiführen will. Die hM stuft diese Art von Versuch als straflos ein, indem sie entweder mangels Sozialrelevanz schon ein strafrechtlich relevantes Verhalten ablehnt oder mangels eines echten Verwirklichungswillens den Tatentschluss verneint. Andere wenden § 23 III an mit der Maßgabe, dass der Richter zwingend von einer Bestrafung absehen muss.
Wann liegt nach hM ein fehlgeschlagener Versuch vor?
Für die Abgrenzung der einzelnen Versuchstypen ist nach heute hM maßgeblich die subjektive Vorstellung des Täters von der Erfolgseignung seines Tuns nach der letzten Ausführungshandlung am sog. Rücktrittshorizont des (tat-)einheitlichen Versuchsgeschehens (= Gesamtbetrachtung).
Ein fehlgeschlagener Versuch liegt danach vor, wenn der Täter sich vorstellt, das Erforderliche für den Erfolgseintritt noch nicht getan zu haben und es jetzt - also im Gesamtbetrachtungszusammenhang der Versuchstat - auch nicht (mehr) tun zu können
Wann liegt ein noch unbeendeter Versuch vor?
Ein noch unbeendeter Versuch ist zu bejahen, wenn sich der Täter vorstellt, das Erforderliche für den Erfolgseintritt noch nicht getan zu haben, es aber jetzt - im Gesamtbetrachtungszusammenhang der Versuchstat - noch tun zu können, wenn er nur wollte.
Wann liegt ein beendeter Versuch vor?
Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter sich vorstellt, das für den Erfolgseintritt Erforderliche bzw. jedenfalls so viel getan zu haben, dass die Möglichkeit des Erfolgseintritts jetzt nahe liegt (sog. Gefahrbewusstsein). Neuerdings sieht es der BGH sogar regelmäßig als ausreichend an, wenn sich der Täter infolge Gleichgültigkeit überhaupt keine (aktiven) Vorstellungen macht.
Welche Auswirkung hat es, wenn der Täter nach der letzten Versuchshandlung seine zunächst gewonnene Vorstellung von der Erfolgseignung seines Tuns noch einmal korrigiert?
Korrigiert der Täter seine subjektive Vorstellung am Rücktrittshorizont, so ist für die Bestimmung des Versuchstyps die korrigierte Vorstellung maßgebend, wenn die Korrektur noch im Gesamtbetrachtungszusammenhang erfolgt, also bei im Wesentlichen unverändert fortbestehender Tatsituation im engen räumlich-zeitlichen Zusammenhang mit der zuletzt begangenen Ausführungshandlung.
Wie kann der Alleintäter vom fehlgeschlagenen Versuch zurücktreten?
Überhaupt nicht. Die Rücktrittshandlungen des § 24 passen hier offensichtlich nicht (hM).
Wie kann der Alleintäter vom unbeendeten Versuch zurücktreten?
Gem. § 24 I 1 Alt. 1 durch freiwilliges Aufgeben der weiteren Tatausführung;
Wie kann der Alleintäter vom beendeten Versuch zurücktreten?
Gem. § 24 I 1 Alt. 2 durch freiwillige Vollendungsverhinderung, was zumindest eine Gegenaktivität mit Verhinderungskausalität voraussetzt (streitig, ob und inwieweit noch weitere Voraussetzungen nötig; Stichwort: „,Optimallösung"); wird die Vollendung ohne Zutun des Täters verhindert gem. § 24 I 2, durch freiwilliges und ernsthaftes Bemühen um Vollendungsverhinderung; dies verlangt eine Gegenaktivität ohne Verhinderungskausalität, aus der das ernstliche Bemühen um Vollendungsverhinderung erkennbar wird.
Worin liegt das Problem des Rücktritts vom noch unbeendeten Versuch nach Erreichen eines primär angestrebten außertatbestandlichen Handlungsziels? Wie wird das Problem gelöst?
Das Problem liegt darin, dass der Täter für den Fall des Erreichens des primären außertatbestandlichen Handlungsziels die weitere Ausführung der (bedingt) vorsätzlich begonnenen Tat gar nicht mehr vorhat und es sich deshalb fragt, ob die Rücktrittshandlung iSd § 24 I 1 Alt. 1 - Aufgeben der weiteren Tatausführung - überhaupt noch möglich ist.
Nach wohl hM ist der Rücktritt tatbestandsbezogen zu prüfen. Deshalb bleiben außertatbestandliche Vorstellungen unberücksichtigt. Entscheidend ist allein, dass der Täter von der erkannten Möglichkeit der TB-Verwirklichung Abstand nimmt. Das Motiv ist egal bzw. spielt erst für die Frage der Freiwilligkeit eine Rolle.
Wann ist der Rücktritt nach hM freiwillig?
Nach der psychologisierenden Betrachtungsweise (hM), wenn der Täter nicht aus heteronomen, sondern autonomen Motiven, also in freier Selbstbestimmung „als Herr seiner Entschlüsse" zurücktritt.
Wie beurteilt sich der Rücktritt bei mehreren Tatbeteiligten?
Gem. § 24 II sind folgende Möglichkeiten zu unterscheiden, ohne dass es im Regelfall einer Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bedarf.
• Rücktritt durch freiwillige Verhinderung der Vollendung, § 24 II 1;
• Rücktritt durch freiwilliges und ernsthaftes Bemühen um Vollendungsverhinderung bei fehlender Verhinderungskausalität gem. § 24 II 2, wenn Vollendung ohne Zutun des Beteiligten ausbleibt (Alt. 1) oder wenn Vollendung zwar eintritt, aber unabhängig vom Beitrag des Beteiligten (Alt. 2).
Wiederholungsfragen der letzten Einheit 4
Übersicht zu den Varianten des Versuchs des erfolgsqualifizierten Delikts
Versuchter schwerer Raub mit Todesfolge
error in persona
aberratio ictus
Exkurs: gefahrspezifischer Zurechnungszusammenhang
Vollendungsverhinderung des unbeendeten, aber tatsächlich vollendbaren Raubs gem. § 24 II 1 StGB
Verwechslung beim Vordermann bzgl. § 212 I nur unbeachlicher error in persona - (P) Hintermann?
(P) beim Unmittelbaren Ansetzen - (P) Bestimmung Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft
AB HIER LE 5
Wichtigste Punkte zur Einheit 5
Wann liegt nach hM objektiv fahrlässiges Verhalten vor?
Wenn der Täter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat und dabei die Möglichkeit eines entsprechenden Tatverlaufs und Erfolgseintritts voraussehbar war, weil dies nicht so sehr außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung lag, dass man damit micha mehr rechnen konnte (= Obiektive Sorgfaltswidrigkeit bei objektiver Voraussehbarkeit.
Wie wird der Sorgfaltsmaßstab bei Prüfung d. obj. Sorgfaltswidrigkeit festgelegt?
Es ist nach den Anforderungen zu fragen, welche ein besonnener und gewissenhafter Durchschnittsmensch aus dem Ver-kehrskreis des Täters in dessen sozialer Rolle ex ante zu erfüllen hatte (Durchschnittsanforderungen). Falls der Täter überdurchschnittliche Fähigkeiten besitzt, wird überwiegend für eine Verschärfung der Sorgfaltsanforderungen plädiert mit dem Hinweis, dass derjenige, der besondere Fähigkeiten besitze, diese auch zur Abwendung von Schäden einzusetzen habe.
Abgrenzung bewusste Fahrlässigkeit zu bedingtem Vorsatz nach hM?
Bedingten Vorsatz hat nach der herrschenden Billigungs- oder Einwilligungstheorie, wer den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt oder sich zumindest damit abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement).
Nur bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen Vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten.
Wann kann der sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang nach hM bejaht werden?
Nur dann, wenn bei pflichtgemäßem Alternativverhalten des Täters in der konkreten Tatsituation der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre (Vermeidbarkeitslehre).
Wie unterscheiden sich nach hL Kausal- und Pflichtwidrigkeitszusammenhang?
Bei der Kausalität wird untersucht, ob das Verhalten, an das die Strafbarkeitsprüfung angeknüpft, überhaupt eine Bedingung für den eingetretenen Erfolg war. Beim Pflichtwidrigkeitszusammenhang wird hingegen untersucht, ob bei normativer (= wertender) Betrachtung, der Erfolg gerade auf dem beruht, was die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens (den Pflichtenverstoß) ausmacht.
Kann ein Erfolg dem kausalen pflichtwidrigen Verhalten des Ausgangstäters auch dann noch zugerechnet werden, wenn er letztlich durch eine eigenverantwortliche Selbstgefährdungshandlung des Opfers herbeigeführt worden ist?
Grundsätzlich nicht, da der Erfolg in den Verantwortungsbereich des Opfers selbst fällt. Ausnahmsweise bleibt der Zurech-nungszusammenhang bestehen, wenn das Opfer hinsichtlich der Selbstgefährdung rechtlich gebunden ist bzw. wenn der Ausgangstäter mit seiner pflichtwidrigen Handlung ein einsichtiges Motiv für die Selbstgefährdungshandlung des Opfers geschaffen hat (Retterfälle"|)
Voraussetzungen einer aberratio ictus (a.i.)?
Voraussetzung ist, dass die Richtung des deliktischen Angriffs durch äußere (willensunabhängige) unvorhergesehene Umstände verändert wird, nachdem der Täter ein individuelles Tatobjekt bereits anvisiert und seine Willensrichtung darauf abgestellt hat (= Vorsatzkonkretisierung), und so im Ergebnis Angriffs- und Verletzungsobjekt voneinander abweichen. » Nach hM entfällt hierbei hinsichtlich des Verletzungsobjekts der Vorsatz (§ 16 I 1). Es bleibt diesbezüglich allenfalls eine Fahrlässigkeitstat (§ 16 I 2). Hinzu kommt ein Versuch in Richtung des nicht verletzten Angriffsobjekts.
Voraussetzungen eines error in persona (e.p.)?
Dem Täter unterläuft eine vorgelagerte Fehlidentifikation (anvisierter Y wird als X fehlidentifiziert). Dieser Identitätsirtum ist ein außertatbestandlicher und damit unbeachtlicher Motivirrtum, wenn tatbestandsbezogen das vorgestellte und das verletzte Objekt rechtlich gleichwertig sind (z.B. beide „anderer Mensch" iSv § 212 1).
Wie wirkt sich der e.p. des Tatmittlers auf den Vorsatz des mittelb. Täters aus?
Ein Teil d. Lit. nimmt bei error in persona des Tatmittlers generell eine beachtliche vorsatzausschließende aberratio ictus beim mittelbaren Täter an (= „aberratio-ictus-Theorie").
Eine im Vordringen befindliche Gegenansicht differenziert danach, ob der Hintermann dem Vordermann die Individualisierung des Tatobjekts mit Auswahlspielraum überlässt, oder ob der Hintermann das Tatop-fer selbst schon so genau festlegt, dass der Vordermann diesen Spielraum nicht mehr besitzt. Im ersten Fall ist der Auswahlfehler des an sich auftragsgemäß handelnden Vordermanns grds. als eigener error in persona des Hintermanns anzusehen. Im zweiten Fall führt das auftragswidrige Verhalten des Vordermanns zur aberratio ictus beim Hintermann.
Welche Form von Tatherrschaft hat der mittelbare Täter?
In welchen Fällen liegt diese Tatherrschaft unproblematisch vor
Die Steuerungsherrschaft in Form der Wissens- oder Willensherrschaft. Teilweise wird nur von Willensherrschaft gespro-chen.
Fälle:
Hintermann nötigt Vordermann (auch Nötigungsherrschaft genannt);
Hintermann nutzt einen Irrtum des Vordermanns aus (auch Irrtumsherrschaft genannt);
Hintermann benutzt unzurechnungsfähigen Vordermann (Kind, Geisteskranker usw.).
Kann auch beim Einsatz doloser (absichts- oder qualifikationsloser) Vorderleute mittelbare Täterschaft des Hintermanns vorliegen?
• Teil d. Lit. (-); arg.: Hintermann besitzt über einen dolosen (= bösgläubigen) Vordermann keinerlei reale Tatherrschaft;
• wohl hM (+), da Hintermann als Veranlasser den psychischen Anstoß zur Tat gibt und infolge der nur bei ihm vorhandenen Täterquali-fikationen bzw. Absichten ein rechtliches Übergewicht besitzt (sog. normativ-psychologische Tatherrschaft).
Gibt es auch einen „, Täter hinter dem Täter™"??
Nach einem Teil d. Lit. (-), da die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit des Vordermanns eine tatbestandsbezogene Tatherrschaft des Hintermanns ausschließe (strenges Verantwortungsprinzip);
nach hM (+), wenn jedenfalls der Hintermann infolge seiner Wissens- oder Willensüberlegenheit den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs in seiner konkreten Erscheinungsform steuert.
In welchen Fallkonstellationen kommt dieser „Täter hinter dem Täter" typischerweise vor?
Hintermann nutzt einen beim Vordermann unbeachtlichen error in persona vel objecto aus (Dohna-Fall);
Hintermann nutzt einen vermeidbaren Verbots- oder Erlaubnisirrtum des Vordermanns aus (Katzenkönig-Fall);
Hintermann benutzt einen hierarchisch organisierten Machtapparat, um Vordermann zur Tat zu veranlassen (Mauerschützen-Fall).
Wann beginnt der Versuch bei mittelbarer Täterschaft?
Teil d. Lit. : Mit Einwirken auf den Vordermann („reine Einzellösung")
Teil d. Lit.: Wenn Vordermann seinerseits unmittelbar ansetzt (Gesamtlösung*);
hM: Wenn der Hintermann die Einwirkung auf den Vordermann abgeschlossen hat und ihn jetzt zur (zeitnahen, alsbaldigen) Tatbestandsverwirklichung aus seinem Kontrollbereich entlässt (modifizierte Einzellösung").
Gibt es einen Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts (z.B. bei §§ 227, 251)?
Die ganz hM bejaht dies mit Hinweis auf § 18 (,wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt*) und § 11 II, wonach auch das erfolgsqualifizierte Delikt vom Gesamtcharakter her Vorsatzdelikt ist.
Welche Versuchsvarianten sind beim erfolgsqualifizierten Delikt denkbar?
• Erfolgsqualifizierter Versuch (Grunddelikt versucht, dabei bereits wenigstens fahrlässig schwere Folge herbeigeführt);
• versuchte Erfolgsqualifikation: (Grunddelikt vollendet, dabei Versuch, schwere Folge herbeizuführen); • versuchtes Grunddelikt + versuchte Erfolgsqualifikation.
Warum ist bei § 227 die Möglichkeit eines erfolgsqualifizierten Versuchs streitig?
Bei § 227 ist umstritten, ob sich in der Todesfolge die spezifische Gefährlichkeit des Körperverletzungs erfolgs realisieren muss (,Erfolgslösung*) oder ob es auch ausreicht, dass sich die spezifische Gefährlichkeit der Körperverletzungshandlung realisiert (Handlungslösung*). Nur im letztgenannten Fall (= hM) ist ein erfolgsqualifizierter Versuch denkbar.
Ist ein Rücktritt vom erfolgsqualifizierten Versuch auch noch nach Eintritt der qualifizierenden Folge (z.B. Todesfolge) möglich?
Nach MM (-), da sich bereits die tatbestandsspezifische Gefahr der Grunddeliktshandlung in der schweren Folge realisiert habe, so dass sowohl nach dem Schutzzweck der erfolgsqualifizierten Delikte als auch nach dem Regelungsgrund des Rücktrittsprivilegs eine strafbefreiende Wirkung des Rücktritts ausscheide;
Nach hM (+), da nach dem eindeutigen Wortlaut des § 24 der Täter vom versuchten Grunddelikt zurücktreten könne und mit dem Entfallen der Strafbarkeit wegen des versuchten Grunddelikts auch der Anknüpfungspunkt für die Strafschärfung aufgrund der Qualifikation wegfalle. Die Mindermeinung laufe auf eine teleologische Reduktion einer tätergünstigen Vorschrift hinaus, was quasi spiegelbildlich sei zur verbotenen analogen Anwendung einer tätergünstigen Vorschrift hinaus, was quasi spiegelbildlich sei zur verbotenen analogen Anwendung einer täterungünstigen Regelung.
LE 6
Rollenbestimmung als Abgrenzung zur Teilnahme
Meinung
hL
BGH
Finalzusammenhang - Raub
Problem des vorzeitigen Ausstiegs
(P) sukzessive Mittäteraschaft
Unterlassungstäter oder Unterlassungsgehilfe - Abgrenzung besonders problematisch beim Nichteinschreiten eines Garanten gegen einen Aktivtäter
Nenne die 5 Theorien
In welchen Fällen kann eindeutig entweder nur Täterschaft oder nur Teilnahme vorliegen, ohne dass Abgrenzungsprobleme auftauchen?
Ein Beteiligter ist eindeutig immer Täter, wenn er alle Tatbestandsmerkmale selbst verwirklicht hat, § 25 I Alt. 1. Ein Beteiligter ist eindeutig nie Täter, wenn ihm eine vom Tatbestand geforderte täterschaftsbegründende Eigenschaft oder Absicht fehlt (Sonderdelikie, Absichtsdelikte) bzw. wenn er bei einem eigenhändigen Delikt nicht eigenhändig die Tathandlung vornimmt.
Wie grenzt die hL in den Problemfällen Täterschaft und Teilnahme ab?
Maßgeblich ist, ob ein Beteiligter bei Leistung seines Tatbeitrags die objektive Tatherrschaf über das Tatgeschehen erlangt oder nicht (objektive Tatherrschaftslehre oder materiell-objektive Theorie). Für die Mittäterschaft ist dabei nach heute hM auch die sog. funktionelle Mitherrschaft (gemäßigte Tatherrschaft") ausreichend.
Wie läuft obige Abgrenzung nach Ansicht des BGH?
Ausschlaggebend ist, ob ein Beteiligter seinen Tatbeitrag mit Täter- oder Teilnehmerwillen leistet. Für Täterwillen spricht das Eigeninteresse am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung, die objektive Tatherrschaft oder doch zumindest der erkennbare Wille zur Tat-herrschaft (,Subjektive Theorie auf objektiv-tatbestandlicher Grundlage" oder „Normative Kombinationstheorie").
Was ist das Zurechnungsprinzip bei der Mittäterschaft gem. § 25 II?
Das Zurechnungsprinzip besteht bei § 25 II in der Arbeitsteilung. Die Zurechnung findet „horizontal” unter gleichgeordneten Beteiligten statt.
Was sind die obi und subj. Voraussetzungen für die Zurechnung gem. § 25 II?
• Objektiv: Gemeinschaftliche (arbeitsteilige) Verwirklichung des Tatbestandes durch Tatbeiträge jedes Beteiligten aufgrund eines gemeinsamen Tatplans + Tatherrschaft jedes Beteiligten (hL);
• Subjektiv: Vorsatz jedes Beteiligten hinsichtlich der objektiven Merkmale inkl. Tatherrschaftsbewusstsein (hL) bzw. Täterwille (BGH).
Was wird im Ergebnis nur über § 25 Il zugerechnet?
Zugerechnet wird gem. § 25 II nur die objektive Tathandlung (+ der dadurch verursachte Erfolg) inklusive tatbezogener Merkmale. Alle anderen Merkmale (Tätereigenschaften, Absichten, Vorsatz usw.) muss jeder Beteiligte in eigener Person aufweisen
Kann auch ein Planungs- oder Organisationsbeitrag in der Vorbereitungsphase Mittäterschaft begründen?
• Nach der Rspr. reicht grds. irgendein plangemäßer Tatbeitrag. Dieser kann auch im Vorfeld der Tatbegehung liegen. Entscheidend ist der Täterwille.
• Auch die hL lässt einen plangemäßen Beitrag in der Vorbereitungsphase ausreichen, wenn er zumindest die funktionelle Mitherrschaft über das Tatgeschehen vermittelt. Diese kann bejaht werden, wenn das „Beteiligungsminus" bei der realen Tat-ausführung durch ein Funktionsplus" im Rahmen des Gesamttatgeschehens (umfasst auch Planung und Organisation) ausgeglichen wird.
Wie wirkt es sich aus, wenn ein Beteiligter nach Leistung seines mittäterschaftlichen Beitrags, aber noch vor Tatbeginn „aussteigt"?
Wird die Haupttat vollendet und bleibt diese Vollendung dem Tatbeitrag des Beteiligten noch zurechenbar, so bleibt der Beteiligte strafbar, auch wenn er sich von der Tat losgesagt oder sogar ernsthaft bemüht hatte, die Vollendung des Delikts bzw. das Weiterwirken seines Tatbeitrags zu verhindern (Umkehrschluss aus § 24 II 2, 2. Alt.). Allerdings sinkt nach hL bei einer offenen „Aufkündigung" der Beteiligung die mittäterschaftliche Beteiligung mangels fortbestehenden gemeinsamen Tatentschlusses (Tatplans) zur Teilnahme ab. Anders wird dies von einem Teil d. Lit. hingegen bei einem nur „stillen Ausstieg* gesehen.
Wann liegt ein Mittäterexzess vor? Welche Konsequenzen hat der Exzess eines Mittäters für die übrigen Beteiligten?
Von einem Mittäterexzess spricht man, wenn ein Beteiligter vom gemeinsamen Tatplan so abweicht, dass die anderen Beteiligten nach den Umständen des Falles damit nicht zu rechnen brauchten. Die Exzesshandlung ist dann nicht mehr vom Mittätervorsatz (wohl hM) der anderen Beteiligten umfasst. Allerdings werden Abweichungen, bei denen die verabredete Tatausführung durch eine in ihrer Schwere und Gefährlichkeit gleichwertige ersetzt wird, in der Regel noch vom Willen der Beteiligten umfasst, auch wenn sie sich diese nicht so vorgestellt haben. Ebenso sind die Beteiligten für jede Ausführungsart verantwortlich, wenn ihnen die Handlungsweise ihres Tatgenossen gleichgültig ist und deswegen auf ihre Billigung geschlossen werden kann
Wann spricht man von sukzessiver Mittäterschaft?
Ist dies auch noch nach Vollendung möglich?
Sukzessive Mittäterschaft ist gegeben, wenn ein Beteiligter erst nach Beginn der Tatausführung aufgrund eines nachträglich erzielten Einvernehmens mit den anderen Beteiligten in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen einen Tatbeitrag leistet. Die Folge ist, dass dem Hinzukommenden grds. auch die bisher schon begonnen Tathandlungen (inkl. Qualifikationen und Regelbeispiele) zugerechnet werden. Nach hL ist sukzessive Mittäterschaft nur bis zur Vollendung möglich, weil danach begrifflich keine tatbestandsbezogene Tatherr-schaft mehr vorliegen könne. Nach BGH und Teilen d. Lit. ist sukzessive Mittäterschaft noch bis zur tatsächlichen Beendigung denkbar.
Wie kann man Gewalt gegen eine Person iSd § 249 definieren?
Personengewalt iSd § 249 ist aktuell physisch wirkender Zwang durch eine unmittelbare oder mittelbare Einwirkung auf einen anderen, die (nach der Vorstellung des Täters) geeignet und dazu bestimmt ist, geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden.
Was ist nach BGH iRd § 249 ein Indiz für die Bejahung eines gewissen räumlich-zeitlichen Zusammenhangs zwischen Nötigung und Wegnahme.
Indiz ist, dass es durch die Nötigung zu einer Einschränkung der Dispositionsfreiheit (besser: Schwächung der Protektions-möglichkeit) des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist und diese Situation bei der Wegnahme noch fortbesteht.
Ungeschriebenes Merkmal des Raubs ist zusätzlich der Finalzusammenhang.
Was ist darunter zu verstehen?
Der Finalzusammenhang setzt voraus, dass der Täter das Nötigungsmittel aus seiner (subjektiven) Sicht zur Ermöglichung oder zumindest Erleichterung der Wegnahme einsetzt. Daran fehlt es, wenn die Wegnahme nur gelegentlich der Nötigung stattfindet oder die Wegnahme lediglich der Nötigung zeitlich nachfolgt. Problematisch sind die Fälle, in denen eine zu anderen Zwecken geschaffene andauernde Zwangssituation (z.B. durch Fesseln oder Einsperren) nach Motivwechsel nachträglich zur Wegnahme ausgenutzt wird.
Wie grenzt die hM Raub und räuberischen Diebstahl ab?
Werden die qualifizierten Nötigungsmittel vor Vollendung der Wegnahme zum Zwecke der Gewahrsamsbegründung eingesetzt, liegt Raub vor.
Geschieht der Einsatz der Nötigungsmittel hingegen nach Vollendung der Wegnahme zur Gewahrsamssicherung, kommt räuberischer Diebstahl in Betracht.
Wann ist „Beisichführen" einer Waffe usw. gegeben?
Ein „Beisichführen" wird bereits grds. schon dann bejaht, wenn der Gegenstand dem Täter oder einem anderen Beteiligten irgendwann zwischen Versuchsbeginn und Vollendung (bzw. Beendigung, str.) im aktuellen Bewusstsein seiner Einsatzfähigkeit und Verwendungsmöglichkeit griffbereit zur Verfügung steht und zwar ungeachtet dessen, wie der Gegenstand an den Tatort gelangt ist. Neuerdings lehnt der BGH aber ein „Beisichführen" ab, falls der Täter den Gegenstand nur zufällig am Tatort vorfindet und unangetastet lässt. Ansonsten würde die tatbestandsmäßige Handlung in einer rein subjektiven Wahrnehmung bestehen, ohne irgendein äußeres Verhalten.
Wie viele Personen müssen sich zusammenschließen, damit eine „Bande" iSd § 244 I Nr. 2 (§ 250 I Nr. 2) angenommen werden kann?
Nach heute hM sind mindestens drei Personen nötig, damit eine Mehrheit existiert, die die Minderheit konspirativ binden und die kriminogene Gruppe festigen kann. Merksatz: Es bedarf einer Mehrheit, die eine Minderheit majorisieren kann
Ist auch eine Bandenmitgliedschaft durch bloße Gehilfentätigkeit möglich?
Der BGH bejaht dies in neuerer Rspr.. Insbesondere dürfe die Bandenabrede nicht mit der auf künftige Mittäterschaft gerichteten Verbrechensverabredung nach § 30 II gleichgesetzt werden. Auch sei eine Bande nicht als besonders intensive Form der Mittäterschaft zu verstehen, sondern als ein „Aliud" hierzu. Denn für die Bande sei eher die hierarchische Struktur typisch, in der neben dem Bandenchef die anderen Mitglieder arbeitsteilig Beiträge von unterschiedlichem Gewicht und in unterschiedlichen Rollen erbringen
Wie interpretiert der BGH neuerdings das Merkmal ,,unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt” bei § 244 I Nr. 2?
Nach hM reicht, dass ein Bandenmitglied als Täter und ein anderes Bandenmitglied unabhängig vom Tatort beim Diebstahl in irgendeiner Weise (Täter oder Teilnehmer) zusammenwirken Die Wegnahmehandlung selbst kann dabei sogar noch einem Nichtbandenmitglied überlassen werden, wenn zumindest einem Bandenmitglied die unmittelbare Tatausführung als Täter zugerechnet werden kann.
Was ist der Strafgrund für die Teilnahme gem. §§ 26, 27?
Nach der „Theorie vom akzessorischen Rechtsgutsangriff” (hM) wird der Teilnehmer bestraft, weil er durch Förderung der Haupttat eines anderen einen eigenen - wenn auch von der Haupttat abhängigen - schuldhaften Angriff auf ein (vor ihm) geschütztes Rechtsgut vornimmt.
Was bedeutet der Grundsatz der limitierten Akzessorietät?
Die Strafbarkeit der Teilnahme ist abhängig vom Vorliegen einer Hauptat eines anderen. Allerdings, ist diese Abhängigkeit begrenzt, da die Haupttat nur tbmäßig und rw, aber nicht schuldhaft verwirklicht sein muss. Der Grund dafür ist § 29, wonach jeder Beteiligte ohne Rücksicht auf die Schuld des anderen nur nach seiner eigenen Schuld bestraft wird.
Strafbar?
a) Teilnahme am Versuch?
b) Versuchte Teilnahme?
c) Teilnahme am Unterlassen?
d) Teilnahme durch Unterlassen?
a) Ja, da auch ein tbmäßig und rw verwirklichtes Versuchsdelikt eines anderen eine vorsätzliche und rw Haupttat iSd §§ 26, 27 ist;
b) Ja, aber nur soweit es sich um eine versuchte Anstiftung zu einem Verbrechen handelt, § 30 I;
c) Ja (ganz herrschende Meinung);
d) Anstiftung durch Unterlassen nach hM nein, da bei reinen Unterlassen keinerlei kommunikativer Kontakt aufgenommen wird; Beihilfe durch Unterlassen ja, allerdings Abgrenzungsprobleme zur Unterlassungstäterschaft.
Ist strafbare Teilnahme beim sog. „omnimodo facturus" möglich?
Nicht in Form der Anstiftung, da ein Hervorrufen eines Tatentschlusses beim schon konkret Entschlossenen nicht mehr möglich ist. Möglich bleibt aber psychische Beihilfe, Umstiftung, Aufstiftung und versuchte Anstiftung.
Liegt auch bei bloßem Schaffen einer „tatprovozierenden Lage" eine Anstiftungshandlung iSd § 26 vor?
Nach hM nein, da wegen der Gleichstellung von Anstifter und Täter bei der Bestrafung in § 26 zumindest ein „kommunikativer Kontakt" zwischen Anstifter und Haupttäter verlangt wird
Wie muss die Gehilfenhandlung mit der Haupttat verknüpft sein?
Nach hL muss Kausalität vorliegen, wobei aber die sog. „Verstärkerkausalitat" zwischen Beihilfehandlung und Haupttat aus-reicht, d.h. die Beihilfehandlung muß nicht unbedingt conditio sine qua non für den Erfolg der Haupttat sein, es reicht, dass sie sich chan-cenerhöhend, erleichternd, absichernd oder motivierend auswirkt. Der BGH verlangt einen „Förderungszusammenhang* zw. Beihilfehand-lung und Haupttat, was in der Sache der o.a. hL entsprechen dürfte.
Wie muss der Vorsatz des Teilnehmers beschaffen sein?
Der Teilnehmer muss sog. Doppelvorsatz haben bzgl. der Haupttat und bzgl. der eigenen Teilnahmehandlung.
Was ist ein „agent provocateur*? Warum ist er straflos, obwohl er die Haupttat eines anderen veranlasst oder fördert?
Der agent provocateur ist eine Person, die die Haupttat eines anderen veranlasst bzw. fördert, um diesen bei Begehung der Haupttat überführen zu können. Dabei will er es aber nur zum Versuch bzw. zur formellen Vollendung der Haupttat kommen lassen, ohne dass es zu einer (irreparablen) Verletzung des geschützten Rechtsguts kommen soll. Der Grund für die Straflosigkeit des agent provocateur ist darin zu sehen, dass er den nach der Förderungstheorie für die Strafbarkeit des Teilnehmers nötigen eigenen mittelbaren (akzessorischen) Rechtsgutsangriff nicht will und daher keinen ausreichenden Teilnehmervorsatz hat.
Was verstehen Sie unter einer sog. „Kettenteilnahme"*?
Wie ist sie rechtlich zu behandeln?
• Von Kettenteilnahme spricht man, wenn sich mehrere Teilnehmer hintereinander geschaltet an der Haupttat beteiligen. z.B.Anstiftung zur Beihilfe zur Haupttat.
• Zwei Grundsätze:
• Kettenteilnahme ist mittelbare Teilnahme an der Haupttat.
• Maßgeblich ist das schwächste Glied in der Kette, die vom zu
prüfenden Beteiligten zum Haupttäter führt.
Was ist unter „,Abstiftung” und „Aufstiftung" zu verstehen?
Wie ist die rechtliche Behandlung?
• Ein „Abstiften" oder „Abwiegeln" liegt vor, wenn ein zur Begehung eines gefährlichen qualifizierten Delikts (z.B. § 244) entschlossener Täter zur Begehung des weniger gefährlichen (Grund)delikts („Minus" - z.B. § 242) veranlasst wird. Hier ist an psychische Beihilfe zum weniger gefährlichen Delikt zu denken. Allerdings verneint die hL bereits die obj. Zurechnung zw. Rechtsgutsverletzung und Gehilfenhandlung wegen ausschließlicher Risikoverringerung.
• Eine „Aufstiftung* ist der Umkehrfall zur „Abstiftung*, d.h. der zur Begehung des Grunddelikts (z.B. § 242) entschlossene Täter wird zur Begehung der Qualifikation („Maius* - z.B. § 244) veranlasst. Nach hM Anstiftung zum qualifizierten Delikt ( str.).
Kann Beihilfe auch durch Anwesenheit am Tatort geleistet werden?
In der Anwesenheit am Tatort kann eine psychische Beihilfe liegen, allerdings nur, wenn durch die Anwesenheit dem Täter nachweislich zumindest das Gefühl erhöhter Sicherheit vermittelt wird
Wie schränkt der BGH Beihilfe durch „berufstypisches* (neutrales") Verhalten ein?
• Beihilfe grds. nur dann, wenn das Handeln des Haupttäters ausschließlich auf die Begehung einer strafbaren Handlung abzielt und der Hilfeleistende dies positiv weiß.
• Hält der Hilfeleistende es hingegen lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat ausgenutzt wird, scheidet strafbare Beihilfe grds. aus, es sei denn, es besteht ein derart hohes Risiko strafbaren Verhaltens des Unterstützten (BGH: „überwiegende Wahrscheinlichkeit*), so dass sich der Hilfeleistende die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein lässt (zu seiner eigenen Angelegenheit macht).
Was sind nach hM besondere persönliche Merkmale* iSd § 28?
Besondere persönliche Merkmale sind nach hM die sog. „täterbezogenen" Merkmale, d.h. besondere Eigenschaften, Verhältnisse oder Charaktermerkmale, die zum Deliktstypus gehören und die Täterpersönlichkeit näher beschreiben.
Im Gegensatz dazu stehen die sog. „tatbezogenen" Merkmale, die der sachlichen Chrakterisierung der Tat dienen.
Wann sind sie strafbegründend, wann strafmodifizierend?
• Persönliche Merkmale sind strafbegründend iSd § 28 I, wenn ohne ihr Vorliegen der Beteiligte überhaupt nicht oder nur nach einem anderen selbständigen Strafgesetz strafbar wäre.
• Strafmodifizierend iSd § 28 II sind sie hingegen, wenn sie die Strafe nach einem Grunddelikt verschärfen (Qualifikationsmerkmale), mildern (Privilegierungsmerkmale) oder ausschließen.
Welche Auswirkungen hat § 28 I, welche § 28 II auf Tatbeteiligte?
• § 28 I wirkt nur zugunsten von Teilnehmern. Falls strafbegründende persönliche Merkmale beim Täter vorliegen, beim Teilnehmer aber nicht, führt das zwingend zu einer Strafmilderung für den Teilnehmer. Der umgekehrte Fall ist von § 28 I nicht erfasst.
• § 28 II wirkt zugunsten und zu Lasten Beteiligter. Nach hM kommt es bereits zu einer Tatbestandsverschiebung zw. Beteiligung und Haupttat (z.B. Täter § 260 I Nr. 1 - Mittäter §§ 259, 25 II - Teilnehmer §§ 259, 27).
Sind die subiektiven Mordmerkmale strafbegründende oder strafmodifizierende persönliche Merkmale iSd § 28 I oder II?
Die Beantwortung der Frage hängt davon ab, wie man das Verhältnis von Mord und Totschlag sieht.
Nimmt man mit der hL an, dass § 211 die unselbständige Qualifikation zu § 212 ist, sind die subjektiven Mordmerkmale strafschärfende persönliche Merkmale iSd§ 28 II.
Sieht man mit dem BGH im Mord und im Totschlag eigenständige Delikte, sind die Mordmerkmale strafbegründende persönliche Merkmale iSd § 28 I
Wie ist eine „Suzidbeihilfe* durch einen Garanten (z. B. Arzt, Ehegatte) in groben Zügen strafrechtlich zu bewerten?
Grds. liegt eine straflose Beihilfe zu einer schon nicht tatbestandsmäßigen Selbsttötung vor. Die gilt nach geänderter Rspr. des BGH jetzt auch, wenn es zwischenzeitlich zu einer Bewusstlosigkeit des Sterbewilligen kommt und der Garant von einer bestehenden Rettungsmöglichkeit Abstand nimmt. Hingegen kann eine Fremdtötung in mittelbarer Täterschaft gem. § 25 I Alt. 2 StGB vorliegen, wenn der Sterbewillige nicht freiverantwortlich handelt und dies dem Garanten bewusst ist.
Wie beurteilt sich die „Freiverantwortlichkeit" einer Selbsttötung?
Im Einzelnen ist das umstritten. Praktikabel ist aber folgende Formel: Eine Selbsttötung ist nur dann eigenverantwortlich, wenn der Sterbewillige zurechnungsfähig (§§ 19, 20 StGB, § 3 JGG) und frei von entscheidungskausalen Willensmängeln handelt sowie außerhalb von Drucksituationen iSd § 35 StGB.
Problem: halbherziger Rücktritt
Nenne die beiden Lösungsansätze und erkläre
(P) Strafbarkeit wegen vollendeter schwerer KV bei strafbefreiendem Rücktritt von versuchter Tötung auf Verlangen
zu welchem Widerspruch kommt es hierbei und welche drei Ansichten zur Lösung gibt es?
§ 28 StGB - Ausführungen
Was sind strafbegründende, was strafschärfende Merkmale?
Nenne die beiden Ansichten zum Verhältnis der Tötungsdelikte
Zum Berliner Hausarztfall - Rspr. Änderung
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