Inhalt/Lernziele: VL ER
Einführung Emotionsregulation (ER), Konzepte
und Modelle kennen
Zusammenhang ER und Psychopathologie:
kritisch reflektieren
Gruppenkonzept Emotionstraining (Gefühle
im Griff) kennen und Techniken auch selbst
einsetzen
Affekt, Emotion, Gefühl, Stimmung: Eine Abgrenzung (4)
• Affekt: diffus, erfasst die Bedeutung des Stimulus für den Organismus, lässt sich auf den Dimensionen Valenz und Erregung charakterisieren (Lust versus Unlust)
• Emotionen haben einen Auslöser, sind eher kurz andauernd, meist intensiv, gerichtete Reaktionen auf (wegen) Etwas, lassen sich auf mehreren Funktionsebenen beschreiben (Körper, Kognition, Hormone usw.)
• Gefühl: subjektives Erleben, enthält meist komplexere Bewertungsprozesse, (u.a. Mitgefühl, Liebe usw. )
• Stimmung eher lang anhaltend, weniger intensiv, steigt graduell an, Auslöser sind oft nicht identifizierbar, Stimmung ist keine explizite Reaktion auf Etwas, sondern spiegelt einen internalen Abgleich mit der Umwelt wider
Beispiel
• Pat M. berichtet, dass er nach einer heftigen
Kritik eines Kollegen extrem verärgert war und
diesen beinahe geschlagen hätte (Emotion)
• Frau N. gibt an sich seit Tagen irritiert und
schwach zu fühlen, ihre Stimmung sei nach
dem Aufwachen schlecht und sie fühle sich
antriebslos (Stimmung, Abgleich mit Umwelt
fällt negativ aus)
Emotionstheorien
Emotionsregulation: Defintion (3)
The ways by which people influence
which emotions are experienced,
when they are experienced, and how
they are experienced and expressed. -
-Gross (1998)
• Der Begriff der Emotionsregulation umfasst die Initiation von neuen oder die Änderung bereits
bestehender Emotionen, des weiteren die
• Akzentuierung, Verringerung, Unterdrückung oder Aufrechterhaltung emotionaler Reaktionen (Gross, 2015).
• ER umfasst somit heterogene ER-Strategien oder Prozesse, mit Hilfe derer Personen darauf Einfluss nehmen, welche Emotionen sie haben, wie sie diese ausdrücken und erleben.
Emotionsregulationsstrategien: langfristig positive ()
• Reappraisal (Neubewertung) („I control my emotions by changing the way I think about the situation“ (z.B. optimistischer Ausblick, Fokus auf positive Aspekte und Reward, Ich will, statt ich muss usw.))
• Akzeptanz
• Distraktion (aktiv etwas anderes tun in Abgrenzung zu Ablenkung)
• Problemlösen
• Aktivität/Sport
• soziale Unterstützung
• Entspannungstechniken
• ...
Emotionsregulationsstrategien: langfristig negativ ()
• Vermeidung
• Ablenkung (ohne gezielte Fokussetzung)
• Rumination
• Suppression ( „I control my emotions by not
expressing them“ (z.B. übermäßige Kontrolle,
Unterdrückung Ärger etc.))
• Alkohol/Drogen
• stressinduziertes Essen
• (viel) Fernsehen
Genetik von Emotionsregulation: Erblichkeit von ER-Strategien ()
Behavioral Genetic Studies
Genetik von Emotionsregulation
~ 20-30%
Modale ER-Prozessmodell nach Gross
Lesetipp: Gross, J. J. (2015). Emotion regulation: Current status and future prospects. Psychological Inquiry, 26(1), 1-26.
ER und Psychopathologie: Meta Analysen (3)
mit Psychopathologie hängen eher Suppression, Vermeidung und Rumination zusammen
Development and Validation of the Heidelberg Form for Emotion Regulation
Strategies (HFERST): Factor Structure, Reliability, and Validity (Studie Barnow)
Angeborene Herzfehler-Studie:
Emotionsregulation und Lebenszufriedenheit
Emotionsregulation und Wohlbefinden
Emotionsregulation und Depressive Symptome
Emotionsregulation und Essstörungssymptome
Sind die Ergebnisse wirklich so konsistent?: The „fallacy of uniform efficacy“
Der Einfluss von Kontextfaktoren Intensität, Stress, Erkrankung, Alter auf die Effektivität von ER-Strategien (Bonanno & Burton, 2013)
if it ain`t broken - don`t fix it!
bspw. Reappraisal: nur positiv bei negativen Sitatuionen
Rumination: in positiver Situation nicht sehr schlimm
Interpersonelle ER (?)
Emotionsregulation in interpersonellen Kontexten
Bedeutung der Strategie-Situation-Passung
ALLEINE(links):
öfter alleine & öfter Reappraisal --> weniger depressive Symptome
andere Gruppe ändert Strategie nicht und hat daher unverändert viele depressive Symptome
Mit engen anderen:
weniger Reappraisal und nicht alleine --> weniger depressive Symptome
Andere: kein Unterschied
—> Reappraisal vor allem wirksam wenn alleine! Nicht so entscheidend, wenn mit anderen unterwegs
Zusammenfassugn Emotionsregulation (4)
Zusammenfassung I
• ER ist durch Umwelt beeinflussbar
• ER ist maßgeblich für psychische Gesundheit
• Es existieren eher hilfreiche (adaptive) ER-Strategien (u.a. Neubewertung, Akzeptanz))
und nicht adaptive Strategien (Grübeln, Emotionsunterdrückung)
• Aber wie Strategien wirken ist vom Kontext abhängig, u.a. Neubewertung eher hilfreich
wenn man allein ist
TRAINING Flexible Emotionsregulation: „Gefühle im Griff!“
“Ein Gefühl – einen Eindruck – auszusprechen heißt es zu verringern – zu vertreiben“ (Susan
Sontag)
„Gefühle im Griff!“
1. Sitzung: Einführung in Emotionen und Emotionsregulation. 2. Sitzung: Identifikation und Akzeptanz von Emotionen. 3. Sitzung: Veränderung von Gedanken und Verhaltensweisen. 4. Sitzung: Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen. 5. Sitzung: Entwicklung von Selbstmitgefühl. 6. Sitzung: Umgang mit schwierigen Emotionen. 7. Sitzung: Integration von Achtsamkeit in die Emotionsregulation. 8. Sitzung: Zusammenfassung und Ausblick.
• Gruppentherapie: 8 + 1 Sitzungen a 120 Minuten
• Gruppengröße: max. 8 Personen und 2 Therapeuten
• Ausschlusskriterien: Psychosen, schwere Zwänge, bipolare Störungen, akute Substanzabhängigkeit, Cluster-A Persönlichkeitsstörungen
Barnow, Reinelt, Sauer (2016). Emotionsregulationstraining: ein Manual
für Trainer und Psychotherapeuten. Springer Verlag
Stunde 1:
Einführung, emotionales Erleben, Emotionswahrnehmung und Körper!
„Gefühle im Griff!“: Stunde 1
Emotionserkennung
HA: emotionale Symbole! Übung Body Scan
„Gefühle im Griff!“: Stunde 2
Stunde 2: Emotionsregulation (ER)
• Hausaufgabe diskutieren (emotionale
Symbole)
• Emotionsdreieck anhand von konkreten
Beispielen (Experte/Novize)
Schritt 2: Körper einsetzen
• Welche ER-Strategien kennen die
Gruppenteilnehmer? (Flipchart)
• HA: Mich selbst dabei erwischen wie ich
Emotionen reguliere
Stand up straight with your shoulders back! + Lobsters in JBP 12 Rules for Life
—> Selbstbewusste Gefühl und Verhalten verändert sich bei Änderung der Körperhaltung, das repliziert sich ABER die neurologischen Korrelate replizieren sich nicht.
Ich habe noch folgendes gefunden, also eher mit Fragezeichen zu versehen:
"Taken together, the results from Ranehill et al.’s (2015) replication and from our p-curve analysis suggest that the behavioral and physiological effects of expansive versus contractive postures ought to be treated as hypotheses currently lacking in empirical support. "
(Simmons & Simonsohn, 2017) "Power Posing: P-Curving the Evidence"
g=0.35 (Selbstbericht und Verhalten) Jedoch keine sign. Effekte für physiologische Messungen
Vermeidung einer zusammengesunkenen Haltung wichtiger für das Befinden als die Einnahme einer aufrechten Körperhaltung (Elkjaer et al., 2022)
Training willkürlichen ER: ER-Strategien: Strategien zur Emotionsregulation (4)
1. Unterdrückung des Ausdrucks (Suppression)
Gefühle nach außen verbergen („Pokerface“)
2. Neubewertung
Emotionale Situation gedanklich neu interpretieren
3. Akzeptanz
Gefühle annehmen, ohne sie zu bewerten
4. Grübeln
Emotionale Situation immer wieder ruminieren
Training willkürlichen ER: ER-Strategien: Strategien zur Emotionsregulation: Suppression ()
Unterdrückung des Ausdrucks
Beispiel:
„Pokerface“ bewahren, damit keiner eigenen Ärger bemerkt
Verhindern des Ausdrucks von Emotionen im äußeren Verhalten
(sowie Gestik und Mimik)
Demonstration mit Luftballon und Eimer Wasser
Training willkürlichen ER: ER-Strategien: Strategien zur Emotionsregulation: Emotionen induzieren (4)
• Musik, Filme die Emotionen befördern
• Aktive Bewegung, Tanzen usw.
• Mit jemanden darüber reden (bester Freund)
• Spaziergänge
Expressives Schreiben:
Übung: Den Gefühlen Worte geben (ähnlich zu selfauthoring)
• Nehmen Sie sich für diese Übung innerhalb der nächsten Woche an vier bis sechs aufeinanderfolgenden Tagen jeweils circa 10 bis 15 Minuten Zeit.
• Nutzen Sie diese Zeit, um über eine für Sie persönlich emotional belastende Situation zu
schreiben, in welcher Sie Ihre eigenen Gefühle unterdrückt, nicht ausreichend gezeigt oder
verarbeitet haben. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Ereignis kürzlich aufgetreten ist oder in
der Vergangenheit liegt.
• Achten Sie nicht auf Grammatik und Rechtschreibung, sondern schreiben Sie möglichst ohne
Unterbrechung. Es kann sein, dass beim Schreiben negative Emotionen aufkommen. Lassen
Sie sich dadurch nicht entmutigen, sondern schreiben Sie an den darauffolgenden Tagen
erneut über dieses oder ein anderes Ereignis, das Sie belastet hat.
Training willkürlichen ER: ER-Strategien: Strategien zur Emotionsregulation: Expressives Schreiben (4)
Meta-Analysen zeigen insgesamt kleine bis mittlere Effekte auf die psychische und körperliche
Gesundheit (Frattaroli et al., 2006; Guo, 2023; Pavlacic et al., 2019; Travagin et al., 2015)
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Training willkürlichen ER: ER-Strategien: Strategien zur Emotionsregulation: Grübeln (4)
Neurobiologie
Emotionen aus dem limbischen System —> Bewertung und Regulation im PFC & ACC (Anterior Cingulärer Cortex)
Verstrickt im Grübelnetz
• Typische „Grübel-Themen“ der Teilnehmenden werden gesammelt. Basierend auf diesen Themen wird eine Situation ausgewählt (z.B. Streit mit Arbeitskollegen), die im Gespräch kurz aktualisiert wird (z.B. genauen Ort, Zeitpunkt etc. vorstellen).
• Anschließend beginnt die Therapeutin, einen typischen „Grübel-Gedanken“ zu äußern (z.B. „Ich hätte kompetenter auftreten müssen.“). Den Anfang des Fadens festhaltend, wirft er
anschließend das Wollknäuel einer anderen Person zu.
• Diese äußert einen weiteren, sich möglicherweise anschließenden, Gedanken, hält den Faden fest
• Erarbeitung von Strategien, um Grübeln zu stoppen
– Distanzierung
– 2-Minuten-Regel (Grübeln erkennen: Wenn du dir nicht sicher bist, ob du grübelst oder nachdenkst, mache einfach für zwei bis drei Minuten so weiter. Stelle dir dann folgende Fragen:
Bin ich mit meiner Problemlösung vorangekommen?
Habe ich etwas verstanden, was mir zuvor nicht klar war?
Bin ich in dieser Zeit weniger selbstkritisch oder weniger depressiv geworden?
Wenn du keine dieser Fragen mit einem klaren „Ja“ beantworten kannst, grübelst du wahrscheinlich!)
Training willkürlichen ER: ER-Strategien: Strategien zur Emotionsregulation: Anti-Grübel Strategien (8)
Anti-Grübel-Strategien
• Aktivität
• Grübelstuhl
• Grübeln erkennen (2-Minuten-Regel)
• Stopp Schild
• Atemtechniken (4-7-8 Atmung)
• Gespräch mit gutem Problemlöser
• „Ich nehme die Hürde wenn sie vor mir ist“ (kein
Vorwärts und Rückwärtsgrübeln)
• Neubewertung und Problemlösen
Training willkürlichen ER: Stunde 4: Neubewertung (3)
Perspektivwechsel ist wirksam!
(u.a. Review von Webb et al., 2012)
1. Distanzierung: Sich selbst beim Namen nennen
• "[Eigener Name], warum geht es dir gerade so?" anstatt "Warum geht es mir gerade so?"
2. Neubewertung: Hilfreiche Gedanken identifizieren
• Ähnliche Situationen in der Vergangenheit bereits gemeistert?
• Wie sind andere Personen mit dieser Situation umgegangen? Anmerkung: Wie geht jemand, den ich bewundere mit sowas um? Was würde diese Person tun?
• Was würde mir eine Freundin/ ein Mentor in dieser Situation sagen, um mich zu unterstützen?
Stunde 6 Achtsamkeit & Akzeptanz (2)
Der alte Teich.
Ein Frosch springt hinein –
Das Geräusch des Wassers
(aus E. Kagge, Stille, Seite 115)
Akzeptanz
Annehmen der Emotion und der dazugehörigen Gedanken, Gefühle und
körperlichen Empfindungen, ohne Bewertung
„Ich merke, dass ich mich gerade ärgere. Das ist ganz normal und gehört wie andere Gefühle dazu.“
“This too shall pass”
Stunde 6: Achtsamkeit & Akzeptanz: Akzeptanz und positive Emotionen
im Alltag (2)
Akzeptanz befördert positive Gefühle
Stunde 8: Feedback, Abschluss mit Zieldefinition (1)
Wichtigsten Strategien/Ziele/Bewertungen aufschreiben und bei sich tragen!
Evaluation ER- Gruppe und Online Training (2)
Wirksamkeit des Gruppen-Trainings (N=38)
Große Effekte auf Verringerung v. Grübeln und Erhöhung v. Neubewertung sowie mittlere Effekte auf weniger Vermeidung und mehr Akzeptanz
Barnow, S., Reinelt, E., & Sauer, C. (2016). Emotionsregulation. Manual und Materialien für Trainer und Therapeuten. Heidelberg: Springer
RCT: Stichprobe
Randomisiert-kontrollierte Studie: Internetbasiertes Training
Wirksamkeit Emotionsregulationstraining
im positiven Bereich ein deutlicher Unterscheid zw. Krankheitspezifischem Training (ER-CHD) und non-specific
Zusammenfassung II: Emotionsregulation
Zusammenfassung II
• Gefühle zu erkennen und zu regulieren ist keinesfalls einfach
• Man kann es jedoch trainieren:
– Auf den Körper achten
– Grübeln Stoppen
– Emotionen zeigen, ihnen Worte geben
– Neubewerten (v.a. allein und wenn Situation nicht
kontrollierbar)
– Akzeptanz der Situation und Emotion in unkontrollierbaren
Situationen
• Eine gute, flexible Regulation der eigenen Emotionen befördert Wohlbefinden
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