Lernziele
•Diagnostik (Kriterien DSM) der Narzisstischen und
histrionischen PS kennen und Probleme erläutern
können
•Das Modell des doppelten Selbstkonzepts verstehen
•Therapeutische Konzepte (u.a. Therapie gemäß
Sachse und Ego State kennen)
Narzisstische Persönlichkeitsstörung (NAR): Goldwater Regel & Valide Diagnostik
von PS (siehe auch vorherige VL)
Goldwater Regel & Valide Diagnostik
• In den 1970er Jahren haben sich die Mitglieder der American
Psychiatric Association zur Goldwater-Regel verpflichtet. Mit
ihr erklärte die amerikanische Gesellschaft mit rund 35.000
Mitgliedern die Veröffentlichung psychiatrischer und
psychologischer Gutachten ohne vorherige Untersuchung
für unethisch. Psychiater dürfen demnach Personen der
Öffentlichkeit nicht aus der Ferne diagnostizieren. Wer
gegen die Regel verstößt, kann vom Verband abgemahnt und
schließlich ausgeschlossen werden.
• Psychologen brauchen dieser Regel nicht folgen, da sie in
einem anderen Dachverband organisiert sind, der American
Psychological Association. (Quelle, Zeit).
• Fazit: Ich denke wir sollten uns hier an den Standards
orientieren, die ich Ihnen in den vorherigen VL vermittelt
habe: Diagnose einer PS nur nach stand. Interview und
Fragebogen
Bright and dark side of narcism ()
Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse:
Narzissmus hat zwei Hauptkomponenten: narzisstische Bewunderung und narzisstische Rivalität.
Narzisstische Bewunderung ist das Bedürfnis nach positiver Aufmerksamkeit und Bestätigung von anderen.
Narzisstische Rivalität ist die Tendenz, andere als Bedrohung für das eigene Selbstwertgefühl zu sehen.
Narzisstische Bewunderung kann in einigen Fällen von Vorteil sein, während narzisstische Rivalität zu erheblichen Problemen führen kann.
Initial werden Narzissten gemocht/sind populär (via den Weg der narzisstischen Bewunderung) dies fällt dann ab umso stärker der Weg der narzisstischen Rivalität zu Tage tritt
Empirisch validierte Charakteristika von Narzissmus ()
zitiert aus: Rainer Sachse, Meike Sachse & Jana Fasbender ( 2011). Klärungsorientierte Psychotherapie der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, S. 15-18. Göttingen: Hogrefe.
Empirisch validierte Charakteristika von
Narzissmus
„erfolgreiche Narzissten“ zeichnen sich aus durch
Positive Selbsteinschätzung u.a.
• Eine hohe positive Selbsteinschätzung
• Eine Gefühl von Grandiosität
• Ein überhöhtes Selbstwerterleben, Selbstvertrauen
• Ein erhöhtes Maß an Egoismus
• Selbstbezogenheit
• Ein ausgeprägtes Gefühl, anerkannt zu werden
• Ein starkes Bedürfnis, bewundert zu werden
• Starke Tendenzen, andere zu beeindrucken
• Hohe Dominanz
• Die Neigung, mit ihren Leistungen zu prahlen und sich arrogant zu verhalten
• Eine Tendenz, ihre Attraktivität zu überschätzen
• Eine Tendenz, ihre akademischen Fähigkeiten zu überschätzen
• Überzogene Voraussagen über ihr eigenes Leistungsniveau zu tätigen
• Sich selbst als intelligenter einzuschätzen, als sie nach objektiven Tests sind
• Ein starkes kompetitives Verhalten
• Überschätzung von positivem Feedback
• Eine erhöhte Kreativität
Negative Selbsteinschätzung u.a.
• Ein erhöhtes Aggressivitätsniveau, wenn sie „beschämt“ werden (bei einer Aufgabe sehr schlecht abschneiden)
• Erhöhte Feindseligkeit, wenn sie sich anderen unterlegen fühlen
• Erhöhtes Suizidrisiko
• Geringe Fähigkeit zum „emotionalen Nachempfinden“, dagegen keine Verminderung in der Dimension „intellektuellen Verstehens“ von Empathie
• Eine erhöhte Impulsivität
• Eine erhöhte Tendenz zu Alkoholabhängigkeit und zu Spielsucht (wahrscheinlich eher bei erfolglosen NAR)
Diskussion: Nimmt Narzissmus zu?
Aus Kring, Johnson, Hautzinger, 2019, S. 439
•Fraglich, da eine moderate Zunahme (aus 40 Punkten) andere Gründe haben kann, bspw.
• Gesellschaftliche Aspekte wie zunehmender Individualismus, Selbstbewusstsein ist gesellschaftlich erwünscht
• Kinder werden als „besonders“ erzogen
• Zunehmender Materialismus
• Zunehmende Dar – und Zurschaustellung in den Medien
(Anmerkung: Aber ist das nicht Narzisstisch?)
Empirische Belege? Merkmale narzisstischer Menschen
•Grandioses Selbstwertgefühl?: aktuelle Studie zeigt jedoch erniedrigtes Selbstwertgefühl (Vater et al., 2013, J Behav Ther Exp Psychiatry, 44: 37-47)
•Empathiemangel: aktuelle Studie zeigt jedoch keine Einschränkung bzgl. kognitiver Empathie, aber geringere Fähigkeit sich einzufühlen (Ritter et al., 2011 Psych Res, 187, 241-247)
Vom Narzissmus zur Diagnose NPS: Vom Narzissmus zur
Diagnose NPS: A-Kriterium ()
I
S
E
A: Schwierigkeiten in min. 2 Bereichen:
• Identität: Selbstbild und Selbstwert ist von anderen Personen abhängig; überhöhte, geringe oder schwankende Selbsteinschätzung; Emotionsregulation spiegelt Schwankungen im Selbstwert wieder
• Selbststeuerung: Zielsetzung ausgerichtet auf persönlichen Gewinn;
sehr hohe oder sehr niedrige persönliche Standards; Motivation
häufig unbewusst
• Empathie: beeinträchtige Fähigkeit Gefühle und Bedürfnisse anderer
wahrzunehmen und sich damit zu identifizieren; starker Fokus auf
andere, wenn dies bedeutsam für die eigene Person ist; Über- oder
Unterschätzung der Wirkung der eigenen Person auf andere
• Intimität: oberflächliche Beziehung; dienen der Regulation des
Selbstwerts; geringes „echtes“ Interesse an anderen Personen;
persönlicher Gewinn steht im Vordergrund
Diagnose NPS: B-Kriterium ()
B: Beide der folgenden Persönlichkeitsmerkmale müssen erfüllt sein:
• Grandiosität: hohe Ansprüche, Selbstbezogenheit, häufige
Stimmungswechsel; Glaube besser zu sein als andere, herablassende
Haltung
• Attention seeking: versucht exzessiv im Mittelpunkt zu stehen; strebt
nach Bewunderung
Valide Diagnosen?
Von der Schwierigkeit valide Diagnosen zu erstellen
Demografie und Komorbidität Narzissmus ()
Demografie und Komorbidität
• Etwa 1-2% der Bevölkerung, 2/3 Männer
• oft in gehobenen Positionen
• Hohe Komorbidität mit:
—> Paranoide PS, BPS, ASPS, Zwang, Depression, Sucht
Ätiologie Narzissmus: Biologische Korrelate ()
Biologische Korrelate: Empathie
•NPS Patienten zeigen verminderte graue (zellreiche) Substanz in der Inselregion
•Dies korrelierte mit vermindertem Mitgefühl (Schulze et al., 2013, J Psychiat Res, 47, 1363-1369)
Ätiologie Narzissmus: Familiäre Einflüsse ()
Familiäre Einflüsse
„Sei nicht, wer Du bist, sei der, den ich brauche. Der, der Du
bist enttäuscht mich, bedroht mich, ärgert mich, überreizt
mich. Sei, was ich will, und ich werde Dich lieben“ (Johnson,
1988, S. 54)
• meist Verstärkung für bestimmte besondere Fähigkeiten
• aber primäre Bedürfnisse nach „unkonditionierter Zuwendung“ nicht erfüllt
• gehäufte Erfahrung von Gewalt und subtilen Entwertungen im Elternhaus aber auch Befunde zu eher verwöhnendem Erziehungsstil
Modelle: Frustration versus Grandiosität (Kohut): Psychodynamische Ansätze
idealisierung vs. Entwertung
Sieben Dimensionen des Pathologischen Narzissmusinventar: positives und negatives SK
Ausbeutung sogar mit manipulativen Tendezen in Freundschaften
Integratives Modell: Doppeltes Selbstkonzept
•Personen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung (NAR) weisen ein doppeltes Selbstkonzept auf.
•Ein negatives Selbstkonzept, das aus der Biografie stammt und Annahmen enthält wie:
“Ich bin ein(e) Versager”
- “Ich kann nichts”
- “Ich bin nicht liebenswert”
•Daneben weisen die NAR ein positives
Selbstkonzept (SK) auf, das vor allem durch das
kompensatorische Leistungsverhalten zustande
gekommen ist.
•Dieses Konzept kann positiv bis stark übertrieben positiv sein:
- Ich bin genial
- Ich bin etwas besonderes
Doppelte Selbstwertregulation
Konsequenz
•Menschen mit NPS unternehmen alles um im positiven Selbstkonzept zu verbleiben
•Dies äußert sich u.a. in den Beziehungen zu Anderen (Bewunderung durch andere als Voraussetzung, bei Kritik Entwertung des Anderen)
•Sie fordern permanent Respekt ein, das überzogene Selbstkonzept führt zur Abwertung anderer Menschen und dient der Abwehr von Schamerleben (damit Aktivierung des negativen Selbstkonzepts)
Psychotherapie der NPS: Drei Typen der NPS ()
Bedeutsam für das Verständnis der Biografie und Behandlung: Drei Typen der NAR ... (Sachse et al., 2011)
• Erfolgreiche Narzissten: sehr leistungsorientiert, hohes Maß an Anstrengung, um Erfolge zu erzielen. Erfolgreich je nach ihren Kompetenzen
• Gescheiterte Narzissten: geraten in eine Phase, in der sie sich den für sie verbindlichen Anforderungen nicht mehr gewachsen fühlen und ihre Anstrengungen einstellen. Deutliches Gefühl zu scheitern (manchmal auch objektiv wahrnehmbar)
• Erfolglose Narzissten: gar nicht oder wenig leistungsorientiert, hohe Standards, die eigentlich erfüllt werden sollten. Diskrepanz zur realen Leistung wird durch Phantasieprodukte kompensiert. Man will als das behandelt werden, was man hätte werden können.
Therapie der NPS: Themen & Techniken ()
Therapie der narzisstischen P. S.
Themen sind:
Selbstwert, aktuelle Beziehungsschwierigkeiten
Techniken:
- Erkennen und Fördern positiver Ressourcen und
funktionaler Fertigkeiten
- Erarbeitung und biographisches Verstehen der
narzisstischen Selbstwertproblematik
- Analyse aktueller Beziehungen und Förderung
sozialer Fertigkeiten
Therapie der NPS: Beziehungschemata ()
Beziehungsschemata
• Man kann sich nur auf sich selbst verlassen.
• Man darf keine Schwäche (Gefühle) zeigen.
• Anderen kann man nur nach gründlicher Prüfung vertrauen.
• Es ist wichtig, eigene Autonomie nicht aufzugeben.
• Vermeide Kritik und Abwertung!
• Vermeide es, kontrolliert zu werden.
• Vermeide es, abhängig zu sein!
Therapie der NPS: Manipulation ()
Personen mit NAR sind meist hochgradig manipulativ:
Sie setzen andere zur Erreichung ihrer Ziele ein.
Beliebte Spiele sind z.B.:
- Mords-Molly (Nur ICH kann das lösen, Ich bin der beste!")
- “Blöd-Spiel”
- “Immer ich” (“ich ziehe das irgendwie an”)
- Regel-Setzen (für die anderen)
- Opfer der Umstände
gute Beispielreaktion: “Das muss ja wahnsinnig anstrengend sein!”
Beispiel Arbeit an Gefühlen mit Stuhlübun:
•Es geht darum dem Pat. zu verdeutlichen, dass das
Verständnis für Emotionsregulationsprozesse
hilfreich ist (Commitment) (Technik: Stuhlübung,
Perspektivwechsel)
Therapie der NPS: Spezielle therapeutische
Techniken ()
Patienten nie defizitär behandeln
• Pat haben massive Angst vor Abwertung (Fehler), deshalb viel loben, Sicherheit vermitteln
• Klient ist o.k.
• Keine Infos gegen Klienten verwenden
Unkonditionale Validierung
• Respektiert die Anstrengung des Klienten
• Theoretisieren wird verstärkt
• Th. macht deutlich, dass Klient:
klug, gebildet
erfolgreich und kompetent ist
• Stärkt also erst einmal das Selbstkonzept
Ressourcenorientiert
• Klient hat schon viel erreicht
• Ist etwas besonderes
• Was kann er alles gut?
Sie haben schon viel erreicht, sie sind toll, sie werden
respektiert ... Müssen sie noch mehr leisten?
Akzeptieren mit Stärken und Schwächen …
• Schwächen des Klienten wahrnehmen und erst einmal nicht kommentieren
• Klären dass dies ganz normal ist (normalisieren)
• Verdeutlichen, dass Klient auch mit Schwächen akzeptiert wird
Therapeut:
Ich akzeptieren sie so wie sie sind, bei mir brauchen
sie sich nicht anzustrengen...
Commitment (Beziehung und Ziele definieren)
• Keine Konfrontation, keine Machtkämpfe
z.B. Th.: das kann ich mir gut vorstellen, dass sie diese Kosten
(z.B. Beziehungsstress) nicht länger wollen. Sie wollen sicher auch eine qualifizierte und gründliche Therapie (Beratung?). Das setzt eine gründliche Analyse voraus usw.
Explizieren von Beziehungsmotiven
• deutlich machen dass es um „Anerkennung“ geht
• sie weniger leistungsorientiert als anerkennungsorientiert sind
• Die Strategien des Klienten oft wenig erfolgreich sind (intellektuelle Empathie)
• dass sie schon sehr anerkannt werden
• Dass es auch andere authentische Verhaltensweisen gibt um anerkannt zu werden ...
Arbeit am Selbstwert
•Verdeutlichen des „doppelten Selbstkonzept“ mit Beobachtungsaufgaben
•Imaginationsübungen die das deutlich machen
Beispiel: Aufgreifen der fragilen
Selbstwertregulation (vulnerables und überkompensiertes Selbst)
• Typisches Verhalten (Entwerten anderer) wird aufgegriffen
um Überkompensation zu verdeutlichen und emotionales
Erleben deutlich zu machen (Technik Imaginationsübung)
Prognostische Faktoren ()
Prognostische Faktoren
Gute Prognose:
• Eher fragile Typ (günstige Beziehungserfahrungen und realistische Selbstwahrnehmung)
• Erfolgserlebnisse
Schlechte Prognose:
• Berufliches Versagen
• Selbstdestruktivität
• dissoziale Züge
• Drogen/Alkohol
Therapieoutcome & Wirksamkeit sowie Pharmakologie ()
Therapieoutcome
•es liegen nicht genug methodisch akzeptable
Therapiestudien vor um zu einer validen
Einschätzung der Wirksamkeit zu gelangen
•Derzeit liegen keine kontrollierten Studien zur
pharmakologischen Behandlung von Narzissmus
vor. Es ist unwahrscheinlich, das sich direkte Effekte
abbilden. Komorbidität und Suizidalität sollten aber
(auch) pharmakologisch behandelt werden
Histrionische PS
(nicht mehr im DSM-5 enthalten): DSM-IV-Diagnosekriterien der histrionischen Persönlichkeitsstörung (Cluster B)
DSM-IV-Diagnosekriterien der histrionischen Persönlichkeitsstörung (Cluster B)
Ein durchgängiges Muster übermäßiger Emotionalität oder eines übermäßigen Verlangens nach
Aufmerksamkeit. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und manifestiert sich in
verschiedenen Lebensbereichen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:
(1) fühlt sich unwohl in Situationen, in denen er/sie nicht im Mittelpunkt steht;
(2) die Interaktion mit anderen ist primär bestimmt durch ein übertrieben
sexuell-verführerisches oder provokantes Verhalten;
(3) zeigt rasch wechselnde und oberflächlich wirkende Emotionen;
(4) setzt ununterbrochen seine äußere Erscheinung ein, um die
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken;
(5) liebt Selbstdramatisierung und Theatralik und zeigt einen übertriebenen
Gefühlsausdruck;
(6) hat einen übertriebenen impressionistischen und wenig detaillierten
Sprachstil (bei der Beschreibung der Mutter heißt es z.B. nur: “Sie war eine
wunderbare Frau”);
(7) hält Beziehungen für intimer, als sie es tatsächlich sind
Histrionische PS: Grundannahmen ()
Grundannahmen
•Ich werde als Person nicht wahr (ernst) genommen
•Ich muss es allen recht machen
•Therapeutische Komplikationen: „Nach der letzten Stunde ging es mir ganz schlecht, nachdem Sie mich in dem Zustand nach Hause geschickt haben, in dem ich war.“
Histrionische PS: Ego State Therapie ()
Ego State Therapie
bei Histrionikern oft das „Chaotenorchester“
Histrionische PS: Therapie: Sicherheit & Vertrauen ()
Histrionische PS: weitere hilfreie Ansätze der Therapie ()
Weitere hilfreiche Ansätze
•Compassion Focused Therapy (Paul Gilbert, 2013)
• Grundlegende Idee ist, den Umgang mit sich selbst
freundlicher zu gestalten (Abbau des inneren Kritiker: Ich
bin nichts wert, ich bin nicht liebenswert usw.)
• Grundformel hierzu ist erst einmal: „Der Patient ist nicht
selbst Schuld!“ muss jedoch die Verantwortung für sein
Verhalten tragen
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