1. Auf welche Weise und mit welchen Folgen reguliert der Preußische Staat das höhere Schulwesen Anfang des 19. Jhd.?
· Konzentration auf höhere Schulen
· Gymnasien multifunktionale Anstalten, die nur in Oberstufe ‚richtige‘ Gymnasien waren
· Unterstufe wurde von SuS besucht, welche nur die Erledigung der Schulpflicht anstrebten oder das „einjährige Freiwillige“ (Befreiung vom Militärdienst, später mittlere Reife)
· Voraussetzung für Abitur-Berechtigung war Unterricht in wissenschaftlichen Fächern (Oberstufe) von akademisch ausgebildeten LK
· Der Staat begann mit der Regulierung des Abiturs auf Grund der starken Heterogenität der Gymnasien durch drei Reglements:
o 1. Nicht verbindlich für Studium, aber einheitliche Vorgaben für Prüfung (1788)
o 2. Abiturprüfung verbindlich für Zugang zu Studium mit Staatsexamen (1812)
o 3. Abiturprüfung verbindlich für alle Studiengänge (1834)
Folgen:
· 9-jähriges Gymnasiums mit 3-jähriger Vorschule
· Wirkungsvoller Selektionsmechanismus = Abitur nur an altsprachlichen Gymnasien
· Starke Regulierung des Angebots altsprachlicher Gymnasien und damit der Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg (Diskussionen des ‚Akademikerproletariats‘, ‚Überfüllung‘)
· Starke Expansion von Realgymnasien und anderen Lehranstalten, ohne Recht auf Abitur (Mobilitätsstau)
· Um 19. Jh.: Ergänzung des humanistischen Typus um weitere Typen mit Berechtigung: Realgymnasien, Oberrealschulen (starke Ausweitung durch Zulassung von Frauen zum Abitur)
· Frauen wurden auch zum Abi zugelassen
Warum hat der Preußische Staat ein Interesse an der Durchsetzung der Schulpflicht?
· Etatistisches Interesse: Schulen sollten zur Herausbildung eines gemeinsamen Staats- und Nationaldenkens führen. Dieses fehlte auf Grund des „geographischen Flickenteppichs“
· Ökonomisches Interesse: Stärkung der Wirtschaft durch qualifiziertes Personal
· Emanzipatorisches Interesse des Einzelnen: Insbesondere das Bürgertum verfolgte die Erweiterung der Lebensmöglichkeiten, um dem Adel Konkurrenz zu machen
Zusammenhänge mit anderen Ereignissen:
· Grund für Niederlage Preußens gegen Napoleon: mangelnde Ausbildung des Militärs und Unterstützung durch das Volk
· Deshalb umfassende Staatsreform: in Verwaltung, den Städten, dem Gewerbe und Schulen – besonders in höheren Schulen
· In Preußen zunächst zwei Schultypen: niedere Schulwesen und das höhere Schulwesen
o Niederes Schulwesen: erster Unterricht für die Jugend
o Höheres Schulwesen: (auch Gymnasia genannt) Vorbereitung der Jugend auf Wissenschaft und Künste
Geschichtlicher Hintergrund des Ausbildung eines höheren Schulwesens:
· Eroberung Napoleons + Niederlagen Preußens 1806/1807
· Diagnose: Untergang Preußens war auch durch die mangelnde Unterstützung durch das Volk und die mangelnde Ausbildung des Militärs verursacht
· Umfassende Staatsreform (Freiherr vom und zum Stein, von Hardenberg, W. v. Humboldt): Verwaltungsreform, Städteordnung, Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit, Heeresreform, Schul‐ und Universitätsreform
· Pädagogische Anstrengungen als wichtiger Teil der „nationalen Rettung“
1. Was sind Merkmale der Entwicklung des höheren & niederen Schulwesens im 19. Jhd.?
Höheres Schulwesen
Niederes Schulwesen
- Etablierung von steuernden und kontrollierenden Behörden (Berechtigungssystem)
- Kopplung von Abschlüssen und Berufskarrieren (vor allem im Staatsdienst)
- Festlegung von Fächern, Lernzeiten, Lerninhalten und Prüfungsanforderungen
- Vereinheitlichung und Modernisierung der Inhalte durch Vereinheitlichung und Reformierung der Lehrpläne (Humboldt)
- Bildungsbegrenzung (häufig einklassig, Lehrer ohne akademische Ausbildung und Begrenzung auf Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion)
- Herrschaftskonforme Glaubenserziehung christlicher Untertanen→ wurde im Zuge der Reformen nach 1806 erweitert (z.B. Ausbau Lehrerseminare zur Ausbildung der Volksschullehrer)
- Regression nach 1849 (Stiehlsche Regulative 1854), gleichzeitig aber Festlegung von Fächern, Lernzeiten und Lerninhalten, Normierung und Standardisierung der Lehrerbildung
- Weiterentwicklung: Anpassung an wirtschaftliche Entwicklung – ab 1872
1. Warum spricht man von der Professionalisierung und Standardisierung des Schulwesens im 19. Jhd.?
Differenz
- Vorbereitung der Jugend auf die höheren Wissenschaften, oder auch zu Künsten und bürgerlichen Gewerben vorbereiten
- Sind dem ersten Unterricht der Jugend gewidmet
Auftrag
- LuL mussten zumindest in manchen Fächern eine akademische Ausbildung besitzen
- LuL mussten nur eine Seminarlehrerausbildung haben
Lehrerausbildung
- Bieten Fächerkanon an, der auch an Unis gelehrt wird
- Kaum bis gar keine Fremdsprachen, nicht auf Uni-Niveau
Fremdsprache
1. Was bedeutet gewollte Bildungsbegrenzung der Volksschulen in Preußen im 19. Jhd. Und was sind ihre Gründe?
· Bildungsbegrenzung = Fächerbegrenzung auf Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion
· Lehrkräfte für Volksschulen besaßen nicht über eine akademische Ausbildung
o häufig einklassig (SuS aller Altersklassen)
· Grund: Breite Volksbildung war ökonomisch zunächst weniger wichtig als qualifizierte Beamtenbildung, sondern Fokus auf herrschaftskonforme Glaubenserziehung christlicher Untertanen (keine breite Volksbildung!)
· Reformbestrebungen nach 1806 führten jedoch zum Ausbau von Volksschullehrerseminaren und damit zu einem Professionalisierungsschub
· Fortschrittliche Bürger wehrten sich gegen Bildungsbegrenzung und legten neue Ideen vor: Professionalisierung der Lehrer, Bildungschancen für Schüler, mehr Fachunterricht
o Anlehnung an Kant: Mensch soll zum Selbstdenken + zur eigenständigen Urteilsbildung erzogen werden
o Dafür muss er von ebenso denkenden + handelnden Menschen erzogen werden
o LuL sollte von kirchlichen Schulaufsicht losgelöst werden und in ein demokratisches Gemeinwesen eingebunden werden
o Großer Einfluss dieser Ideen auf die Lehrerschaft und die Seminarlehrer
1. Aus welchen Gründen kam es zu den Stiehl’schen Regulativen von 1854 und welche Funktion besitzen sie?
· Stiehl’sche Regulative = Mit den Stiehl’schen Regulativen sollte die gewollte Bildungsbegrenzung der Volksschulen gefestigt werden; Gesamtstaatlicher Steuerungs- & Normierungsversuch (Abkehr vom „Pluralismus“ im Elementarschulwesen)
· Funktion: Festlegung von Ziel, Umfang und Richtung der Elementarbildung (Schulen sollten wieder eingeschränkt werden)
· Grund: Preußische Krone sah die Ursache in der bürgerlichen Revolution 1848/49 bei den Reformtendenzen der Volksschullehrer ® wollten eine Neugestaltung des Schulwesens
· Einheitliche Bestimmung über die gesinnungsethische Ausrichtung der Volksschullehrerbildung und der im Seminar zu erlernenden Methoden, Inhalte und Fertigkeiten
· Die Regulative sah vor:
o Vereinheitlichung der Lehrpläne: Ausbildung des Lehrers wurde auf grundlegende Kenntnisse vor allem in Religion, Muttersprache und Rechnen beschränkt
o Stärkung von Religion als Unterrichtsfach
o Einklassenschule wird zum Regelfall erklärt
o Verstärkung der kirchlichen Schulaufsicht (erstreckte sich auf alle Lebensbereiche des LuL)
1. Welche Unterschiede gibt es zwischen dem Schulwesen in der Weimarer Republik vor und nach 1920?
Vor 1920
Nach 1920
- Zweigliedrigkeit
- Keine festgelegte Grundschulzeit (Nebeneinanderstehen von vielen multifunktionalen Schulen)
- Ständeprinzip
- Tendenzielle Dreigliedrigkeit
- Gemeinsame Grundschule
- Leistungsprinzip (ermöglicht spätere Selektion)
- Gymnasium auf 13. Klasse erweitert
- Einführung von Hilfsschulen
Schule in der Weimarer Republik:
· Niederlage Erster Weltkrieg, soziale und ökonomische Zerrüttung des Deutschen Reiches
· 9. November 1918: Ausrufung der ersten parlamentarischen Demokratie (Weimar: erster Tagungsort der verfassungsgebenden Nationalversammlung)
· Bedarf nach einer veränderten Gesinnung des Volkes und seiner Eliten, Demokratisierung der Gesellschaft ®Bedeutung der Schule wird wiederum erkannt
· In der neugegründeten Weimarer Republik wurde die sich in der Schulstruktur widerspiegelnde Ständestruktur in Frage gestellt
· Übergang vom Stände‐ zum Leistungsprinzip in Weimarer Verfassung (Demokratisierung)
· Ziel: Aufbau eines demokratischen Staates
o Gemeinsame Grundschule
o Diskussion der Dauer der gemeinsamen Schulzeit
o Erwachsenenbildung: Zugänge zum Abitur und in die Hochschule (Gewinnung von demokratischen Eliten)
· Schwere Auseinandersetzungen innerhalb der Koalitionsparteien (Zentrumspartei und Sozialdemokraten) und mit der Opposition über die genaue Gestalt des Schulwesens
· Themen u.a.: Dauer der gemeinsamen Schulzeit, Möglichkeit des Privatunterrichts, Ausmaß der Gliederung, Trennung der Konfessionen, Geistliche oder staatliche Schulaufsicht
· Einigung im „Weimarer Reichsgrundschulgesetz“
o Schaffung einer gemeinsamen Grundschule mit vierjähriger Dauer, Gliedrigkeit des Schulwesens blieb bestehen
o Systematische Eingliederung der Mittelschulen in das Schulsystem
· Festlegung der Grundzüge eines Schulsystems, wie es auch in der Bundesrepublik zunächst Bestand hatte
1. Welche Differenzen gibt es zwischen Bundesländern bezogen auf die Regelungen zum Übergang auf die Sekundarstufe?
· Regelungen zum Übergang auf die Sekundarstufe sind nicht einheitlich und endgültig geregelt!
· In den meisten Bundesländern entscheiden die Eltern
· In Bayern, Sachsen und Brandenburg entscheidet die Grundschule bzw. die LuL
· In NRW macht der Lehrer einen Vorschlag
· Alle Bundesländer: 4 Jahre Grundschule (Ausnahme Berlin: 6 Jahre)
· Voraussetzungen:
o BW: D, MA, und Gym (2,5) und RS (3,0)
o BAY mit D, MA und S Gym (2,33) und RS (2,66)
1. Was sind Moderatoren, Prädiktoren & Bedingungsvariablen im Modell nach Heller?
Moderatoren
Motivation, also motivationale, nicht kognitive Persönlichkeitsmerkmale (Beispiel: Selbstbild, Schulunlust, Anstrengungsvermeidung, Interessen & Prüfungsangst)
Prädikatoren
Vorwissen, Intelligenz, metakognitive Kompetenzen (Beispiel: Lern-/ Gedächtnisstrategien)
Bedingungsvariablen
Familiäre, schulische und Peer-Sozialisation; Konstitutionelle Entwicklungs- und Leistungsbedingungen
1. Wie sollten theoretische Überlegungen, empirische Evidenz und politisch/gesellschaftliche Ansprüche in der konkreten Laufbahnprognose aufeinander bezogen sein?
Multikausales Bedingungsmodell der Schulleistung (Heller, 1991)
· Schulleistung wird durch unterschiedliche Prädiktoren beeinflusst z.B. Vorwissen, kognitive Denkfähigkeit
· Prädiktoren werden moderiert durch Moderatoren
· Moderatoren werden durch familiäre, schulische und Peer-Sozialisationseinflüsse beeinflusst sowie konstituelle Entwicklungs- & Leistungsbedingungen (Bedingungsvariablen)
· Multiple Faktoren werden in den Schullaufbahnpräferenzen berücksichtigt
1. Gibt es einen Einfluss familiärer Schülermerkmale auf die Laufbahnprognose von Lehrkräften und wie kann er empirisch begründet werden?
· Pfadmodell
· SuS aus weniger guten fam. Hintergründen = schlechtere Leistungen
· LK schauen hier auf Leistung UND fam. Hintergrund: doppelt fam. Hintergrund
BILD THEMATISCHER BEREICH
1. Was unterscheidet die schulische Laufbahnprognose von einer wissenschaftlichen Prognose?
Schulische Laufbahnprognose
Wissenschaftliche Laufbahnprognose
® Subjektives Beurteilungsverfahren (durch LuL)
® Objektives Beurteilungsverfahren (durch standardisierte Tests und Einbezug äußerer Faktoren/Rahmenbedingungen)
Laufbahnprognose:
· Prognosetheorie wird herangezogen
o Je besser die Leistungen zum Zeitpunkt X, desto eher Erfolg auf der Schulart Y
o Prädiktoren werden daraus entnommen
o Kriterium (Schulerfolg bestimmter Schulart) soll daraus vorhergesagt werden
· eingebettet in Rahmenbedingungen + Konstanzannahmen wirken darauf ein
1. Wie lassen sich objektive von subjektiven Verfahren der Leistungsmessung unterscheiden? Welche Vor‐ und Nachteile sind mit diesen Verfahren verbunden?
Objektive Leistungsmessung
Subjektive Leistungsmessung
Durch standardisierte Leistungstests die einen Vergleich mit der Norm zulassen = SCHULLEISTUNGSTEST
Durch persönliche Beurteilungen von Individuen (LuL) = NOTEN
Erfassung der Lernvoraussetzung (Intelligenz- oder Konzentrationstests
Erfassung der Lernvoraussetzung (Persönlichkeitsbeurteilung des Lehrers)
Einzelne Messwerte erlauben den Vergleich mit der Grundgesamtheit, für die dieser Test gilt
Klausurergebnisse können nur innerhalb der Klasse verglichen werden
Vorteil: Vergleich mit der allgemeinen Norm, weniger Verzerrungseffekte
Vorteil: Nähere Beschäftigung mit der Person (nicht nur Leistungsbezogen)
Nachteil: Keine Berücksichtigung äußerer Einflüsse
Nachteil: Vergleich nur mit der Klasse möglich (Lehrer kann auch nicht immer objektiv sein, Bsp. Sympathie)
1. Was versteht man unter den Fehlern erster und zweiter Art? Wie sind sie – unter Beachtung von X‘ und Y‘ ‐ aufeinander bezogen? Wodurch können diese Fehlerarten reduziert werden?
· Fehler 1. Art = B Fehler
o Schüler wurde für eine bestimmte Schulform empfohlen, war aber nicht geeignet (Überbewertung)
· Fehler 2. Art = D Fehler
o Schüler wurde nicht empfohlen, war aber geeignet (Unterbewertung)
· Wenn Fehler 1. Art größer werden, sinken Fehler 2. Art. Wenn Fehler 1. Art kleiner werden, wachsen Fehler 2 Art. Es kommt also zu einer Verschiebung
· Beide Fehlerarbeiten mit Empfehlung oder Zuschreibung der weiterführenden Schule zu verstehen
· Bedingen sich gegenseitig
· Sind nicht vermeidbar, aber reduzierbar
· Fehler hängen von Strenge der Notengebung ab
o Ist Zulassung streng, Fehler 2 häufiger als Fehler 1 (X würde in Grafik weiter nach rechts rutschen)
o Ist Zulassung lasch, Fehler 1 eher als Fehler 2 (X würde in Grafik weiter nach links rutschen)
· Um Fehlerarten einzudämmen: ausbalancierte Notengebung notwendig, denn Fehlerarten hängen damit zusammen
· Notengebung darf nicht zu lasch und nicht zu streng sein
o Muss sich dabei an Prädikatoren & Moderatoren halten
o Aber auch nicht Geschlecht / Migrationshintergrund mit in Entscheidung einbeziehen
· Schullaufbahnpräferenz der LK (Laufbahnprognose) wird durch die Durchschnittsnote stark beeinflusst Durchschnittsnote kann als Indikator verstanden werden für Vorwissen, bezeichnet wie gut bisher gelernt wurde
· Gibt Zusammenhang zwischen Prädikatoren & Moderatoren und der Durchschnittsnote, stehen in Bezug zueinander
· LK können neben Durchschnittsnote auch nochmal zusätzlich die von ihnen wahrgenommenen kognitiven Fähigkeiten, also Anstrenungsbereitschaft + die Prüfungsangst in Prognose mit aufnehmen
· Schullaufbahnpräferenz ist so koordiniert, dass höhere Werte höheren Schullaufbahnempfehlungen entsprechen der höchste Wert entspricht der Empfehlung für Gymnasium
· LK nutzen Vorwissen, kognitive Fähigkeiten & Moderatoren, um Schullaufbahnprognose zu erstellen
· Geschlecht, Migrationshintergrund, ISEI fließen in Durchschnittsnote mit ein
o Höherer SES ist mit besseren Noten bzw. geringeren Notenwerten verbunden
o Merkmale fließen nicht nur in Durchschnittsnote mit ein, sondern beeinflussen auch Präferenzen der LuL
1. Welche gesellschaftlichen Faktoren können warum Übergangs‐ und Verbleibschancen auf Gymnasien und Realschule beeinflussen?
· Demografische Faktoren (Geburtenzahl, wenn sie steigt, sinkt die Erfolgsquote am GYM)
· Familiare Merkmale wie Sprache, Persönlichkeit, Arbeitshaltung und Leistungsfähigkeit haben direkte Einflüsse auf die Noten und die Schullaufbahnpräferenz (Denner, 2010)
· Faktoren wie Geschlecht, Migrationshintergrund fließen ebenfalls in die Durchschnittsnote sowie in die Präferenz der Lehrkräfte ein
1. Was ist unter Selektion und Sozialisation bei Parsons und Dreeben zu verstehen?
Parsons
Dreeben
Selektion
- Erfolgt nach Leistung
- Differenziert für die Grundschule nach:
§ Kognitiver Leistung
§ Moralischer Leistung (Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit, Arbeitshaltung, Respekt)
- Sind verknüpft, werden erst später differenziert mit Bezug zu beruflichen Orientierungen
- SuS werden in Hierarchie eingeordnet, die bestimmend für Zuweisung zu weiteren Schulkarriere + damit verbundenen Berechtigungen ist
- Ergebnis der Selektion muss akzeptiert werden ® Sozialisation
- Rolle in Berufsstruktur / in Gesellschaft muss kompetent ausgefüllt werden ® Sozialisation
- Als relevante normative Orientierungen werden von Dreeben aufbauend auf Parsons vier normative Orientierungen beschrieben, die SuS lernen müssen:
§ Unabhängigkeit
§ Leistung (Aufgaben aktiv erfüllen und nach gewissen Gütestandards meistern)
§ Universalismus (das Recht Andere anerkennen, Andere kategorisieren und entsprechend behandeln)
Spezifität (Aufgrund einiger Merkmale den ganzen Menschen repräsentieren)
- Orientierungen werden mit aufsteigenden Schulstufen zunehmend vermittelt
- Grundschule steht noch zwischen Welt der Familie + Welt der gesellschaftlichen Anforderungen
Sozialisation
- Drei hierarchisch angeordnete Systeme:
§ Kulturelles System (Werte & Normen)
§ Soziales System (Handeln von Individuen in sozialen Subsystemen)
§ Persönlichkeitssystem (verinnerlichte Werte + resultierende Handlungen)
- Systeme stehen in strukturerhaltenden Wechselbeziehung zueinander
- Vermittlung zwischen diesen Systemen erfolgt über Rollen
- Rollen als gesellschaftliche Erwartungen, an denen sich Individuen in ihren Handeln orientieren
- Sollen freiwillig + kompetent ausgeführt werden
- Rollen sind in Kultursystem verankert + müssen im Persönlichkeitssystem ausgeführt werden.
- Erwachsene in politischen/ökonomischen Systemen: universalistisch-spezifische Normen
- Erwachsene in Familien: partikularistisch-diffuse Normen
- Schule als Sozialisationsinstanz zur Vermittlung der funktional-spezifischer normativer Orientierungen
- Sozialisation ist dann Übernahme dieser normativen Orientierungen durch wiederholte Erfahrungen in Schule
- Im Unterschied zur Erziehung übernimmt hierbei kein Beteiligter eine Anstrengung mit einem bestimmten Ziel
1. Warum kann die Funktion des Schulsystems nicht durch andere Subsysteme übernommen werden, bspw. durch die Familie oder das Wirtschaftssystem?
· In moderner Gesellschaft: Ausdifferenzierung von Subsystemen, die spezialisierte Funktionen erfüllen, um das Überleben von Gesellschaft zu sichern
· Schulsystem als Subsystem, welches wichtige Funktionen hat - insbesondere auf das wirtschaftliche und politische System vorzubereiten + damit zum Erhalt + zur Stabilisierung des Gesamtsystems beiträgt
· In Familien werden bestimmte private Normorientierungen vermittelt (partikularistische Normorientierung), weil innerhalb der Familie emotionale Beziehungen bestehen
· Deshalb schafft es Familie nicht Disposition zu erzeugen, die ein moderner Mensch braucht, z.B. Unabhängigkeit, Leistungsorientierung, Leistungsstreben spricht gegen Familie aus Sicht der Strukturfunktionalisten (aber in anderen Ländern Homeschooling)
· Pluralität lernt man dadurch kennen, dass man Schule aufsucht Man erlebt LuL in Berufsrolle, ist neutral
· Wirtschaft: nur wirtschaftsbezogene Ausbildung, wobei andere Ausbildungen oder Funktionen, die nicht im Interesse der Wirtschaft sind (z.B. Integrationsfunktion) nicht erfüllt werden; Qualifikationen werden erzeugt, die den direkten Bedürfnissen des Wirtschaftssystems entgegenkommen würden
Funktionen des Schulsystems
· Im Subsystem Familie könnten z.B. keine universell-spezifischen Normen erlernt werden, da sich das Subsystem Familie an partikularistisch -diffusen Normen orientiert
· Subsystem Wirtschaft orientiert sich an universell-spezifischen Normen, wodurch Aneignung von partikularistisch-diffusen Normen fehlt
· Schule als zentrale + wichtige Sozialisationsinstanz zur Vermittlung funktional-spezifischer normativer Orientierung
1. Welche Normen sollen in der Schule erlernt werden und wie werden sie erlernt?
Systematisierung der Sozialisationsfunktion der Schule nach Dreeben
· Dies bedeutet, dass SuS lernen:
o Selbst zu handeln (wenn nicht Kooperation gefordert ist) + persönliche Verantwortung für ihr Verhalten sowie Rechenschaft für dessen Kompetenzen zu übernehmen (Unabhängigkeit)
o Aufgaben aktiv erfüllen + die Umwelt nach gewissen Güte-Standards zu meistern (Leistung)
o Das Recht andere anzuerkennen, sie in Kategorien einzuordnen + entsprechend zu behandeln (Universalismus)
o Aufgrund einiger Merkmale und nicht aufgrund der volle Konstellation von Merkmalen, den ganzen Menschen repräsentieren (Spezifität)
Normative Orientierung
· Orientierungen werden mit aufsteigenden Schulstufen vermittelt
· GS steht noch zwischen Welt der Familie + Welt gesellschaftlicher Anforderungen
· Dabei handelt es sich nicht um intentionale Vermittlung (=Erziehung), die in Qualität von Merkmalen der beteiligten Personen abhängt
· Sondern um Übernahme normativer Orientierungen durch wiederholte Erfahrungen im Rahmen schulischer Strukturen, die auch ohne zielgerichtete Anstrengungen von Beteiligten erfolgt (=Sozialisation)
Unabhängigkeit
· SuS lernen, dass sie selbst Aufgaben erledigen müssen und nicht die anderen für sie
· Schüler ist in Schule von Familie getrennt
· Schulklasse ist zu groß, um Abhängigkeitsverhältnis zum LuL entwickeln zu können
· Regeln gegen und Sanktionen für das Mogeln
· Erwerb einer psychischen Disposition, Aufgaben selbstverantwortlich anzugehen
Leistung
· Aufgaben sollen nach besten Kräften erfüllt werden; werden in Leistungssituationen durch Standards verlangt
· Zwang zur Auseinandersetzung mit Erfolg + Misserfolg. Gleichzeitig bietet die Schule vielfältige Gelegenheiten zur Erfahrung von Erfolg und Misserfolg
· Alternativen rufen verschiedene (auch nichtkognitive) Aspekte von „Leistung“ in extracurricularen Aktivitäten ab: z.B. Sport‐ oder Theatergruppen
· Ermöglicht Erreichen langfristiger Ziele
Universalismus
· Schüler werden in Orientierung an bestimmten, für alle gleichen Kategorien beurteilt
· Berücksichtigung ihrer Individualität würde bedeuten, dass besonderen Merkmale einer Person für Beurteilung herangezogen werden: Willkür, nicht Fairness
Spezifität
· Schule soll Akzeptanz erreichen, dass SuS nur mit Ausschnitt ihrer Person wahrgenommen werden (der sich auf ihre Rolle als SuS bezieht)
Strukturen zur Vermittlung von Universalismus und Spezifität
· Erfahrung der Zuordnung zu Mitgliedschaftskategorien
o Gleiche Anforderungen für alle durch ähnliche/gleiche Aufgaben
o Homogene Leistungsklassen: Individualisierende Unterrichtsmethoden eingeschränkt nötig
§ A) Schüler können gleichbehandelt werden B) Vergleich mit anderen möglich
o Versetzung: Alter ist an bestimmte Anforderungen gebunden
o Fachlehrerunterricht/Klassenwechsel: Gleichbehandlung auch in unterschiedlichen Situationen und durch unterschiedliche Lehrkräfte
o Fachlehrer: nehmen immer engeres und spezialisiertes Interesse am Schüler ‐> bezogen auf das einzelne Fach
o Notengebung wird an überprüfbaren oder zumindest erklärbaren und für alle gültigen Kriterien ausgerichtet
· Schüler lernt sich aus den Augen der anderen zu betrachten und seine Position zu verstehen
Wie würden sich LuL und SuS in bestimmten Situationen, verhalten, wenn sie universalistisch‐spezifischen statt partikularistisch‐diffusen Normen folgen (und umgekehrt)?
universalistisch‐spezifisch
Neutralität: sachlich, kühl
Spezifität: Rolle ist speziell
Universalismus: frei von einmalig persönlichen Beziehungen (z.B. zwischen Lehrer und Schüler)
Erbringung / Leistung: Handlungen werden aufgrund von Leistungen beurteilt
® Lehrer beurteilt nur die Leistung
partikularistisch‐diffus
Affektivität: emotional
Diffusität: Bedeutung des Rollenpartners umfassend, Person als Ganzem
Partikularismus: Rollenbeziehungen zu einzelnen, besonderen Menschen (wie eine Mutter)
Zuschreibung: Handlungen werden aufgrund eines vorgeschriebenen und fest zugeschriebenen Status beurteilt
® Willkür, Lehrer beurteilt nach besonderen Merkmalen oder hat einen „Liebling“ in der Klasse
1. Wie zeigt sich, dass die Grundschule eine Art Brückenfunktion zwischen Familie und Gesellschaft sowie deren handlungsleitenden Normen erfüllt?
· LuL ist zum Teil noch in einer Art mütterlich-väterlichen Rolle (Hilfe beim Anziehen, etc.)
· Normative Orientierungen werden erst mit aufsteigender Schulstufe zunehmend vermittelt
· Grundschule steht zwischen Welt der Familie und der der Welt der gesellschaftlichen Anforderungen
· Beziehungsaufbau teilweise auch emotional, Interesse am Individuum
· Es existiert noch emotionalere Bindung zwischen LuL und SuS im Vergleich zu weiterführenden Schulen, da es nur wenige feste Bezugspersonen gibt
1. Über welche Struktur‐ und curricularen Elemente erfüllt die Schule ihre verschiedenen Funktionen bei Fend?
1. Enkulturationsfunktion = kulturelle Teilhabe und kulturelle Identität und Autonomie der Person im Denken und Handeln stärken
· Allgemeine Bildung als schulischer Auftrag (Bildung & Erziehung)
· Basale Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen)
· Allgemeinbildende Fächerstruktur als Repräsentation aller wichtiger Lernfelder (Sprache, NaWi, Kunst, etc.)
· Kulturelle Teilhabe durch Sozialisation und kulturelle Initiation
· Erziehung zur Rationalität, Reflexivität & Mündigkeit (Selbstverantwortung, eigene Urteilsbildungs- & moralische Entscheidungsfähigkeit)
2. Integrationsfunktion = soziale Identität + politische Teilhabe und Begegnung mit kulturellen Traditionen eines Gemeinwesens
· Geschichte, Sozialkunde & Religion
· Nationale Literatur und Musikkanon
· Projektarbeit, soziales Lernen, Kooperative Lernformen
· Partizipation (Schulpflicht, Demokratie leben und lernen, Bürgerbeteiligung)
· Schulisch gefeierte Fest- und Gedenktage
3. Allokationsfunktion = Stellung in schulischer Leistungshierarchie und beruflicher Aufstieg und Stellung durch eigene Lernanstrengung und schulische Leistung in die Hand nehmen
· Äußere Differenzierung der Schulstruktur (niederes/ mittleres/ höheres Schulwesen)
· Differenziertes System von schulischen Abschlüssen (untersch. Lange Ausbildungen, Bachelor, Master oder Promotion, etc..)
· Standardisiert-kriteriale Benotung individueller Leistungen (bundesweit geregelte Noten, Verpflichtende Bewertung von mündlichen & schriftlichen Leistungen, Verpflichtende Prüfungen & Klausuren)
4. Qualifikationsfunktion = die Chance, Wissen und Fähigkeiten zu erwerben, die eine selbstgesteuerte Lebensführung ermöglichen
· Differenziertes Schulwesen
· Bereitstellung ausreichender Anzahl von Azubi- und Studienplätzen für wirtschaftlichen Bedarf
· Vermittlung von „Ausbildungs-" bzw. Studierfähigkeit“ im allgemeinbildenden Schulwesen
· Anpassung der Stundentafel & Curricula an gesellschaftliche Erfordernisse
· Stärkung der Basis- und MINT Fächer
· Polytechnische Fächer (Wirtschaft & Arbeitslehre)
· Wissenschaftsorientierung in allen Fächern
· Vermittlung von Skills/ Metaqualifikationen = lebenslanges Lernen
1. Welche Funktionen erfüllt das Schulsystem für das Individuum (Orientierung an den vier Funktionen nach Fend 2009)?
· Enkulturationsfunktion = kulturelle Teilhabe/Autonomie der Person im Denken und Handeln stärken
· Integrationsfunktion = Soziale Identität + politische Teilhabe/Begegnung mit kulturellen Traditionen eins Gemeinwesens
· Allokationsfunktion = Stellung in schulischen Leistungshierarchien/beruflicher Aufstieg und Stellung durch eigene Lernanstrengung und schulische Leistung in die Hand nehmen
· Qualifikationsfunktion = beruflich relevante Fähigkeiten/Chance, Wissen und Fähigkeiten zu erwerben, die eine selbstgesteuerte Lebensführung ermöglichen
· In der Summe wird sichtbar, welches Potenzial das Bildungswesen für die „Stärkung“ der heranwachsenden Person enthalt, das aber nicht allen in gleicher Weise zuganglich ist
1. Welche strukturellen Neuerungen des Schulsystems werden im „Hamburger Abkommen“ der Ministerpräsidenten der Länder von 1964 festgelegt?
· Vereinheitlichung, Weiterentwicklung, Schaffung von Durchlässigkeit
· Schaffung der Grund- und Hauptschule (ehemals Unter- und Oberstufe der Volksschule)
· Verlängerung der Pflichtschulzeit auf 9 (® Verlängerung der Hauptschule)
· Verwissenschaftlichung der Hauptschulbildung
o Einführung eines wissenschaftsorientierten Fachunterrichts des Fachlehrer
o Hinzufügung der Unterrichtsfächer Englisch und Arbeitslehre
· Schaffung der zweijährigen Fachoberschule als Bindeglied zwischen Realschule und Fachhochschule zur Erlangung der Fachhochschulreife
· Flexibilisierung der Sprachenfolge an Gymnasien: Ermöglichung verkürzter gymnasialer Aufbauformen zur Erlangung einer fachgebundenen Hochschulreife
· Verringerung des Fächerspektrums der gymnasialen Oberstufe + Einführung von Wahlmöglichkeiten
® Hamburger Abkommen legte Grundlagen für heutige Schulwesen und kann als erste Reform nach 1945 bezeichnet werden
1. Welche Beziehungen werden zwischen Struktur- und Abschlussebene deutlich?
· Hauptschulabschluss verliert zunehmend an Bedeutung (großer Teil von ausländischen SuS)
· häufig Zweiteilung zwischen Gymnasium & Gesamtschule ® mittlerer Abschluss & Abitur ist am häufigsten vertreten
· Dreigliedrigkeit des Deutschen Schulwesens drückt sich immer weniger auf der Ebene der sichtbaren Schulstruktur aus. Sie ist aber noch deutlich sichtbar auf Ebene der Abschlüsse
· Schulartverteilung spiegelt sich nicht ganz in den Abschlüssen wider
· häufigste Abschluss ist Realschulabschluss; Hauptschulabschluss hat nur noch geringe Bedeutung, allerdings trifft dies nicht auf alle Bevölkerungsgruppen zu
1. Wie lässt sich die institutionelle Entwicklung des Schulwesens seit dem 19. Jhd. Beschreiben?
· Zunehmende Pluralisierung der Wege, auf denen eine Studienberechtigung vergeben wird
· Abnahme der Differenzierung zwischen Haupt- und Realschulen
· Abnahme der hierarchischen Differenzierung zwischen nichtakademischen (HS, RS, andere Typen) + akademischen (Gymnasium, Gesamtschule) Schularten durch Öffnung der Sekundarstufe II (Berufsfachschulen, Fachoberschulen, berufliche Gymnasien, Abendschulen)
· KMK-Beschluss 2009: Gleichstellung von beruflicher Bildung + akademischer Bildung beim Zugang zur Universität (Meister/Technikerausbildung wird dem Abitur gleichgestellt, Zulassung von Ausbildungsabsolventen mit Berufserfahrung zur Universität unter bestimmten Bedingungen)
o Aber: Ermöglichung hochschulinterner Zulassungsbeschränkungen (NC: 43% Studiengänge)
® zunehmende Erleichterung des Zugangs zu akademischer Bildung und Ausbildung: geht einher mit langfristiger Bildungsexpansion
1. Was ist unter Bildungsexpansion zu verstehen und welche gesellschaftlichen Veränderungen gehen damit einher?
Merkmale
· Bildungsexpansion beschreibt die Ausweitung des gesamten Bildungswesens, immer mehr Menschen erreichen immer höhere Abschlüsse ->Entwicklung zu einer Wissensgesellschaft
· Veränderung der quantitativen Bedeutung unterschiedlicher Schulformen in der Sekundarstufe ® Zunahme des Anteils von SuS auf Realschulen + Gymnasium
· Zunahme des Anteils höher + hochqualifizierter Personen in Bevölkerung (Hochschulreife, Studium)
· Öffnung von Schularten: Abbau hierarchischer Differenzierung zwischen den Schularten
· Verlängerung von Ausbildungszeiten für identische Schulkarrieren (Ausweitung Schulpflicht; Verlängerung Berufsausbildung und Erhöhung allgemeinbildender Anteile)
Begründungen
· steigende Anforderungen der Arbeitsmärkte an gut ausgebildeten Personen: Ausschöpfung von Begabungsressourcen in allen gesellschaftlichen Gruppen
· Demokratische Gesellschaften brauchen gebildete Menschen: Abbau von Barrieren beim Zugang zu höherer Bildung, um Bildung der Bevölkerung zu verbessern
· Bildung als Mittel zum individuellen sozialen Aufstieg/Verbesserung der Lebenschancen des Einzelnen
Erwartete Folgen
· kognitive Mobilisierung der Bevölkerung: Anhebung des Kompetenz- + Qualifikationsniveaus
· Abbau von Ungleichheiten beim Zugang zu weiterführender Bildung nach sozialer Herkunft, Region, Religion etc.
· Verbesserung der Lebensbedingungen
· Zunahme von demokratiekompatiblen Einstellungen und Verhaltensweisen
1. Welche Veränderungen des Bildungssystems gehen mit der Bildungsexpansion einher?
· Ausweitung der Schulpflicht (von 8 auf 9 Jahre, teilw. 10)
· Verwissenschaftlichung der Ausbildung für Haupt‐ und Realschullehrer
· Zunehmende Erleichterung des Zugangs zu akademischer Bildung + Ausbildung (geht einher mit langfristiger Bildungsexpansion)
· Insgesamt haben größere Gruppen Zugang zu höherer Bildung (Ungleichheiten bleiben aber bestehen + vertiefen sich an einigen Stellen)
· Lebenschancen + Statuszuweisungen werden wesentlich über Bildung vermittelt (neue Spaltung: Wissende und Nicht-Wissende)
· Annäherung der Curricula und Stundentafeln der Schularten (z.B. Erprobungsschule)
· Hochgebildete sind gleichzeitig Motor dieser Gesellschaft + Ergebnis
· Jüngere Vergangenheit: Ganztagsschulen, Bildungsmonitoring, Zentralisierte Prüfungen etc.
· insgesamt Ausweitung, Niveauanhebung und in jüngerer Zeit Tendenzen zur Standardisierung schulischer Bildung
1. Warum sollte die Bildungsexpansion zu einer kognitiven Mobilisierung führen und ist eine kognitive Mobilisierung eingetreten?
· Kognitive Mobilisierung (= Anhebung des Kompetenz- und Qualifikationsniveaus)
· Problematisch Folgen der Bildungsexpansion für kognitive Mobilisierung isoliert zu betrachten, weil:
o Fand gelichzeitig mit massiven schulischen + gesellschaftlichen Veränderungen statt
o Ursachen + Folgen gehen ineinander über (z.B. mehr SuS besuchen höhere Schulen, besser gebildete Eltern, bessere Anregungsqualität für SuS, bessere schulische Entwicklung der SuS)
· Kognitive Mobilisierung kann vorsichtig bejaht werden ist aber auch ein gesellschaftsübergreifendes Phänomen ® insgesamt größere Gruppen der Bevölkerung haben Zugang zu höherer Bildung, wenn auch Ungleichheiten bestehen bleiben und sich an einzelnen Schwellen sogar vertiefen
1. In welchem Zusammenhang stehen Bildungsexpansion und Arbeitsmarkt?
· Bildungsexpansion wurde zunächst vom Staat angestoßen, um Nachfrage der Privatwirtschaft zu befriedigen und um Wohlfahrtsstaat auszubauen
o Ausbau des Bildungssystems führte zum Arbeitskräftebedarf des Bildungssystems
o großer Teil besser qualifizierten Arbeitskräfte wurde durch öffentlichen Dienst absorbiert
o Veränderung in Arbeitsorganisation in der Privatwirtschaft und Ablaufbedingungen: technischer Fortschritt, Anhebung der Anforderungen
= „upgrading“ der Berufsstruktur: mehr Stellen für hoch und höchst qualifizierte Absolventen.
1. Welche der theoretischen Überlegungen zur Wertigkeit von Bildungsabschlüssen im Zuge der Bildungsexpansion trifft zu/trifft nicht zu und warum?
Bildung wird immer wichtiger für eine Positionierung auf dem Arbeitsmarkt (klassische Modernisierungs- und Industrialisierungstheorie)
· zunehmender Wettbewerb & Rationalisierungsdruck auf Unternehmen
· wachsende Betriebsgrößen + zunehmende bürokratische Arbeitsorganisation
· fortschreitende, immer schnellere wirtschaftliche + technologische Entwicklung von Produktionsprozessen
· nur die Unternehmen überleben, die sehr gut qualifizierte Arbeitnehmer einstellen & damit auch höhere Produktivität erzielen ® keine Entwertung!
· Bildung führt zu mehr Produktivität
Bildung verliert immer mehr an Wert = Bildungsinflation (postmoderne Modernisierungstheorie)
· Angebot an hochqualifizierten Positionen ist begrenzt & lässt sich nicht beliebig ausbauen
· Verdrängung gering qualifizierter Personen
· wenn aller immer höhere Abschlüsse haben, muss immer noch mehr Bildung + spezifischere Erfahrungen erreicht werden, um Positionen zu erreichen, die früher mit weniger Bildung erreicht wurde = inflationärer Zirkel
· Entkopplung von Bildungs- & Beschäftigungssystem (Fortschreitende Individualisierung, Lebensläufe immer weniger „klassisch“ strukturiert, Risiken werden individualisiert, Entwertung von Abschlüssen
· Bildung als Grundvoraussetzung (mehr Bildung führt zu weniger)
Bildung ist ein Mittel, um Interessen von Professionsgruppen zu schützen (Konflikttheorie, z.B. Collins 1979)
· Professionen (z.B. Mediziner) und Semi-Professionen (Pflegeberufe, Sozialarbeiter) nutzen Bildungskriterien, um Mitglieder vor Wettbewerb zu schützen
· Wenn Bildungsniveau insgesamt steigt, werden Eingangskriterien hoch gesetzt
o Höhere Bildung wird wichtiger für Einmündung in bestimmte Berufe, aber es gibt keinen Bezug zur Produktivität
o Allerdings auch abhängig von anderen Faktoren z.B. Macht der jeweiligen Profession; zudem andere Maßnahmen möglich (z.B. Quotenreglungen)
Trifft zu / nicht zu?
· ansteigen der Qualifizierungsvoraussetzungen von Positionen bei gleichem Tätigkeitsprofil (teilweise Schließungstendenzen)
· Ausweitung höherer & hochqualifizierter Positionen (wachsender Bedarf nach höher & hochqualifizierten Personal)
· eher keine Bestätigung postmoderner Modernisierungstheorien: Aber Verdrängung gering qualifizierter Personen
· (® nicht untersucht: Arbeitslosigkeitsrisiko, Einkommen, jüngere Tendenzen von Arbeitsmarktprozessen, Berufe ohne Ausbildungsvoraussetzungen)
1. Was ist Stratifizierung?
· Allgemein: Vorhandensein verschiedener Schultypen, welche zu verschiedenen Schulabschlüssen führen
· Detailliertere Merkmale:
o Alter beim ersten Übergang
o Anzahl von Schultypen in der Sekundarschule,
o Anteil des Curriculums, der schultypspezifisch unterrichtet wird
o Anteil von Schülern, der eine berufliche Ausbildung macht
o Anteil von Schülern mit einer Studienberechtigung
· Differenzierung zwischen akademischen und nichtakademischen Bildungsgängen
· Ausweitung alternativer Bildungswege zur Studienberechtigung
· Abnahme hierarchischer Differenzen zwischen akademische Bildungswegen ® AUFWEICHUNG Stratifizierung
· Gliederung des Schulsystems
1. Welche Wirkungen stehen mit Stratifizierung im Zusammenhang?
· Vermutung: Leistungen werden durch Schulsystem beeinflusst
· Bei guten Leistungen und Gerechtigkeit findet sich kein System mit Stratifizieren wieder = hohe Stratifizierung & Spezialisierung ® stärker ausgeprägte Ungleichheiten
· Deutschland hat eines der stratifiziertesten Schulsysteme Weltweit
· Effekte auf Höhe der Leistungen
· Benachteiligung leistungsstarker / leistungsschwacher Schülergruppen
· Annahme für Stratifikation:
o Unterricht kann in leistungshomogenen Gruppen besser auf Lernbedürfnisse der SuS abgestimmt werden
o Optimale Förderung ist möglich ® Leistungspotentiale können voll ausgeschöpft werden
· Annahme gegen Stratifikation (Bsp):
o In gemischten Klassen können leistungsschwächere von leistungsstärkeren SuS lernen
o Niveau orientiert sich nicht nur an leistungsschwachen SuS, so dass diese mehr lernen können
1. Welche Erkenntnisse gibt es aus den Studien zu den Effekten von Stratifikation?
· Je höher die Stratifizierung desto sichtbarer die Leistungsdifferenzen zwischen verschiedenen sozialen und ethnischen Gruppen
· Es kommt also zu einem sozialen / kulturellen Schereneffekt, da sich unterschiedliche Schülergruppen nicht gleich auf verschiedene Schularten verteilen dies führt zu größerer Sozialer Segregation (OECD 2019)
o Hat, auch bei Kontrolle von Schulleistungen + Abschlüssen, einen negativen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen beruflicher Platzierung und sozialer Herkunft (Reichelt et al. 2019)
o Führt bei gleicher Ausgangsintelligenz zu Leistungsschere in Intelligenzentwicklung (Guill et al. 2017)
o Erhöht Anteil an abweichenden, auffälligem Verhalten in nicht‐akademischen tracks (Nikolov & Dumont 2020; Vandelanote & Demanet 2021; Müller Hofmann 2014)
o Verringert das Selbstwertgefühl von SuS im nicht‐akademischen track (Legette 2018, Knigge 2009; Veith & Völker 2015; aber Dumont et al. 2017 (‐> Abschlüsse wichtiger als Schulart))
o Hat für SuS im nicht‐akademischen track negative Effekte auf das Interesse an Politik + die Neigung, wählen zu gehen
· Im internationalen Vergleich: Je stärker und früher ein Schulsystem stratifiziert ist, desto eher steigt die Leistungsstreuung in der Sekundarschule und desto eher findet ein Schereneffekt statt
· Warum? Verteilung von Inhalten und Ressourcen: Stratifizierung ist mit schulartspezifischen Differenzen verbunden: Ziele, Curricula, Didaktik; Ausbildung der Lehrkräfte (Systemebene)
· mittlere Leistungsniveau von SuS in früh stratifizierten Schulsystemen ist nicht besser als das von SuS in später stratifizierenden Systemen
1. Welche Begründungen gibt es für diese Effekte von Stratifikation?
· Schulsysteme schaffen Kategorien & regeln die Zuweisung von SuS zu diesen Kategorien
· Ressourcen, Inhalte, Anreize & Belohnungen sind ungleich auf diese Kategorien verteilt
· Durch diese Zuweisung (& davon unabhängig) werden soziale Kategorien wie Geschlecht, Schicht, ethnische Zugehörigkeit durch Schule betont
· Stratifizierung führt zu Differenzen: Ziele, Curricula, Didaktik, Ausbildung der Lehrkräfte
· Schulartspezifische Lernumgebungen:
o Differente Ziele: Akademische Schularten: Studienbefähigung; Nichtakademische Schularten: Übergang in berufliche Ausbildung
o Curricular (z.B. auch Dreeben/Barr, 1988)
§ Schulartspezifische Differenzen in den Lehrinhalten
§ Z.B. vor 1964: kein Englisch oder wissenschaftsorientierte Fächer für Hauptschüler
§ Sekundarstufe II: Allgemeinbildung vs. Berufsbildung
o Didaktisch
§ Verwendung unterschiedlicher Methoden zur Wissensvermittlung auch bei gleichen Inhalten, z.B. bezogen auf das Niveau der problemorientierten Auseinandersetzung
§ Adaption der Lehrererwartungen und darauf bezogen der didaktischen Aufbereitung an Schulartniveau
§ Betonung von Beziehungs‐ vs. Fachlichen Aspekten
o Lehrerausbildung
§ Schulstufen‐/schulartspezifisch
§ Mehr Fachwissenschaft, weniger Didaktik/Bildungswissenschaften für akademische Schularten; Fachlehrerprinzip stärker an Gymnasien/Gesamtschulen als an Hauptschulen
1. Warum ist die Schülerzusammensetzung einer Sekundarschule eine Folge von Stratifikation und nicht unbedingt z.B. des Wohnortes?
· Da sie sich aus mehreren Bereichen zusammensetzt und nicht nur aus einem, somit kann der Wohnort z.B. eines davon sein oder eben auch nicht, so oder so ist er aber nicht der einzige Grund. (Zuvor fand ja schon in der GS Stratifikation statt & LK treffen dort nicht die Entscheidung aufgrund des Wohnortes)
· Je höher die Stratifikation desto höher ein Zusammenhang zwischen Herkunft und Leistung – lässt sich auch so auf das Schulsystem beziehen
1. Warum wirken Segregation und Standardisierung moderierend auf die Wirkungen von Stratifikation?
· Segregation (räumliche Abbildung sozialer Ungleichheit): je höher soziale Segregation, desto mehr hängen Leistungen und soziale Herkunft zusammen
· Standardisierung: Vorhandensein zentraler Prüfungen (Bildungsstandards →Vergleichbarkeit) mindert Stratifizierungseffekt auf soziale Ungleichheit, Leistungsanforderungen müssen über Schulart hinweg ähnlich gestaltet werden
Sind integrierte Schulsysteme gegliederten Schulsystemen über‐ oder unterlegen? Begründen Sie Ihre Antwort mit Verweis auf empirische und theoretische Erklärungen
Theoretische Erklärung:
· Gegliederte Systeme sorgen dafür, dass durch Leistungsgruppierung Potenzial aller SuS ausgeschöpft werden kann = optimale Förderung und Berücksichtigung der Lernbedürfnisse aller SuS
· Integrierte Systeme sorgen dafür, dass SuS voneinander profitieren und sich das gesamte Leistungsniveau verbessert
· ABER: Man könnte dennoch annehmen, dass gegliederte Systeme besser für den Lernzuwachs sind!
Empirische Erklärung:
· In Bezug auf soziale Ungleichheit: Im internationalen Vergleich haben Studien gezeigt, dass es keinen eindeutigen Trend gibt. England z.B. hat ein integriertes Schulsystem, weist aber eine große Chancenungleichheit auf. Andere Länder mit einem gegliedertem Schulsystem weisen das Gleiche auf.
· In Bezug auf Lernzuwachs und Leistung: Frühere Studien zu Leistungsgruppierung zeigen, dass es nur positive Effekte für Highest Achievers gibt, und negative Effekte für lower achievers!
· Generell ist die internationale Studienlage zu Effekten der Leistungsgruppierung bezogen auf den Lernzuwachs eher heterogen
· Die Effekte sind insgesamt gering
· In gegliederten Schulsystemen steigt Leistungsstreuung nach Grundschule eher an (PISA & IGLU)
· Soziale Segregation findet zwar in beiden Systemen statt, wird aber bei gegliederten Systemen mit früher Selektion stärker gefördert
· Schereneffekt weist in Richtung pro-integrierte Systeme!
· Frage ist demnach nicht klar zu beantworten!
1. Was ist unter den Begriffen erster / zweiter / dritter Bildungsweg zu verstehen?
· 1. Bildungsweg: ein oder mehr Abschlüsse auf allgemeinbildenden Schulen/beruflichen Schulen (kann ausbildungsbegleitend erworben werden, dazu gehört auch das Nachholen eines Abschlusses) ® ohne Unterbrechung
· 2. Bildungsweg: allgemeinbildender Abschluss wird berufsbegleitend oder nach einer Ausbildung erworben; sowohl Erst- als auch Schulabschluss möglich ® mit Unterbrechung
· 3. Bildungsweg: i.d.R. bereits Ausbildung abgeschlossen
o Zugang zur Hochschule erfolgt ohne AHR/FHR aufgrund beruflicher Qualifizierung (Meister, Techniker, Fachwirte). Seit 2009 sind diese Abschlüsse = dem Abitur!
o Bewerber mit einer qualifizierten Berufsausbildung & mehrjähriger Berufspraxis erhalten eine fachgebundene AHR – allerdings nur in einem zur Fachrichtung der Ausbildung „affinen“ Studiengang
1. Welche gesellschaftlichen und individuellen Gründe gibt es für den stetig hohen Anteil von Personen, die die (Fach)Hochschulreife auf alternativem Weg erwerben?
· 1/3 der SuS mit Haupt‐ oder mittlerem Schulabschluss als Erstabschluss erwerben im Anschluss höhere Abschlüsse
· Besonders für SuS mit MGH oder aus unteren Herkunftsgruppen stellen alternative Wege eine „zweite Chance“ dar
· WIESO? 4 Gründe:
o Steigende Anforderungen der Arbeitsmärkte an gut ausgebildeten Personen (Bildung als Humankapital) durch Bildungsexpansion: höhere Qualifikationsanforderungen der Berufswelt
o Demokratische Gesellschaften brauchen gebildete Menschen: Abbau von Barrieren beim Zugang zu höherer Bildung
o Bildung als Mittel zum individuellen sozialen Aufstieg / Verbesserung der Berufs‐ und Lebenschancen des Einzelnen
o Stetige Zunahme von Personen mit mittleren und höheren Bildungsabschlüssen löst Druck auf jene aus, diese noch nicht erworben habe
· Folgen für Schulsystem:
o HS als Verlierer und zunehmend geringere Zahl auf HS
o zunehmende Stigmatisierung von HS14
· Weiterbildung auf alternativen Wegen nimmt zu, um mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erlange
1. Was verstehen wir unter Standardisierung, Stratifizierung und beruflicher Spezialisierung mit Blick auf den Zusammenhang zwischen Bildung und Arbeitsmarkt?
Standardisierung
- Sicherung von abschlussbezogenen Standards durch einheitliche Vorgaben, zentrale Prüfungen und Bildungsstandards
- Ausweitung von Standardisierungsbemühungen im allgemeinbildenden Schulsystem und bezogen auf das Abitur an beruflichen Schulen
- Inwieweit ein bestimmtes Fähigkeitsniveau innerhalb einer Gesellschaft mit dem Abschluss eines Bildungsgangs assoziiert wird
Stratifizierung
- Differenzierung zwischen akademischen und nicht-akademischen Bildungsgängen
- Durch alternative Wege→ Aufweichung der hierarchischen Differenzen
- Existenz von anspruchsvolleren und anspruchsgeringeren Bildungsgängen und Vergabe verschiedener Abschlüsse
- Vergabe von unterschiedlichen Berechtigungen für weiterführende Bildung.
berufliche Spezialisierung
- Inwieweit berufliche Ausbildungsgänge direkt auf den Beruf vorbereiten → in DL hohe Spezialisierung, Ausbildung ist eine Voraussetzung für den Beruf
Fazit: Durch Ausweitung alternativer Bildungswege wird die Stratifizierung der Sek I in der Sek II bei gleichzeitig hoher Standardisierung und Spezialisierung gelockert
1. Welche Annahmen ergeben sich für die Arbeitsmarkteinmündung von Absolventen alternativer Bildungswege, wenn das deutsche Bildungssystem als beruflich spezialisiert und standardisiert beschrieben wird?
Annahme 1 (+)
Annahme 2 (-)
- Standardisierung vermittelt Sicherheit für die Arbeitnehmer bzgl. der mit schulischen Qualifikationen assoziierten Leistung
- Berufliche Spezialisierung: In der Regel muss ein Ausbildungs-/Studienabschluss vor Einmündung in den Arbeitsmarkt erworben werden
- Bei gleichen Berechtigungen ® Wege zum Schulabschluss sollten keine Rolle mehr spielen
- Trotz Standardisierung gibt es Leistungsdifferenzen zwischen SuS unterschiedlicher Bildungswege: Direkte Wege könnten eine bestimmte Signalwirkung haben
- Nachteile von Absolventen auf alternativem Wege bei der Einmündung in den Arbeitsmarkt trotz Berechtigungen & Leistungsausweisen
1. Wie findet eine Standardisierung unterschiedlicher Bildungswege, die zu gleichnamigen Abschlüssen führen, statt?
· Mithilfe von formalen Gestaltungsmerkmalen (Rahmenbedingungen):
o 1. Zugangs- und Vergabebedingungen für den Bildungsgang
o 2. Zentralisierung von Abschlussprüfungen
o 3. Stundenzahl pro Fach
o 4. Lehrplaninhalte und -bücher
o 5. Facultas der LK
· Beschlüsse der KMK:
o Vergleichbarkeit der Vorgaben zu Stundenumfang, einheitlichen Zugangs- + Vergaberegelungen
o Übergreifende Standardisierung weitestgehend gesichert für:
§ Bildungsgänge für gleichnamige Abschlüsse auf allgemeinbildenden Schulen
§ Allgemeinbildende und berufliche Bildungsgänge, die zur AHR führen
1. Können alternative Bildungswege die Nachteile eines stark stratifizierten Bildungssystems kompensieren? Begründen Sie Ihre Ansicht.
· Nur teilweise, weil:
o unterschiedliche Berechtigungen für weitere Bildungswege vergeben werden
o die Vergabe von verschiedenen Abschlüssen stattfindet
o Aber es existiert eine Hierarchisierung von Abschlüssen trotz gleicher Leistungen
o Bestimmten Wegen/Institutionen werden einem schlechteren Wert durch die Gesellschaft zugewiesen
1. Was ist mit „sozialer Ungleichheit“ gemeint?
· Hierunter versteht man die ungleiche Verteilung von Ressourcen, wie Einkommen, Besitz, Bildung, Macht, und die daraus resultierende Teilhabe an der Gesellschaft ® ohne Geld kein Konsum, ohne Bildung Rekrutierung für Berufe schwierig usw.
· Ressourcen bedeuten Lebenschancen!
1. Was ist der Unterschied zwischen einer Push‐ und einer Pull‐Perspektive nach Gambetta?
· Gambetta unterscheidet Theorien danach, ob sie push-oder pull-Faktoren in den Mittelpunkt der Erklärung stellen („Were they pushed or did they jump (Pull)?“)
Push
Pull
durch Sozialisationsprozesse bestehende Zwänge, die bei dem Akteur unbewusst bei seinen Bildungsentscheidungen beeinflussen (sie also „stoßen“)
Bildungsbeteiligung als Ergebnis rationaler Bildungsentscheidungen (Akteure werden durch selbstbestimmte Überlegungen „gezogen“)
Eltern und Kinder = eher als Träger, Übermittler und Empfänger von Kapital und seinen Effekten vorgesehen
Eltern und Kinder = aktivere Rolle
1. Welche Informationen können zur Beschreibung der Position von Personen in der Sozialstruktur verwendet werden? Welche Instrumente sind zu unterscheiden?
· Erfassung durch sozikulturelle Aspekte der sozialen Herkunft nach Bourdieu
· Informationen zur Position in der Sozialstruktur können anhand des Bildungs- und Ausbildungsabschlusses (z.B. der Eltern), Art der Beschäftigungsverhältnisse, Einkommen und Beruf, sowie der Anzahl von Büchern im Haushalt, soziale Kontakte/Netzwerke + hochkulturelle Aktivitäten entnommen werden
· Unterschiedliche Elemente der sozialen Herkunft leisten jeweils einen spezifischen Erklärungsbeitrag zur sozialen Ungleichheit. In vielen Untersuchungen werden aber nur einzelne Elemente genutzt
· Instrumente:
o ISEI ® metrische Variable zur Messung des Sozialstatus. Skalierungsverfahren der Klassen/Schichten in Einkommen, Bildung & Beruf. Wertebereich von 16 (Reinigungskraft) bis 90 (Richter)
o EPG-Klassenschema ® Messung der sozialen Klassenzugehörigkeit als Art des Beschäftigungsverhältnisses. Klassen stehen im Zusammenhang mit dem Einkommen, Stabilität des Arbeitsverhältnisses und Aufstiegspositionen. Unterschieden wird in 7 Klassen/Schichten
o Dahrendorf-Haus ® Entwurf eines Hausmodells mit vertikaler + horizontaler Anordnung. Schichten nach sozioökonomischen Merkmalen (besonders berufliche Stellung) & Mentalitäten charakterisiert. Hierarchische Anordnung = Unterschicht 6% vs. obere Dienstklasse 13% Des Weiteren weitere Differenzierungen zwischen Ausländern und Deutschen
1. Was verstehen wir unter den Kapitalien und dem Habitus nach Bourdieu? Wie sind sie aufeinander bezogen?
· ökonomisches Kapital: Vermögen und Eigentum
· soziales Kapital:
o Ressourcen, die auf die Zugehörigkeit zu Gruppen beruhen
o Liegt in den Beziehungen zwischen Personen (können aktiviert werden, um an Informationen + Empfehlungen zu kommen)
o Steht in Beziehung zu ökonomischen und kulturellen Kapital
· kulturelles Kapital: kulturelle Güter, Bildungstitel
o objektiviert: Anzahl Bücher, Lexika, Bilder
o institutionalisiert: Titel, z.B. Bildungs- und Schulabschlüsse
o inkorporiert (verinnerlicht):
§ dauerhafte Dispositionen des Organismus (Fähigkeiten, kulturelle Güter zu benutzen, z.B. Bücher zu lesen)
§ körpergebunden ® wird zum Habitus
§ Verinnerlichung ist an Zeit gebunden
· Habitus
· System implizierter und tief verinnerlichter Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata, die dem einzelnen nur zu einem kleinen Teil bewusst sind (z.B. bestimmte Hose in bestimmter Farbe gesehen, ich finde sie schön oder hässlich. Mein Denken ist durch den Habitus reguliert)
· beinhaltet die allgemeine Grundhaltung des Menschen und die Gesamtheit seines Verhaltens in der sozialen Welt
—> Habitus ist geprägt von dem sozialen Raum, in dem man sich befindet: strukturiert unsere Handeln im Alltag und unseren Geschmack – und gleichzeitig prägt der Habitus den sozialen Raum: individuelle Handlungsweisen werden damit erwartbar und soziale Positionen werden gefestigt
—> unsere Position im sozialen Raum hängt davon ab, wie viel wir von jedem Kapital (ökonomisch, sozial, kulturell) haben und somit auf welche Ressourcen wir zugreifen können. Diese Position im sozialen System strukturiert den Habitus.
—> Habitus bringt Schemata hervor, keine konkreten Praktiken! Er ermöglicht die Anpassung an konkrete Situationen
auch wenn sich im Laufe des Lebens die Position innerhalb des sozialen Raums verändern kann, bleibt der Habitus relativ stabil
· Klassifizierbare und Klassifizierte Praktiken:
o Habitus erzeugt Klassifikationssystem – Wahrnehmung und Bewertungen – aus sich heraus
o Klassifikationssystem ist relational organisiert: was von einer Person als schön und nützlich beurteilt wird, gilt von einer anderen Person als hässlich oder nutzlos
· Klassifikation (Bewertung) ist unbestimmt, unscharf und häufig sinnlich erfahrbar jedoch nicht eindeutig klar begründbar
1. Was bedeutet es, wenn das Habituskonzept auf SchülerInnen und LehrerInnen übertragen wird?
· LK nimmt Lebenspraxis wahr: Du oder Sie zur LK, zeigen SuS auf oder nicht etc.
· Anhand dieser Lebenspraxis haben LK eine intuitive Vorstellung, welcher sozialer Gruppe die SuS zugeordnet werden können
· Darauf stützen sich dann auch Erwartungen, die man an ein Kind hat
· Kind hat sicherlich auch einen Raum, in dem es sich verhalten und bewegen kann
· Aber bestimmte Verhaltensweisen sind für bestimmte Kinder schwierig zu zeigen, weil der Raum seiner Möglichkeiten durch den Habitus auf gewisser Weise begrenzt ist
· Habitus resultiert aus seiner Sozialgruppenzugehörigkeit
· FAZIT: SuS und LuL sind durch den Habitus in ihren Wahrnehmungen und Verhalten begrenzt
· Man passt sich also bei einer Übertragung des Habituskonzeptes an die Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata anderer Personen an
1. Wie wird soziale Ungleichheit über Schule generiert? Betrachten Sie die SchülerInnen, LehrerInnen, Schul ‐ und Schulsystemseite!
SchülerInnen
Soziale Herkunft
- Übergangsquoten sind bildungsspezifisch (z.B. Kinder von Akademiker Eltern haben eine höhere Chance zu studieren)
- Niedrige Statusgruppen haben einen höheren Kosten-Nutzen-Aufwand für Bildung
- Kinder von Akademiker Eltern kommen über Gym zur Studienberechtigung (20 von 100 Kindern gehen über alternative Wege)
a. Familie: Ressourcen ® Beruf, Status, Bildung, Lebensraum
b. Kind: Individuelle Merkmale (Selbstwirksamkeit, Attribution, Ängstlichkeit, kognitive Fähigkeiten, Motivation, Interesse, Werte, …)
Passung: Wahrnehmung von Lerngelegenheiten!
LehrerInnen
Habitus
- LuL bringen eigenen Habitus mit und stammen überwiegend aus Mittelschicht
- Habitus strukturiert Wahrnehmung von Schülerverhalten (bsp. ADHS = störend, abweichend) kann schichtspezifisch sein
- Habitus strukturiert Wahrnehmung von Begabung und Leistungsstärken = subjektiv
® Zusammenhang mit sozialer Schicht, hat auch damit zu tun, wie Institut Schule und LuL auf Verhalten schaut und einordnet
® „institutionelle Agenten“ ® Aktivierung von Sozialkapital
Schule
- Hat auch eigenen Habitus
- Es wird eine Sprache und Kultur vorausgesetzt, die aber nur außerhalb der Schule erworben werden kann ® manche Familien/Gruppen nicht in der Lage zu dieser Aneignung (nicht alle stehen am gleichen Startpunkt)
- Ungleichheiten in den Bildungsergebnissen werden womöglich eher in der Schule generiert als zuhause
Anforderungen, die sich auf Voraussetzungen in Kapitalausstattung und Habitus richten! Lehrkräfte und Schulen kommt eine verstärkende Funktion im Prozess der Genese von Ungleichheiten zu
Schulsystem
- frühe Aufgliederung in Schularten
- starker Zusammenhang zwischen Schichtzugehörigkeit und Schulartzugehörigkeit, sodass die soziale Mobilität eingeschränkt ist
® Erinnerung: Hohe Stratifizierung und Spezialisierung = stärker ausgeprägte Ungleichheiten!
1. Was ist unter „Passung“ im Sinne der Ungleichheitsgenese zu verstehen? Wie sind die unterschiedlichen Ebenen – System, Schule, Individuen ‐ am Zustandekommen von „Passung“ und „Nichtpassung“ beteiligt?
· Es geht um die Frage der Passung, also wie gut sind Lerngelegenheiten, die dem SuS vermittelt werden, geeignet, um seine Voraussetzungen auch tatsächlich anzusprechen, ihn zum Lernen zu motivieren und optimal zu integrieren
· Passungsprobleme betreffen Zusammenpassen zwischen der Herkunftskultur (strukturiert durch die Kapitalien, die wiederum nach gesellschaftlichen Regeln verteilt werden) und der Kultur der Institution Schule, die zur Festigung bestehender Strukturen beiträgt
· Passungsprobleme werden auf verschiedenen Ebenen des Bildungssystems generiert und werden letztlich sichtbar in schichtspezifischen Leistungen, Verhalten und Abschlüssen bzw. anschließenden Bildungsentscheidungen
· Strukturell: frühe Aufgliederung in Schularten, starker Zusammenhang zwischen Schichtzugehörigkeit und Schulartzugehörigkeit ® soziale Mobilität eingeschränkt
· Inhaltlich: Bildungssystem verlangt etwas vom SuS, was es nicht liefert: eine Sprache und Kultur, die außerhalb der Schule erlernt wird
· Curricula und Unterrichtsformen (Sicht der Schule):
o Vermischung von alltäglichen und fachlichen Inhalten
o Bedeutung von Problemlöseorientierung, offene Lern- und Diskussionsformen
o Bedeutungshierarchie zwischen kreativem Schreiben vs. analytischem Schreiben
o Erklären im schulischen vs. häuslichen Kontext
· Sicht der LK:
o LuL bringen eigenen Habitus mit und stammen überwiegend aus Mittelschicht
o Habitus strukturiert Wahrnehmung und Vorstellung des Schülerverhaltens (auch von Begabung und Leistungsstärke)
o Bildungssystem reproduziert soziale Ungleichheiten, weil es Anforderungen stellt, die sich auf Voraussetzungen in Kapitalausstattung und Habitus richten
o Im Ergebnis kommt es zu schichtspezifischen Leistungs-, Lernverhaltensergebnissen und Bildungsaspirationen
1. Was sind primäre und sekundäre Herkunftseffekte und hängen sie zusammen?
Primär
Sekundär
- Sozialisationsbedingte schichtspezifische Leistungsdifferenzen (z.B. Geld, verwendete Sprachen im Elternhaus, Stellenwert von Bildung, Lebensstil)
- Schulische Erfolgswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von sozialem Status/sozialer Herkunft
- Bezieht sich auf die Performanz (Leistung) + Erfolgswahrscheinlichkeit in bestimmten Bildungsgängen, in Abhängigkeit von der sozialen Herkunft (Elternhaus)
- Wird durch Sozialisation im Elternhaus erklärt
- Elterliche Bildungsentscheidung an Übergangsstellen in Abhängigkeit von der schichtspezifischen Sozialisation in der Familie/Schule
- Auf rationalen Kalkulationen beruhende schichtspezifische Entscheidungsdifferenzen
- Der sekundäre (bzw. entscheidungsbasierte) Effekt ist dabei umso gewichtiger, je weiter die Bildungslaufbahn fortgeschritten ist
- Führt über Bildungsentscheidungen dazu, dass wir eine Ungleichverteilung von Bildungschancen haben
· Primäre und sekundäre Herkunftseffekte zusammen ergeben soziale Ungleichheiten in der Bildungsbeteiligung und tragen zur Erklärung von Bildungsungleichheit bei
· Zentral für Bildungsungleichheiten: sekundäre Effekte, weil primäre Effekte einfach da sind und man sie nicht ändern kann
Wie können primäre Effekte der sozialen Herkunft mit Bourdieu theoretisch erklärt werden?
· Jedes Kind erwirbt schichtspezifischen Habitus in Familie (bedingt durch Stellung der Sozialstruktur)
· Ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital sind unterschiedlich
· Habitus des Kindes äußert sich in seiner Sprache, Selbstbewusstsein, Selbstständigkeit, Geschmack und damit auch in der Leistung der Schule
1. Wie können sekundäre Effekte der sozialen Herkunft theoretisch erklärt werden (Rational Choice)?
Prämissen der Wert-Erwartungstheorie:
· (1) Jedes Handeln ist eine Selektion, die Entscheidung und die Wahl zwischen Alternativen
· (2) Jedes selektierte Handeln hat gewisse Folgen
· (3) Die Folgen können von den Akteuren unterschiedlich wahrgenommen werden. Daher sind die Folgen für den Akteur mit unterschiedlichen Bewertungen versehen
· (4) Die Folgen einer Handlung treten mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten ein, die der Akteur als Erwartungen gespeichert hat
· (5) Die Alternativen werden einer Evaluation unterzogen und unterschiedlich gewichtet. Diese Gewichte werden als Wert- Erwartungen (Wert-Erwartungsgewichte) bezeichnet
· (6) Nach Selektion wird die Alternative mit der größten Wert-Erwartung ausgeführt
· bei statushöheren Gruppen ist Statusverlustangst vorhanden
· statusgeringere Gruppen haben geringere Erfolgswahrscheinlichkeit
· Kosten-Nutzen-Abwägungen
· Sicherheit des Statusverlust + Nutzen > Kosten: Wahrscheinlichkeit ® höhere Bildung
1. Welche Brückenhypothesen werden zur Erklärung sozialer und migrationsspezifischer Ungleichheiten in der Bildungsbeteiligung verwendet?
· Brückenhypothese zur Erklärung sozialer Ungleichheit:
o Annahmen über typische Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen den Variablen der RC-Theorie (Kosten, Nutzen) hinsichtlich eines Unterscheidungskriteriums (soziale Schicht)
o Angst vor Statusverlust/Risikovermeidung (Folge und ihre Bewertung). Eine Entscheidung kann mit einem Statusverlust verbunden sein, wenn der Bildungsabschluss nicht den Erhalt der Position sichert, den ein Elternteil bereits erworben hat
· Migrationsspezifische Ungleichheit:
o SuS mit Migrationshintergrund gehören häufiger unteren Sozialschichten an
o Bei gleichen Leistungen erwerben sie jedoch häufiger die HZB (alternativer Weg) und beginnen häufiger ein Studium
o weisen schlechtere Leistungen auf (primärer Effekt) haben aber höhere Bildungsaspiration (sekundärer Effekt)
1. Wie erklärt das Statusverlustmotiv die Bildungsentscheidungen von Eltern unterer und oberer Herkunftsgruppen?
· Erfolgseinschätzung höher bei statushohen Gruppen und geringer bei Status geringen Gruppen, weil Noten spezifisch ausfallen und die Statusverlustangst das zentrale Motiv ist
· Wenn sich statusgeringe Gruppe z.B. für einen gymnasialen Bildungsweg oder für den Übergang in ein Studium entscheidet, dann müssen sie keinen Statusverlust befürchten, weil sie nicht unbedingt das Abitur und v.a. auch keinen Studienabschluss brauchen, um den vorhandenen Status zu halten, es gibt keine Statusverlustangst
· Aber da die Erfolgswahrscheinlichkeit bei ihnen gering ist, schicken sie die Kinder eher nicht aufs Gymnasium bzw. zur Uni
· Statushöhere Eltern wollen nicht, dass sie eine Stufe runterrutschen, deswegen wollen sie Kinder meist auf Gymnasium
1. Wie wirken primäre und sekundäre Herkunftseffekte auf Lehrer‐ und Schülerseite beim Übergang nach der Grundschule zusammen?
· Wahl einer Schulart wird in den meisten Bundesländern durch Eltern entschieden, aber auf Grundlage von Empfehlungen der Lehrkräfte
· primär: im Sinne von objektiver Leistung der SuS (standardisierte Leistungstest)
· sekundär: im Sinne des Einflusses der Herkunft der SuS auf die Entscheidung der LuL
o Erwartung des Schulerfolgs
o Kosten: Auseinandersetzung mit Eltern
o Stellvertretende Übernahme der Statusverlustangst
· Sekundäre Effekte können auch für Notenbeurteilungen von primären Effekten getrennt werden (hier würde man aber eher habituell argumentieren, im Sinne von weniger bewusst zugänglichen Wahrnehmungen von und Erwartungen an Verhalten und der Definition von Leistung)
1. Wie verändert sich die Bedeutung primärer und sekundärer Herkunftseffekte an verschiedenen Übergangsschwellen? Welche praktische Bedeutung besitzt das für politische Interventionen?
· Bedeutung für politische Interventionen an unterschiedlichen Übergangsschwellen -Leistungsbewertung: relativer Anteil des primären Effekts ist größer als der des sekundären -Übergangsempfehlung: beide Effekte sind gleich groß
-Übergangsverhalten: sekundärer Effekt ist größer als der primäre
· Bedeutung primärer Effekte ist am ersten Übergang am größten, nimmt dann aber nach und nach ab und Bedeutung sekundärer Effekte nimmt bei späteren Übergängen zu
· Sekundarschulformen üben einen homogenisierenden Effekt auf die Leistung aus
· Je weiter wir fortschreiten in Bildungsbiografie, desto wichtiger werden Herkunftseffekte (nehmen ab Sek. 1 immer weiter zu)
1. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten bestehen zwischen Push‐ und Pull-ansätzen?
- Akteur verhält sich innerhalb der Grenzen seines Habitus, die ihm nicht bewusst sind
- Rationalität wird durch Habitus erzeugt
- Akteur handelt aufgrund rationaler Kosten-Nutzenkalkulationen
- Ergebnis rationalen Handelns
- Rationale Entscheidungen sind durch die spezifische Situation der Akteure zwar begrenzt, aber bewusst zugänglich und veränderbar
- können eher Interventionsstrategien begründe
Gemeinsamkeiten
- Bezogen auf habituelle Aspekte von Entscheidungen (Wahrnehmung von Fremdheit auf weiterführenden Schularten, Bedeutung akademischen Arbeitens für die Wahl eines Studiums)
Unterschiede
- Akteur Status unterschiedlich konzipiert
- Entscheidungen
1. Welche Bedeutung können gesellschaftliche Veränderungen wie z.B. die Bildungsexpansion für die Kosten‐Nutzenkalkulation von Akteuren besitzen?
· Erwerb Abitur
· Nötig für Statuserhaltung
· Kosten-Nutzen-Kalkulation verändert sind
· Bildungsmotivation wird größer
· Aufnahme Studium:
o Erfolgswahrscheinlichkeiten sind geringer
o informelle Hürden
o Finanzierung des Studiums
o Kosten-Nutzen zu Ungunsten unterer Sozialschichten
Wie nehmen Lehrkräfte Einfluss auf den sekundären Herkunftseffekt bei Bildungsentscheidungen?
Durch Notenvergabe und Laufbahnempfehlung →soziale Herkunft/ Status spielen dafür eine Rolle
Die Bildungsaspirationen bzw. die vermuteten Bildungswünsche der Eltern nehmen einen Einfluss auf die Laufbahnempfehlung (aus der Sicht der LuL)• Die Notenvergabe fällt daher für höhere Statusgruppen besser aus, ebenso wie die Laufbahnempfehlung (statusabhängige Erfolgswahrscheinlichkeit und Bildungsentscheidung)
Lehrerurteile wirken insb. über die damit verbundene Wahrnehmung von Erfolgswahrscheinlichkeiten auf den sekundären Herkunftseffekt
Wenn Leistungen keine eindeutige Prognose zulassen wird auf Begabungsurteile und wahrgenommene Eigenschaften zurückgegriffen = Motivation, Interesse und Schüchternheit Gelata-Effekt: Positive Erwartungen der LK, Selbstwirksamkeitsgefühl SuS, pos. Erwartungen der SuS von sich selbst
—> Golem-Effekt: Negative Erwartungen der LK, Selbstwirksamkeitsgefühl SuS, neg. Erwartungen der SuS von sich selbst
Wie kann mithilfe der Theorie der Frame-Selektion nach Esser der Einfluss des Schülerhabitus auf Lehrerurteile erklärt werden?
Wenn LK und SuS ähnlichen Habitus haben, haben sie bspw. ähnliche Denk- und Handlungsweisen Die SuS mit höherem Status verfügen über einen ähnlichen Habitus wie LuL
LK handeln häufig automatisierte Beurteilungen (automatisch-spontaner (as) Modus) Dabei haben sie ein automatisiertes, vorherrschendes Script, welches für SuS-Beurteiltung aktiviert wird
Keine bewusstmachende Lehrerentscheidung, sondern Lehrer nutzen oft unbewusste Scripts • In folgenreichen Situationen überprüfen LK ihre mit as-Modus-Scripten getroffenen vorläufigen Urteile durch den rc-Modus: LK überprüft eigene Kosten-Nutzen Abwägungen
Bsp.: Bei gegebener Leistungsfähigkeit der SuS trägt sozialer und kultureller Hintergrund der SuS dazu bei, dass sie eher in der Lage sein werden, universitäre Anforderungen zu bestehen, weil Eltern eher in der Lage sind, sie zu unterstützen
Gute Prognose = guter Nutzen für die LK
Was ist unter Pfadabhängigkeiten zu verstehen und inwiefern betreffen sie das Lehrerhandeln bei Laufbahnempfehlungen?
Definition: Pfadabhängigkeit
Beschreibt Prozessmodelle, deren Verlauf einem Pfad ähnelt. Wie bei einem Pfad gibt es dort Anfänge und Kreuzungen, an denen mehrere Alternativen zur Auswahl stehen. Ein kleiner Einfluss kann hier einen großen Effekt haben und zu einem ganz anderen Ausgang führen
Einfluss des Lehrers
Von LuL unterschätzte SuS machen seltener Abitur als Überschätzte
Lehrerurteil hat einen enormen Einfluss
Bsp: Studie: wenn SuS durch das nicht bestehen des Abiturs schon am Studieneintritt gehindert werden, obwohl sie möglicherweise überdurchschnittlich intelligent und damit leistungsfähig gewesen wären, aber durch Lehrerurteil nicht so eingeschätzt werden, dann haben wir da eine Pfadabhängigkeit
Welche Rolle spielen Big-Fish-Little-Pond Effekt und Reflected Glory Effekt theoretisch in Bezug auf die Übergangsempfehlungen von Lehrkräften?
Beide Effekte = Referenzgruppeneffekte
Soziale Vergleiche innerhalb des Klassenkontextes beeinflussen die Lehrkrafturteile
Großes Gewicht für die Bildungsbiographien von SuS
Big-Fish-Little-Pond Effekt
ein durchschnittlicher Schüler in einer leistungsschwachen Klasse ist, fällt er positiv auf
Da Leistungen dort öfter auffallen, besonders honoriert werden und sie bestrebt sind, ihren Vorsprung zu halten Stärkere Lernmotivation
Reflected-Glory-Effect
Wirkt in die entgegengesetzte Richtung wie BFLP •
die Schüler, die in einer sehr leistungsstarken Klasse sind, haben auch ein hohes akademisches Selbstkonzept sich im Erfolg anderer zu sonnen, wertet das eigene Selbstwertgefühl auf
Je nach Referenzrahmen unterscheiden sich die Leistungsfähigkeit von SuS. Ist der Referenzrahmen (Klasse) eher unterdurchschnittlich, wirken die durchschnittlichen Leistungen der Kinder als besonders hoch. In einem anderen Referenzrahmen mit überdurchschnittlichen Leistungen der SuS, wirken die durchschnittlichen Leistungen der Kinder eher schwach
Welche Chancen und Risiken entstehen durch eine Normierung des Empfehlungsverhaltens von Lehrkräften an landesweiten Leistungstandards?
Chancen
Reduktion des Gewichts von Referenzgruppeneffekten
Landesweiter Vergleich mit standardisierten Tests --> Qualität der diagnostischen Entscheidungen wird verbessert (z.B. für Schullaufbahnempfehlungen)
SuS werden nicht mehr in ihrem Sozialverhalten vergleichen
Eltern-LehrerInnen-Kommunikation von dem anstehenden Übergang = Mögliche Steigerung der Chancengleichheit
Risiken
SuS werde nicht mehr anhand der Klasse verglichen (kann gut oder schlecht für das Kind ausfallen)Keine sozialen Vergleiche bedeutet entweder, es kommt zu einer Verbesserung oder zu einer Verschlechterung der NotenProblem bei standardisierten Tests: Fokus liegt weniger auf dem Unterricht --> SuS strengen sich nur für den Tag an und haben einen enormen Leistungsdruck (Familien mit hohem Status könnten Nachhilfelehrer bezahlen, den schwächere Gruppen nicht haben)ressourcenstarke Eltern nutzen ohnehin ihre Einflusswege auf Schullaufbahnempfehlungen
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1. Welches Verhalten wird im Schulgesetz von Schüler*innen erwartet?
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