Harninkontinenz
Prävalenz
♀ > ♂
Zunahme der Inkontinenzprävalenz mit Zunahme des Lebensalters
Häufig unterdiagnostiziert
Hauptformen (Definition)
Belastungsinkontinenz = Unwillkürlicher Urinverlust bei körperlicher Belastung (Histen, Niesen, Lachen) ohne Harndrang); ÜAB/ OAB overactive bladder
Dranginkontinenz = Unwillkürlicher Urinverlust in Kombination mit gleichzeitigem o. plötzlichem Drangempfinden (imperativer Harndrang)
Mischformen
Hauptformen (Pathophysiologie)
Belastungsinkontinenz = Insuffizienter Harnröhrenverschlussdruck bei passiver abdomineller Druckerhöhung
Dranginkontinenz = Inkontinenz aufgrund spontaner unwillkürlicher Detrusorkontraktionen (Detrusorhyperaktivität)
Sonderformen
Überlaufsinkontinenz = Inkontinenz aufgrund erhöhter Restharnbildung
Extraurethrale Inkontinenz
unkontrollierter Verlust von Urin nicht durch die Harnröhre
z.B. Fisteln, Urethrovaginaler Verlust, Stoma
Nächtliche Enuresis = Einnässen (z.B. bei Kindern)
Situationsabhägige Inkontinenz
Neurogene Inkontinenz = verursacht durch neurologische Erkrankungen
Belastungsinkontinenz
Einteilung
Ingelmann Sundberg Klassifikation
I°: Urinverlust bei Niesen, Husten, starker körperlicher Anstrengung
II°: Urinverlust beim Gehen / in Bewegung
III°: Urinverlust in Ruhe
Risikofaktoren bzw. Ätiologie
Bindegewebe- und/oder Muskelschwäche
Urogenitaler Deszensus
Verschlussinsuffizienz
Postpartal
Postoperativ
Postmenopausal
Änderung der intraabdominellen Druckverhältnisse
Adipositas, Asthmatiker, „Raucherhusten“
Permanente schwere körperliche Belastung
Harnwegsinfektion
insuffizienter Blasen- und Harnröhrenverschluss (postpartal, nach Traumen)
Verlagerung der Blase und der Harnröhre
z.B. bei Descensus uteri, Zysto- oder Rektozele
Östrogenmangel (Schleimhautschwund)
Dranginkontinenz
Ätiologie
Entzündlich
Obstruktiv: Bspw. Blasensteine, Blasentumor, benigne Prostatahyperplasie, postinterventionell durch TVT-Band-Einlage
Hormonell: Östrogenmangel
Neurologisch
Neurogen bedingt (Parkinson-Krankheit, MS, Querschnittslähmung)
Toxische Neuropathien (Alkohol, Diabetes mellitus)
Tumoren (Rückenmark, Gehirn)
Altersveränderungen
Idiopathisch
Diagnostik
Basisdiagnostik: Unterscheidung Belastungs-/Dranginkontinenz?
Anamnese: Standardisierter Fragebogen ICS
Vorerkrankungen und Dauermedikation?
Plötzlicher Harndrang?
Gebrauch von Vorlagen? Wie viele?
Miktionsfrequenz tagsüber und nachts? Miktionsprotokoll
→ Evaluation des Miktionsverhalten
Labor: Urin
Ultraschall (ua. zur Restharnbestimmung)
Urodynamik
Zystoskopie
Körperliche Untersuchung:
Abdomen
Äußeres Genital
Vaginale Einstellung
Diagnostik: Zystoskopie
Wann obligat?
Untersuchung des Blaseninneren ggf. mit Biopsie
Obligat bei:
Hämaturie
Rezidivierenden HWIs (bei fehlendem Keimnachweis auch an CIS denken!)
Drangsymptomatik
v.a. extraurethrale Inkontinenz
Diagnostik: Vaginale Einstellung
Begutachtet werden:
Beckenboden Zustand
Darstellung des Harnabgangs beim Hustentest
Uro vaginaler Descensus
Trophik und Geschmeidigkeit der Vaginalwand
Harnröhrenkalibrierung
Diagnostik: Miktionszysturethrographie (MCU)
Indikationen
= spezielle Röntgenuntersuchung der unteren Harnwege mit KM
Indikationen für eine MCU:
Verdacht auf vesikoureteralen Reflux
Wiederholte Harnwegsinfektionen
Anomalien der unteren Harnwege
Harnröhrenstrikturen
Descensus vesicae
Divertikel, Steine uw.
Untersuchung nach chirurgischen Eingriffen an den unteren Harnwegen
Belastungs-/ Dranginkontinenz
Therapie Algorithmus
(1) Konservativ (2) Medikamentös (3) Weiterführend
Konservative Therapie
Gewichtsreduktion
Regelmäßige Miktion
Keine erhöhte Flüssigkeitsaufnahme
Stuhlregulierung bei chronischer Obstipation
Schwere körperliche Arbeit vermeiden
Beckenbodentraining
Elektrostimulation / Biofeedback
Medikamentöse Therapie
Östrogensubstitution
Lokale Wirkung auf Harnröhrenepithel, peri/-urethrales Bindegewebskollagen
Wirkung
Bessere Vaskularisation
Epithelproliferation
Höhere Sensibilität auf α-Adrenozeptoren
Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
Medikament: Duloxetin
Duloxetin wirkt zentral im unteren Rückenmark → Erhöhter Sphinktertonus
Zahlreiche NW!
Nausea 23%, Schwindel 10%
Mundtrockenheit 13%
Müdigkeit 13%
Obstipation 11%
Gewichtszunahme 10 - 20%
Cephalgien 10%
Gewichtsreduktion (bei Adipositas)
Blasentrainung
Trinkverhalten (ausreichende Trinkmenge)
Miktionstraining
N. tibialis Stimulation
Anticholinergika
Mittel der 1. Wahl
Wirkstoffe: z.B. Trospiumchlorid, (Tolterodin, Solifenacin, Darifenacin)
Wirkmechanismus:
Kompetitive Blockade von ACH an den musk. Acetylcholinrezeptoren
Parasympathikuswirkung gemindert
→ Hyperaktivität des M. detrusor vesicae nimmt ab
→ Harnblasenentleerung↓ und Harnblasenkapazität ↑
NW! dh. schlechte Therapie Adhärenz
Nicht bei Engwinkelglaukom! ausgeprägtem Restharn oder Tachyarrhythmie
β3 Mimetika
Wirkstoff: z.B. Mirabegron
Vorteil: Weniger NW! selten Tachykardie
Operative Therapie
Suburethrales Band (va. bei Frauen)
Goldstandard: TOT/TVT
TVT = tension free vaginal tape, TOT = transobturator tape
Trockenheit 80% 1 Jahr post OP und 72% nach 9 Jahren
Wirkprinzip: Unterstützung des Blasenhalses durch spannungsfreie Einlage
Artifizieller Sphinkter (va. bei Männern)
Kontinenzraten von ca. 80% erwartbar
Hohe langfristige Rate an Implantatversagen (ca. 25%)
Zystoskopische Botulinum A Toxin Injektion
Wirkdauer ca. 6 Monate
Risiko: Restharnbildung mit Notwendigkeit des Selbstkatheterismus (ISEK)
Sakrale Neurostimulation
Zuerst externer Probestimulator
Bei permanenter Implantation ist eine Symptomlinderung um >50% für >50% der Patienten
Ultima Ratio:
Ileumaugmentationsplastik der Harnblase = Neoblase
Supravesikale Harnableitung
Zystektomie mit Anlage eines Ileokonduit
Zusammenfassung der weiterführenden Therapiemöglichkeiten
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