Was ist Exposition?
Verfahren, bei deren Anwendung Patienten sich systematisch den von ihnen gefürchteten (und daher vermiedenen) Reizen (extern und/ oder intern) für einen längeren Zeitraum aussetzen z.B. Höhlen, Spinnen, Ablehnung durch andere Menschen, Auftauchen von intrusiven Erinnerungsbildern an traumatische Erlebnisse
Ziel: Korrigierende Lernerfahrung (in dem Sinne, dass die gefürchteten Reize zu bewältigen sind und die befürchtete Katastrophe nicht eintritt)Reduktion der negativen kognitiv- emotionalen Reaktion durch wiederholte Auseinandersetzung mit dem Reiz
Expositionsverfahren sind Techniken, die im Rahmen eines Therapiekonzepts eingesetzt werden
Erklärungsmodell
Angstsymptome als Ergebnis ungünstiger Lernprozesse
Patientin meidet entsprechenden Reiz/Situation (Angst vor der Angst!)
Durch Vermeidung wird S nicht mehr aufgesucht (oder nur mit Sicherheitsverhalten)
—>Keine positive Bewältigungserfahrung/ korrigierende Erfahrung möglich
—> Lernt stattdessen: Angstsymptome werden durch Vermeidung/ Sicherheitsverhalten kurzfristig besser
Angst/ Vermeidung wird aufrechterhalten
Formen von Expositionsverfahren
Systematische Desensibilisierung (graduierte Reizkonfrontation in sensu)
Grundprinzip: Reziproke Hemmung/ Inhibition bzw. Gegenkonditionierung = Stärkung angstinkompatibler psychophysiologischer Reaktionen während Exposition mit Angstreizen
Vorgehensweise:
Lernen einer angstinkompatiblen Reaktion (meist Entspannung)
Hierarchisierung der gefürchteten Reize
Exposition in sensu zunächst mit wenig bis mittelmäßige Angst auslösende Reizen unter gleichzeitigem Einsatz von Entspannung:
Entspannungssinduktion
Exposition in sensu
Falls notwenig (auf Signal des Pat. Hin) nochmalige Entspannungsinduktio
Bei erreichter Angstfreiheit Exposition mit dem nächstschwierigen Reiz
Bei Angstanstieg ggf.zurück zur vorherigen Exposition mit weniger angstauslösendem Reiz
Graduierte Konfrontation in vivo (Habituationstraining)
Beginn mit leichtem/mittlerem Schwierigkeitsgrad
Verbleiben in Situation bis vereinbartes Kriterium der Angstbewältigung erreicht wurde
Nach erfolgreicher Bewältigung erfolgt in nächster Sitzung der nächsthöhere Schwierigkeitsgrad
Massierte Reizkonfrontation in sensu (Implosion)
V.a. sinnvoll, wenn Konfrontation in vivo nicht möglich
Patient begibt sich in der Vorstellung in Angst auslösende Situation, beschreibt Therapeuten sein Erleben
Therapeut folgt Situationsbeschreibung, hält diese durch Fragen im Fluss, sorgt für Erleben in möglichst vielen Modalitäten (visuell, akustisch, haptisch, kognitiv, emotional, somatisch, motivational) und hilft in Situation zu bleiben bis zu spürbarer Abnahme der Angst
Graduelles oder massiertes Vorgehen?
Wenn möglich, umsetzbar und Patient dazu motivierbar: massiertes Vorgehen
Vorteil: Patienten habe nicht über weite Phasen der Therapie den Eindruck, wirklich schwieriger und entscheidender Schritt steht noch bevor; impliziert dass alle weiteren Situationen auch bewältigt werden können (effizienter!)
Graduell, u.a. wenn...
Körperliche Komplikationen wie Asthma bronchiale, Herzinsuffizienz, Epilepsie
Patient nicht zu massiertem Vorgehen motivierbar
Real gefährliche Situation
Gefahr von psychotischen Entgleisungen
Vorgehen bei massierter Konfrontation in vivo (Flooding)
Kognitive Vorbereitung
Therapeutisch begleitete Exposition
Selbständige Exposition
1. Kognitive Vorbereitung
Nach intensiver Diagnostik gemeinsames Erarbeiten eines Erklärungsmodell, das Vermeidung als wesentlich für die Aufrechterhaltung der Problematik deutlich macht, und Ableitung eines plausiblen Behandlungsrationals, d.h. sich der Angst zu stellen, um sie zu bewältigen
Förderung einer bewussten Entscheidung für Expositionstherapie durch den/die PatientIn (ggf. auch für andere Variante)
2. Therapeutisch begleitete Exposition
Den/ Die PatientIn bitten, Angst zuzulassen und nicht dagegen zu arbeiten
Ihn/ Sie auf Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten hinweisen und bitten, dieses aufzugeben
Ihn/ Sie bitten, bewusst zwischen realer aktueller Erfahrung und (Katastrophen-)Fantasien zu differenzieren
Nachfragen, wie Angst sich noch steigern ließe, und Wahrnehmung/ Aufmerksamkeit auf aktuelle Situation lenken
Ihn/ Sie immer wieder nach subjektivem Angstverlauf fragen und auf Skala (z.B. von 0-100) einschätzen lassen
Ihn/ Sie motivieren, die Angst auszuhalten („Es ist jetzt wichtig, die Angst in ihrem vollem Ausmaß zu erleben“)
Mit dem/ der PatientIn in der gefürchteten Situation bleiben, bis eine deutliche Reduktion der Angst eintritt (z.B. 20 von 100 auf subjektiver Skala und/ oder der /die PatientIn sich sicher ist, dass das befürchtete Ereignis nicht eintritt)
Ideal: möglichst viele Übungen hintereinander über mehrere Tage in verschiedenen Situationen
Exposition wiederholen, in so vielen verschiedenen Kontexten wie möglich (z.B. verschiedene Orte, Tageszeiten, evtl. experimentelle Stimmungsinduktion vor Exposition, gesättigt und in hungrigem Zustand etc.)
3. Selbständige Exposition
Direkter Anschluss der Generalisierungs- und Versteigungsphase: Angstsituationen auch alleine aufsuchen!
Selbständige (unbegleitete) Exposition gemeinsam mit dem Patienten detailliert planen, vor- und nachbesprechen
Kritische Situationen, Sicherheits- und Vermeidungsverhalten gemeinsam antizipieren und Umgang damit planen
Selbstmotivationsstrategien besprechen
Zur Selbstbelohnung nach Abschluss der Exposition ermuntern
Optimales Vorgehen bei Konfrontation in vivo
Ausführliche Diagnostik und kognitive Vorbereitung
Situationsauswahl/ -vorbereitung
3-5 lange Sitzungen (ganze oder halbe Tage) Konfrontation (massierte Übung)
Anfangs mit TherapeutIn, dann PatientIn zunehmend allein
Anfangen mit einer der schwierigsten Situationen (Reizüberflutung = Flooding)
Möglichst in vivo, ggf. auch in der Vorstellung
Abbruchkriterium ist Angstreduktion, ggf. auch Nichteintreten katastrophisierender Vorhersagen
PatientIn soll zunächst einmal Angst kommen lassen und automatische Angstreduktion (Habituation) erfahren, nicht gleich Techniken zur Angstbewältigung einsetzen
Genügend Zeit einplanen!
Wiederholung ist ein wichtiges Lernprinzip (möglichst viele für das Erleben der Betroffenen relevante Situationen)
Fortschrittsbereichte (Arbeitsblätter) und Tagebücher sind sinnvolle Hilfsmittel
PatientIn loben und für korrektes Verhalten verstärken (nicht für Angstfreiheit!)
Hausaufgaben genau und konkret planen
Wirkmechanismen von Exposition
Lerntheoretische Erklärung: Extinktion
—>Lernen neuer inhibitorischer Assoziation statt Löschung
Physiologische Erklärung: Habituation
Kognitive Erklärung: Neuattribution
Ausbleiben der gefürchteten Konsequenz führt zu einer Neubewertung der Situation
Informationsgehalt des Angstreizes sinkt
Erhöhung der Selbstwirksamkeit
Zusammenfassung: Konfrontations-/ Expositionsverfahren
Grundprinzip: Ansatz direkt an der Bewältigung angstbesetzter Situationen mit Anleitung des Patienten, sich systematisch einer zuvor vermiedenen aversiven Situation/ Reizen auszusetzen, dabei auf Vermeidungs- und Sicherheitsverhalten zu verzichten, um korrigierende Lernerfahrung zu ermöglichen (i. d. S., dass gefürchtete Reize zu bewältigen sind, damit verbundene negative Gefühle wie z. B. Angst, Scham oder Ekel bei längerer und wiederholter Auseinandersetzung mit diesen Situationen nachlassen und befürchtete Katastrophe nicht einsetzt)
Basiert auf Annahme, dass Vermeidung der unangenehmen/befürchteten Situationen zur Aufrechterhaltung der jeweiligen psychischen Beschwerden beiträgt - eine gezielte Auseinandersetzung mit diesen Situationen daher Lernerfahrungen ermöglicht, die in hohem Maße zur Überwindung dieser Beschwerden beitragen können
Expositionstherapie kann insbesondere bei stimulusabhängigem (situationsabhängigem) Problemverhalten und –erleben erwogen werden, v.a. wenn dysfunktionale emotionale Reaktion nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck entspricht (z.B. übersteigerte Angstreaktion ohne reale Gefahr)
Geht oft mit intensivem emotionalem Erleben einher
Die Anwendung erfolgt primär in der KVT von Angst- , Zwangs-, Posttraumatischer Belastungs- und Essstörung, Abhängigkeitserkrankungen und körperdysmorpher Störung
Wirksamkeit durch zahlreiche Studien auch bzgl. langfristiger Erfolge belegt; es handelt sich um eine der wirksamsten Interventionen der Psychotherapie überhaupt
Zusammenfassung: Konfrontations-/ Expositionsverfahren Grundsätze der Expositionen
Absichtliches Arrangieren von Situationen
Ziel wurde zuvor nach Analyse der Problematik abgeleitet
Aktivierung der Symptome
Gute Vor- und Nachbereitung
Es gibt so viele verschiedene Formen von Exposition, wie es Lernziele gibt
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