Was ist die Ausgangsfrage bei dem Erbe-Umwelt Diskurs?
Wie groß sind die relativen Effekte von Genom und Umwelt auf Persönlichkeitseigenschaften?
nature vs. nurture
Was ist die Grundidee um genetische und Umwelteinflüsse zu erfassen?
Varianz einer Eigenschaft X lässt sich in drei unabhängige Anteile zerlegen: genetischer Anteil, Umweltanteil und Messfehleranteil
V(X)= V(G)+V(U)+V(F)
-> Heritabilität (Erblichkeitsgrad): V(G)/V(X)
-> Umweltanteil: V(U)/V(X)
-> Fehleranteil (V(F)): 1- Reliabilität (Messgenauigkeit)
Was sind die Methoden zur Varianzabschätzung?
Getrennt aufgewachsene eineiige Zwillinge (Gene gleich, Umwelt anders)
Korrelation zwischen Persönlichkeitsmerkmalen der Zwillinge als direkte Schätzung der Heritabilität
Allgemeine Intelligenz bei 163 Paaren durch 5 Studien: Mittlere Korrelation ist r= 0,74
-> Heritabilität (erklärbare Varianz) liegt bei 74%
-> Persönlichkeitsdimensionen liegt bei r= .50
Größe des genetischen Varianzanteils lässt sich indirekt durch die Ähnlichkeit von Personenpaaren mit unterschiedlichem genetischem Verwandtschaftsgrad schätzen:
Vergleich von eineiigen (EZ) und zweieiigen Zwillingen (ZZ)
Vergleich von leiblichen und Adoptivgeschwistern
Kombinationsstudien
Aufwändige Studien, bei denen Daten von Personen verschiedenen Verwandtschaftsgrads erhoben werden (Zwillinge, Eltern, leibliche Kinder, Adoptivkinder, …)
Ähnlichkeiten werden durch gemeinsames statistisches Modell erklärt, das viele Faktoren berücksichtigen kann
Additive genetische Varianz, nicht-additive genetische Varianz, Umweltanteil & Fehleranteil sind getrennt berechenbar
genetische Anayse
Was sind Methodische Probleme mit getrennt aufgewachsene eineiige Zwillinge?
extrem schwierig, an Probandinnen zu kommen
evtl Überschätzung der Korrelation aufgrund
Ähnlichkeit der Umwelten in den beiden Familien
Gemeinsam in der Kindheit verbrachten Zeit
Geminsame intrauterine Entwicklung
Fazit:
Ergebnisse stellen eine gute Schätzung dar, aber wahre Heritabilität mag etwas niedriger sein
Gene scheinen bedeutenden Einfluss auf die Persönlichkeit zu haben
Was zeigt der Vergleich von EZ mit ZZ?
Annahme: Umwelt ist konstant; größere Ähnlichkeit beruht allein auf ihrer größeren genetischen Ähnlichkeit
EZ haben einen genetischen Verwandtschaftsgrad von 100%, ZZ von 50%
-> Korrelationen EZ r= .85, ZZ r= .60 -> Differenz= .25 =50% des genetischen Varianzanteils
-> Die doppelte Differenz der Korrelationen der Eigenschaften schätzt also den kompletten genetischen Varianzanteil (Falconer-Formel)
h² = 2*(rEZ – rZZ) -> h² = .25 x 2 = .50
Was zeigt die Adoptionsmethode?
Vergleich von leiblichen Geschwistern undAdoptivgeschwistern
Annahme: Umwelt konstant
-> Größere Ähnlichkeit der leiblichen Geschwister beruht allein auf ihrer größeren genetischen Ähnlichkeit
-> Leibliche Geschwister haben einen genetischen Verwandtschaftsgrad von 50%, Adoptivgeschwistervon 0%
Die doppelte Differenz der Korrelationen der Eigenschaften schätzt also den genetischen Varianzanteil (falconer Formel)
-> z.B. IQ: Korrelation Geschwister r=.50, Adoptivkinder r=.25
=> genetischer Anteil an IQ-Varianz = 2 x 25% = 50%
Warum zeigt die Adoptionsmethode teilweise andere Ergebnsise als die Zwillingsmethode?
Methodische Gründe
Nichtbeachtung nicht-additiver (interaktiver) genetischer Effekte
Eineiige Zwillinge teilen alle additiven und interaktiven Effekte
Zweieiige Zwillinge teilen 50% der additiven, aber weit unter 50% der interaktiven Effekte
Adoptivgeschwister teilen weder additive noch interaktive Effekt
Konsequenz:
Höhere Erblichkeitsschätzungen bei der Zwillingsmethode als bei der Adoptionsmethode
Was sind additive und nicht-additive genetische Effekte?
Additive genetische Effekte: jedes Gen hat unabhängig von den anderen Genen einen Einfluss auf ein Merkmal
-> Bei genetischer Verwandtschaft von 50% werden 50% der additiven genetischen Effekte geteilt
Nicht-additive (interaktive) genetische Effekte: Ein Gen hat nur - oder vor allem - in einer spezifischen Konstellation mit anderen Genen einen Einfluss auf ein Merkmal
Wie sehen die Ergebnisse der Kombinationsstudien aus?
-> Umweltanteil ist Restkategorie
Was sind genetische Analysen?
Zur Bestimmung der genetischen Ähnlichkeit zwischen zwei Personen
Wenn genetische Ähnlichkeit getetstet wird dann:
Bestimmung der Ähnlichkeit derselben beiden Personen bezüglich eines Phänotyps (bspw Intelligenz)
Vorgehen:
mit großer Stichprobe (immer wieder paarweise)
Statistische Vorersage der Ähnlichkeit im Phänotyp durch die Ähnlichkeit im Genotyp (Regression)
Je besser die Vorhersage, desto höher die Erblichkeit der Eigenschaft
-> Berechnung der Erblichkeit über die Stärke des Zusammenhangs zwischen der Ähnlichkeiten im Genotyp und der Ähnlichkeit im Phänotyp
Welche spezifischen Gene beeinflussen Persönlichkeitseigenschaften x und auf welchem Wege?
Bei (seltenen) Erbkrankheiten können einzelne Gene massive Effekte auf die Persönlichkeit haben
Beispiele:
Phenylketonurie (PKU; Chromosom 12): Intelligenz
Chorea Huntington (Chromosom 4): Intelligenz, Temperament
Aber: keine replizierbaren Ergebnisse aus Assoziationsstudien mit einzelnen Allel-Variationen
z.B. IQ-QTL Projekt (60 Kandidaten-Gene, bei keinem ein replizierbarer Zusammenhang mit Intelligenz nachweisbar)
z.B. Streben nach Neuigkeit und DRD4-Gen (kein replizierbarer Zusammenhang)
-> Persönlichkeitseigenschaften eher nicht durch einzelne seltene, sondern durch viele häufige Allele bedingt
Was ist die Genomweite Assoziationsstudie (GWAS)?
Simultane Untersuchung einer großen Anzahl genetischer Varianten
Plot Ergebnis mit Zusammenhang der Genvarianten und der Merkmalsausprägung
Berechnung eines „Polygenic Score“ möglich (= genetische Gesamtprädisposition für eine bestimmte Merkmalsausprägung) -> viele schwache Ausprägungen
-> Prinzipiell kann man dadurch ein genetischen Potential für eine Merkamlsausprägung bestimmen
Was ist das Problem bei der Genomweiten Assoziationsstudie?
Problem: Effekte einzelner Gene so gering, dass Stichprobe extrem groß sein muss, um Gene zuverlässig zu identifizieren und zu einem „Polygentic Score“ zusammenzufassen
Daher GWAS mit extrem großen Stichproben notwendig
Savage et al. (2017) berichten über die bis heute größte GWAS Analyse (N = 279,930) zu Intelligenz. Erklärt werden 4% der Varianz in Intelligenzunterschieden
Big Five: Bisher keine klaren, replizierbaren Ergebnisse (größere Stichproben sind notwendig)
Prinzipiell wohl möglich, die genetische Veranlagung für bestimmte Intelligenz- und Persönlichkeitsausprägungen zu bestimmen, aber es gibt praktische Schwierigkeiten
Wie hoch ist der substantielle genetische Einfluss auf die Persönlichkeit?
IQ= 50-70%
Big five= 40-50%
Was sind (geteilte) Umwelteinflüsse?
Hintergrund: Annahme der klassichen Sozialisationsforschung
Aspekte des Elternhauses (Erziehungsstil, soziale Schicht..)
haben einen substantiellen Einfluss auf die Persönlichkeit von Kindern
Diese Aspekte werden als geteilte Umwelteinflüsse bezeichnet, weil sie alle Kinder des Haushalts in gleicher Weise betreffen
Wie lässt sich die Höhe der geteilten Umwelteinflüsse schätzen?
Korrelation zwischen Adoptivgeschwistern schätzt direkt den Einfluss der geteilten Umwelt
Ähnlichkeiten müssen aus dem Umfeld stammen
-> r= .25 bei IQ
-> r= .05 bei den Big-Five
Woher kommen Zusammenhänge zwischen Häuslicher Umwelt und Intelligenz? Und wie stark sind Korrelationen?
Haushaltsqualität:
Aggregat aussozioökonomischem Status und Beurteilungen der Sauberkeit, Wohnungsgröße und der Ausübung elterlicher Rolle (z.B. Beaufsichtigung der Kinder)
Bildungsorientierung:
Aggregat aus dem sprachlichen Niveau, dem Bildungsgrad, den intellektuellen Interessen und dem künstlerischen Geschmack der Eltern sowie der Zahl der Bücher im Haushalt
Wieso ist bei kleinen bis nicht-vorhandenen geteikten Umwelteinflüssen die Korrelation zwischen eineiigen Zwillingen nicht r=1?
Unreliabilität der Messung (Messfehler)
Aber: Korrealtion ist auch kleienr als 1-Fehleranteil
Schuld sind Nicht-geteilte Umwelteinflüsse
V(nicht-geteilte Umwelteinflüsse)=Reliabilität (1-Messfehler) - r(EZ)
V(U)= geteilte und nicht-geteilte Umwelteinflüsse
nicht geteilte Umwelteffekte: Umwelterfahrungen, die nicht in gleicher Weise auf beide Geschwister wirken
Gibt es spezifische nicht-geteilte Umwelteinflüsse die einen relevanten Einfluss haben?
Zuvor geborene Geschwister sind im Schnitt (leicht) intelligenter als später geborene
-> keine Effekte bei Big-Five außer bei Intellect als Subfacette von Offenheit
Elterliche bevorzugung hat einen Effekt auf die Persönlichkeit
-> Wird ein eineiiger Zwilling von der Mutter negativer bewertet als der andere, so zeigt er auch mehr antisoziales Verhalten
Warum ist der Gesamteffekt nicht-geteilter Umwelteinflüsse bei den Big Five so viel größer als derjenige einzelner Umweltbedingungen?
kaum systematische Effekte von Elternhaus und Big-five
deutliche Effekte von nicht-geteilten Umwelteinflüssen (30-40% aufgeklärte Varianz)
-> bei einzelnen Untersuchungen aber sehr klein (2-6% aufgeklärte Varianz)
Mögliche Erklärungen:
evtl spielen sehr viele Umwelteinflüsse eine Rolle, die für sich genommen keine Efekte haben, insgesamt gesehen abder doch bedeutsam sind
Objektiv geteilte Umwelten können unterschiedliche Einflüsse auf Geschwister haben, weil Umwelteffekte wiederum von der Persönlichkeit abhängen können
Kleine Zufallsvariationen in Entwicklungsbedingungen können sich langfristig zu erheblichen Entwicklungsverönderungen aufschaukeln
Wie lassen sich Unterschiedlichkeiten von EZ biologische erklären?
Bei den nicht-geteilten „Umwelteinflüssen“ handelt es sich primär nicht um Umwelteinflüsse, sondern um inter-individuelle Unterschiede in der Gen-Expressivität
Die DNA stellt Bauplan für den Organismus dar, bei der Entstehung von Organismen wird dieser Bauplan abgelesen (Proteine werden gebildet, wandern durch Organismus, Zellen spezialisieren und teilen sich…)
Bei diesen Prozessen spielen stochaistische Prozesse (Zufallsähnlich) auf molekularischer Ebene eine Rolle
Kleine, zufällig bedingte Unterschiede können sich längerfristig über Rückkopplungsschleifen zu größeren Unterschieden aufschaukeln
-> Dieselbe identische Onformation kann zu unterschiedlichen Organismen führen (Sichtbar an Symmetrie der Gesichtshälften)
Was klassicherweise durch Einflüsse individueller Umwelterfahrungen erklärbar ist, ist zumindest teilweise auch biologisch zu erklären
Bestimme geteilte und nicht-geteilte Umwelteinflüsse für A und B:
A= 30% geteilte, 25% nicht geteilte Umwelteinflüsse (45 genetisch)
B= 2% geteilte, 68% nicht geteilte Umwelteinflüsse (30 genetisch)
A= 30% nicht geteilte Umwelteinflüsse (60 genetisch+geteilt)
B= 17% nicht geteilte Umwelteinflüsse (78 genetisch und geteilt)
Was zeigen Kombinationsstudien zu Umwelteinflüssen?
Geringe geteilte Umwelteinflüsse - widerspricht offenbar klassischen Sozialisationstheorien: „Persönlichkeitsprägende Umweltbedingen sind familientypisch“
Von Geschwistern sind nicht geteilte Umwelteinflüsse (oder biologische Zufallsprozesse bei der Genexpression) weitaus bedeutender für ihre Persönlichkeitsentwicklung
Was bedeutet Multidetermination?
Persönlichkeitseigenschaften sind quasi immer durch viele Gene determiniert
-> durch viele häufige Allele
Warum sind Effekte von Genen und Umwelten relativ zu sehen?
Genetische Einflusschätzungen sind von der vorhandenen Variablilität der Genome und der Umwelten abhängig
Gedankenexperiment Intelligenz:
Szenario A: Optimale Förderung für 50% von Kindern, völlige Vernachlässigung für die anderen 50%
-> Relativ viel Varianz auf Umwelt zurückzuführen (Erblichkeit gering)
Szenario B: Optimale Förderung für 100% aller Kinder
-> Unterschiede allein auf Gene zurückzuführen (Erblichkeit hoch)
-> Geschätzte Varianzanteile sind keine absoluten Größen!
Welche Erblichkeitsschätzungen sind bekannt?
Erblichkeitseffekte gefunden für:
spezifische Einstellungen (bspw. Einstellung zur Todesstrafe, Kapitalismus, etc.)
Bestimmte Lebensereignisse (bspw. Scheidung)
Spezifischere Persönlichkeitseigenschaften (bspw. Narzissmus, Selbstwert, etc.)
Wieso?
Erklärung: Erblichkeit zumindest teilweise auf Überlappung mit Intelligenz/Temperamentsmerkmalen zu erklären
Was zeigt die Altersabhängigkeit?
IQ: Zunehmender Einfluss von Genen und nicht-geteilten Umwelteffekten, abnehmender Einfluss geteilter Umwelteffekte
Big Five: Abnehmender Einfluss von Genen, zunehmender Einfluss von nicht-geteilten Umwelteffekten
Welche Arten von die Gen-Umwelt Kovariationen gibt es?
Gene und Umwelten sind nicht völlig unabhängig von einander, sondern können ko-variieren
Aktive Genom-Umwelt-Kovariation: Gene beeinflussen Person, eine bestimmte Umwelt aufzusuchen (Beispiel: musikalischer Mensch wird eher in Musikschule gehen)
Reaktive Genom-Umwelt-Kovariation: Andere Menschen reagieren auf genetisch bedingte Persönlichkeitsmerkmale (Beispiel: Musiklehrer bemerkt musikalisches Kind und spricht Empfehlung für Musikschule aus)
Passive Genom-Umwelt-Kovariation: Gene korrelieren mit Umwelt, in die eine Person hineingeboren wird (Beispiel: Kind aus musikalischer Familie erbt Musikalität UND wächst in Umwelt auf, in der es viel Musik zu hören bekommt)
Was zeigt die Genom-Umwelt- Interaktion?
Effekte von Umwelt auf die Persönlichkeit hängen von den Genen ab und anders herum -> Wechselwirkung
Ein Forscher führt eine verhaltensgenetische Studie durch bekommt folgende Ergebnisse:
Korrelation EZ r=.70
Korrelation ZZ r=.50
Korrelation Adoptivgeschwister r=.30
Fehleranteil: .20
-> Wie hoch sind derjenige Varianzanteil liegt die Erblichkeit gemäß, der auf geteilte Umwelteinflüsse zurückzuführen ist?
-> Wie hoch ist der derjenige Varianzanteil, der auf nicht-geteilte Umwelteinflüsse zurückzuführen ist?
Heritabilität= .40
nicht geteilte =.10
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