Welche Persönlichkeitsunterschiede sind zu einem substantiellen Anteil erblich mitbedingt?
Persönlichkeitseigenschaften sind zu einem substantiellen Anteil erblich (mit-)bedingt.
Insbesondere bezüglich Temperamentseigenschaften (Affekt, Aktivierung, Aufmerksamkeit) zeigen sich schon in frühester Kindheit substantielle inter-individuelle Unterschiede.
Auch bei anderen Spezies finden sich stabile und erbliche inter-individuelle Unterschiede (bspw. hinsichtlich Ängstlichkeit, Aggressivität, etc.).
-> Inwiefern sind Persönlichkeitsunterschiede durch biologische Parameter zu erklären?
Was ist die Aktivierungstheorie?
Hans Eysenck (1916-1997)
-> Einer der einflussreichsten Psychologen des 20. Jahrhunderts
-> Versuchte Persönlichkeitsunterschiede nicht zur zu beschreiben, sondern auch zu erklären
Beschreibung: Identifikation von grundlegenden Presönlichkeitsdimensionen, hinsichtlich derer Personen unterscheiden (deskriptive Theorie)
-> PEN Modell
Erklärung: Identifikation der kausalen Faktoren, die Persönlichkeitsmerkmalen und Unterschieden zugrunde liegen (explanative Theorie)
-> Psychophysiologische Aktivierungstheorie
Was ist das PEN Modell?
Beschreibender Part der Aktivierungstheorie von Eysenck
Das PEN Modell - 3 Superfaktoren der Persönlichkeit:
P: Psychotizismus vs. psychische Gesundheit und soziale Angepasstheit
E: Extraversion vs. Introversion
N: Neurotizismusvs. Emotionale Stabilität
Was ist die Psychophysiologische Aktivierungstheorie?
Erklärender Part der Aktivierungstheorie nach Eysenck
Psychophysiologische Aktivierungstheorie
Unterschiede in neurophysiologischen Erregungs- und Hemmungsprozessen als Grundlage für Temperamentsunterschiede
Soll unter anderem inter-individuelle Unterschiede hinsichtlich Extraversion-Introversion erklären
Was ist laut Eysenecks Aktivierungstheorie die neurobiologische Grundlage der Extraversion?
Genetisch bedingte Unterschiede in der Ansprechbarkeit des aufsteigenden retikulären Aktivierungssystems (ARAS)
ARAS reguliert die Erregung (Arousal) des Gehirns, bzw. den Grad der Wachheit vom Tiefschlaf bis hin zur höchsten kortikalen Erregung
ARAS wird vor allem durch sensorische Reize erregt
Ein mittleres Erregungsniveau wird als angenehm empfunden
Introvertierte Menschen haben ein höheres habituelles Erregungsniveau als extravertierte
Introvertierte sind daher schon bei niedriger bis mittlerer Stimulation stark aktiviert, was als unangenehm empfunden wird (entsprechend suchen Sie eher stimulationsarme Umgebungen auf)
Bei Extravertierten ist es genau anders herum: Das habituelle Erregungsniveau ist gering und deswegen werden starke Reize aufgesucht
Was zeigen die Forschungsergebnisse hinsichtlich der Aktivierungstheorie?
Teilweise mit der Theorie konsistente Forschungsbefunde
Beispiele:
Lemon-drop test (Eysenck, 1973): bei Gabe eines Zitronentropfens auf die Zunge (= sensorische Stimulation) zeigen Introvertierte stärkeren Speichelfluss als Extravertierte
Lärmempfindlichkeit: Negative Korrelation mit Extraversion (Dornic & Ekehammar, 1990) - weniger Lärmempfindlich
Vigilanzexperimente: Bei monotonen Aufgaben, die Daueraufmerksamkeit erfordern, korreliert die Leistung negativ mit Extraversion (Schmidt et al., 2004)
-> Aber: Auch widersprüchliche Befunde; schwierig, die Theorie umfassend zu testen, insbesondere was den Aspekt des neuronalen Arousals angeht
Fazit: Einflussreicher Ansatz, der viel Forschung zu den biologischen Grundlagen der Persönlichkeit angeregt hat
-> Parallelen zur Typenlehrer der Antike
Was ist die Reinforcement Sensitivity Theory (RST)?
Jeffrey A. Grey (1934-2004)
Fokus auf differentieller Sensitivität für Verstärker/Bestrafungen)
Belohnungssenitivität
Bestrafungssensitivität
Bezieht Persönlichkeitsunterschiede auf 3 verbundene Hirnsysteme
BIS: Behavioral Inhibition System -> Ängstlichkeit
BAS: Behavioral Activation System -> Impulsivität
FFFS (Fight-Flight-Freeze System)
Was ist laut Grey das Behavioral Inhibition System (BIS)?
Biologische Basis: Sepptohippocampale System
Spricht auf Reize an, die negative/aversive Ergebnise ankündigen (Bestrafungssenitivität)
-> Hinweisreize für Bestrafung und ausbleibende Belohnung
Verhaltenshemmung (Innehalten), Erregungssteigerung, erhöhte Aufmerksamkeit v.a. für bedrohliche Reize
Vorherrschende Emotion: Angst
Was ist laut Grey das Behavioral Activation System (BAS)?
Biologische Basis: Basalganglien
BAS spricht auf Reize an, die positive Konsequenzen ankündigen (Belohnungssensitivität):
-> Hinweisreize für Belohnung (& Nicht-Bestrafung)
Bei Aktivierung des BAS: Verhaltensaktivierung, Annäherungsverhalten
Vorherrschende Emotionen: Freude, Glücksgefühle,Erleichterung
Was zeigen die Forschungsergebnisse hinsichtlich der Belohnungs-/Bestrafungssensitivität?
Teilweise konsitente Forschungsbefunde
Bei hoch neurotischen Personen hat Bestrafung einen positiveren Effekt auf Performanz als Belohnung
Extravertierte Personen sind empfänglicher für die Induktion von positivem Affekt, hoch neurotische Personen sind empfänglicher für die Induktion von negativem Affekt
Bei extravertierten Personen sind im EEG stärkere Reaktionen auf Belohnungen zu beobachten als bei introvertierten Personen
-> Aber: auch inkonsitente Befunde
Was sind die zentralen Änderungen in der revidierten Fassung?
Systeme stehen in Wechselwirkung miteinander
BIS lässt sich nicht mehr durch aversive Reize direkt aktivieren, sondern „vermittelt“ zwischen FFFS und BAS
-> Muss sich empirisch noch bewähren
Was zeigen die Befunde zwischen Persönlichkeit und Physiologie?
Eher geringe Zusammenhänge
Muster: Tendenziell geringere Aktiviertheit bei hoch extravertierten Personen und höhere Aktiviertheit bei hoch neurotischen Personen
Was ist das Fazit der Biologischen Theorie?
Persönlichkeitseigenschaften hängen mit biologischen Parametern zusammen
Durch eine Analyse dieser Zusammenhänge kann man kann möglicherweise besser versehen
was den funktionalen Kern einer Eigenschaft ausmacht
wie Persönlichkeitsunterschiede entstehen
Aber Achtung: Biologische Parameter sind nicht nur durch die Veranlagung bedingt, sondern werden auch durch die Lebensumstände beeinflusst
Beispiele: Geringerer Testosteronspiegel nach Heirat bei Männern (Holmboe et al., 2017) Strukturelle Veränderungen im Hippocampus nach intensivem Lernen (Maguireet al., 2000)
Was sind Evolutionspsychologische Überlegungen? Wieso gibt es überhaupt Persönlichkeitsunterschiede?
Natürliche Selektion (Darwin)
Individuen mit besser angepassten erblichen Merkmalsausprägungen haben bessere Chancen zu überleben und sich fortzupflanzen
Über Generationen hinweg findet somit eine Auslese statt: Nur diejenigen erblichen Merkmalsausprägungen bleiben in der Population erhalten, die ihre Besitzer evolutionär „fit“ machen
Natürliche Selektion eliminiert erbliche Unterschiede innerhalb einer Spezies
Wieso gibt es erhebliche Persönlichkeitsunterschiede zwischen Menschen, die zu einem susbtantiellen Anteil genetisch determiniert sind? Warom so viel Variität?
Verschiede Möglichkeiten:
I.Selektive Neutralität
II.Recent selective sweeps
III.Ausgleichende Selektion
IV.Selektions-Mutations-Balance
Was sagt die Selektive Neutralität aus?
Persönlichkeitseigenschaften sind selektiv neutral
Variationen, die weder nützlich noch schädlich sind, würden von der natürlichen Auslese nicht beeinflusst werden." (Darwin, 1872)
Unwahrscheinlich denn:
Intelligenz korreliert bspw. positiv mit Lebensdauer, Finden von Lebenspartner, Einkommen, sozialem Status
Extraversion korreliert mit Anzahl der Sexualpartner
Gewissenhaftigkeit korreliert positiv mit Gesundheit, Berufserfolg & Lebensdauer Etc.
Was sind Recent Selective Sweeps?
Neue Genvarianten mit positiven Fitnesskonsequenzen haben sich noch nicht voll verbreitet (Ein Teil hat sie schon, ein anderer nicht)
-> Beispiel: Lactose
Unwahrscheinlich, denn:
Zu viel Variabilität zwischen Menschen in den verschiedensten Bereichen
Was ist die ausgleichende Selektion?
Beide Pole einer Persönlichkeitseigenschaft können adaptiv sein
Frequenzabhängige Selektion
Persönlichkeitsausprägungen sind adaptiv, wenn sie selten vorkommen
Langfristige Konsequenz: „Einpendeln“ versch. Ausprägungen, so dass konstant Variabilität vorhanden ist
Umweltheterogenität:
Adaptivität von Persönlichkeitsausprägungen hängt von Umwelt ab (Beispiel: hoher Neurotizismus evtl. adaptiv in sehr gefährlicher Umwelt, geringer Neurotizismus in ungefährlicher Umwelt)
-> Vorallem für Variation bei Big Five
Was ist die Mutations -Selektions - Balance?
Ein Pol der Persönlichkeitseigenschaft ist adaptiv, aber jeder trägt einen mild maladaptiven Mutationsload mit sich herum, der dazu führt, dass optimale Ausprägung beeinträchtigt ist
Mögliche Erklärung für Unterschiede in der Intelligenz
Lediglich positive (und keine negativen) Zusammenhänge zwischen IQ und fitness-relevanten Outcomes bekannt (Lebensdauer, Finden von Lebenspartner, Einkommen, sozialer Status, …)
Genetische Schäden und Mutationen wirken sich häufig beeinträchtigend auf den IQ aus
-> Vorallem für Variationen bei IQ
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