Republikprinzip Definition
• Gemeinwesen bundesstaatlichen Charakters soll geschaffen werden
• Wesensgehalt: demokratischer + sozialer Pathos der republikanischen Tradition
→ Alle Staatsgewalt vom Volk
→ Begrenzung Staatsgewalt durch verfassungsmäßig festgelegt Recht der Einzelpersonen
→ Gleichheit aller vor dem Gesetz
→ Mut zu sozialen Konsequenten die sich aus Postulaten der Demokratie ergeben
Bekenntnis zur Republik:
= Monarchisches Prinzip → Staatsoberhaupt aus Erbmonarchie entspringt (oder Wahlmonarchie), abgelehnt wird
→ Muss für begrenzte Zeitspanne demokratisch gewählt werden
• Übergang Republik → durchgreifende Demokratisierung
Republikprinzip im GG
Art 20 (1) GG
Art 21 (2) GG
Art 28 (1) GG
Art 10 (2) GG
Art 11 (2) GG
Strukturprinzipien
Republikprinzip
Demokratieprinzip
Rechtsstaatprinzip
Bundesstaatsprinzip
Sozialstaatsprinzip
Republik Freiheit
Freiheit:
• „freiheitlich“ steht für sich
• Eigenständige Bedeutung: „freiheitliche Ordnung“
Freiheit und Ordnung:
• Ordnung hat Freiheitsaspekt
Freiheit hat Ordnungsaspekt
Republik mehr als „Nicht-Monarchie“
• Verfassungsstaatlichkeit
• Freiheitliche Demokratie
• Soziale Dimension
Ideengeschichtliche Wurzeln:
• Cicero: Salus populi suprema lex esto → „das Wohl des Volkes sei das höchste Gesetz“
• Herrschaft für das Volk
• Jean-Jacqes-Rousseaus Idee einer freien Gesellschaft
→ Private Interessen des Gemeinwohls, dem Gemeinwillen untergeordnet
Republiken zeichnen sich aus durch:
1) Rechtsstaatliche Arrangements („negative Freiheit“)
2) Bürgerschaft besitzt („positive“) Freiheit zur Bildung ihrer Regierung
Republikanische Staatsform verlangt Erfüllung mindestens zweier Kriterien:
1) Absage an Tyrannei / Despotie
2) Staatsgewalt dient Gemeinwohl – „bonum commune“
Demokratische + rechtsstaatliche Republik:
• „Freistaat“ → muss mit Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip untrennbar verbunden sein
• Gemeinwohl in moderner „offener Gesellschaft“ kann nur in fairem politischem Wettbewerb ermittelt werden kann
• Wettbewerb → politische Kräfte sollen sich mit den besten Ideen durchsetzen
• Republik → verpflichtet Wettbewerb zu ermöglichen
Republikanische Ämterordnung:
• Verpflichtung auf Allgemeinwohl haben Amtsträger
• Amtsträger: objektiv, Interesse von Ordnung + Freiheit
• Abgeordnete Bundestag sind genauso damit angesprochen (Art. 38 GG)
→ Art. 56 GG + Art. 64 (2) GG: „Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden“
Normative Anforderungen an Republik:
• Alle Staatstätigkeit auf Förderung des Gemeinwohls verpflichtet
• Grad demokratischer Legitimation politischer Entscheidungen variiert nicht mit guten / schlechten Entscheidungen
• Zugleich Stärke / Schwäche Demokratie → darf schlechte Entscheidungen hervorbringen
(Zukunft: Irrtumsbeseitigung immer möglich)
• „Ideale“ republikanische Staatsverfassung → Verhinderung Missbrauch von Herrschaft
• Zu vermeidende Missverständnisse:
→ Rousseaus „volonté générale“ (= Gemeinwille)
→ Carl Schmitts Homogenitätsprinzip
Republikprinzip als Optimierungsangebot
• Optimierungsangebot = republikanische Forderung nach bestmöglicher Verwirklichung des Gemeinwohls
• Gefahr (Bezugnahme Republik): moralische Grundpflichten zu begründen
→ Bemühungen pol. Ordnung umfassend zu versittlichen → Grundrechte stehen entgegen
• Starke normative Aufladung Republikbegriff → Missverständnisse, freiheitsgefährdend, eigentliche Bedeutung als „freiheitliche Ordnung“ ad absurdum (zum Sinnlosen) führen
Verankerung Demokratie im GG:
• Art. 20 (2) GG: „alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“
• Dreifache Einsicht:
→ Herrschaftsfreie Gesellschaft bleibt Traum
(politische Herrschaft + Notwendigkeit von staatlicher Zwangsgewalt)
→ Herrschaft von Menschen über Menschen → legitimierende Rechtfertigung
→ Legitimation nur vom Volke selbst (nicht von Instanz)
Idee der Demokratie
Entwicklung: Prinzip kollektiver Selbstbestimmung (ausgehend von postulierter Autonomie des Individuums
Zwei Antipoden (Gegenspieler)
→ John Locke
Aus Prinzip individueller Autonomie leitet sich Zweckgebundenheit pol. Herrschaft ab
Legitimation verlangt Legitimation staatlicher Herrschaft
→ Jean-Jacqes Rousseau:
Prinzip der Autonomie des Einzelnen geht vollständig aufs Volk über
Volk übernimmt Freiheit und Selbstbestimmung (standen im Naturzustand nach den Einzelnen zu)
Government of the people, by the people and for the people
Volk = vorrechtliche Voraussetzung der Demokratie?
Hochumstritten ob Faktoren erfüllt sein müssen, damit Demokratie funktioniert: → Gleiche Sprache → Einig über Grundsatzfragen politischer Ordnung → „relativer Homogenität"
Demokratieverträgliche Artikulation + Austragung von Interessengegensätzen → Wenn: nicht kontroverser Sektor gibt, in dem „Einigkeit über Unabstimmbare" vorherrscht
Nicht-kontroverser Sektor = gemeinsame kulturelle Basis (der im Wettbewerb stehenden pluralistischen Gruppen + politischen Parteien)
Institutionelle Übersetzung des Demokratieprinzips
• Verfahrensbedingungen demokratischer Willensbildung
→ Aktives + passives Wahlrecht
→ Meinungs-, Presse-, Informations, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
• Konkretisierung des Demokratieprinzip:
Wehrhafte Demokratie (dem. Staat darf sich gg Demokratiefeinde wehren)
Repräsentative Demokratie (pol. Entscheidungen ausgeübt vom Volk)
Parlamentarische Demokratie (Regierung auf Parlament angewiesen)
Demokratietheorie Bundesverfassungsgericht:
BVerfG 123,267
BVerfG 123,267:
Durch Wahlen / Abstimmungen betätigte Selbstbestimmung Volk → Mehrheitsprinzip
Raum öffentlicher freier Meinungsbildung
Organisierter Wettbewerb politischer Kräfte
Ausübung öffentlicher Gewalt → unterliegt Mehrheitsprinzip
Regierung muss personell / sachlich generalisierter Mehrheitswille haben
Böckenfords Legitimation - Trias
• Funktionelle + institutionelle Legitimation → ausgehend vom Verfassungsgeber
• organisatorisch - personelle Legitimation → Zentrum: Parlament = Repräsentationsorgan Volk
• sachlich - inhaltliche - Legitimation → stellt sich ein, wenn Ausübung Staatsgewalt ihrem Inhalt nach vom Volk herzuleiten ist
Norm + Normalität Demokratie:
Ideal kollektiver Selbstbestimmung → Mehrheitsentscheidung (Wille Mehrheit befriedigt)|
Alternative: Entscheidungen, mit der Mehrzahl nicht einverstanden ist (Minderheitsherrschaft)
Beide unter Gesichtspunkt demokratische Gleichheit abzulehnen → Grund: Stimme der Einzelnen zählen nicht gleich
Schlüsselfrage Demokratie: → Wie bilden sich politische Mehrheiten? → Wie entstehen politische Minderheiten? → Welche Rolle genau spielt der Wähler dabei?
„Richtungsentscheidung" zw. Regierungsmehrheit und Opposition zunehmen eingebüßt (verloren)|
Parteien Demokratie
• Kein Zweieinhalb-Parteiensystem
• Koalitionsformate:
→ Drei-Parteien-Koalition
→ „Große Koalition" (unerwünscht)|
Verankerung Rechtstaat im GG:
• Schwer auf eine allgemeingültige Formel zu bringen
• Art. 20 (3) GG: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden
• Gesetzgeber / Regierung / Gerichte dürfen nicht gegen Verfassung / Gesetz verstoßen
• Herrschaft durch das Recht vermittelt + gebändigt
Rechtlose Willkürherrschaft ausgeschlossen
• Rechtsstaat muss „im Recht stehen“
• Rechtsstaat muss sich auch an die Gesetze halten
• Politische Herrschaft nur aufgrund und im Rahmen des Rechts ausgeübt
• Verfassungsstaat: zügelt / begrenzt demokratischer Staat in Herrschaftsausübung
• Unveräußerliche Grundrechte sind Schranken der staatlichen Herrschaft
• Verfassung schützt Freiheit des Individuums
( → liberale, freiheitliche oder pluralistische Demokratie)
Rechtsstaat historische Wurzeln
• Einsicht: Bürger von Natur aus Grundrechte zustehen → Rechtsstaatskonzept weiterentwickelt
• Frühliberalismus: persönliche + gesellschaftliche Autonomie (Staat)
• Forderungen:
→ Begrenzung Staatszwecke
→ Anerkennung verbriefter Freiheitsrechte
→ Unabhängigkeit der Gerichte
→ Gesetzesbindung der Exekutive
→ Teilnahme einer Volksrepräsentation an Gesetzgebung
• Gewährleistung Rechtssicherheit: Begriff des förmlichen Gesetzes, das den Rechtsadressaten immer als geschriebenes Gesetz ggü tritt
• Rechtsbindung der staatlichen Gewalt + Gewährleistung umfassenden Rechtsschutzes (wichtiger als staatliches Recht, das demokratisch zustande kommen würde)
• Weimarer Verfassung zu schwach → um Vorbehalt Gesetz unter Vorbehalt Verfassung zu stellen
• Anspruchsvoller Rechtsstaat schaffen
→ Freiheitsrechte Disposition durch Gesetzgeber entzogen
→ Beachtung sozialer Dimension der Grundrechte
• Grundgesetz = „Wertordnung“
Formelle Rechtsstaatlichkeit:
= Einhaltung festgelegter Formen / Verfahren Gesetzgebung
= Bindung an Gesetz + Recht aller staatlicher Gewalt
→ Aufgaben / Befugnisse der Staatsorgane exakt bestimmt
• Grundsätze der Gewaltenteilung
Gesetzes-Bindung von Justiz + Verwaltung
Zulässigkeit von staatlichen Eingriffen in Freiheit + Eigentum der Bürger
→ Aufgrund gesetzlicher Ermächtigung + Möglichkeit gerichtlicher Kontrolle des Handelns der Verwaltung
• Recht an materiellem Verständnis → Sicherung Freiheit des Einzelnen + annähernd „gerechte Ordnung
Materielle Rechtsstaatlichkeit:
= Verlangt Schranken staatlicher Eingriffe in Privatautonomie + Zielbestimmungen der
Staatsangehörigkeit und Politik
• Beschränkung Staat beim Gebrauch seiner Macht
• Bindung inhaltlich an elementare Rechtsgrundsätze
Gewaltenteilung und -gliederung:
(rechtstaatsprinzip)
• Gewaltenteilung für den Rechtsstaat unverzichtbar
• notwendige Bedingung für Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien
• Gegenmacht, um Macht in Schach zu halten
„ambition must be made to counteract ambition” (Macht muss Macht entgegenwirken)
• Gewaltenteilung = wechselseitige Kontrolle, Begrenzung und Verschränkung
• BVerfG → Gegenspieler Regierung durch Normenkontrolle
• „Regierungsmehrheit“ → Parlament + Regierung → Kontrollfunktion Parlament geschmälert
→ Gewaltenteilung zw. Legislative + Exekutive = politisch unwirksam
• BVerfG = judikative Kontrollinstanz (→ starkes Gewicht)
Entscheidung für den Bundesstaat:
• Staatliche Gewalt Aufteilung:
- Horizontal → Exekutive, Judikative, Legislative
- Vertikal → zw. Bundesebene angesiedelten Staat und Gliedstaaten
• Art. 20 (1) GG, Art. 28, Art. 79 (3)
• Rückführung Staatsgewalten in Bund + Ländern auf Völker suggeriert Unabhängigkeiten der beiden Ebenen voneinander → weder rechtliche noch politische Realität
Postulierte Eigenstaatlichkeit der Länder:
(Bundesstaat)
• Länder: Entscheidungen treffen die „richtungsweisend“ fürs Zusammenleben sind
→ Daher: Länder benötigen hinreichend eigene Befugnisse
• Bundesebene: „wesentliche“ / „richtungsweisende“ Fragen geklärt
• Länder + ihre Verwaltung: Ausführung, d.h. Vollzug der Bundesgesetze
• BRD = unitarischer (einheitlicher) Bundesstaat
Normative Vorzüge des föderalen Prinzips:(Bundesstaat)
Sicherung der Freiheit der Bürger
Erhaltung historischer Vielfalt + Eigenarten
Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips (gewisse Unabhängigkeit unterer Ebene)
Schutz von Minderheiten
Steigerung von Effizienz + Wettbewerb
Förderung Demokratie
Modell Bundesstaat
Trennföderalismus: („Schichtenkuchen")
Politikfelder ausschließlich auf einer Ebene
Jede Ebene „besitzt" alle 3 Staatsgewalten
Verbundföderalismus: („Marmorkuchen”)
Dominanz der Bundesebene bei Gesetzgebung, aber Mitwirkung Länder (BRat)
Umfangreiche funktionale Kompetenzen der Länder beim Gesetzesvollzug
Merkmale Bundesstaat + Definition
Merkmale des Bundesstaates:
Kompetenzföderalismus: → Materielle Kompetenzen → Funktionelle Kompetenzen
Beteiligungsföderalismus: → Zweite Kammer als institutionelles Merkmal
Definition Bundesstaat:
Eigene Kompetenzen des Gliedstaates
Gliedstaaten wirken an Kompetenzen des Gesamtwerks mit (Gesetzgebung / Verwaltung)
Entscheidung für Sozialstaat:
Verpflichtung BRD für gerechte Sozialordnung zu sorgen
Verantwortung für Schutz sozial Schwacher
Sozialstaatsangebot fordert Voraussetzung / Bedingungen verfassungsrechtlich geschützte Freiheitsausübung
Handlungsimperativ oder „Handlungsauftrag" Herstellung / Ermöglichung soz. Gerechtigkeit
Historische Wurzeln Sozialstaat:
Erfindung 19. Jahrhundert → „soziale Frage" drängte während Industrialisierung immer stärker auf eine Antwort
Lorenz von Stein: soziale Problematik als politische Aufgabe erkannt + Steigerung Wohlstand als Förderung der Freiheit des Einzelnen ausgerichtete Staatsaufgabe
Weitere Ausbauung Sozialstaat in Weimarer Verfassung + NS-Staat
Sozialstaat = zentrales Element des GG
Sozialstaat im GG:
• taucht an keiner Stelle explizit auf
• zahlreiche Bezugnahmen auf Sozialstaat:
Art. 1 (1) Menschenwürde
Art 2 (2) Recht auf Leben
Art. 3 Gleichheit
Art. 6 (2) Rechte / Pflichten Eltern
Art. 6 (4) Mutterschutz
Art. 7 (1) Aufsicht Staat Schulwesen
Art. 9 (3) Vereinigungsfreiheit
Art. 14 (2) + (3) Sozialpflichtigkeit / Enteignung
Art. 15 Vergesellschaftung - Gemeineigentum
Menschenwürde als Anker des Sozialstaats:
• Gewährleistung menschenwürdigen Existenzminimums → jedermann Anspruch
• Sozialstaatsprinzip: bewusst offen + inhaltlich unbestimmt für:
→ (friedlicher) sozialer Ausgleich der soz. Gegensätze
→ Schaffung einer gerechten Sozialordnung auf politischem Wege
• Inhaltlich verfassungsrechtliche Unbestimmtheit → Gesetzgeber: relativ weiter
Gestaltungsspielraum
• Politisch eine exakte + objektive Bestimmung, was als „sozial gerecht“ zu gelten hat → schwierig
Norm + Normalität des Sozialstaats:
• Sozialausgaben: westliche OECD-Staaten: 45-60% Staatsausgaben für Sozialpolitik
• Drei Wohlfahrtsmodelle (nach Espen-Andersen)
1. Sozialdemokratisches Modell der skandinavischen Länder
2. Kontinentaleuropäische Modell → basiert auf Versicherungsprinzip
3. Liberales angelsächsisches Modell → gekennzeichnet durch stärkere Betonung der
Eigenvorsorge
• Sozialstaat → sozialdemokratische, konservative und liberale Komponente
Wohlfahrtsmodelle (nach Espen-Andersen)
Rahmenbedingung deutscher Politik
▪ Der demokratische Verfassungsstaat
▪ Die föderale Demokratie
▪ Der föderale Rechtsstaat
▪ Der soziale Bundesstaat
▪ Der soziale Rechtsstaat
▪ Die soziale Demokratie
Antinomie (Unvereinbarkeit) oder problemlösende Synthese?
Demokratischer Verfassungsstaat
→ Demokratie legitimiert Staatsmacht
Rechtsstaat legitimiert Staatsmacht
→ Rechtsstaat kann ohne Demokratie existieren Demokratie kann nur als rechtsstaatliche Demokratie funktionieren
→ Doppelte Schlüsselfrage:
→ Wie weit soll der Rechts- und Verfassungsstaat demokratische Verfahren nicht nur regeln, sondern auch beschränken?
→ Wie weit dürfen demokratische Entscheidungen in die Privatautonomie des Einzelnen intervenieren, ohne gegen rechtsstaatliche Prinzipien zu verstoßen?
Gewaltenteilung:
(Demokratischer Verfassungsstaat)
→ Gewaltenteilung → Beschränkung staatlicher Herrschaftsgewalt
→ Rechtsstaatliche Kontrolle + demokratische Gestaltungsfreiheit → angemessener
Ausgleich
→ Rechtsstaatliche Garantien beschränken + ermöglichen demokratischer
Entscheidungsprozess
→ Entscheidungen = nicht als allg. verbindlich angesehen → solange nicht alle Bürger mit
ihren Rechten respektiert werden (wie es nur im Rechtsstaat ist)
„Krönung Rechtsstaat“ als Demokratieproblem?
• Begrenzende Wirkungen des Rechtsstaats auf Demokratie:
→ Rückwirkungsverbot Gesetze
→ Garantie materieller / justiziabler Grundrechte
→ Gewährleistung bestimmter Verfahrensstandards
→ Trennung von Gesetzgebung und Gesetzesvollzug
• Art 1 (3) GG
• Überprüfung von Rechtsverletzungen durch
→ Verfassungsrechtliche Normenkontrolle (Art 93 (1), Art 100)
→ Verfassungsbeschwerde (Art 93 (1) 4a)
• Intensiv gerichtliche Kontrolle von Legislative und Exekutive
• Vorwurf an BVerfG: betreibe durch seine Rechtsprechung eine Juridifizierung der Politik und eine Politisierung der Justiz → bei der beide nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren hätten
Beispiel Erbschaftssteuer:
• Ist die Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftssteuer richtig oder nicht?
• BVerfG: wegen Verstoßes gegen Art. 3(1) Grundgesetz als verfassungswidrig und damit nichtig
• Novellierung durch die Große Koalition – kaum Korrekturen
→ Letztentscheidung steht noch aus
→ Politischen Parteien werden durch die „Juridifizierung“ politischer Streitfragen kontroverse Themen entwunden
Forderung nach richterlicher Zurückhaltung:
• Political-question-Doktrin beim US Supreme Court
• Keine Option für BVerfG:
→ Kopplung von Recht und Politik
→ Verfassungsfragen sind justiziable Fragen
→ Bei Verfassung handelt es sich ebenfalls um Recht
→ Rechtsfragen darf das BVerfG nicht ausweichen
• Allerdings: BVerfG kann erst nach Aufruf tätig werden (nicht aus eigenem Antrieb)
Hüter der Verfassung in der „Koalitionsdemokratie“:
(demokratischer Verfassungsstaat)
• Verfassungssouveränität = vom Volkssouverän gewollt
• Starker Rückhalt in der Bevölkerung
• Zu starke Einmischung ist gleichwohl kontraproduktiv:
- Schwächer werdende Gegengewichtsfunktion in Koalitionsdemokratie
- Regierungsmehrheiten beschränkt durch:
→ Föderaler Verhandlungszwang
→ Häufigkeit lagerübergreifender Koalition
→ Deutschland als Verhandlungsdemokratie
Balancierungsmaximen:
• Demokratieverträglichkeit des Rechtsstaats → muss stets überwacht werden
• Demokratie braucht zur Aufrechterhaltung ihrer Anerkennungswürdigkeit →
Entscheidungsspielräume + echte Entscheidungsalternative (die nicht von Verfassungswegen verbaut werden)
• Handlungskorridor (für politische Parteien) → muss breit genug sein für unterscheidbare Lösungen
• Verhindert werden muss:
→ Politik nicht als bloßer Vollzug der Verfassung
→ Politik darf rechtsstaatliche Errungenschaften nicht nachhaltig verletzen
Nach Abendroth (1954):
• BVerfG steht im Rahmen eines demokratischen Rechtsstaats
• BVerfG darf demokratisch legitimierten Gesetzgeber nur korrigieren → wenn: äußere Rahmen verletzt wird, den Rechtsgrundsätze des GG stellen
• Inhaltliche Ausfüllung dieses äußersten Rahmens ist in Demokratie primär der Gesetzgeber berufen
Modifikation der Demokratie im Bundesstaat:
(Föderale Demokratie)
• Bundesstaatlichkeit + Demokratie → Widersprüche (lassen sich schwer miteinander vereinbaren)
• Demokratieprinzip nicht durchsetzen wegen bundesstaatlichen Arrangements (wie BVerfG will)
• BRD eher Konsensdemokratie
Strukturbruchthese
Problematische Befunde:
→ Enge Kopplung parlamentarische Parteiendemokratie mit föderalstaatlichen
Verhandlungsarena:
= Unitarischer Bundesstaat & „Verkappter Einheitsstaat“
→ Politikverflechtung zwischen Bund + Ländern
→ Gesetzgebung des Bundes → abhängig von Zustimmung Landesregierung im Brat
Länder haben kaum noch eigene Gesetzgebungskompetenzen
Länder: Einnahmen abhängig von Bundesgesetzen
„Krankenblatt“ des deutschen Föderalismus:
→ Schwerfälligkeit + Intransparenz der Bundespolitik
→ Parteipolitische und föderale Blockaden
→ Eingeschränkte Handlungsspielräume für Landespolitik
→ Diffusion (= Vermischung) politischer Verantwortung
Strukturbruchthese allg.:
• Konkurrenzdemokratische Handlungslogiken Parteiwettbewerb wirken sich bei gegenläufigen Mehrheiten zwischen BTag und Brat auf Verhandlungssystem aus
• „Partielle Diskontinuität“ politischer Strukturen in Deutschland
• Kooperative vs. konfrontative Strategien
• „Strukturbruch“ zw. Bundesstaat und Parteienwettbewerb
Schwache Länder – starker Bund?
• Verhandlungsmacht des BRat → schützt, dass Bundespolitik Länderinteressen übergeht
• Auszehrung legislativer Länderkompetenzen problematisch
→ Da: Beeinträchtigung der föderalen Substanz der Bundesrepublik
→ Beeinträchtigt mehr, als sie Legitimation der Landespolitik schmälert
• Starker Beteiligungsföderalismus und eigene Gesetzgebungskompetenzen (nur miteinander)
• Landtagswahlen als „nationale Testwahlen“
• Länder kompensieren verlorene Zuständigkeiten durch verstärkte Beteiligung ihrer Regierungen an bundespolitischen Entscheidungsprozesse
Föderale Demokratie als unitarischer Bundesstaat:
Unitarischer Bundesstaat
= Resultat der Dominanz des Bundes bei Gesetzgebung
= Konsequenz der Mitwirkung der Länder bei Bundesgesetzgebung (die als Kompensation für fehlende eigene Kompetenzen auf Länderebene begriffen wird)
Länder Trennsystem
→ Verfügung über mehr eigenständige Gestaltungsmöglichkeiten
→ Übrigen Bereichen aber dem zentralisierenden Zugriff des Bundes ausgesetzt
Hindernisse bei Reform der föderalen Demokratie:
• Konkurrenz zwischen Regierung und Opposition
• Konflikte zw. Bund + Länder
• Leistungsschwache gegen leistungsstarke Länder
• Ergebnisse der Föderalismusreform 2016
Demokratische Legitimation in föderaler Demokratie:
• Demokratische Legitimation → unter Rahmenordnung der föderalen Demokratie sehr kompliziert (nicht wie oberflächliche Auslegung des Demokratieprinzips des GG suggeriert)
• Viele Gesetze nicht über egalitäre Bundestagswahlrecht + entsprechende parlamentarische Mehrheiten abschließend rekonstruier- und legitimierbar
• Bei zustimmungsbedürftigter Gesetzgebung gleichberechtigte Mitwirkung des Brat bleibt
unmissverständliche normative Vorgabe des GG (Art. 50 GG)
Symbiose von Rechts- und Bundesstaat:
• Vertikale Gewaltenteilung als Instrument des Rechtsstaates
• Bundesstaat ist auf die Durchsetzung des Rechtsstaatsprinzips angewiesen
• Ohne die „Herrschaft des Rechts“ und entsprechende justizförmige Verfahren föderaler
Streitschlichtung könnte ein Bundesstaat kaum existieren
Schutz der föderalen Ordnung:
(föderaler Rechtsstaat)
Urteile des BVerfG:
→ BVerfGE 12, 205 – 1.Rundfunkentscheidun (1961)
→ BVerfGE 111, 226 – Juniorprofessur (2004)
→ BVerfGE 112, 226 – Studiengebühren (2005)
→ BVerfGE, 1 BvF 2/13, Urteil des 1. Senats – Herdprämie (2015)
Konfliktminimierung im föderalen Rechtsstaat:
→ 347 U.S. 483 – Brown v. Board of Education (1954)
→ BVerfGE 93, 1 – Kruzifix – Beschluss (1995)
→ Zu E 93, 1: Bayern: laut Bayerischer Volksschulordnung ist Anbringen von Kreuzen in Klassenzimmern wegen Verstoß GG der Neutralität des Staates verfassungswidrig (in
religiösen Fragen)
Sozialstaat als bundesstaatliche Verhandlungssache
(Sozialer Bundesstaat)
• Sozialstaat auf Unitarisierung Egalisierung ausgelegt → Gleichwertigkeit in Lebensverhältnissen
• Vermeidung:
→ sozialstaatlicher Unitarismus (der föderale Prinzipien unterminiert)
→ Asymmetrischer Bundesstaat (in dem soziale Gleichheit komplett missachtet wird)
• Erhaltung regionaler Mannigfaltigkeit
→ Anerkennung Prinzipien der sozialen Gleichheit für die ganze Republik
→ Prinzipien – Berücksichtigung bei konkreten politischen Entscheidungen
Pfadabhängigkeiten im sozialen Bundesstaat
• Zukunft durch Vergangenheit getroffene Entscheidungen vorgezeichnet
• Befriedigung sozialpolitischer Bedürfnisse Bundesaufgabe
• Finanzierung Sozialstaat aus Sozialbeiträgen
• Tiefgreifende Reformen erschwert durch:
→ Unterschiedliche parteipolitische Mehrheiten in BTag + Brat
→ Ärmere Bundesländer die finanziellen Mehraufwand scheuen
Länderfinanzausgleich im sozialen Bundesstaat
• Länderfinanzausgleich → ärmere Länder wirksame Anreize genommen, Finanzprobleme
selbstständig zu lösen
• Länder richten ihre dauerhafte Subventionierung bequem ein
→ Keine Bemühung Ausgaben zu senken oder Einnahmen zu erhöhen
• Bestraft Länder mit solider Haushaltslage → können Früchte ihrer vernünftigen Finanzpolitik nicht voll ernten
Entscheidung für den sozialen Rechtsstaat:
• Doppelformel: Harmonisches Verhältnis zw. Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip suggeriert
• Annahme: Sozialstaat und Rechtsstaat sich wechselseitig ausschließen
→ Rechtsstaatsprinzip: besitzt defensive, die Öffentliche Gewalt abwehrende Wirkung
→ Sozialstaatsprinzip: fordert offensive und gesellschaftsgestaltende Rolle des Staates
• Spannungen zwischen beiden Prinzipien
→ Doch: Optimierungsangebot, beide in ihrem Zusammenwirken als „sozialer Rechtsstaat“
optimal zu verwirklichen
Verbindung von „Form“ und Inhalt:
(Sozialer Rechtsstaat)
Primat des Rechts:
→ Bindung an Recht als solches („formal“)
→ Bindung an bestimmte Inhalte des Rechts („materiell“)
Staat muss die sozialen Verhältnisse aktiv gestalten (sich nicht mit vorgegebenen abfinden)
Doppelte Grenzen:
→ Rechtsstaat als Schutzburg missbraucht → verfehlt er seinen sozialen Auftrag und bringt sich in Gefahr
→ Radikale Sozialstaatlichkeit endet zwangsläufig bei Verwaltungsstaat, der nicht mehr Rechtsstaat sein kann (Forsthoff 1954)
Demokratische Politik im sozialen Rechtsstaat:
• Demokratie: vorrangig Aufgabe der Institutionen der politischen Willensbildung (bei aller Pluralität gegensätzlicher Auffassung + Interessen) diese zu bündeln + kanalisieren
→ Dass sozialer Frieden in der Republik gewahrt, bleibt
• Formel vom sozialen Rechtsstaat enthält verbindlichen Auftrag, keine verbindlichen Richtlinien
• Prinzip eröffnet sozialen + wirtschaftlichen Kräften die Möglichkeit ihre Bewertungsmaßstäbe für Gestaltung der sozialstaatlichen Ordnung zur Geltung zu bringen (Hesse 1995)
Soziale Demokratie und politische Einheit:
• Beide Prinzipien ergänzen einander im Sinne des Leitbilds einer sozialen Demokratie
• Soziale Demokratie kann durch Berücksichtigung der Interessen aller Staatsbürger jenen Konsens erzeugen → durch den die „ewig antagonistische gesellschaftliche Vielfalt“ zur staatlichen Einheit integriert wird (Hermann Heller 1929)
Heller Zitat:
(Soziale Demokratie)
• Politische Demokratie will gleiche Einwirkungsmöglichkeit auf Gestaltung der politischen Einheit durch Repräsentationsbestellung gewähren
• Soziale Disparität kann aber summum jus (höchtes Recht) zur summa injuria (höchste Ungerechtigkeit) machen
• Radikalste formale Gleichheit wird ohne soziale Homogenität zur radikalsten Ungleichheit und Formaldemokratie zur Diktatur der herrschenden Klasse
Interpretation des Heller-Zitats:
• Hellers Analyse bezieht sich auf konkrete soziale Lage in der Weimarer Republik
→ Arbeitslose / Arbeitnehmer / Gewerkschaften <-> Arbeitgeber / Industrieunternehmen
→ „Arbeit gegen Kapital“
• „soziale Homogenität“ → „sozialpsychologischer Zustand“ relativer Angeglichenheit des gesellschaftlichen Bewusstseins
• Soziale Homogenität → alle Konfliktparteien miteinander die Überzeugung teilen, bei dem in einer pluralistischen Gesellschaft notwenigen Interessenausgleich müsse es fair und gerecht zugehen (im Rahmen der repräsentativen parlamentarischen Demokratie)
Soziale Demokratie und politische Einheit II:
• Soziale Homogenität:
→ Ungeheure Spannungsgegensätze in sich verarbeiten
→ Ungeheure religiöse, politische, ökonomische und sonstigen Antagonismen verdauen
• Bestimmtes Maß sozialer Homogenität → muss gegeben sein für politische Einheitsbildung
• Vermeidung: zu starkes Bewusstsein sozialer Ungleichheit (Demokratie gefähredt, wenn sich sozial Deprivierte von ihr nicht erhoffen können, ihre Lebenschancen zu verbessern)
Deutschland = eine sozial gespaltene Demokratie?
• Jene Bevölkerungsgruppen gehen immer seltener wählen → die in „gespaltener Demokratie“ eigentlich die meisten Forderungen an die Politik heranzutragen hätten (Bürger mit niedrigem Bildungsniveau und geringem Einkommen)
• Niedrige Wahlbeteiligung = sozial ungleiche Wahlbeteiligung
• Bürger mit hohem Einkommen + hoher formaler Bildung weiterhin in großer Zahl wählen, gilt dies für Bürger mit geringem Einkommen + niedrigem Bildungsgrad nicht mehr (Armin Schäfer 2015)
Revitalisierung der sozialen Demokratie?
• Positiver Zusammenhang zw. Höhe der Wahlbeteiligung + Großzügigkeit des Sozialstaats, des Grad der Umverteilung und dem verfügbaren Einkommen (nach Steuern und Abgaben)
• Festhalten am Prinzip der politischen Gleichheit aller Wahlbürger → dass unter Bedingungen sozialer Ungleichheit auch der soziale Ausgleich zu einem parteipolitischen Wettbewerb wird (müssen sich Oppositions- und Regierungsparteien annehmen)
Fazit: regieren in der komplexen Republik
• Politik nach Konkordanzmethode
• Handlungskorridore in den 6 Rahmenordnungen
• Demokratische Legitimation in der komplexen Republik
Nach Isaiah Berlin können positive und negative Freiheit voneinander unterschieden
werden. Geben Sie an und erklären Sie kurz, welches jeweilige
Staatsorganisationsprinzip sich spezifisch für den Schutz der einen und der anderen
Freiheit eignet?
Negative Freiheit:
→ „Freiheit von“
→ allgemein das Freisein von äußeren und inneren Zwängen (die die Freihiet des Individuums einschränken könnten oder auch Freiheit von eingegrenzten sozialen Normen
→ z.B. Rechtsstaatsprinzip
Positive Freiheit:
→ „Freiheit zu“
→ Freiheit sich selbst zu entfalten, sich zu verwirklichen, …
→ Gewährt dem Individuum Wahlmöglichkeiten in seinem Leben
→ Z.B. Demokratieprinzip
Zählen Sie die wichtigsten politischen Freiheitsrechte auf!
→ Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art 2 (1))
→ Recht auf Leben (Art. 2 (2))
→ Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4)
→ Freiheit der Meinung, Kunst, Wissenschaft (Art. 5)
→ Versammlungsfreiheit (Art. 8)
→ Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (Art. 9)
Warum zeigt sich im Umgang mit dem Problem politischer Herrschaft, was den Staat
als Rechtsstaat ausmacht?
Rechtsstaat lässt sich nur der Staat bezeichnen, in dem politische Herrschaft nur aufgrund und im Rahmen des Rechts ausgeübt wird
Warum ist politisch eine exakte und „objektive“ Bestimmung dessen, was als „sozial
gerecht“ zu gelten hat, außerordentlich schwierig, und welche Lösung findet John
Rawls in seiner „Theorie der Gerechtigkeit“ für dieses Problem?
→ Politisch ist eine exakte und objektive Bestimmung dessen, was als „sozial gerecht“ zu
gelten hat, außerordentlich schwierig
→ These: Möglicherweise verlangt die freie Marktwirtschaft ein gewisses Maß an durch
unterschiedliche individuelle Leistungsfähigkeit hervorgerufener sozialer Ungleichheit und
in Folge dessen auch an gefühlter sozialer Ungerechtigkeit, um jene kapitalistische
Produktivkräfte freizusetzen, die am Ende doch allen Gesellschaftsmitgliedern – auch den
ärmeren unter ihnen – zugutekommen können
Zählen Sie die - in der normativen Föderalismustheorie - behaupteten Vorzüge des Bundesstaates auf
→ Sicherung der Freiheit der Bürger
→ Erhaltung historischer Vielfalt und Eigenarten
→ Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips
→ Schutz von Minderheiten
→ Steigerung von Effizienz und Wettbewerb
→ Förderung der Demokratie
Über welche institutionellen Merkmale muss jeder Bundesstaat verfügen?
Kompetenzföderalismus:
Materielle und funktionelle Kompetenzen
Beteiligungsföderalismus:
Zweite Kammer als institutionelles Merkmal
Was löst gem. Art 84 GG bei Bundesgesetzen Zustimmungsbedürftigkeit seitens der
Länder aus?
→ Wenn Bundesgesetze etwas anderes bestimmen, können Länder davon abweichende
Regelungen treffen
→ Ausnahmefälle: Bund kann jedoch nach Art 84 (1) GG wegen eines besonderen
Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren ohne
Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln
Ist der Bundesrat im Rahmen des Regierungssystems der Bundesrepublik Deutschland ein „systemfremdes Element“? Diskutieren Sie diese Frage vor dem Hintergrund der Rahmenordnung „Föderale Demokratie/Demokratischer Bundesstaat“!
→ Demokratieprinzip kann sich in der Regierungspraxis nicht in der vollen Gänze durchsetzen, wie es das BVerfG postuliert
→ Aufgrund vieler Vetopunkte im parlamentarischen Bundesstaat spricht vieles dafür, die Bundesrepublik als Konsensdemokratie zu klassifizieren
→ Resultiert aus Mitwirkung der Länder an Gesetzgebung wie es in Art. 84 GG
festgeschrieben ist
→ Somit ist Gesetzgebung des Bundes abhängig von Zustimmung der Landesregierungen im Brat
→ Gegenläufige Mehrheiten spielen eine entscheidende Rolle
→ Anteil an zustimmungsbedürftigen Gesetzen mittlerweile bei 50%
→ Somit bleibt Brat ein klassischer Vetospieler des deutschen Regierungssystems
→ Man spricht in diesem Fall von einem unitarischen Bundesstaat
Nennen Sie die vier wichtigsten rechtstaatlichen Begrenzungen für die Demokratie!
→ Garantiert materieller / justiziabler Grundrechte
Inwiefern besteht zwischen dem Demokratieprinzip und dem Rechtstaatsprinzip ein Spannungsverhältnis?
→ Weder ist die Demokratie von sich aus konsequent rechtsstaatlich, noch ist der Rechtsstaat per se demokratisch
→ Rechtsstaat kann ohne Demokratie existieren; Demokratie kann nur als rechtsstaatliche Demokratie funktionieren
Wie weit soll der Rechts- und Verfassungsstaat demokratische Verfahren nicht nur regeln,
sondern auch beschränken?
Wie weit dürfen demokratische Entscheidungen in die Privatautonomie des Einzelnen
intervenieren, ohne gegen rechtsstaatliche Prinzipien zu verstoßen?
Inwiefern ist das Verhältnis zwischen Rechtsstaats- und Bundestaatsprinzip
harmonisch?
→ Verfassungssouveränität ist vom Volkssouverän gewollt
→ Bundesstaat ist auf die Durchsetzung des Rechtsstaatsprinzips angewiesen
→ Ohne die „Herrschaft des Rechts“ und entsprechende justizförmige Verfahren föderaler Streitschlichtung könnte ein Bundesstaat kaum existieren
Inwiefern besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Demokratieprinzip und
Bundesstaatsprinzip?
→ Bundesstaatlichkeit + Demokratie → Widersprüche
→ Lassen sich schwer miteinander vereinbaren
→ Demokratieprinzip kann nicht durchgesetzt werden wegen bundesstaatlichen
Arrangements
→ Parlamentarische Mehrheitslogik vs. Bundesstaatliche Verhandlungslogik, die aus der Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes resultiert
Nennen Sie die vier Kernprobleme des deutschen Föderalismus!
→ Konkurrenz zwischen Regierung und Opposition
→ Konflikte zwischen Bund und Ländern
→ Leistungsschwache gegen leistungsstarke Länder
→ Ergebnisse der Föderalismusreform 2016
Warum kann es schwierig sein im Bundestag Gesetze durchzusetzen?
→ Weil auf Bundesebene andere Parteien in der Regierung sein können wie auf Landesebene
→ Man spricht von „gemischter Koalition“
→ Koalition auf Landesebene kann aus Opposition und Regierung im Bund bestehen
Warum ist der Schutz von Minderheiten im Einheitsstaat schwieriger durchzusetzen
wie im Föderalismus?
Föderalismus
→ erhalten Minderheiten Möglichkeit einer gewissen Eigenständigkeit und Selbstverwaltung
→ bietet Minoritäten einen gewissen Schutz vor Majorisierung (ständige
Überstimmung durch Mehrheit)
Warum besitzt das bundesdeutsche Modell der Politikverflechtung aus Sicht der
Gewaltenteilung normative Vorzüge?
→ Staatliche Gewalt wird im Bundesstaat nicht nur horizontal zwischen Exekutive, Legislative und Judikative aufgeteilt, sondern auch vertikal zwischen dem auf Bundesebene angesiedelten Staat und Gliedstaaten
→ Rückführung der Staatsgewalten in Bund und Ländern auf ihre jeweiligen Völker suggeriert eine Unabhängigkeit der beiden Ebenen voneinander, die weder rechtlich noch politisch den Realitäten entspricht
Welche Mythen ranken um das BVerfG?
1. „Die Mütter und Väter des GG haben das mächtigste Verfassungsgericht der Welt geschaffen!“
2. „Parlamentarische Rat konnte sich bei der Etablierung des BVerfG nicht an institutionellen Vorläufern orientieren!“
3. „Das BVerfG steht an der Spitze der Judikativen Gewalt – als Gericht hat es keine „justizfremden“ Funktionen!“
4. „Verfassungsrichter machen keine Politik!“
5. „Das BVerfG ist keine Superrevisionsinstanz!“
6. „Das BVerfG ist das einzige Gericht, das nationales (deutsches) Recht am Maßstab höheren rechts verwerfen kann!“
(1) Mythos: „Die Mütter und Väter des GG haben das mächtigste Verfassungsgericht der
Welt geschaffen!“
o Art 92. GG Urfassung: Rechtsbrechende Gewalt durch BVerfG, oberstes Bundesgericht
und Gericht der Länder ausgeübt
o Art. 95 GG Urfassung: Oberstes Gericht für Bundesrecht verantwortlich
o Entkräftung:
PR wollte Einrichtung eines Obersten Gerichtshof
RG nach 1849-Verfassung mächtiger als BVerfG nach Urfassung GG
Urfassung GG kennt keine Verfassungsbeschwerde
Zwei andere Institutionen waren wichtiger für die (spätere) Macht des BVerfG
Bundestag als Gesetzgeber
BVerfG selbst („Selbstautorisierung“)
(2) Mythos: „Parlamentarische Rat konnte sich bei der Etablierung des BVerfG nicht an
institutionellen Vorläufern orientieren!“
o Institutionelle und funktionelle Wurzeln:
Staatsgerichtshof und Reichsgericht in WR, Verfassungsbeschwerde in Bayern
Reichsgericht nach Paulskirchenverfassung, Landesverfassungsgerichte von
1946/47
Österreichischer Verfassungsgerichtshof und US Supreme Court
o Zwei Konzepte, die nicht konvergierten:
CDU/FDP: Konzept der konstitutionellen Demokratie
Wächter über die föderale Ordnung und Vermeidung der parlamentarischen
Mehrheitsdiktatur
SPD: Konzept einer „politischen" Verfassungsgerichtsbarkeit
Kontrollrechte gegenüber der Justiz (Präferenz für die Urteilsverfassungsbeschwerde)
(3) Mythos: „Das BVerfG steht an der Spitze der Judikativen Gewalt – als Gericht hat es keine “justizfremden“ Funktionen!“
o Konflikte zwischen BVerfG und der Bundesregierung in der Anfangszeit
Wiederbewaffnung der Bundesrepublik
Deutschland-Fernsehen
o Statusbericht 1952: Selbstautorisierung zum „Verfassungsorgan"
Als Gericht unterstünde BVerfG der Dienstaufsicht des Bundesjustizministeriums.
Nur als Verfassungsorgan konnte es andere Verfassungsorgane in die Schranken
weisen
o Justizfremde Funktionen
BVerfG als Teil der Verfassunggebenden bzw. Verfassungsändernden Gewalt
Freie Rechtsschöpfung, kreative Verfassungsauslegung, Erfindung von
Grundrechten.
Funktionen, die nach reiner Gewaltentrennung nicht der Judikative zustehen
(4) Mythos: „Verfassungsrichter machen keine Politik!“
o Bei der Interpretation der Verfassung hat das Gericht mehrere Optionen (Methoden
der Verfassungsinterpretation), aus denen es frei wählen kann
o Verfassungen sind lückenhafte und widersprüchliche Rechtstexte, ihre Interpretation
verlangt und ermöglicht moralische und politische Überlegungen.
o BVerfG greift wenn es seiner Auffassung nach die Verfassung „verlangt" - in die
Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers ein und wird „Nebengesetzgeber"
(Steuerpolitik, Familienpolitik, Sozialpolitik, Rentenpolitik, Hochschulpolitik etc.)
o Verfassungsrecht ist „politisches" Recht
o 70er Jahre: Blockierung der SPD-Reformen und Horst Ehmkes Reaktion...
(5) Mythos: „Das BVerfG ist keine Superrevisionsinstanz!“
o Was stimmt:
Keine „ordentliche" Berufungsinstanz
Anrufung nur bei persönlicher und unmittelbarer Grundrechtsverletzung.
Gericht entscheidet nur über die Verfassungsfrage, nicht über Fall an sich
o Was jedoch beachtet werden muss:
Grundrechte etablieren eine Werteordnung, die auf alle Rechtsbereiche ausstrahlt („Lüth" 1958).
Jede Rechtsfrage kann in eine Verfassungs- bzw. Grundrechtsfrage übersetzt
werden. Lückenloser Grundrechtsschutz (Bsp. „Reiten im Walde" als Grundrecht, Art. 2 Abs. 1 GG).
o Faktisch ist das BVerfG keine „Superrevisionsinstanz"
(6) Mythos: „Das BVerfG ist das einzige Gericht, das nationales (deutsches) Recht am Maßstab höheren rechts verwerfen kann!“
Vom Grundgesetz her darf nur das BVerfG die Verfassungsmäßigkeit von
Bundesgesetzen prüfen.
Mit dem richterlichen Prüfungsrecht geht eine Normverwerfungskompetenz
einher. Laut GG hat nur BVerfG jene Normverwerfungskompetenz, keine anderen
Gerichte.
Prüfungsrecht und Verwerfungskompetenz sind faktisch (nicht mehr) beim BVerfG
monopolisiert.
Das BVerfG teilt sich diese Kompetenz insbesondere mit dem EuGH.
o „Tanja Kreil" als Beispiel
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