Subjektives Wohlbefinden und Selbstwertgefühl

• Fokus innerhelb der Psychologie lange Zeit vor allem auf Problemen:

  • Psychische Störungen

  • Depressivität

  • Aggressivität etc..

• Aber: Zunehmend Fokus auf positiven Aspekten

• Fragen zum SWB mittlerweile auch in vielen großen Panel-Studien

  • z.B.: sozio-ökonomisches Panel (SOEP)

-> Die meisten Menschen sind überwiegend glücklich

• Konzeptionalisierung nach Ed Diener (2000)

  • Kognitive Komponente: Lebenszufriedenheit

  • Emotionale Komponente:

    • Intensive und häufige positive Affektivität

    • Wenig und seltene negative Affektivität

Kognitive Komponente:

• Satisfaction with Life Scale (SWLS):

  • „In den meisten Bereichen entspricht mein Leben meinen Idealvorstellungen.

  • „Meine Lebensbedingungen sind ausgezeichnet.“

  • „Ich bin mit meinem Leben zufrieden.“

  • „Bisher habe ich die wesentlichen Dinge erreicht, die ich mir für mein Leben wünsche.“

  • „Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich kaum etwas ändern.“

Emotionale Komponente: Affektives Erleben

• Positive and Negative Affect Schedule (PANAS):

  • Positiver Affekt:

  –„interessiert“

  –„freudig erregt“

  –„stark“

  –„begeistert“

  • Negativer Affekt:

  –„bekümmert“

  –„verärgert“

  –„schuldig“

  „feindselig“

• Sozialpsychologische Studien: Erfassung der Lebenszufriedenheit per Selbstbericht ist problematisch

  • Abhängig vom Wetter (Schwarz & Clore, 1983)

  • Abhängig davon, ob die Lieblingsfußballmannschaft gewonnen oder verloren hat (Schwarz et al., 1987)

  • Reihenfolgeeffekte (Strack et al., 1988)

    • Erst Fragen zum Liebesleben, dann Lebenszufriedenheit: starke Korrelation (r = .66)

    • Erst Fragen zur Lebenszufriedenheit, dann zum Liebesleben: schwache Korrelation (r = -.12)

-> Aber: Viele dieser Befunde nicht oder nur mit deutlich kleineren Effektstärken replizierbar

Alternativen zum globalen Selbstbericht:

• Experience Sampling: Erfassen des affektiven Erlebens in einer Situation oder unmittelbar danach

• Day Reconstruction Method: Am Abend Unterteilen des Tages in verschiedene Episoden und Beschreiben des affektiven Erlebens während dieser Episoden

-> Allerdings: Retrospektiver Selbstbericht zum afffektiven Erlebne ist anfällig für Verzerrungen

• Bsp. Peak-End Regel: Die intensivste und die letzte Erfahrung fallen unverhältnismäßig stark ins Gewicht

• Bsp. Kinderbetreuung:

  • Laut globalem Selbstbericht  eine der angenehmsten Tätigkeiten

  • Anderes Bild, wenn man Personen während bzw. kurz nach der Tätigkeit befragt

• Veranlagung: Substantieller Einfluss der Gene (1/3 - 1/2)

  • Aufgrund von Überlappung mit basalen Persönlichkeitseigenschaften

    -> deutliche Zusammenhänge mit Extraversion und Neurotizismus (r=-)

Universelle Veränderungen:

• Kein starker Zusammenhang zwischen Alter und SWB

-> keine Substantielle Veränderung

Differentielle Veränderungen:

• Weniger Stabilität als bei anderen Eigenschaften

• Einkommen hängt positiv mit SWB zusammen (r = .15 – r = .25)

• Wenn in Nationen das Bruttoinlandsprodukt wächst, steigt auch das mittlere SWB

• Ein Lottogewinn oder ein unverhofftes Erbe haben positive längsschnittliche Effekte auf das SWB

• Aber: Ein Einkommensverlust hat einen stärkeren Effekt als ein Einkommenszuwachs

• Geld auszugeben für Erfahrungen hat einen stärkeren Effekt auf SWB als Geld auszugeben für materielle Güter

• Verheiratete Menschen haben höhere SWB Werte als unverheiratete (r = .14)

• Allerdings: In längsschnittlichen Studien kein dauerhafter positiver Effekt der Heirat

  -> Evtl. beeinflussen dieselben Persönlichkeitseigenschaften sowohl ob man heiratet auch das SWB (Drittvariablen-Erklärung)

• Die Anzahl & Qualität der sozialen Beziehungen hängen positiv mit SWB zusammen (r = .10 - r = .20)

  • Anzahl der Freunde und mit Freunden verbrachte Zeit...

• Religiöse Personen haben höheres SWB als nicht religiöse Personen (r = .06 – r = .10)

• Positiver Zusammenhang für Christen, Juden, Muslime und Buddhisten gefunden

• Stärkere Effekte in Ländern mit allgemein hoher Religiosität

• Stärkere Effekte in Ländern mit schwierigen Lebensumständen (Hunger, geringe Lebenserwartung) als in reichen Industrienationen

• Mögliche Ursachen:

  • Soziale Unterstützung aus der Religionsgemeinschaft

  • Erleben von Sinnhaftigkeit

  • Religiöse Praktiken (Beten, Meditieren, etc.)

• größere Unterschiede zwischen den Nationen (verglichen mit körperlicher Gesundheit - relativ klein)

  • allgemeine Lebensumstände müssen also stark mit SWB korrelieren

Regelkreismodell bzw. Set-Point-Model

• Alle haben individuellen Sollwert

• nur kurzfristige Schwankungen durch Lebensumstände

-> Aber: Starke Ereignisse können auch längerfristige Effekte haben

Gesundheit:

• SWB hängt mit besserer Immunabwehr zusammen

• SWB ist ein negativer längsschnittlicher Prädiktor von Herz-Kreislauf Erkrankungen

• Personen mit hohem SWB regenerieren besser nach chronischen Krankheiten

• SWB hängt mit Gesundheitsverhalten zusammen

  • Mehr Sport

  • Weniger Rauchen

  • Vorsorgeuntersuchungen

  • Gesunde Ernährung

  • Gewissenhaftigkeit bei der Medikamenteneinnahme

Danner et al. (2001)

• Zwischen 1931 und 1943: 180 Nonnen (18-32 Jahre) nach der endgültigen Aufnahme in den Orden von Oberin gebeten, einen kurzen Lebenslauf zu schreiben (Kindheit, Erziehung, Schule, Gründe für den Eintritt)

• 2 Beurteiler: Anzahl der positiven und negativen Emotionswörter in den Lebensläufen

• Kriterium: Langlebigkeit (erfasst: 2000)

• Ergebnisse: Überlebenswahrscheinlicheit ist höher bei glücklichen Nonnen

Abel und Krüger (2008)

• Fotos aus dem American Baseball Register

• Facial Action Coding System (FACS- Ekman):

• Kriterium: smile vs. social smile und no smile

• Ergebnisse: echt lächelnde haben höhere Überlebenswahrscheinlichkeit

-> Dufner et al. 2018: Analyse derselben Datenbank zeigten keine Replizierbarkeit

-> Effekt muss in künftigen Studien noch näher untersucht werden

• SWB ist ein negativer Prädiktor von Arbeitslosigkeit

• SWB sagt Hartnäckigkeit und Erfolg bei der Arbeitssuche vorher

• SWB hängt negativ mit der Anzahl an Fehltagen zusammen

• SWB ist ein längsschnittlicher Prädiktor von Berufserfolg, Berufszufriedenheit und Einkommen

Erklärungen?

• Befunde aus experimentellen Studien: Positiver Affekt erhöht

  • Motivation

  • Neugier

  • Selbstwirksamkeit

  • Prosozialität

  • Fähigkeit, Versuchungen zu widerstehen

• Experience sampling:

  • Mehr Gespräche mit anderen – insbesondere mehr tiefgehende Gespräche

• Experimentelle Studien:

  • Gesprächigkeit

  • Soziale Fertigkeiten

• Längsschnittliche Studien:

  • Heirat

  • Qualität der Ehe

  • Seltener Scheidung

• SoziologInnen und PolitikwissenschaftlerInnen betrachten immer häufiger SWB (neben objektiven Faktoren, wie bspw. der Wirtschaftsleistung oder der Arbeitslosenquote)

• Begründung:

  • Hohes SWB wird von den meisten Menschen als wichtiges Ziel angesehen

  • Hohes SWB bringt möglicherweise gesellschaftliche Vorteile mit sich (bessere Gesundheit, Arbeitsleistung, etc.)

• Vorteil: Man kann direkt untersuchen, in welcher Weise und wie stark gesellschaftliche Bedingungen oder politischen Entscheidungen das SWB der BürgerInnen beeinflussen

• William James (1842-1910)

• Zwei Besatndteile des Selbst “I” (handelndes Subjekt) vs. “me” (Betrachtungsobjekt)

• Selbstkonzept= Der dispositionale (überdauernde) Anteil des “me”

• wird ermöglicht durch Aussagen, die von den meisten Menschen als zutreffend für sich selbst halten

• Nützlich für Astrologen, Wahrsager und Horoskopeschreiber

• Wird auch Barnum-Effekt genannt:

  • Allegemeine Aussage wird von vielen Menschen als sehr spezifisch auf sie treffend interpretiert

• Selbstkonzept der Persönlichkeit (z.B. Big Five)

  • korreliert ca. .40-.50 mit Einschätzungen von Bekannten

  • korreliert ca. .20-.30 mit beobachtetem Verhalten

• Selbstkonzept von Intelligenz

  • korreliert ca. .30 mit gemessener Intelligenz (IQ Test)

• Subjektive Bewertung der eigenen Person, Zufriedenheit mit sich selbst

• Eines der am häufigsten untersuchten Konstrukte der Persönlichkeitspsychologie

• Auch hohe Relevanz für Sozialpsychologie und klinische Psychologie

• Selbstwertskala von Rosenberg

-> Die meisten Menschen (in westlichen Industrienationen) haben einen hohen Selbstwert

• Selbstwert als Eigenschaftshierarchie mit allgemeinen und bereichsspezifischen Aspekten

• Multidimensionale Selbstwertskala (MSWS)

• Die Positivität der automatischen bzw. nicht bewussten Bewertung einer Person von sich selbst

  -> Bauchgefühl sich selbst gegenüber

• Messung nicht über Selbstbericht möglich

• Mögliche Erfasssungsmethode: Impliziter Assotiationstest (IAT)

  -> Sortierungsaufgabe

  -> Reaktionszeit zur Stortierung kurz -> hoher impliziter Selbstwert

• IAT-Effekt: M(RTBlock2) - M(RTBlock 1)

• Probleme in der Forschung zum impliziten Selbstwert:

  • Verschiedene Maße korrelieren nur schwach miteinander

  • Unklare Befundlage zur Frage, ob Maße des impliziten Selbstwerts konsistent Verhalten vorhersagen können

-> Künftige Forschung muss zeigen, inwiefern sich das Konzept des impliziten Selbstwerts bewährt

• Weniger stabil als Intelligenz oder Big Five

• Auch Schwankungen von Moment zu Moment

  • Selbstwert im Labor manipulierbar (bspw. durch falsche Leistungsrückmeldung; Nisbet & Gordon, 1967)

  • Tagebuchstudien: Selbstwert fluktuiert auch ein Stück weit von Tag zu Tag (Donnellan et al., 2012)

• Universelle Veränderungen:

  • Zunahme von 16-51

  • Peakt mit 51

  • Abnahme nach 51

    -> Lebensumstände, Sicherheit

• Diffferentielle Veränderungen:

  • Retest Korrlation wird geringer je größer das Intervall wird

  • Korrelation geht aber nicht auf 0 runter, sondern pendelt sich irgendwann ein

    -> erblich bedingt

-> In Klammern: bereinigt von Sozialer Erwünschtheit

• deutlich mit Extravertiertheit, emotionaler Stabilität und Gewissenhaftigkeit

• Gene: Selbstwert ist zum Anteil genetisch bedingt (ca. 40% - wie big five)

• Keine Effekte geteilter Umwelten aber dafür Effekte nicht-geteilter Umwelten (ca. 60%)

• Objektive Leistungen: Schulischer und beruflicher Erfolg

• Soziale Vergleiche: Bezugsgruppeneffekte (Big-fish-little-Pond Effekt)

• Sozialer Einschluss

• Intrapersonale Vergleiche

• Selbstwertkontingenzen

Soziometer Theorie:

• Theorie zur Erklärung von Schwankungen im Selbstwertgefühl

• Menschen haben ein universelles und evolutionär evolviertes Bedürfnis nach sozialer Inklusion (need to belong)

• Selbstwert = Mechanismus dar, der kontinuierlich prüft, inwiefern dieses Bedürfnis befriedigt ist

• Da geringer Selbstwert aversiv ist, versuchen Menschen in der Regel sich so zu verhalten, dass ein Absinken des Selbstwerts vermieden wird

• Evolutionärer Nutzen: Aufrechterhaltung der sozialen Inklusion

• Implikation: Die zentrale Funktion des Selbstwertgefühls liegt darin, soziale Inklusion zu gewährleisten

• Experimentell:

  • Sozialer Ausschluss führt zu einem Absinken, sozialer Einschluss zu einem Anstieg des Selbstwertgefühls (Leary, 1998; Buckley, 2004)

• Tagebuchstudien:

  • Selbstwert ist höher an Tagen, an denen man sich sozial eingeschlossen fühlt als an Tagen, an denen man sich sozial ausgeschlossen fühlt (Denissen et al. 2008)

• Längsschnittstudien:

  • Beliebtheit bei den Peers führt zu einem Anstieg des Selbstwerts (Srivastava & Beer, 2005)

    -> Effekt nur präsent bei Peers aus der engereningroup (Reitz et al., 2014)

• Aber auch Gegenevidenz: In Metaanalyse kein konsistenter negativer Effekt von sozialem Ausschluss auf den Selbstwert (Blackhart et al., 2009)

• Außerdem: Selbstwertgefühl hängt auch vom sozialen Status ab (Mahadevan et al., 2019)

• Der bereichsspezifische Selbstwert hängt auch davon ab, wie gut man in einem anderen Bereich ist (zieht runter)

  -> Menschen kontrasieren zwischen Selbstwertbereichen (entweder- oder Denken)

• Menschen unterscheiden sich in den Bereichen, aus denen sie ihr Selbstwertgefühl ableiten

Crocker und Wolfe (2001)

• Bereiche, aus denen Menschen ihr Selbstwertgefühl ableiten

  • Akademische Kompetenz, äußeres Erscheinungsbild, Bestätigung von anderen Menschen, moralische Integrität, etc.

• Erfassung per Selbstbericht mit der Contingencies of Self-Worth Scale

  • Beispielitem: „My sense of self-worth suffers whenever I think I don’t look good”

• Hohe Selbstwertrelevanz in best. Bereich

  • Einerseits Quelle von Motivation: Mehr Einsatz/Bemühen

  • Andererseits Vulnerabilität bei negativem Ereignis in Bereich 

• Tendenziell hohes/stabiles Wohlbefinden, wenn…

  • …Selbstwert auf eher internal bedingen Faktoren (bspw. moralische Integrität) beruht als auf eher external bedingten Faktoren (bspw. Bestätigung von anderen Menschen) -> Kontrolle

  • …Selbstwert auf mehreren verschiedenen Bereichen basier -> Kompensation möglich

Gegenstand heftiger Debatten

• Frühe Forschung: Zusammenhänge mit…

  • psychischer Gesundheit +

  • Beliebtheit +

  • Schulleistung +

  • Drogenkonsum -

-> Schlussfolgerung: Selbstwertgefühl ist ein protektiver Faktor und sollte gefördert werden

-> Vorwurf: kausale Schlussfolgerungen aus korrelativen Ergebnissen gezogen (Baumeister)

Aktuelle, längsschnittliche Befunde:

• Vorhersage von…

  • psychischer Gesundheit

  • physischer Gesundheit

  • Berufserfolg

  • Partnerschaftszufriedenheit

  • Delinquenz

-> per Selbstbericht erfragt (nicht ideal, weil gleiche Datenquelle wie Selbswerteinschätzung)