Buffl

Sozialstrukturanalyse

MG
by Maya G.

Gesellschaftliche Strukturen

Relativ stabile, sich in der Regel nur langsam verändernde Phänomene, die das Miteinander der Menschen in einer Gesellschaft regulieren und ordnen und an denen sich die Menschen mit ihren Erwartungen und ihrem Handeln orientieren


Gesellschaftliche Strukturen treten dem Einzelnen als Phänomene gegenüber, die er nicht ohne Weiteres verändern kann. Daher hat er sich mit seinem Handeln an ihnen zu orientieren

Als relativ verlässliche Bezugsgrößen, an denen sich die Menschen orientieren können, machen gesellschaftliche Strukturen die Individuen im Grunde erst handlungsfähig. Sie ermöglichen ihnen die Aufnahme und Pflege sozialer Beziehungen zu anderen Menschen und gestatten eine vorausschauende Lebensplanung. Je nach Situation bestimmen sie die Erwartungen, die Menschen in sozialen Beziehungen bezogen auf das Handeln der anderen haben


Gesellschaftliche Strukturen

● steuern soziale Prozesse, indem sie die Möglichkeiten (Opportunitäten) und Beschränkungen (Restriktionen) für das Handeln der Menschen festlegen;

● begründen Regelmäßigkeit und Ordnung sozialer Prozesse, die gewährleisten, dass man mit ihnen »rechnen« kann;

● äußern sich in der Dauerhaftigkeit von Zuständen und Ablaufmustern in sozialen Prozessen;

● werden selbst durch Strukturen stabilisiert und beruhen auf Regelmäßigkeiten sozialen Handelns, institutionalisierten Regelungen und sozial geteilten Orientierungs-, Wert- und Normensysteme


Gesellschaftliche Strukturen bilden den Bedingungsrahmen für soziale Prozesse und damit für soziales Handeln. Indem Menschen in gesellschaftlichen Strukturen handeln und sich an ihnen orientieren, reproduzieren sie gleichzeitig die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen. Parallel dazu tragen sie zur Genese neuer und zum Wandel alter gesellschaftlicher Strukturen bei. Gesellschaftliche Strukturen sind daher nicht nur Bedingungsrahmen oder Ursache, sondern immer auch ein Ergebnis von sozialem Handeln bzw. von sozialen Prozessen

Soziologischer Tatbestand


Soziologische Tatbestände sind soziale Phänomene, die dem Einzelnen objektiv vorgegeben erscheinen und an denen er sich mit seinem sozialen Handeln zu orientieren hat. Sie stellen damit Elemente gesellschaftlicher Strukturen dar



  • nach Émile Durkheim, französischer Mitbegründer der modernen Soziologie Émile Durkheim (1858–1917)

  • Durkheim definiert: »Ein soziologischer Tatbestand ist jede mehr oder minder festgelegte Art des Handelns, die die Fähigkeit besitzt, auf den einzelnen einen äußeren Zwang auszuüben; oder auch, die im Bereiche einer gegebenen Gesellschaft allgemein auftritt, wobei sie ein von ihren individuellen Äußerungen unabhängiges Eigenleben besitzt« (Durkheim 1976: 114). Damit können soziologische Tatbestände als grundlegende Elemente gesellschaftlicher Strukturen gelten


  • Zu den soziologischen Tatbeständen zählen beispielsweise Bräuche und Sitten, die Menschen wie selbstverständlich pflegen, die Sprache, die sie sprechen, und die Regeln des sozialen Zusammenlebens, die sie befolgen, kurz: jegliche Art von geltenden gesellschaftlichen Konventionen, seien sie in Form von Gesetzestexten schriftlich fixiert oder als Tradition von einer Generation an die nächste weitergegeben. Die soziale Zusammensetzung der Bewohner eines Landes oder einer Nachbarschaft nach ihren Merkmalen und Interessen gehört ebenfalls dazu.

  • Soziologische Tatbestände stellen für die Mitglieder einer Gesellschaft also etwas »objektiv« Vorgegebenes dar, an dem sie sich zu orientieren haben. Sie schlagen sich in der physischen Umwelt, in den demografischen Strukturen und im soziokulturellen Erbe einer Gesellschaft nieder. Durkheim spricht diesbezüglich vom Substrat der Gesellschaft oder des Kollektivlebens


Akteurstypen


● individuelle Akteure: Menschen als intentional handelnde Subjekte;

● kollektive Akteure: Gruppen individueller Akteure, die durch ihr mehr oder weniger koordiniertes Handeln als Einheit wahrnehmbar und wirksam sind; ● korporative Akteure: Kollektive Akteure (soziale Organisationen oder Körperschaften), die aufgrund ihrer inneren, hierarchischen Steuerungsstruktur durch dafür bestimmte Repräsentanten wie individuelle Akteure »auftreten« und handeln können (juristische Personen)


Wir sprechen im Folgenden häufig von Akteuren, wenn wir sozial handelnde Individuen meinen. Im Vordergrund stehen die Menschen als individuelle Akteure. Darüber hinaus gibt es weitere wichtige Akteurskonstellationen: die kollektiven und die korporativen Akteure . Der Begriff des kollektiven Akteurs wird hier sehr umfassend verstanden. Neben den korporativen Akteuren lassen sich zahlreiche weitere Arten kollektiver Akteure unterscheiden. Dazu zählen lose organisierte Gruppen von individuellen Akteuren, die gleiche Interessen verfolgen und diese durch gemeinsame Aktionen zum Ausdruck bringen


Zu den kollektiven Akteuren gehören auch soziale Gruppen, in denen Individuen in direkten und informellen, aber in der Regel auch länger andauernden sozialen Beziehungen zueinanderstehen. Beispiele hierfür sind Lebensformen, in denen Menschen zusammenleben (Paarbeziehungen, Familien) oder der Freundeskreis, der sich regelmäßig zum Kegeln trifft. Zum korporativen Akteur wird Letzterer dann, wenn er sich offiziell als Verein mit einer Satzung etabliert und eine Vereinsleitung hat, die für den Verein nach außen auftritt und agiert. Dieser Verein kann dann als »juristische Person« handeln, womit die Analogie zum individuellen Akteur deutlich wird. Vereine können Verträge schließen und sie können für die Folgen der Handlungen ihrer Mitglieder, wenn diese im Namen des Vereins handeln, haftbar gemacht werden. Ein Verein »agiert« allerdings nur durch ein oder mehrere dafür autorisierte Mitglieder. Die sozialen Positionen und Beziehungen der Mitglieder im Verein sind durch eine formal geregelte innere Entscheidungs- und Organisationsstruktur bestimmt.

Soziale Beziehungsgeflechte


Soziale Beziehungsgeflechte sind relativ dauerhafte Strukturen sozialer Beziehungen von individuellen Akteuren in einer Gesellschaft


Nach dem deutschen Soziologen Hans P. Bahrdt sollen unter sozialen Beziehungsgeflechten oder »sozialen Strukturen«, wie er sie nennt, »Verhältnisse, d.h. als objektiv erlebte Zusammenhänge, die durch soziales Handeln entstehen, verstanden werden, die nicht nur faktisch die Situation einzelner sozialer Verhaltensweisen bzw. Interaktionen überdauern, sondern ihre Dauerhaftigkeit spezifischen Stabilisationsmomenten verdanken« (Bahrdt 1994: 110). Als besondere Formen von sozialen Beziehungsgeflechten in der sozialen Beziehungsstruktur einer Gesellschaft sind die kollektiven Akteure hervorzuheben. Als eindeutig abgrenzbare und identifizierbare Gruppen individueller Akteure lassen sie sich durch eigene Merkmale und Eigenschaften charakterisieren.


Formal bestimmte Beziehungsgeflechte

Soziale Beziehungen und die damit verbundenen sozialen Positionen können durch formal gesetzte Normen, Regeln und Vorschriften festgelegt sein, wie es für soziale Organisationen charakteristisch ist. Die individuellen Akteure, die durch formale Regelungen charakterisierte soziale Positionen bekleiden, werden in den sozialen Beziehungen nur als Träger der dadurch festgelegten sozialen Rolle betrachtet. Als Person bleiben sie uninteressant. Sie sind daher austauschbar, ohne dass das soziale Beziehungsgeflecht und seine Struktur davon gravierend tangiert sein müssen. Das trifft vor allem für korporative Akteure, wie zum Beispiel Wirtschaftsunternehmen, Vereine oder politische Parteien, zu (vgl. Coleman 1986).


Informell begründete Beziehungsgeflechte

Soziale Beziehungen und die damit verbundenen sozialen Positionen können auch das Ergebnis persönlicher Interaktion von individuellen Akteuren sein. In diesem Fall werden die gegenseitigen Handlungserwartungen über die informelle gegenseitige Zuschreibung generiert. Das ist in sozialen Gruppen wie Familien oder in Freundschaftsnetzwerken der Fall. Personen können hier nicht einfach ausgetauscht werden, ohne das soziale Beziehungsgeflecht bzw. seine Struktur grundlegend zu verändern

Sozialstrukturelle Merkmale


-Sozialstrukturelle Merkmale sind Eigenschaften der Mitglieder einer Gesellschaft, die für die Aufnahme und Pflege sozialer Beziehungen sowie die Möglichkeiten ihres sozialen Handelns wichtig sind

-werden laut Karl M. Bolte als »sozial relevante Kriterien« bezeichnet. Damit meint er »solche Kriterien, die das aufeinander bezogene Verhalten von Menschen beeinflussen« (Bolte 1990: 30). Wir nennen solche Merkmale sozialstrukturelle Merkmale. Das Geschlecht, die Staatsangehörigkeit oder der Beruf gehören dazu


-1. Sozialstrukturelle Merkmale, die Menschen nach verschiedenen Kategorien oder Untergruppen unterscheiden, die keine irgendwie geartete Rangfolge unter den Merkmalsinhabern implizieren (Religionszugehörigkeit, Geschlecht, Familienform usw.).

Wir nennen sie Klassifikationsmerkmale (bei Blau: nominal parameters). Sozialstrukturelle Positionen bezogen auf solche Merkmale drücken eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie von Akteuren aus. Das Ausmaß der Unterschiedlichkeit bezüglich solcher Merkmale bestimmt die Heterogenität unter den Mitgliedern einer Gesellschaft. Die Heterogenität wächst im Prinzip mit der möglichen Anzahl der sozialstrukturellen Positionen. Sie nimmt auch in dem Maße zu, wie sich die Gesellschaftsmitglieder auf diese Positionen immer gleichmäßiger verteilen. Ein Beispiel ist die Verteilung einer Bevölkerung auf verschiedene Familienformen.


2. Sozialstrukturelle Merkmale, mit denen man die Menschen in eine Rangfolge bringen kann; ihre sozialstrukturellen Positionen verweisen auf ein Mehr oder Weniger von Etwas (Bildungsniveau, Einkommen).

Wir nennen sie im Folgenden Ungleichheitsmerkmale (bei Blau: graduated parameters). K.M. Bolte spricht auch von »ungleichheitsrelevanten« Merkmalen. Verschiedene sozialstrukturelle Positionen bezogen auf solche Merkmale drücken, der Begrifflichkeit von Bolte folgend, einen unterschiedlich hohen Status (oder Statusposition) bezogen auf das Merkmal aus. Das Ausmaß der Unterschiedlichkeit bezüglich dieses Typs von sozialstrukturellen Merkmalen bestimmt den Grad der Ungleichheit zwischen Mitgliedern einer Gesellschaft



Sozialstrukturelle Positionen


Eine sozialstrukturelle Position ist die spezifische Ausprägung eines sozialstrukturellen Merkmals bei einem Menschen (Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie, z.B. bezogen auf das Merkmal Geschlecht: »eine Frau sein«; Größenordnung eines Merkmals, z.B. bezogen auf das Merkmal Einkommen: Einkommenshöhe

Eine sozialstrukturelle Position gilt streng genommen immer nur für einen bestimmten Zeitpunkt im Leben eines Akteurs und verändert sich bei vielen sozialstrukturellen Merkmalen im Laufe der Zeit



Sozialstrukturelle Merkmale haben also einen Bezug zur sozialen Beziehungsstruktur einer Gesellschaft. Welche sozialstrukturelle Position ein Akteur bezogen auf bestimmte Merkmale einnimmt, hat einen Einfluss darauf, zu wem er soziale Beziehungen pflegen kann und welche Art von sozialen Beziehungen er in sozialen Beziehungsgeflechten knüpfen bzw. welche sozialen Positionen er darin einnehmen kann. Umgekehrt gilt, dass die Zugehörigkeit zu sozialen Beziehungsgeflechten oder kollektiven Akteuren sowie die Art der sozialen Positionen darin selbst als sozialstrukturelle Merkmale angesehen werden können. Eine sozialstrukturelle Position einer Person könnte zum Beispiel besagen, dass sie Mitglied in einem Sportverein ist. Eine weitere sozialstrukturelle Position könnte dann die Funktion, d.h. die soziale Position dieser Person in dem Sportverein angeben, nämlich Vorsitzender und nicht nur ein einfaches Mitglied des Vereins zu sein. Wichtig ist die folgende Unterscheidung von Typen sozialstruktureller Positionen:

1. Eine sozialstrukturelle Position ist bezogen auf bestimmte Merkmale zugeschrieben, wenn sie nicht selbst aktiv erworben ist, wenn sie dem Einzelnen gleichsam mit in die Wiege gelegt wurde. Ob ich Frau oder Mann bin, ist mir vorgegeben (Merkmal: Geschlechtszugehörigkeit)

Sozialstrukturelle Positionen können aber auch vom Akteur selbst erworben sein. Das gilt etwa für das Ausbildungsniveau oder den Familienstand

Sozialstrukturelles Profil/ Sozialstrukturelle Gruppen

Die sozialen Kreise entsprechen den sozialstrukturellen Gruppen, die durch Positionen verschiedener sozialstruktureller Merkmale bestimmt sind. In modernen Gesellschaften überschneiden sich mehr soziale Kreise und die einzelnen Überschneidungsmengen sind kleiner als in traditionalen Gesellschaften. Das heißt nichts anderes, als dass die Vielfalt sozialstruktureller Profile bezogen auf verschiedene sozialstrukturelle Merkmale größer geworden ist.


Menschen nehmen gleichzeitig sozialstrukturelle Positionen bezogen auf verschiedene sozialstrukturelle Merkmale ein. Sie gehören also gleichzeitig verschiedenen sozialstrukturellen Gruppen an (vgl. den Begriff der »multiple groups« bei Blau 1994). Jemand ist ein Mann, besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit, hat ein Einkommen von mehr als 3000 Euro usw. Wir sagen, dass ihm ein bestimmtes sozialstrukturelles Profil bezogen auf die berücksichtigten Merkmale zukommt. Je nachdem, welche sozialstrukturellen Merkmale man einbezieht, kann man Menschen mittels solcher Profile unterschiedlich gut charakterisieren bzw. identifizieren. Man kann zudem untersuchen, wie viele verschiedene sozialstrukturelle Profile bezogen auf diese Merkmale es in einer Gesellschaft gibt und wie sich die Bevölkerung darauf verteilt. Die Vielfalt der sozialstrukturellen Profile in einer Gesellschaft kann unterschiedlich groß sein. Das hängt davon ab, wie viele verschiedene Kombinationen der sozialstrukturellen Positionen sich zu den einbezogenen Merkmalen beobachten lassen. Das wiederum ist abhängig davon, wie stark die sozialstrukturellen Merkmale miteinander zusammenhängen oder korrelieren


Kongruenz von sozialstrukturellen Gruppen

Eine bestimmte sozialstrukturelle Position bezüglich des ersten Merkmals (Ausbildungsabschluss) geht also besonders häufig mit einer bestimmten sozialstrukturellen Position bezüglich des zweiten Merkmals (berufliche Stellung) einher und umgekehrt. Das ist ein Indiz für »konsolidierte Abgrenzungen« (Blau) zwischen sozialstrukturellen Gruppen bezüglich der betrachteten Merkmale. Sozialstrukturelle Gruppen bezüglich dieser beiden Merkmale sind weitgehend kongruent: Die Mitglieder der sozialstrukturellen Gruppe bezüglich des einen Merkmals sind gleichzeitig auch Mitglieder der Gruppe bezüglich des anderen Merkmals und umgekehrt.


Inkongruenz von sozialstrukturellen Gruppen

Eine bestimmte sozialstrukturelle Position bei dem einen Merkmal (Wohnortgröße) kann mit allen möglichen sozialstrukturellen Positionen bezüglich des anderen sozialstrukturellen Merkmals (berufliche Stellung) einhergehen. Umgekehrt sollte die Tatsache, dass man eine leitende Angestelltenposition bekleidet oder als Facharbeiter arbeitet, kaum von der Wohnortgröße abhängen. Das ist ein Indiz dafür, dass die Kongruenz sozialstruktureller Gruppen bezüglich dieser beiden Merkmale gering ist und »Überschneidungen« (Blau) die Regel sind – man spricht von Inkongruenz. Jede Gruppe bezüglich des einen Merkmals ist in allen Gruppen bezüglich des anderen Merkmals nennenswert vertreten und umgekehrt



Absolute und relative Ereignismaße


Demografische Ereignismaße erfassen die absolute und relative Häufigkeit demografischer Ereignisse in einem bestimmten Zeitraum. Der Beobachtungszeitraum kann sich auf die Kalenderzeit und/oder auf das Lebensalter von Mitgliedern der Bevölkerung beziehen.

1. Absolute Ereignismaße geben die Häufigkeit von demografischen Ereignissen (Ereignismassen) an, die in einer Bevölkerung oder einem Teil der Bevölkerung während eines bestimmten Zeitraums stattgefunden haben (z.B. die jährliche Zahl der Geburten oder die jährliche Zahl der Sterbefälle unter der Bevölkerung mit ausländischer Staatsangehörigkeit).

2. Relative Ereignismaße beruhen auf zwei unterschiedlichen Berechnungsweisen:

a) Maße der Verteilung von Ereignissen (Ereignisquoten) setzen Ereignismassen zueinander in Beziehung (z.B. wird die Nichtehelichenquote als Anteil der nicht ehelichen Geburten an allen Geburten eines Jahres berechnet).

b) Bei Ereignisraten oder -ziffern wird die Zahl demografischer Ereignisse zur Größe der Gesamtbevölkerung oder zu der Größe desjenigen Teils der Bevölkerung, in dem die Ereignisse stattgefunden haben oder stattfinden können, in Beziehung gesetzt (z.B. wird die rohe Geburtenziffer als Zahl der Lebendgeborenen eines Jahres auf 1000 Einwohner berechnet; die allgemeine Geburtenziffer dagegen ermittelt man als Zahl der Lebendgeborenen eines Jahres auf 1000 Frauen im Alter von 15 bis 45 bzw. 50, also Frauen eines Alters, in dem sie Kinder bekommen können; eine altersspezifische Geburtenziffer wird schließlich als Zahl der Lebendgeborenen von Frauen eines bestimmten Alters bezogen auf 1000 Frauen diesen Alters berechnet)

Altersstruktur einer Bevölkerung


Die Verteilung der Bevölkerung nach dem Alter Die Alterszusammensetzung der Bevölkerung – man spricht auch von ihrer Vitalstruktur, Altersstruktur oder ihrem Altersaufbau – ist das Ergebnis der Geburtenhäufigkeiten, Wanderungsbewegungen und Sterbefälle der letzten 100 Jahre.

Es gibt drei unterschiedliche Grundtypen des Altersaufbaus einer Bevölkerung. Sie sind als idealtypische »Schablone« zu verstehen, die mit drei Versionen der Bevölkerungsentwicklung korrespondieren

Die Grundtypen des Altersaufbaus einer Bevölkerung

● Beim Typ der wachsenden Bevölkerung (Pyramide) werden mehr Kinder geboren, als für die Bestandssicherung der Bevölkerung, d.h. für die zahlenmäßige Reproduktion der einzelnen Geburtsjahrgänge, notwendig ist. Der Bestand (bzw. die Reproduktion) ist dann gesichert, wenn die Größe eines Geburtsjahrgangs durch die Zahl der eigenen Nachkommen (unter Berücksichtigung des Sterberisikos) ersetzt wird. Das Ausmaß, in dem sich die Basis der Pyramide von Jahrgang zu Jahrgang verbreitert, hängt neben der Geburtenhäufigkeit auch von der Höhe der altersspezifischen Sterblichkeit in den mittleren Altersstufen ab. Dieser Altersaufbau einer »jungen« Bevölkerung ist in Entwicklungs- und vielen Schwellenländern zu finden. In Deutschland charakterisierte er die Alterstruktur der Bevölkerung vor dem Ersten Weltkrieg.

● Beim Typ der stationären Bevölkerung (Glocke) bekommen die einzelnen Jahrgänge so viele Kinder, wie für die Bestandssicherung der Bevölkerung nötig sind. Jeder Geburtsjahrgang reproduziert sich dann gerade selbst. Die Alterskohorten haben anfänglich eine ähnliche Größe. Typischerweise ist die Sterblichkeit im jüngeren Alter recht gering und steigt erst in höheren Altersklassen (ab 65 Jahren) an. Dieser Typ wird selten über längere Zeit beobachtet, sondern ist eher als Übergang zum dritten

Grundtyp anzusehen. Man findet ihn heute annähernd in südamerika-

nischen Ländern, wie Argentinien oder Peru.

● Beim Typ der schrumpfenden Bevölkerung (Pilz) werden weniger Kinder geboren, als für die Bestandssicherung der Bevölkerung erforderlich ist. Die Größe der nachrückenden Geburtsjahrgänge verkleinert sich und es kommt zu einer Überalterung der Bevölkerung. Erst in den höheren Altersklassen (ab 65 Jahren) verringert sich der Bestand in den Altersgruppen wieder durch die Sterblichkeit. Gegenwärtig findet man diesen Typ beispielsweise in Italien, Spanien und auch – unter Berücksichtigung

der kriegsbedingten Verwerfungen – in Deutschland.


Lexis-Diagramm


Um den Zusammenhang zwischen beiden Betrachtungsweisen zu illustrieren, hat der deutsche Nationalökonom und Statistiker Wilhelm Lexis das nach ihm benannte Lexis-Diagramm entwickelt. Darin werden die Kalenderzeit auf der horizontalen Achse und das Lebensalter auf der vertikalen Achse abgetragen. Der Lebenslauf eines Individuums lässt sich dann als eine 45°-Diagonale darstellen, die auf der horizontalen Achse zu dessen Geburtszeitpunkt beginnt. Jeder Punkt auf der Diagonalen entspricht genau einem Zeitpunkt t und dem dazugehörigen exakten Alter x. Ereignisse, die sich unter den Angehörigen einer Geburtskohorte zutragen, die in einem oder mehreren Kalenderjahren geboren sind – etwa zwischen dem 1.1.1940 und dem 31.12.1949 –, erscheinen in einem Schlauch, der sich diagonal von links unten nach rechts oben im Diagramm erstreckt (Längsschnittbetrachtung). Ereignisse, die sich in einem bestimmten Kalenderjahr, etwa dem Jahr 1990 zutragen, werden in einem vertikalen Schlauch verortet (Querschnittbetrachtung). Dieser wird durch zwei senkrechte Linien begrenzt, die dem 1.1.1990 und dem 31.12.1990 entsprechen – bei einem größeren Zeitintervall von mehreren Jahren ist der Schlauch entsprechend breiter. Analog repräsentiert schließlich ein horizontaler Schlauch ein bestimmtes Altersintervall. Er wird durch die horizontalen Linien begrenzt, die den Beginn und das Ende des Altersintervalls markieren; in der Abbildung wurden so die 20- bis unter 30-jährigen Personen hervorgehoben. Das Lexis-Diagramm veranschaulicht also die zeitlichen Bezüge von Ereignissen im Lebenslauf von Individuen.





Familie


Besondere Bedeutung hat der Begriff der Familie. Wir verstehen sie als Lebensgemeinschaft von Eltern mit »ihren« Kindern, in welcher die Eltern rechtlich und materiell für die Kinder verantwortlich sind. Die Elternschaftsbeziehung wird als die soziale Beziehung zwischen einer erwachsenen Person (einem Elternteil) und »ihrem« Kind bezeichnet, die in der Regel auf biologischer Abstammung beruht, aber nicht dadurch begründet sein muss (Adoption, Pflegekindschaft, Reproduktionsmedizin). Dabei ist unerheblich, ob beide Eltern der Lebensgemeinschaft angehören und ob die Eltern verheiratet sind. »Familie« ist kein eindeutig bestimmbarer Begriff. Seine Bedeutung hat sich auch in unserer Gesellschaft im Laufe der Zeit verändert – und wird sich weiter verändern


Das Statistische Bundesamt versteht heute unter einer Familie »im statistischen Sinn – alle Eltern-Kind-Gemeinschaften, d.h. Ehepaare, gemischtgeschlechtliche und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sowie alleinerziehende Mütter und Väter mit ledigen Kindern im Haushalt. Einbezogen sind in diesen Familienbegriff – neben leiblichen Kindern – auch Stief-, Pflege- und Adoptivkinder ohne Altersbegrenzung« (Statistisches Bundesamt 2018d: 4). Bis 2004 benutzte das Statistische Bundesamt eine davon abweichende, Definition von Familie, die Ehepaare und Alleinerziehende mit ledigen Kindern und auch zusammenlebende Ehepaare ohne Kinder einbezog (Definition der Vereinten Nationen). Diese Definition ist relativ formal. Familie lässt sich inhaltlich gehaltvoller bestimmen, wenn auch funktionale und soziale Aspekte berücksichtigt werden. Nach der folgenden Definition von Nave-Herz sind Familien gekennzeichnet:

  • »1. durch ihre ›biologisch-soziale Doppelnatur‹ [...], d. h. durch die Übernahme der Reproduktions- und der Sozialisationsfunktion neben anderen gesellschaftlichen Funktionen, die kulturell variabel sind,

  • 2. durch die Generationenzusammensetzung (Urgroßeltern/Großeltern/Eltern/Kind(er)) und

  • dadurch dass 3. zwischen ihren Mitgliedern ein spezifisches Kooperations- und Solidaritätsverhältnis besteht, aus dem heraus die Rollendefinitionen festgelegt sind


Soziale Ungleichheit nach Kreckel


Einen interessanten Vorschlag zu einer Definition sozialer Ungleichheit macht der deutsche Sozialstrukturforscher Reinhard Kreckel (1997: 15 ff.). Er unterscheidet soziale Ungleichheit einerseits von bloß physisch bedingter Verschiedenartigkeit der Menschen (z.B. in Bezug auf Geschlecht oder die Haarfarbe) und andererseits von sozialer Differenzierung. Letztere versteht er, wie in der Soziologie üblich, als Ausdruck einer sozial verankerten Verschiedenartigkeit der Menschen, die sich aus der beruflichen Arbeitsteilung, aus kulturellen, religiösen, parteipolitischen, regionalen oder nationalen Unterschieden ergibt. Diese Vorgehensweise entspricht unserer formalen Unterscheidung zwischen Klassifikations- und Ungleichheitsmerkmalen (→ Kapitel 2.2). Kreckel bestimmt dann einen Begriff der sozialen Ungleichheit im weiteren Sinne: »Soziale Ungleichheit im weiteren Sinne liegt überall dort vor, wo die Möglichkeiten des Zugangs zu allgemein verfügbaren und erstrebenswerten sozialen Gütern und/oder zu sozialen Positionen, die mit unterschiedlichen Macht- und/oder Interaktionsmöglichkeiten ausgestattet sind, dauerhafte Einschränkungen erfahren und dadurch die Lebenschancen der betroffenen Individuen, Gruppen und Gesellschaften beeinträchtigt bzw. begünstigt werden« (Kreckel 1997: 17).

Soziale Ungleichheit wird also allgemein als der Ausdruck strukturell angelegter Unterschiede in den Möglichkeiten von Akteuren verstanden, Zugang zu erstrebenswerten Gütern und sozialen Positionen zu erhalten. Diese Unterschiede können durch die Zugehörigkeit der Akteure zu verschiedenen sozialstrukturellen Gruppen bedingt sein. Kreckel zählt dazu klassische Ungleichheitsmerkmale, wie Macht, Bildung und Einkommen und spricht diesbezüglich von »vertikaler Ungleichheit« bzw. »sozialer Ungleichheit im engeren Sinne«. Gleichzeitig aber und im gewissen Widerspruch zu seiner oben skizzierten Abgrenzung berücksichtigt er auch Klassifikationsmerkmale wie das eben erwähnte Geschlecht, die Nationalität, die Wohnregion oder die Zugehörigkeit zu armen oder reichen, mächtigen oder ohnmächtigen Ländern. Er spricht in diesem Zusammenhang von »neuen, nicht vertikalen Ungleichheiten«. In der Literatur findet man auch den Begriff der »horizontalen Ungleichheit«


Soziale Ungleichheit nach Hradil


Gesellschaftlich bedingte, strukturell verankerte Ungleichheit der Lebens- und Handlungsbedingungen von Menschen, die ihnen in unterschiedlichem Ausmaß erlauben, in der Gesellschaft allgemein anerkannte Lebensziele zu verwirklichen.


Recht klar in dieser Hinsicht ist eine Definition sozialer Ungleichheit, die der deutsche Sozialstrukturforscher Stefan Hradil vorgelegt hat. Nach Hradil sind unter sozialer Ungleichheit »gesellschaftlich hervorgebrachte und relativ dauerhafte Lebens- und Handlungsbedingungen zu verstehen, die bestimmten Gesellschaftsmitgliedern die Befriedigung allgemein akzeptierter Lebensziele besser als anderen erlauben« (Hradil 1987: 144).


Mit dem Verweis auf die allgemein akzeptierten oder, wie wir in der obigen Definitionsvariante formulieren, allgemein anerkannten Lebensziele will Hradil eine subjektivistische wie eine rein objektivistische Definition von Lebenszielen oder Begehrtem vermeiden. Die subjektivistische Variante höbe allein auf die persönlichen Ziele der Lebensplanung und -gestaltung einzelner Akteure ab. Die objektivistische Variante ließe nur allgemein geltende, abstrakte Lebensziele oder Zielhierarchien für alle Menschen zu. In »gesellschaftlich hervorgebrachten und relativ dauerhaften Lebens- und Handlungsbedingungen« äußert sich die Relevanz von Ungleichheitsmerkmalen, die es für eine bestimmte Gesellschaft im Einzelnen zu begründen gilt

Der Begriff der allgemein anerkannten Lebensziele erfährt in Essers Konzept der institutionellen Struktur einer Gesellschaft unter Bezug auf Robert

K. Merton eine umfassendere Rechtfertigung (Esser 1993: 438; Merton 1995; → Kapitel 2). Wir skizzieren nur die wichtigsten Argumentationsschritte dieses Ansatzes: Esser geht von der Existenz allgemeiner menschlicher Grundbedürfnisse aus und nennt unter Bezug auf den schottischen Moralphilosophen und Mitbegründer der Soziologie Adam Smith (1723–1790) das physischpsychische Wohlbefinden und die soziale Anerkennung. Allem Handeln liegt letztlich die Befriedigung dieser Bedürfnisse zugrunde. Sie steht als Motivationsbasis hinter allem Streben der Akteure in einer Gesellschaft. Diese Grundbedürfnisse sind aber nicht unmittelbar zu befriedigen. Die Menschen müssen dafür geeignete Lebensbedingungen finden oder herstellen und über die notwendigen Mittel und Ressourcen verfügen. Geeignete Lebensbedingungen und Ressourcen stellen daher selbst Ziele des menschlichen Strebens dar


Die in Hradils Definition genannten »allgemein akzeptierten Lebensziele« verweisen auf die »kulturellen Ziele« von Merton. Sie werden auf der einen Seite auf allgemeine menschliche Bedürfnisse zurückgeführt, sind andererseits historisch und gesellschaftlich spezifisch ausgeprägt. Soziale Ungleichheit verweist dann darauf, wo man sich innerhalb der Interessen- und Kontrollstruktur einer Gesellschaft befindet. Davon ist abhängig, wie viel Kontrolle man über den Einsatz von legitimen Mitteln bei der Verfolgung allgemein anerkannter Lebens- oder Wohlfahrtsziele hat

Kulturelle Ziele


Es gibt also von Gesellschaft zu Gesellschaft oder auch innerhalb einer solchen in verschiedenen historischen Phasen unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche (Zwischen-)Ziele zur mittelbaren Befriedigung der Grundbedürfnisse angestrebt werden sollen (vgl. Übersicht 5.1). Der amerikanische Soziologe Robert K. Merton spricht in diesem Zusammenhang von den kulturellen Zielen (1995: 128). Es hängt also von den gesellschaftlichen Verhältnissen ab, was konkret als anerkannt und erstrebenswert gilt, wobei die dahinter stehenden Grundbedürfnisse als allgemeingültig angesehen werden. Da in einer Gesellschaft über den Kanon der kulturellen Ziele weitgehende Einigkeit herrscht und sie als legitim anerkannt sind, beruhen sie aber nicht auf rein subjektiven Einzelauffassungen


Das Gleiche gilt für die Frage, wie, d.h. mit welchen Mitteln, kulturelle Ziele angestrebt und erreicht werden können (Merton 1995: 128). Generell dürften Güter, Leistungen und Handlungsweisen, die der Realisierung kultureller Ziele dienen, als erstrebenswert und als etwas, wofür es sich einzusetzen lohnt, betrachtet werden. Wenn diese Mittel nicht unmittelbar verfügbar sind, wird man sie gewinnen wollen. Kulturelle Ziele könnten dann als Zwischenziele erster Ordnung verstanden werden, die die Befriedigung der Grundbedürfnisse befördern. Ein legitimes Mittel, mit dem sich ein kulturelles Ziel erreichen lässt, zu erlangen oder zu verbessern, wäre entsprechend ein Zwischenziel zweiter Ordnung, dem wiederum dafür dienliche Zwischenziele dritter und weiterer Ordnung nachgeordnet sein könnten. Beispielsweise lässt sich das kulturelle Ziel »materieller Wohlstand« (Zwischenziel erster Ordnung) mittels eines hohen Einkommens (Zwischenziel zweiter Ordnung) erreichen arbeiten (Zwischenziel dritter Ordnung), für den eine hochqualifizierte Ausbildung (Zwischenziel vierter Ordnung) erforderlich ist.


Kulturelle Ziele

Kulturelle Ziele einer Gesellschaft sind Objekte, Ressourcen und Zustände, die für alle Mitglieder einer Gesellschaft von hohem Wert sind. Dazu gehören etwa wirtschaftlicher Wohlstand oder eine gute Gesundheit.

»Die Definition der kulturellen Ziele legt die Interessen der Menschen fest: Sie gibt an, was alle Menschen in einer Gesellschaft tun müssen, um an soziale Anerkennung und physisches Wohlbefinden zu gelangen.

Lebenslage

Gesamtheit der Handlungs- und Lebensbedingungen, die es den Menschen mehr oder weniger gut erlauben, allgemein anerkannte Lebensziele zu verwirklichen (sozialstrukturelles Profil bezogen auf Dimensionen sozialer Ungleichheit). Diese Bedingungen können kulturell bzw. gesellschaftsspezifisch variieren.


Hradil fasst die »Gesamtheit ungleicher Lebensbedingungen eines Menschen, die durch das Zusammenwirken von Vor- und Nachteilen in unterschiedlichen Dimensionen sozialer Ungleichheit zustande kommen«, mit dem Begriff der Lebenslage zusammen (Hradil 2001: 44). Auch dem wollen wir folgen. In unserer Terminologie ist die Lebenslage durch den Teil des sozialstrukturellen Profils von Individuen charakterisiert, der die gesellschaftlich relevanten Ungleichheitsmerkmale (Dimensionen sozialer Un - gleichheit) von Akteuren umfasst. Anders ausgedrückt: Die Lebenslage eines Menschen ist durch die Art und die Menge der legitimen Mittel, über die er bei der Verfolgung kultureller Ziele verfügt, bestimmt. Alternativ sprechen wir auch vom sozialen Status der Individuen.


Der Lebenslagenbegriff hat eine lange Geschichte. Er wurde von dem österreichischen Philosophen und Ökonomen Otto Neurath (1882–1945) eingeführt, der über aussagekräftige, quantitative Indikatoren möglichst präzise die Lebenssituation und das Versorgungsniveau von Individuen erfassen wollte. In der weiteren Diskussion um den Begriff verstärkte sich die inhaltliche Fokussierung auf den Aspekt des vorhanden Spielraums, »den die äußeren Umstände dem Menschen für die Erfüllung der Grundanliegen bieten, die er bei unbehinderter und gründlicher Selbstbesinnung als bestimmend für den Sinn seines Lebens ansieht«, wie es Gerhard Weißer 1957 formuliert hat


Der deutsche Sozialstruktur- und Armutsforscher Wolfgang Voges fasst den »übereinstimmenden Kern« unterschiedlicher Lebenslagenkonzepte in der Literatur in den folgenden vier Punkten zusammen:

a) Lebenslagenansätze sind bezogen auf die verschiedenen strukturellen Ebenen der Gesellschaft als Mehrebenenmodelle angelegt.

b) Entgegen rein ökonomischen Ansätzen erheben sie den Anspruch der Multidimensionalität.

c) Lebenslagen stehen damit auch quer zu den Auseinandersetzungen um objektive versus subjektive oder materielle versus immaterielle Dimensionen von Unter- oder Überversorgung.

d) Schließlich können Lebenslagen nicht einfach in Ursache-Wirkungs-Relationen beschrieben werden. Vielmehr sind Lebenslagen sowohl die Ursache eines bestimmten Ausmaßes an gesellschaftlicher Teilhabe, als auch die Wirkung [...]« (Voges 2002: 263


Die folgenden Dimensionen der Lebenslage werden behandelt:

● Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit (insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit),

● Einkommen, Vermögen, Überschuldung, Armutsrisiken und Bezug von Leistungen aus dem Mindestsicherungssystem,

● Bildung,

● Versorgung mit Wohnraum und Wohnsituation,

● gesundheitliche Situation und Pflegebedürftigkeit,

● politische und gesellschaftliche Partizipation.

Haushalts-/persönliches Brutto- und Nettoeinkommen

Man unterscheidet zwischen dem persönlichen Einkommen einzelner Individuen und dem Haushaltseinkommen. Das persönliche Bruttoeinkommen ergibt sich aus der Summe aller Beträge, die ein Individuum aus den genannten Einkommensquellen erwirtschaftet oder erhalten hat. Das persönliche Nettoeinkommen wird berechnet, indem die direkten Steuern und Sozialbeiträge, die jemand gezahlt hat, abgezogen werden. Das Haushaltsbruttoeinkommen ist demgemäß die Summe der Bruttoeinkommen aller Haushaltsmitglieder zuzüglich aller weiteren an den Haushalt als ganzen – und nicht an die einzelnen Haushaltsmitglieder – adressierten Zahlungen und Erträge, wie das Kindergeld oder Wohnungsbeihilfen. Zu den Einnahmen aus Vermögen wird zudem »(nach internationalen Konventionen) eine so genannte unterstellte Eigentümermiete« eingerechnet (Statisches Bundesamt 2018b: 7). Nach Abzug der direkten Steuern, der Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung sowie regelmäßiger privater Transferzahlungen erhält man das Haushaltsnettoeinkommen. Gegebenenfalls werden Zuschüsse von Arbeitgebern oder Rentenversicherungsträgern zur freiwilligen oder privaten Krankenversicherung hinzugerechnet (vgl. Statisches Bundesamt/ WZB 2018: 196). In den laufenden Wirtschaftsrechnungen des Statistischen Bundesamtes werden auch »ausgabefähige Einkommen und Einnahmen privater Haushalte« (auch: verfügbares Einkommen) veröffentlicht. Zusätzlich zum Haushaltsnettoeinkommen sind darin »Einnahmen aus dem Verkauf von Waren (z.B. Verkauf von Gebrauchtwagen) sowie die sonstigen Einnahmen (z.B. Einnahmen aus der Einlösung von Leergut und Flaschenpfand, Energiekostenrückerstattung, Einnahmen aus Spesen)« enthalten

Nettoäquivalenzeinkommen, bedarfsgewichtetes Haushaltsnettoeinkommen



Das Nettoäquivalenzeinkommen ist ein Maß für das verfügbare Einkommen einer Person oder eines Haushalts, das berücksichtigt, wie groß der Haushalt ist und wie viele Personen davon leben. Es berücksichtigt also nicht nur das Gesamteinkommen eines Haushalts, sondern teilt dieses Einkommen durch eine sogenannte Äquivalenzskala, um Unterschiede in der Haushaltsgröße und -zusammensetzung auszugleichen. Das Nettoäquivalenzeinkommen ermöglicht es, die Einkommen verschiedener Haushalte besser zu vergleichen und die Armut in einer Gesellschaft genauer zu messen.

Das Nettoäquivalenzeinkommen oder bedarfsgewichtete Haushaltsnettoeinkommen stellt eine Form des bedarfsgewichteten Pro-Kopf-Einkommens von Haushalten dar. Das Haushaltsnettoeinkommen wird dabei nicht einfach durch die Zahl der Haushaltsmitglieder geteilt, weil Einspareffekte in Mehrpersonenhaushalten und der unterschiedliche Bedarf von Kindern und Erwachsenen berücksichtigt werden sollen. Die Haushaltsmitglieder erhalten ein Bedarfsgewicht, das auf unterschiedliche Weise festgelegt wird:

● Alte OECD-Skala: Die erste erwachsene Person im Haushalt geht mit dem Gewicht 1, weitere Erwachsene mit dem Gewicht 0,7 und Kinder unter 16 Jahren dem Gewicht von 0,5 in die gewichtete Haushaltsgröße ein.

● Neue (modifizierte) OECD-Skala: Die erste erwachsene Person im Haushalt geht mit dem Gewicht 1, weitere Erwachsene mit dem Gewicht 0,5 und Kinder unter 14 Jahren mit dem Gewicht von 0,3 in die gewichtete Haushaltsgröße ein. Betrachten wir nun das Beispiel eines Haushalts mit zwei Erwachsenen und drei Kindern im Alter von drei, sieben und elf Jahren, der insgesamt über ein Haushaltsnettoeinkommen von 3000 Euro verfügt. Das Nettoäquivalenzeinkommen wird dann wie folgt berechnet. Berechnung nach der alten OECD-Skala: 3000 Euro = 3000 Euro = 937,50 Euro 1 + 0,7 + 3 0,5 3,2 Berechnung nach der neuen OECD-Skala: 3000 Euro = 3000 Euro = 1 250 Euro 1 + 0,5 + 3 0,3 2,4 Man kann diese Werte so interpretieren: Wenn ein Einpersonenhaushalt über 937,50 bzw. 1250 Euro verfügt, erreicht er einen vergleichbaren Lebensstandard, wie der Fünfpersonenhaushalt bei einem Haushaltsnettoeinkommen von 3000 Euro. Das zu einem Einpersonenhaushalt äquivalente Pro-Kopf-Einkommen ohne Berücksichtigung von Bedarfsgewichten betrüge nur 600 Euro.


Berechnung allgemein wie folgt:


  • Schritt 1: Bestimmung des verfügbaren Einkommens eines Haushalts, einschließlich aller Einkommensquellen wie Gehälter, Sozialleistungen und andere Einkünfte.

  • Schritt 2: Anpassung dieses Gesamteinkommens an die Haushaltsgröße und -zusammensetzung mithilfe einer Äquivalenzskala. Diese Skala berücksichtigt die Tatsache, dass größere Haushalte mehr Ressourcen benötigen als kleinere Haushalte, und teilt das Gesamteinkommen entsprechend auf.

  • Schritt 3: Berechnung des Durchschnitts oder Medians der so angepassten Einkommen für die Gesamtbevölkerung.


Messung der Einkommensungleichheit

(P10)Messung der Einkommensungleichheit Einkommensungleichheit lässt sich auf unterschiedliche Weise darstellen. Wir nennen drei Verfahren, die auf verschiedene Arten von Einkommen anwendbar sind:

1. Die Verteilung des Einkommens in der Bevölkerung nach Einkommensgrößenklassen;

2. Einkommensanteile von Einkommenssegmenten (Quintile, Dezile) einer Bevölkerung (Statistisches Bundesamt 2018c: 7, 13) Einkommensquintile: die ersten (ärmsten), zweiten, dritten, vierten und fünften (reichsten) Fünftel der nach dem Einkommen geordneten Bevölkerungsmitglieder; Einkommensdezile: die ersten (ärmsten), zweiten, ...., zehnten (reichsten) Zehntel der nach dem Einkommen geordneten Bevölkerungsmitglieder; Quintilsverhältnis oder S80/S20-Rate: das Verhältnis der Einkommensanteile des obersten und des untersten Einkommensquintils zueinander;

3. Perzentilsverhältnisse einer Einkommensverteilung:

Das x-te Perzentil Px einer Einkommensverteilung ist der Einkommensbetrag, unterhalb dessen x Prozent der der nach dem Einkommen aufsteigend angeordneten Bevölkerungsmitglieder liegen. x kann ein ganzzahliger Wert zwischen 1 und 100 sein. Ist x=10, 20, 30... wird auch hier von Dezilen gesprochen – was sehr verwirrend sein kann. Das zehnte Perzentil P10 beispielsweise trennt die einkommensschwächsten 10 Prozent der Bevölkerung von den einkommensstärkeren 90 Prozent. P99 ist der Einkommensbetrag, den nur 1 Prozent der Bevölkerung übertreffen. Perzentilverhältnisse sind Quotienten aus Perzentilen der Einkommensverteilung. Das Perzentilverhältnis P90/P10 besagt etwa, um wieviel höher der Einkommensbetrag, der nur von den einkommensreichsten 10 Prozent der Bevölkerung übertroffen wird (P90), im Vergleich zum maximalen Einkommensbetrag, der in den einkommensärmsten 10 Prozent (P10) der Bevölkerung erreicht wird, ist. Das Perzentilverhältnis P90/P50 stellt den Einkommensbetrag, der nur von den einkommensreichsten 10 Prozent der Bevölkerung übertroffen wird, zum Einkommen in Beziehung, das die einkommenschwächere von der einkommensstärkeren Hälfte der Bevölkerung trennt.

4. Gini-Koeffizient: Der Gini-Koeffizient liegt zwischen 0 (keine Ungleichheit) und 1 (maximale Ungleichheit). Je größer der Koeffizient ist, umso ungleicher sind die Einkommen verteilt

Einkommensarmut


Definitionen von Einkommensarmut

1. Absolute Armut: »Personen gelten als »absolut arm«, wenn sie nicht genügend Mittel zum physischen Überleben haben. Die Grenze zur Armut wird hier dann überschritten, wenn die Versorgung unterhalb einer vorgegebenen Schwelle liegt (physisches Existenzminimum), d.h. wenn die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht ausreichen« (BMAS 2005: 6). In der Bundesrepublik Deutschland wird statt des physischen ein »soziokulturelles Existenzminimum« als Kriterium eingeführt, dessen Höhe im Sozialhilferecht festgelegt wird. Arm ist danach, wer über ein Einkommen verfügt, das den Mindestbedarf, der einer Person laut Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld II und Sozialgeld zusteht, unterschreitet

. 2. Relative Armut: Arm ist, dessen Nettoäquivalenzeinkommen einen bestimmten Anteil des durchschnittlichen Nettoäquivalenzeinkommens in der Bevölkerung unterschreitet. Heute wird meistens die folgende Spezifikation verwendet:

  • Das Einkommen beträgt weniger als 60 Prozent des Medians der Verteilung des Nettoäquivalenzeinkommens in der Bevölkerung (Armutsrisikoschwelle). Der Median bezeichnet den Wert des Nettoäquivalenzeinkommens, den 50 Prozent der Bevölkerung unter- bzw. überschreiten und ist gleich dem 50. Perzentil P50 der Einkommensverteilung. Der Anteil der in diesem Sinne armen Personen wird als Armutsrisiko- oder Armutsgefährdungsquote bezeichnet.

  • Berechnung der Armutsgefährdungsquote:

    • Schritt 1: Festlegung einer Armutsgrenze als Prozentsatz des Medianäquivalenzeinkommens. Zum Beispiel könnte die Armutsgrenze bei 60% des Medianäquivalenzeinkommens liegen.

    • Schritt 2: Identifizierung der Personen oder Haushalte, deren Nettoäquivalenzeinkommen unterhalb dieser Armutsgrenze liegt.

    • Schritt 3: Berechnung des Prozentsatzes dieser Personen oder Haushalte im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung.

    Früher übliche Spezifikationen sind:

  • Das Einkommen beträgt weniger als 50 Prozent des Durchschnitts des Nettoäquivalenzeinkommens in der Bevölkerung (Armut).

  • Das Einkommen beträgt weniger als 40 Prozent des Durchschnitts des Nettoäquivalenzeinkommens in der Bevölkerung (strenge Armut)


Macht und soziale Ungleichheit


Soziale Ungleichheit heißt bezogen auf die Machtdimension, in sozialen Strukturen mehr oder weniger Entscheidungsbefugnisse und sozialen Einfluss zu haben und eine mehr oder weniger hohe Position im Herrschaftsgefüge einer Gesellschaft zu bekleiden. Sie wird insofern als eine Ungleichheitsdimension betrachtet, als sich soziale oder sozialstrukturelle Positionen nach dem Grad des ihren Inhabern gegebenen Einflusses auf andere Akteure »ordnen« lassen


Soziale Ungleichheit heißt bezogen auf diese Dimension, in sozialen Beziehungsstrukturen mehr oder weniger Macht oder Autorität zu haben und eine bestimmte Position im Herrschaftsgefüge einer Gesellschaft zu bekleiden. Soziale Ungleichheit bedeutet hier Ungleichheit bezogen auf sozialen Einfluss sowie auf Kontroll- und Entscheidungsbefugnisse. Akteure, die aufgrund der mit ihren sozialen bzw. beruflichen Positionen verbundenen formalen Befugnisse und Einflussmöglichkeiten über ein besonders hohes Maß an Macht verfügen (Positionsansatz), werden zur gesellschaftlichen Elite gezählt (Macht- und Funktionseliten). Sie bekleiden in der Regel Spitzenpositionen innerhalb korporativer Akteure verschiedenster Art und besitzen daher weitreichende Entscheidungsbefugnisse in den Bereichen der funktional differenzierten Gesellschaft wie Politik, Verwaltung, Justiz, Militär, Wirtschaft, Öffentlichkeit (ausführlich dazu Geißler 2014: 131ff.; Hartmann 2008). Bezogen auf die Machtposition, die man qua Beruf in einer Hierarchie beruflicher Positionen in einer Arbeitsorganisation bekleidet, spricht man auch vom Berufsstatus oder beruflichen Status eines Akteurs

Soziales Prestige und soziale Ungleichheit


Soziale Ungleichheit ist gemäß der Dimension des sozialen Prestiges durch mehr oder weniger soziale Wertschätzung seitens der anderen Mitglieder der Gesellschaft gekennzeichnet. Sie wird insofern als eine Ungleichheitsdimension betrachtet, als sich soziale oder sozialstrukturelle Positionen nach dem Grad des ihren Inhabern gewährten sozialen Ansehens »ordnen« lassen. Soziales Prestige ist mit sozialer Distinktion verbunden; diese äußert sich in einer auf gegenseitiger sozialer Wertschätzung und Anerkennung beruhenden Ab- und Ausgrenzung sozialstruktureller Gruppen in der Gesellschaft und wird durch Statussymbole signalisiert.


Das soziale Prestige ist die soziale Wertschätzung, die jemand durch andere Menschen in einer Gesellschaft erfährt. In der Bevölkerung werden sozialstrukturelle Positionen (und darüber ihre Inhaber) gewissermaßen in eine bestimmte Rangordnung gebracht, die den Grad der sozialen Wertschätzung, die man mit einer solchen Position verbindet, ausdrückt. Im Allgemeinen bezieht sich die Prestige-Analyse auf den Beruf. Das soziale Prestige stellt eine symbolische Dimension sozialer Ungleichheit dar (Hradil 2001: 275). Es basiert auf sozialen Zuschreibungen, die Akteure sozialstrukturellen Positionen (bzw. deren Trägern) aufgrund damit verbundener Merkmale oder Verhaltensmustern zuweisen. Das Prestige ist in der Regel nicht an konkrete Personen gebunden, sondern haftet sozialstrukturellen Positionen, wie einem bestimmten Beruf, an. Es gibt zahlreiche Faktoren, die die soziale Wertschätzung einer sozialstrukturellen Position in einer Gesellschaft beeinflussen. Dazu gehören das Ausmaß wirtschaftlich relevanter Kapitalien, über das jemand verfügt, sowie die mit einer sozialstrukturellen Position verbundenen Einkommensmöglichkeiten und die dafür erforderlichen Qualifikationen. Auch spielt eine Rolle, für wie wichtig diese Position mit Blick auf das Funktionieren einer Gesellschaft gehalten und welcher Einfluss Inhabern dieser Position zugemessen wird.


Soziales Prestige ist eng mit dem Phänomen der sozialen Distinktion verbunden; sie äußert sich in einer auf gegenseitiger sozialer Wertschätzung und Anerkennung beruhenden Ab- und Ausgrenzung sozialstruktureller Gruppen in der Gesellschaft. Wir sprechen von Prestigegruppen (vgl. die Stände bei Weber, → Kapitel 5.4). Ihre Mitglieder zeichnen sich durch eine vergleichsweise hohe Ähnlichkeit in ihrem Denken, ihren Einstellungen und ihren kulturellen Vorlieben und Praktiken aus. Eine vertikale Ordnung von Prestigegruppen ist dabei weniger von Belang, die Abgrenzung ist das Entscheidende. Distinktion verlangt Statussymbole. Hradil definiert sie als »äußerlich erkennbare Gegebenheiten, die den Prestigestatus eines Menschen anzeigen« (Hradil 2001: 292 f.). Statussymbole haben einen Exklusivcharakter für bestimmte Statusgruppen, sollen also nur für sie erreichbar sein, sei es aus ökonomischen, institutionellen oder anderen Gründen. Hradil nennt als Beispiele Rangabzeichen, Wohngegenden, Haustypen und Wohnungseinrichtungen, Konsumgüter, Ernährungsstile, Lokalitäte

Determinanten sozialer Ungleichheit


Individuell zurechenbare Umstände und sozialstrukturelle Merkmale, welche die Chancen beeinflussen, bestimmte Statuspositionen in den Dimensionen sozialer Ungleichheit zu erreichen, und die selbst keine Ungleichheitsmerkmale (Dimensionen sozialer Ungleichheit) sind.


Determinanten sozialer Ungleichheit sind Merkmale, die ursächlich dafür sind, welche Statuspositionen in einzelnen Dimensionen sozialer Ungleichheit erreicht werden, die jedoch selbst keine Ungleichheitsmerkmale sind. Wir haben in Kapitel 5.1 erläutert, dass sie von einigen Autoren auch als Aspekte sozialer Ungleichheit angesehen und als Merkmale horizontaler Ungleichheit (vgl. zum Beispiel Kreckel 1997; Hradil 1987) begriffen werden. Bezogen auf die Dimensionen sozialer Ungleichheit spricht man dann abgrenzend von vertikaler sozialer Ungleichheit


Wie für Dimensionen sozialer Ungleichheit gilt aber auch für die Determinanten, dass sie erworben oder zugeschrieben (askriptiv) sein können. So gehören der Beruf oder die Lebensform heute – anders als in vormodernen Zeiten – eher zu den erworbenen sozialstrukturellen Merkmalen. Das Geschlecht oder die ethnische Zugehörigkeit sind in der Regel zugeschriebene Merkmale, an denen man nichts oder nur in seltenen Fällen etwas ändern kann oder ändert.

Als zentrale Determinanten sozialer Ungleichheit bezeichnen wir jene sozialstrukturellen Merkmale, die auf vielfältige Weise einen theoretisch begründbaren Einfluss auf Dimensionen sozialer Ungleichheit haben. Hierzu gehören:

● der Beruf,

● das Geschlecht,

● das Alter (auch als Geburtsjahrgang oder Kohorte bezeichnet),

● die Wohnregion (insbesondere Stadt/Land- oder speziell in Deutschland Ost/West-Unterschiede),

● die Familienverhältnisse oder die Lebensform,

● die ethnische Zugehörigkeit, Staatsangehörigkeit und »Migrationshintergrund«.

Wirkungszusammenhänge zwischen den Dimensionen sozialer Ungleichheit


Die verschiedenen Handlungsbedingungen sozialer Ungleichheit können sich gegenseitig auf unterschiedliche Weise beeinflussen:

● Verschiedene Ungleichheitsdimensionen verstärken sich gegenseitig (Komplementaritäts- oder Matthäus-Prinzip). Nach dem Komplementaritäts- oder Matthäus-Prinzip fördern die Vorteile bzw. behindern die Nachteile in Bezug auf eine Ungleichheitsdimension die Verbesserung von Statuspositionen in Bezug auf diese und andere Ungleichheitsdimensionen. Wenn das Komplementaritäts- oder Matthäus-Prinzip wirksam ist, werden die Reichen immer reicher und auch in Bezug auf andere Dimensionen sozialer Ungleichheit privilegierter. Die Armen werden immer ärmer und bezogen auf andere Dimensionen sozialer Ungleichheit zunehmend deprivierter


● Eine Ungleichheitsdimension beeinflusst alle anderen Dimensionen (Dominanzprinzip). So kann man etwa annehmen, dass Bildung und Wissen heute immer entscheidender dafür ist, welche Handlungschancen man bezogen auf die wohlfahrtsstaatlichen, sozialen und emanzipatorischen Lebensziele erreichen kann


● Nachteile in einer Ungleichheitsdimension werden durch Vorteile in anderen Dimensionen ausgeglichen (Kompensations- oder Substitutionsprinzip).

Nach dem Kompensations- oder Substitutionsprinzip können Beschränkungen im Hinblick auf eine Ungleichheitsdimension durch Vorteile in einer anderen Dimension kompensiert werden. Fehlende Mittel, die für die Realisierung bestimmter Lebensziele notwendig sind, werden durch andere ersetzt. Eine hohe Arbeitsplatzunsicherheit oder schlechte Arbeitsbedingungen können zum Beispiel durch eine gute Bezahlung erträglich gemacht werden

Systematik zu Prinzipien der Strukturierung sozialer Ungleichheit


Prinzip der stratifikatorischen Differenzierung

Es begründet eine Gliederung der Bevölkerung in vertikal übereinander gelagerte Schichten aufgrund durch Tradition festgelegter Regeln sozialer Ordnung. Nach dem Prinzip der stratifikatorischen Differenzierung ist die Gesellschaft gemäß einer durch Tradition begründeten, von allen Gesellschaftsmitgliedern akzeptierten sozialen Ordnung in voneinander streng abgeschlossene soziale Schichten gegliedert. Diese stehen in der Regel in einer hierarchischen Beziehung zueinander. Die Mitglieder der einzelnen Schichten sind qua Geburt mit einem unterschiedlichen Maß an Machtbefugnissen, Ressourcen und sozialer Wertschätzung ausgestattet, die von einer Generation an die nächste weitergeben werden. Wechsel zwischen den Schichten sind nahezu ausgeschlossen

Dominanzprinzip sozialer Ungleichheit

Es begründet eine Gliederung der Bevölkerung in vertikal übereinander gelagerte Schichten bei Geltung des Dominanzprinzips

Nach dem Prinzip eines dominanten Kriteriums wird die Schichtung der Bevölkerung durch eine bestimmte (theoretisch begründete) Dimension sozialer Ungleichheit determiniert. Der Status in Bezug auf alle anderen ungleichheitsrelevanten Merkmale ist durch den Status in dieser dominanten Dimension zwingend bestimmt


-Kongruenzprinzip sozialer Ungleichheit

Es begründet eine Gliederung der Bevölkerung in vertikal übereinander gelagerte Schichten gemäß statuskonsistenten Lebenslagen, bei Geltung des Komplementaritäts- oder Matthäus-Prinzips.

In Abschwächung des Dominanzprinzips konstituiert sich eine soziale Schichtung gemäß dem Kongruenzprinzip sozialer Ungleichheit nur noch durch beobachtbare statuskonsistente Lebenslagen, also dadurch, dass in der Bevölkerung ein hoher Zusammenhang zwischen den Statuspositionen in den einzelnen Dimensionen sozialer Ungleichheit gegeben ist. Nach Blau herrscht demnach eine starke Kongruenz der sozialstrukturellen Gruppen im Hinblick auf die ungleichheitsrelevanten Merkmale vor. Akteure sind in ähnlicher Weise mit einem bestimmten Niveau an Macht, Ressourcen, sozialem Ansehen oder anderen Dimensionen sozialer Ungleichheit ausgestattet

Milieuprinzip sozialer Ungleichheit

Es begründet eine Gliederung der Bevölkerung in Teilgruppen mit typischen Profilen von Statuspositionen und subjektiven Mentalitäten, bei Geltung des Komplementaritäts- oder Matthäus-Prinzips sowie des Kompensations- bzw. Substitutionsprinzips.

Nach dem Milieuprinzip sozialer Ungleichheit werden homogene Teilgruppen mit typischen Profilen von Lebenslagen und Mentalitäten identifiziert. Die Lebenslagen sind grundsätzlich nicht mehr durch das Prinzip der Statuskonsistenz bestimmt. Einzelne Dimensionen sozialer Ungleichheit können in einer Kompensations- oder Substitutionsbeziehung zueinanderstehen

Stände nach Weber


Soziale Gruppierung, die durch gegenseitige Hochachtung, Wertschätzung und Privilegierung ihrer Mitglieder untereinander gekennzeichnet ist

Bei Weber ist die Klassenlage nicht das einzige wichtige Konstrukt sozialer Gruppierungen. Er führt auch den Begriff des Standes ein, der stark mit der Ungleichheitsdimension des »Prestige« korrespondiert. »›Ständische Lage‹ soll heißen eine typisch wirksam in Anspruch genommene positive oder negative Privilegierung in der sozialen Schätzung begründet auf:

a) Lebensführungsart [...],

b) formale Erziehungsweise [...],

c) Abstammungsprestige oder Berufsprestige [...],

d) ständischen Konventionen (›Traditionen‹) anderer Art«

Nach Weber kann die ständische Lage auf einer Klassenlage bestimmter oder mehrdeutiger Art beruhen, sie ist aber nicht durch sie alleine bestimmt. Sein Beispiel: »Die Klassenlage eines Offiziers, Beamten, Studenten, bestimmt durch sein Vermögen, kann ungemein verschieden sein, ohne die ständische Lage zu differenzieren, da die Art der durch Erziehung geschaffenen Lebensführung in den ständisch entscheidenden Punkten die gleiche ist«


Weber versteht Stände also als Gruppierungen von Menschen, »die auf Grund gemeinsamer Eigenschaften sowie charakteristischer Gemeinsamkeiten des Denkens und Handelns eine spezifische positive oder negative Einschätzung erfahren« (Bolte/Hradil 1988: 44). Mit der Idee, dass den Mitgliedern eines Standes ein »typischer« Lebensstil gemeinsam ist, nimmt Weber gewissermaßen eine lebensstiltheoretische Ergänzung vor

Lebensstil


Spezifisches und als solches identifizierbares Muster alltäglich wiederkehrender Verhaltens-, Äußerungs- und Interaktionsweisen von Akteuren, in denen sich – bewusst oder unbewusst stilisiert – bestimmte, milieu- oder lebensphasentypische Formen des Denkens, Wissens und Beurteilens ausdrücken


Ein zusätzliches Analysekonzept, das die expressionistischen Elemente der Lebensführung, d.h. Verhaltensweisen und Gewohnheiten von individuellen Akteuren, erfassen soll, ist der Begriff des Lebensstils. Der Grundgedanke ist, dass die vom Milieukonzept identifizierten ähnlichen Lebensbedingungen und -einstellungen sich in ähnlichem Geschmack, vergleichbaren Konsumgewohnheiten oder gleichartigem Freizeitverhalten niederschlagen. Bei Hradil (2001: 46) ist der Lebensstil der »regelmäßig wiederkehrende Gesamtzusammenhang der Verhaltensweisen, Interaktionen, Meinungen, Wissensbestände und bewertenden Einstellungen eines Menschen«.


Lebensstile sind im Rahmen des Modells eines Systems sozialer Ungleichheit von Esser Teil der kulturellen Struktur einer Gesellschaft (Esser 1993). Sie können als Instrument der (Selbst-)Stilisierung und Vehikel sozialer Distinktion verstanden werden, das neben Merkmalen der Lebenslage und Wertorientierung auch Verhaltenskomponenten umfasst und dazu dienen kann, eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit zu signalisieren


Im Unterschied zu den stabilen, ein bestimmtes Milieu prägenden Wertehaltungen (z.B. eine materialistische oder eher postmaterialistische Orientierung) ist der Lebensstil der Menschen stärker von den sich im Lebenslauf ändernden Lebenszielen, dem Zeitgeist, Modeerscheinungen oder der sich ändernden Ressourcenausstattung abhängig, d.h.: Lebensstile verändern sich im Lebenslauf stärker als die in den Milieus verorteten Wertehaltungen

Soziale Mobilität


Veränderungen in der Ausprägung von sozialstrukturellen Merkmalen, also von sozialstrukturellen Positionen von Individuen. Dazu gehören Veränderungen des Wohnorts, der Lebensform, des Bildungsniveaus, des Berufs oder des Einkommens.

Typen sozialer Mobilität

1. Vertikale und horizontale Mobilität (Sorokin 1927): ● Vertikale Mobilität: soziale Mobilität bezüglich eines Ungleichheitsmerkmals, also die Veränderung einer Statusposition; die Verbesserung eines Status (z.B. höheres Qualifikationsniveau, höherer beruflicher Status, höheres Prestige) heißt Aufstiegsmobilität, eine Statusverschlechterung (z.B. Einkommens- oder Prestigeverlust) heißt Abstiegsmobilität.


Horizontale Mobilität: soziale Mobilität bezüglich eines Klassifikationsmerkmals; sie geht mit der Veränderung einer Zugehörigkeit zu einem nicht direkt ungleichheitsrelevanten Merkmal einher – allerdings kann vertikale Mobilität als Folge horizontaler Mobilität auftreten (etwa ein Berufs- oder Wohnortwechsel).

2. Intragenerationale und intergenerationale Mobilität (Weber 1972):

● Intragenerationale Mobilität: soziale Mobilität im Lebenslauf; unter Bezug auf berufliche Statusveränderungen sprechen wir auch von Karrieremobilität (z.B. der Aufstieg vom Hotelpagen zum Manager der Hotels).

● Intergenerationale Mobilität: soziale Mobilität in der Generationenfolge; dazu gehören Veränderungen von Statuspositionen im Vergleich zwischen Eltern und ihren Kindern (auch: Generationenmobilität). Hier wird vor allem Bildungs- und Berufsstatusmobilität betrachtet (z.B. ein Kind, dessen Eltern einen beruflichen Lehrabschluss haben, erreicht einen Hochschulabschluss)

Individuelle und kollektive soziale Mobilität (Geiger 1963, Bahrdt 1994)

● Individuelle soziale Mobilität: soziale Mobilität von Individuen, die auf ihrer individuellen Lebensplanung und -gestaltung beruht (z.B. ein aus individuellem Interesse vollzogener Berufswechsel).

● Kollektive soziale Mobilität: soziale Mobilität, die ganze sozialstrukturelle Gruppen, insbesondere Statusgruppen, etwa aufgrund wirtschaftlichen oder institutionellen Wandels erfahren (z.B. der Prestigeverlust eines ganzen Berufsstands, wie er etwa den Politikern nachgesagt wird).

4. Strukturmobilität und Zirkulationsmobilität (Yasuda 1964):

● Strukturmobilität: soziale Mobilität, die durch die Veränderung der Zahl besetzbarer sozialer bzw. sozialstruktureller Positionen einer bestimmten Art (z.B. durch Strukturwandel im Arbeitsmarkt) oder durch die Veränderung der Zahl der Individuen, die soziale bzw. sozialstrukturelle Positionen einer bestimmten Art nachfragen (z.B. wegen schwankender Absolventenzahlen in einem Ausbildungsberuf oder Studienfach), hervorgerufen wird.


● Zirkulationsmobilität: soziale Mobilität, die nicht strukturell erzwungen ist, sondern eine Umgruppierung von Akteuren in einem vorhandenen Pool von Positionen bedeutet und daher mit einem Austauschprozess einhergeht (z.B. die Stellenmobilität von Politikern oder Managern, die zum Teil Rotationscharakter zu haben scheint).


Bestimmungsfaktoren sozialer Mobilität


1. Die soziale Lage individueller Akteure (sozialstrukturelles Profil bzgl. der Determinanten und Dimensionen sozialer Ungleichheit).

Vertikale soziale Mobilität und ihre Richtung (aufwärts oder abwärts) ist also potenziell von erworbenen und zugeschriebenen sozialstrukturellen Positionen von Akteuren abhängig, so im Hinblick auf persönliche Eigenschaften, Besitz investitionsfähiger Ressourcen und Handlungsrechte oder die soziale Herkunft. Diese erlauben Akteuren in unterschiedlichem Maße, einen einmal erreichten Status zu verbessern und beeinflussen das Risiko, Statusverluste zu erleiden. Durch die Umverteilung von individuellen Ressourcen verändern sich die Chancen von Akteuren im Wettbewerb um erstrebenswerte Positionen und die Risiken, aus solchen Positionen verdrängt zu werden


2. Die institutionelle Struktur, insbesondere die Kontrollstruktur, einer Gesellschaft.

Die institutionelle Struktur, insbesondere die Kontrollstruktur, einer Gesellschaft beeinflusst die Rigidität und die Art von Statuszuweisungsprozessen, etwa in der Ausbildungs- und Berufsstruktur eines Landes. Damit gehen unterschiedlich hohe Mobilitätsbarrieren einher. Diese hängen davon ab, wie stark Bildungs- und Karrierechancen auf sozial offenen, meritokratischen Statuszuweisungsmechanismen beruhen



3. Quantitative und qualitative Veränderungen des Gefüges sozialer Positionen in einer Gesellschaft, insbesondere im Bildungssystem oder im Arbeitsmarkt.

Durch ökonomischen und sozialstrukturellen Wandel hervorgerufen können sie die Möglichkeiten für den Zugang zu bestimmten Statuspositionen erweitern oder verengen. So kann Strukturwandel in einem Sektor des Arbeitsmarkts zu einer Vergrößerung oder Verminderung des Angebots an Stellen auf verschiedenen Statusniveaus führen. Damit geht eine Veränderung der Zugangs- sowie Aufstiegs- und Abstiegschancen in dem betroffenen Sektor einher.

4. Veränderungen der Nachfrage nach Statuspositionen.

Ein wesentlicher Faktor ist hier die Größe der nachwachsenden Generationen. Mitglieder größerer Geburtsjahrgänge konkurrieren stärker um eine vorhandene Zahl sozialer Positionen, die mit einem mehr oder weniger hohen sozialen Status verbunden sind. Die zahlenmäßig großen Geburtsjahrgänge haben daher mit Nachteilen zu rechnen




Das erste Faktorenbündel bezieht sich auf die Mikroebene der individuellen Lebensläufe. Die weiteren drei Faktorenbündel nehmen Bezug auf Aspekte der strukturgegebenen Handlungsbedingungen von Akteuren (also auf die Opportunitäten und Restriktionen auf der Makroebene).

Intergenerationale soziale Mobilität: Die Mobilitätsmatrix


Intergenerationale Mobilität zwischen Statusgruppen bezogen auf ein Un - gleichheitsmerkmal kann aus zwei Perspektiven betrachtet werden:

● Abstromprozente: Statusgruppenverteilung der Nachkommen von Eltern, die einer bestimmten Statusgruppe angehören (beispielsweise die auf Klassen bezogene Verteilung der Söhne, deren Väter einer bestimmten Klasse angehören). Abstromprozente indizieren den Vererbungsgrad von Statuspositionen von einer Generation zu anderen (z.B. Berufsstatus, Klassenstatus): Wie viel Prozent verlassen die Klasse der Eltern? Wie viel Prozent der Kinder verbleiben in der Klasse der Eltern?

● Zustromprozente: Verteilung der Angehörigen einer bestimmten Statusgruppe nach der Statusgruppe ihrer Eltern (beispielsweise die Verteilung der Söhne in einer Klasse im Hinblick auf die Klassenzugehörigkeit ihrer Väter). Zustromprozente indizieren den Grad der Selbstrekrutierung bzw. der Offenheit (Wie viel Prozent der Angehörigen einer bestimmten Statusgruppe entstammen einer anderen Statusgruppe?) oder Geschlossenheit von Statusgruppen (Wie viel Prozent der Angehörigen einer bestimmten Statusgruppe entstammen derselben Statusgruppe?). Von der sozialen Schließung einer Statusgruppe spricht man, wenn diese sich weitgehend aus sich selbst heraus rekrutiert und daher Angehörigen anderer Statusgruppen verschlossen ist: Die Zustromprozente sind dann sehr hoch. In dem Maße, wie sie auch Angehörigen anderer Statusgruppen zugänglich wird, lässt sich eine soziale Öffnung feststellen.

Esping-Andersens Kriterien von Wohlfahrtsstaaten


In seinen stark beachteten Arbeiten unterscheidet der dänische Soziologe Gøsta Esping-Andersen (1990, 1999) verschiedene Typen von Wohlfahrtsstaaten. Diese unterscheiden sich darin, in welchem Ausmaß und mit welchen Mitteln die genannten Institutionen – Staat, Markt und Familie – dazu beitragen, die Wohlfahrt der Menschen in einem Land zu sichern und zu vermehren und wie sie damit auf soziale Beziehungsstrukturen und das Gefüge sozialer Ungleichheit in Gesellschaften Einfluss nehmen


Das erste Kriterium besagt, wie stark die Wohlfahrt der Bürger von ihrem individuellen Erfolg im Arbeitsmarkt und Einkommenserwerb abhängig ist oder inwieweit diese durch Unterstützungsleistungen, Anrechte und Regelungen staatlicher Sozialpolitik gewährleistet wird. Esping-Andersen spricht diesbezüglich von dem Grad der »Dekommodifizierung«


Ein zweites Kriterium beinhaltet den Einfluss der wohlfahrtsstaatlichen Sozialpolitik auf die soziale Ungleichheit unter den Bürgern eines Landes – in den Worten Esping Andersens das Ausmaß der sozialen Stratifizierung der Bevölkerung. Die Verbesserung der Bildungschancen der Menschen unabhängig von Geschlecht und Herkunft oder Maßnahmen zur Verminderung von Einkommensunterschieden durch eine entsprechende Steuergesetzgebung, können die soziale Ungleichheit in der Bevölkerung verringern. Allerdings mildern Sozialleistungen des Staates bestehende Ungleichheiten nicht immer ab. Sie können sie auch, je nach Ausgestaltung, erhalten oder gar vergrößern.

Das dritte und letzte Kriterium nach Esping-Andersen besagt, wie groß die relative Bedeutung der drei Basisinstitutionen Staat, Markt und Familie für die Herstellung und Sicherung der Wohlfahrt der Bürger ist. So kann die soziale Sicherung der Bürger vor allem als eine Angelegenheit der Familie betrachtet oder als vorrangig staatliche Aufgabe gesehen werden.



Esping-Andersens Typen von Wohlfahrtsstaaten


Deutschland zählt nach dieser Typologie zu den sogenannten korporatistisch-konservativen Wohlfahrtsstaaten. Diese sind durch ein ausgebautes System eines staatlich organisierten Sozialversicherungswesens charakterisiert (Bismarck-Modell), das durch Zwangsmitgliedschaft gekennzeichnet und in verschiedene Zweige gegliedert ist. Versorgungsansprüche an die Versicherung werden grundsätzlich durch Erwerbsarbeit erworben, was eine Markt- und Statusabhängigkeit sozialer Sicherung impliziert.

Der Staat greift in der Regel erst dann mit seinen Leistungen ein, wenn das Selbsthilfepotenzial der Familien oder Haushaltsgemeinschaften nicht ausreicht (Subsidiaritätsprinzip). Durch die starke Ankopplung an den mehr oder weniger großen Erfolg der Menschen im Arbeitsmarkt und die Bedeutung der Leistungsfähigkeit der Familien bleiben die Strukturen sozialer Ungleichheit relativ stabil, Umverteilungsprozesse sind eher gering ausgeprägt. Esping-Andersen nennt zwei weitere Typen von Wohlfahrtsstaaten:

In liberalen wohlfahrtsstaatlichen Regimen – dazu gehören etwa die USA oder England – wird eine Risikoabsicherung durch steuerlich finanzierte Sozialleistungen in Sinne einer Fürsorge auf der Grundlage strenger Bedürftigkeitsprüfungen gewährt (Beveridge-Modell). Die von den Bürgern zu tragende Steuerlast bleibt moderat, da die sozialpolitischen Leistungen eher niedrig ausfallen. Die soziale Sicherung ist daher auch stark an familiäre Unterstützungsleistungen sowie an den individuellen Erfolg im Arbeitsmarkt gekoppelt, ohne dass sich daraus staatlich geregelte Ansprüche auf spätere Leistungen in Zeiten der Bedürftigkeit und im Alter ableiten würden. Statussicherung und Vorsorge sind vor allem eine private Angelegenheit. Es herrscht daher eine relativ hohe soziale Ungleichheit.


In sozialdemokratischen wohlfahrtsstaatlichen Regimen wie in Schweden oder Norwegen ist eine durch Steuern finanzierte, universelle soziale Sicherung der Staatsbürger die Grundlage des sozialpolitischen Systems. Es gibt weitreichende Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer, zur Herstellung von Bildungsgerechtigkeit und zur Sicherung der gesundheitlichen Versorgung. Soziale Absicherung und das Ziel der Chancengleichheit – unabhängig von Familie und Markt – genießen einen hohen Stellenwert. Die Dekommodifizierung und der soziale Ausgleich sind hier also weit vorangeschritten. Das wird allerdings auf Kosten hoher Steuern erreicht

Kräftefeldmodell von Kreckel


Ein anschauliches Modell, das eher die Beziehung gesellschaftlicher Institutionen zueinander und Ihre Einflussmöglichkeiten auf soziale Ungleichheit illustriert, präsentiert Reinhard Kreckel. In seiner Theorie skizziert er ein Ungleichheit begründendes »Kräftefeld«, das durch verschiedene Typen von Akteuren bestimmt ist, die in unterschiedlichem Maße Einfluss auf die Ungleichheitsstrukturen der Gesellschaft haben bzw. unterschiedlich stark in den Kampf um die Verteilung von Mitteln zur Realisierung von Lebenszielen eingreifen können. Die Hierarchie der Kreise entspricht dem unterschiedlichen Grad der »Konfliktfähigkeit« der jeweils beteiligten Akteure, womit unterschiedlich weitreichendes Einfluss- und Durchsetzungspotenzial verbunden ist.


Im Zentrum des Kräftefelds sieht Kreckel die korporativen Akteure, die den Faktoren Lohnarbeit und Kapital sowie dem Staat zuzuordnen sind (»korporatistisches Dreieck«, Kreckel 1997: 161ff.). Dazu gehören die Gewerkschaften, die Arbeitgeberverbände und Großunternehmen, denen eine zentrale Machtposition im ungleichheitsrelevanten Konflikt zwischen Kapital und Arbeit zukommt, sowie die staatlichen Regulierungs- und Kontrollinstitutionen in der Legislative, Exekutive und Judikative.

Direkt um das Zentrum herum gruppieren sich weitere, »spezialisierte Interessenorganisationen, die von Fall zu Fall aktiv werden« (Verbände, Lobbyisten), die Belange bestimmter Bevölkerungsgruppen wahrnehmen und, zum Teil auch gesetzlich garantiert, indirekt auf Entscheidungen der Institutionen des »korporatistisches Dreiecks« einwirken können (z.B. Kinderschutzbund, Verbraucherverbände, ADAC u. a.).

Um diese Akteure wiederum gruppieren sich »soziale Bewegungen«, die sich interessen- und themenspezifisch gesellschaftlich engagieren (etwa der WWF).

Den äußeren Kreis des Kräftefelds bildet die »sozial strukturierte« Bevölkerung, die in der einen oder anderen Form – zumeist nur indirekt über die korporativen Akteure, in denen sie organisiert ist – mit ihren Anliegen und Interessen in die inneren Kreise des Kräftefelds hineinwirken kann (z.B. Bürgerinitiativen).

Die quer zu den konzentrischen Kreisen liegenden politischen Parteien fungieren als »institutionelle Vermittlungsinstanzen«. Sie sind im Zentrum des Kräftefeldes Träger von Entscheidungsmacht, zum anderen gewinnen sie ihre Legitimationsbasis durch eine möglichst gute Verankerung in der Bevölkerung und der in ihr gegebenen, ungleichheitsrelevanten Interessenstruktur

Wirtschaftsordnung und Wirtschaftssystem


Die Wirtschaftsordnung beinhaltet die Gesetze, Normen und Institutionen, denen das wirtschaftliche Handeln in einer Gesellschaft unterworfen ist. Sie stellt einen wichtigen Teil der gesellschaftlichen Ordnung insgesamt dar und regelt die Herstellung, Verteilung und den Konsum von (knappen) Gütern und Dienstleistungen sowie die Formen wirtschaftspolitischer Intervention und Steuerung.

Die wesentlichen Strukturelemente der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik sind, wie Bernhard Schäfers zusammenfasst: 1. Eigentum, Wettbewerb und Marktordnung;

In der Bundesrepublik stellt das Privateigentum eine wesentliche Grundlage der marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaft dar. Es repräsentiert bekanntermaßen zugleich eine zentrale Dimension sozialer Ungleichheit und ist für die Spezifikation des Klassenbegriffs konstitutiv

Die Wettbewerbs- und Marktordnung verlangt ein auf den eigenen Vorteil bedachtes und dabei effizientes Wirtschaften seitens der beteiligten Akteure, d.h. zweckrationales Handeln und einen möglichst effektiven Umgang mit Ressourcen, um nicht vom Markt verdrängt zu werden. Aufgrund der Konkurrenz um Marktanteile oder attraktive berufliche Positionen herrscht daher sowohl aufseiten der Arbeitgeber als auch aufseiten der Arbeitnehmer die Logik nutzenorientierten Handelns vor; denn die auf einem freien Markt zu erzielenden Warenpreise und Entlohnungen richten sich nach dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage von Gütern und Dienstleistungen.


2. Arbeit und Arbeitsteilung.


Die Art und Ausgestaltung der Arbeitsteilung und deren beständiger Wandel haben unmittelbaren Einfluss auf Arbeitsbedingungen und Erwerbsrisiken sowie auf inter- und intragenerationale Mobilitätschancen und -erfordernisse (→ Kapitel 5.5). Die Arbeitsteilung trägt somit zu sozialer Ungleichheit bei: Im Arbeitsmarkt, so Reinhard Kreckel, fallen, bezogen auf die Lebenschancen der Menschen, die entscheidenden Würfel (Kreckel 1997: 185). Eine zunehmende Arbeitsteilung führt darüber hinaus zur Etablierung und Stabilisierung sozialer Austauschbeziehungen. Diese bilden einerseits einen wesentlichen Teil der sozialen Beziehungsstrukturen in der modernen Gesellschaft, andererseits hat ihre inhaltliche Ausgestaltung einen großen Einfluss auf die Verteilung ungleichheitsrelevanter Merkmale – insbesondere der sozialen Ungleichheitsdimensionen Macht und Prestige



Wirtschaftssystem wird ein durch charakteristische Merkmale bestimmter Idealtyp einer Wirtschaftsordnung genannt. Beispiele dafür sind die »Marktwirtschaft« und – als Gegenpol – die »Zentralverwaltungswirtschaft« oder Planwirtschaft



Niedriglohn


Das Arbeitsentgelt für eine Vollzeitbeschäftigung, das sich in der Nähe der Armutsgrenze bewegt und dem Lohnempfänger keine angemessene Existenzsicherung gewährleistet, wird Niedriglohn genannt. Auch tariflich geregelte Löhne können so niedrig sein, dass sie in den Niedriglohnsektor fallen. Nach der Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind im Niedriglohnsegment einer Beschäftigtengruppe jene Personen tätig, die weniger als zwei Drittel des Medians der statistischen Verteilung der Verdienste in der betrachteten Beschäftigtengruppe erreichen

Die Entwicklung im Niedriglohnbereich hat erhebliche Folgen für die soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft. Aus sozialstruktureller Sicht kann man argumentieren, dass sich Niedriglöhne in der Regel nur schwer mit dem meritokratischen Prinzip einer leistungsgerechten Entlohnung vereinbaren lassen. Niedriglöhne verstärken das Ausmaß sozialer Ungleichheit und gehen meist mit schlechten Arbeitsbedingungen und schlechter sozialer Absicherung im Falle von Arbeitslosigkeit und Krankheit einher. Sie tragen auch zu mangelhafter Alterssicherung bei. Weiterhin besteht im Allgemeinen kein Anspruch auf Weiterbildungsmaßnahmen. Schließlich ist das Risiko, trotz einer Erwerbsbeteiligung unterhalb der Armutsgrenze zu bleiben und/oder auf den Bezug von Arbeitslosengeld II nach dem SGB II (»Hartz IV«) angewiesen zu sein, groß

Konzepte der Erwerbstätigenstatistik


Basis der Erwerbsstatistiken in Deutschland sind die monatlichen Meldungen der regionalen Arbeitsagenturen der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen der Mikrozensus, eine jährlich vom Statistischen Bundesamt und den Statistischen Landesämtern durchgeführte Haushaltsbefragung , sowie eine gemäß den Vorgaben der International Labour Organisation (ILO) durchgeführte telefonische Bevölkerungsbefragung. Folgende Begriffe werden den Erfassungen zu einem Berichtszeitraum zugrunde gelegt:

● Erwerbstätige: Personen im erwerbsfähigen Alter (ab 15 Jahren), die gegen Entgelt oder im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit gearbeitet haben – unabhängig vom zeitlichen Umfang. Hierzu werden auch Personen gezählt, die ihre Erwerbstätigkeit vorübergehend nicht ausgeübt haben oder in einem Familienbetrieb mithelfend tätig gewesen sind (entsprechend ILO).


Erwerbslose: Personen im Alter von 15 bis 74 Jahren, die keiner Beschäftigung nachgegangen sind und in den letzten vier Wochen vor der Befragung aktiv eine Tätigkeit gesucht haben. Sie müssen ggf. innerhalb von zwei Wochen eine Tätigkeit aufnehmen können (entsprechend ILO).

● Arbeitslose: Personen, die nach sozialgesetzlichen Vorgaben amtlich als solche gemeldet sind und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen (Bundesagentur für Arbeit). Arbeitslose können geringfügig beschäftigt sein (weniger als 15 Stunden pro Woche).

● Erwerbspersonen: alle Erwerbstätigen und Erwerbslosen; sie sind Grundlage für die Berechnung der Erwerbsquoten.

● Nichterwerbspersonen sind entsprechend alle, die nicht erwerbstätig sind und nicht zu den Erwerbslosen zählen. Dazu gehören zum Beispiel noch in Schulausbildung oder Studium befindliche Personen oder auch Rentner.

● Stille Reserve: Nichterwerbspersonen, die grundsätzlich bereit und in der Lage sind, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, unter den gegebenen Lebensbedingungen aber nicht aktiv eine Beschäftigung suchen. Ein Beispiel sind Mütter, die zweitweise die Erwerbstätigkeit aufgegeben haben und dem Arbeitsmarkt erst wieder zu Verfügung stehen, wenn sie die Fürsorge für ihr Kind bzw. ihre Kinder mit einer Berufstätigkeit in befriedigender Weise vereinbaren können.

● Erwerbsquote: der prozentuale Anteil der Zahl der Erwerbspersonen in der Bevölkerung eines Landes oder in einem Teil dieser Bevölkerung (etwa unter den Männern) an der Zahl aller Mitglieder der Bevölkerung oder des Bevölkerungsteils.

● Erwerbstätigenquote: der prozentuale Anteil der Zahl der Erwerbstätigen in der Bevölkerung eines Landes oder in einem Teil dieser Bevölkerung an der Zahl aller Mitglieder der Bevölkerung oder des Bevölkerungsteils.

Wirtschaftssektoren


In Theorien gesellschaftlicher Entwicklung wird häufig eine einfache Differenzierung zwischen drei Wirtschaftssektoren gewählt und die Veränderung in deren Gewichtung betrachtet. Man unterscheidet mit dem französischen Ökonom Jean Fourastié (1969):

● den primären Sektor: Land- und Forstwirtschaft, Fischerei;

● den sekundären Sektor: das produzierende Gewerbe;

● den tertiären Sektor: alle Arten von Dienstleistungen mit den Bereichen Handel, Verkehr, Verwaltung. Die Bedeutung der drei Sektoren hat sich im Verlauf der letzten zwei Jahrhunderte stark verändert. Als Indikator für den Fortschritt auf dem Weg in die moderne oder fortgeschrittene Industriegesellschaft gilt nach Fourastié der starke Beschäftigungsrückgang im primären Sektor, damit einhergehend eine Ausweitung der Beschäftigungen zunächst im sekundären und dann immer mehr im tertiären Sektor



Die Beschäftigung in den drei (bzw. vier) Wirtschaftssektoren ist jeweils mit spezifisch ausgeprägten Ungleichheitsmerkmalen verbunden (etwa Einkommensmöglichkeiten, Arbeitsbedingungen). Veränderungen bei der Arbeitsproduktivität bzw. den Beschäftigungszahlen in den einzelnen Sektoren haben also einen direkten Effekt auf die Sozialstruktur eines Landes. Nach der »Drei-Sektoren-Hypothese« von Fourastié sollte die zunehmende Bedeutung des tertiären Sektors (»Dienstleistungsgesellschaft«) mit einem umfassenden Wandel der Arbeitsbedingungen und einem Wohlstandsanstieg einhergehen. Diese Erwartung ist zu relativieren. Die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft geht mit einem Strukturwandel in den Sektoren einher, der neue Anforderungen an die Beschäftigten mit sich bringt. Diese haben eine große Bedeutung für die Entwicklung der sozialen Ungleichheit. Aufgrund seiner wachsenden Bedeutung wird der Bereich »Information« inzwischen als eigener Sektor behandelt

Globalisierung


Allgemein meint Globalisierung den Prozess der zunehmenden Vernetzung von Staaten in nahezu allen Teilbereichen der Gesellschaft, kurz: »die [immer] engere Verflechtung von Ländern und Völkern der Welt« (Stiglitz 2002: 25; vgl. auch Stiglitz 2008).

● Sie ist umfassend, d.h. neben der oft primär betrachteten Ökonomie (Waren-, Finanz- und Arbeitsmärkte) sind auch die Bereiche der Sozialstruktur, Infrastruktur, Kultur und Politik involviert.

● Sie ist invasiv, d.h. sie verändert bestehende Strukturen und Orientierungen innerhalb einer Gesellschaft.

● Sie ist konfliktbehaftet, d.h. der notwendige Ausgleich zwischen den bestehenden und durch sie bedingten neuen Strukturen bzw. Anpassungserfordernisse verschiedenster Art stellen eine große gesellschaftliche Herausforderung dar.

● Sie voraussetzungsvoll, d.h. sie erfordert effiziente und kostengünstige Infrastrukturen (Kommunikations- und Transporttechnologien), politische Kooperation, kulturelle Offenheit und die Einrichtung internationaler Institutionen zur Förderung und Regulierung, aber auch zur Überwachung internationaler Kooperations- und Austauschbeziehungen


Vielfach wird der Globalisierung eine entscheidende Bedeutung für den Wandel der Arbeitsmärkte und die Entwicklung sozialer Ungleichheit zugebilligt. Blossfeld u. a. (2008) argumentieren, dass es durch die ökonomische Globalisierung zu einer deutlichen Veränderung der Arbeitsmarktstrukturen gekommen ist. Diese erfordern ein zunehmend flexibles Wirtschaften und bieten zunehmend geringe Sicherheiten. Wie die Autoren zeigen können, werden Berufseinsteiger, Arbeitslose und Frauen nach einer Erwerbsunterbrechung besonders benachteiligt. Die Globalisierung trägt insgesamt dazu bei, dass sich soziale Ungleichheit vergrößert.

Arbeitsmarktsegmentation


Konzept des dualen Arbeitsmarkts von Piore (1978): ● Im primären Arbeitsmarkt gibt es Tätigkeiten mit relativ guten Löhnen, guten Arbeitsbedingungen, Aufstiegschancen, Beschäftigungssicherheit, die Arbeitskräfte sind gut ausgebildet. Der primäre Arbeitsmarkt lässt sich grob noch einmal aufteilen:

● in ein oberes Segment mit relativ hoher beruflicher Mobilität (z.B. Manager);

● in ein unteres (Facharbeiter-)Segment mit relativ niedriger beruflicher Mobilität.

● Im sekundären Arbeitsmarkt sind die Tätigkeiten gering bezahlt, es gibt kaum Aufstiegschancen, die Beschäftigungsverhältnisse sind äußerst instabil, die Arbeitskräfte haben ein niedriges Qualifikationsniveau.

Konzept von Lutz und Sengenberger (Sengenberger 1987)

● Das unstrukturierte Segment oder der »Jedermannsarbeitsmarkt« entspricht dem sekundären Arbeitsmarkt bei Piore.

● Das (berufs-)fachliche Segment beinhaltet Arbeitskräfte, die über eine gute berufsspezifische, aber nicht betriebsspezifische Qualifikationen verfügen und eher zwischenbetrieblich mobil sind. Die Investitionen des Betriebs in die Ausbildung der Beschäftigten sind gering. Die berufsbezogene Mobilität ist eingeschränkt, die qualifikationsspezifische Mobilität ist innerhalb gewisser Grenzen möglich

● Das betriebsinterne Segment ist durch Positionen gekennzeichnet, die eng an den Betrieb gebunden sind. Die Qualifikation der Arbeitskräfte ist betriebsbezogen. Die Bindung zwischen Arbeitskräften und Betrieb ist daher hoch. Sie stellen den Prototyp eines internen Arbeitsmarkts dar, d.h., die Besetzung von Vakanzen wird eher betriebsintern über Aufstiege realisiert. Einsteiger von außen (externer Arbeitsmarkt) kommen nicht zum Zuge. Neue Arbeitskräfte von außen treten auf den unteren Qualifikationsstufen in den Betrieb ein (port of entry) und machen dann innerbetrieblich Karriere


Die Segmentierung des Arbeitsmarkts – bzw. der einzelnen Wirtschaftssektoren – trägt zur Verfestigung von Strukturen unterschiedlicher sozialer Positionen oder Karriereverläufe und damit zur Verfestigung sozialer Ungleichheit im Lebenslauf bei. Die verschiedenen Segmente gehen nicht nur mit unterschiedlichen Statuspositionen im Ungleichheitsgefüge (Einkommen, Arbeitsbedingungen) einher, sondern sie sind auch mit unterschiedlichen Aufstiegschancen verknüpft.

Das soziokulturelle Existenzminimum


-Das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum ist der Betrag, der zur Sicherung eines minimalen Lebensstandards in der Bundesrepublik Deutschland notwendig ist (Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens). Im Unterschied zum physischen Existenzminimum (zu welchem das steuerrechtliche und das schuldrechtliche Existenzminimum gehören) umfasst das soziokulturellen Existenzminimum ausdrücklich (in einem vertretbaren Umfang) auch die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft; und zwar insbesondere von Kindern und Jugendlichen. Es wird nach dem sogenannten Statistik-Modell berechnet.

-Der Betrag entspricht den durchschnittlichen Ausgaben des bezogen auf das Nettoeinkommen unteren Quintils der Einpersonenhaushalte (ohne Sozialhilfeempfänger), das auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe er - mittelt wird. Der Betrag wird jährlich angepasst. Das soziokulturelle Existenzminimum wurde laut dem 12. Existenzminimumbericht für das Jahr 2019 für eine alleinstehende erwachsene Person auf einen jährlichen Betrag von 9 168 Euro und für das Jahr 2020 auf den Betrag von 9408 Euro festgelegt. Auf diesen Betrag ist dann auch der Regelsatz für die Grundsicherungsleistungen der Sozialgesetzgebung (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Grundsicherung bei Alter und Erwerbsminderung) festgelegt worden (Sozialgesetzbuch II und XII). Für Kinder gelten die Beträge 4788 (2019) und 4788 (2020).

Wohlfahrtsstaat und soziale Ungleichheit


Der moderne Wohlfahrtsstaat beeinflusst das Ausmaß sozialer Ungleichheit, indem er

sich als Arbeitgeber betätigt;

● auf die sozioökonomische Entwicklung einer Gesellschaft Einfluss nimmt;

gesellschaftliche und soziale Konflikte reguliert;

sozialpolitische Maßnahmen zur sozialen Sicherheit und sozialen Gerechtigkeit einführt;

gesellschaftliche Partikularinteressen unterschiedlich gut befriedigt


-Nach neomarxistischen Theorien, wie der Theorie der »Disparität der Lebensbereiche« (Bergmann u. a. 1969, vgl. auch Hradil 2001: 84f.), sind auch die Eigeninteressen des Staates bzw. seiner Entscheidungsträger für staatliches Handeln bedeutsam. Dieses Faktum kann, so ist die These, eine verstärkende Wirkung auf soziale Ungleichheit haben. Staatliche Institutionen orientieren nach diesen Theorien ihr Planen und Handeln in erster Linie an Zielen wie wirtschaftliche Stabilität, Krisenvermeidung und politischer Machterhalt. So lässt sich beispielsweise argumentieren, dass der Wirtschaft und ihren Interessen eine besondere Bedeutung im politischen Entscheidungsprozess zukommt – auch qua Aktivität ihrer einflussreichen Lobbyverbände . Die Belange etwa der Kulturschaffenden oder gesellschaftlicher Randgruppen werden dagegen weniger stark beachtet. Die Folge ist, dass Bereiche wie Gesundheit und soziale Sicherung oder – heute zunehmend deutlich – Kultur und sogar Bildung tendenziell ökonomischen Zwängen untergeordnet werden.

-Diese Zwänge sind angesichts der zunehmenden Globalisierung und der wirkungsvollen Drohpotenziale einer international agierenden, mobilen kapitalistischen Wirtschaft groß. Staatliches Handeln verstärkt in dieser Situation soziale Ungleichheit, da die privilegierten und einflussreichen Teile der Bevölkerung weitere Privilegien erfahren und sie gleichzeitig – im Unterschied zu (einfluss-)ärmeren Bevölkerungsgruppen – von neuen oder alten Defiziten gesellschaftlicher Entwicklung wenig betroffen sind bzw. diese besser verkraften können.

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Maya G.

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