Welche Folgen hat es, wenn der Täter zwar objektiv gerechtfertigt ist, dies subjektiv aber gar nicht weiß?
Nach hM scheidet bei fchlender subjektiver Kenntnis der Rechtfertigungsvoraussetzungen eine Rechtfertigung aus. Streitig ist aber, ob in diesem Fall wegen vollendeten Delikts oder nur wegen versuchten Delikts bzw. entsprechend den Versuchsregeln (hM) zu bestrafen ist.
Was sind die Voraussetzungen einer Notwehrlage iSd § 32?
1. Angriff, d.h. jede Bedrohung geschützter Interessen durch menschliches Verhalten.
2. Gegenwärtig: Diese Phase beginnt mit einem Angreiferverhalten, das aus objektiver Sicht unmittelbar in die eigentliche Verletzungshandlung umzuschlagen droht. Diese Phase ist beendet, wenn der Angriff fehlgeschlagen, endgültig aufgegeben oder vollständig durchgeführt ist, so dass die Rechtsgutsverletzung durch Gegenwehr nicht mehr abgewendet werden kann.
3. Rechtswidrig: Nach hM ist der Angriff bereits rechtswidrig, wenn der Betroffene die drohende Rechtsgutsverletzung nicht zu dulden braucht (Erfolgsunwert). Nach aA ist maßgebend, dass das Angreiferverhalten im Widerspruch zur Rechtsordnung steht (Handlungsunwert). Jedenfalls entfällt ein rw Angriff, wenn der Angreifer seinerseits gerechtfertigt ist.
Gibt es eine Drittwirkung der Notwehr?
Notwehr deckt grds. nur Eingriffe in die Rechtsgüter des Angreifers, nicht aber Eingriffe in die Rechtsgüter am Angriff unbeteiligter Dritter. Eine Ausnahme soll nach einer Minderansicht aber dann gemacht werden, wenn der Angreifer Gegenstände Dritter zum oder beim Angriff benutzt.
Was unterscheidet nach hM die Erforderlichkeit von der Gebotenheit der Notwehr?
Während bei der Erforderlichkeitsprüfung rein tatsächlich - also auch unabhängig von einer Güterabwägung - betrachtet wird, ob die Abwehrhandlung nach der „Kampflage" geeignet und notwendig war, den Angriff sofort und nachhaltig zu stoppen, wird bei der Gebotenheitsprüfung wertend betrachtet, ob das Notwehrrecht insbesondere unter Beachtung der Missbrauchsgrundsätze und des Rechtsbewahrungsprinzips eingeschränkt oder ausgeschlossen war.
Inwiefern spielen bei der Beurteilung der Erforderlichkeit neben der Abwehrhandlung die Abwehrfolgen eine Rolle?
Unbeabsichtigte schwere Folgen, die sich aus der Gefährlichkeit der erforderlichen Abwehrhandlung ergeben, fallen allein in den Risikobereich des Angreifers, bleiben also bei der Erforderlichkeitsprüfung außer Ansatz.
In welchen Fällen ist nach hM Notwehr nicht oder doch zumindest nicht im vollen Umfang geboten iSd § 32 I?
Ausschluss bei
• Absichtsprovokation
• Abwehrprovokation (str.)
• krassem Missverhältnis zwischen Eingriffs- und Erhaltungsgut
• Verstoß gegen Fundamentalprinzipien, wie etwa Art. 1 1 GG;
Einschränkung bei
• sonst vorwerfbarer Provokation
• Angriff erkennbar schuldlos Handelnder;
• Angriff im Rahmen enger persönlicher Beziehungen.
Kann man sich auch durch Notwehrprovokation strafbar machen, obwohl man in der späteren Notwehrsituation gerechtfertigt ist?
Der BGH bejaht unabhängig von der sog. „actio illicita in causa" die Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeitsdelikts durch das Provokationsverhalten bei reinen Erfolgsverursachungsdelikten (z.B. §§ 222, 229), wenn der später Notwehrübende schon im Zeitpunkt der Provokation mit dem Entstehen der Notwehrsituation und den sich daraus entwickelnden Verletzungsfolgen rechnen musste.
Die wohl überwiegende Lit. lehnt das unter dem Aspekt der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des Angreifers bzw. als Umgehung des abgestuften Notwehrrechts und der Grenzen des erlaubten Risikos des Angegriffenen ab.
Wie ist das Verhältnis von § 34 StGB zu §§ 228 und 904 BGB?
§§ 228 und 904 BGB sind spezieller als § 34 StGB, wenn es um die Rechtfertigung einer Sacheinwirkung geht.
Wie unterscheiden sich § 228 und 904 BGB untereinander?
§ 228 BGB (Defensivnotstand) rechtfertigt die Einwirkung auf die Sache, von der die Gefahr ausgeht. § 904 BGB (Aggressivnotstand) rechtfertigt die Einwirkung auf eine an der Gefahrentstehung unbeteiligte Sache. Da auf eine gefahrverursachende Sache eher und intensiver eingewirkt werden darf, als auf eine an der Gefahrentstehung unbeteiligte, ist die Interessenabwägung des § 228 BGB wesentlich lockerer als die des § 904 BGB.
Wie wirkt sich die prinzipielle Unterscheidung zwischen Defensiv- und Aggressivnotstand im Rahmen des § 34 aus?
In der Situation des Defensivnotstands - Eingriffshandlung richtet sich gegen Rechtsgut des Gefahrenurhebers - ist nach hM auch im Rahmen des § 34 die Interessenabwägung nach der Regelung des § 228 BGB durchzuführen, während nur in der Situation des Ag-gressivnotstands - Eingriffshandlung richtet sich gegen Rechtsgut eines Unbeteiligten - die Interessenabwägung nach dem Wortlaut des § 34 StGB inhaltlich übereinstimmend mit § 904 BGB läuft.
Welche Bedeutung kommt der Angemessenheitsklausel (§ 34 S. 2) zu?
Nach hM kommt dem § 34 S. 2 ähnlich der Gebotenheitsklausel des § 32 I eine eigenständige Bedeutung zu. Es wird kontrolliert, ob eine Rechtfertigung mit elementaren Grundprinzipien (z. B. Autonomie- oder Rechtsstaatsprinzip) kollidiert.
Wie ist das Merkmal „auf frischer Tat betroffen" iSd § 127 I 1 StPO zu verstehen?
Teilweise wird darunter verstanden, dass eine tatsächlich begangene Straftat vorliegen muss.
Nach aA reicht, dass dringender Tatverdacht vorliegt.
Für erstgenannte Ansicht spricht der Vergleich des § 127 I mit § 127 Il iVm 112 I 1 StPO
Welche Eingriffe können durch § 127 I 1 StPO gerechtfertigt werden?
Grds, sind nur Eingriffe in die Fortbewegungsfreiheit gedeckt. Darüber hinaus werden in einem gewissen Umfang Eingriffe in die körperliche Integrität erfasst, wenn sie über das mit der Festnahme notwendig verbundene Maß nicht hinausgehen oder lediglich ungewollte Auswirkungen einer an sich gedeckten Festnahmehandlung sind. Schließlich sind auch Eingriffe in andere Rechtsgüter erlaubt, wenn sie ggü. der Festnahme weniger einschneidend sind (z.B. Wegnahme des Fluchtfahrrads).
Zu welchem Zweck darf Selbsthilfe iSd § 229 BGB geübt werden?
Der Zweck des Selbsthilferechts des § 229 BGB liegt nicht in der Ermöglichung der sofortigen Anspruchsdurchsetzung, sondern nur in der Anspruchssicherung, d.h. in der Vorbereitung des dinglichen oder persönlichen Arrests gem. §§ 916 ff. ZPO, falls die Zwangsvollstreckung in einen eigenen und durchsetzbaren Anspruch gefährdet und obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig erreichbar ist.
Voraussetzungen einer rechtfertigenden Einwilligung?
• Einwilligung muss überhaupt rechtlich zulässig sein;
• Einwilligung muss vor der Tat erteilt worden sein und zur Tatzeit noch fortbestehen
• Einwilligung muss nach außen kundgegeben worden sein
• Der die Einwilligung erteilende Rechtsgutsträger muss einwilligungsfähig sein
• Einwilligung muss ernstlich und frei von Willensmängeln sein
• Bei Einwilligungen in Körperverletzungen darf die Tat trotz Einwilligung nicht sittenwidrig sein, § 228
• Täter muss subjektiv in Kenntnis und aufgrund der Einwilligung handeln.
Wann ist die Einwilligung in eine Rechtsgutsverletzung unzulässig?
Wenn der Einwilligende über das verletzte Rechtsgut nicht verfügen kann. An der Verfügungsbefugnis fehlt es hinsichtlich Rechtsgütern der Allgemeinheit (z.B. Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs bei §§ 315b ff.; Lauterkeit des öffentlichen Dienstes bei §§ 332 ff. usw.) und - wie § 216 zeigt - beim Individualrechtsgut Leben.
Welche Voraussetzungen werden für die Einwilligungsfähigkeit verlangt?
Grds. wird nur die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit vorausgesetzt, die auch bei minderjährigen Jugendlichen schon vorhanden sein kann, je nach individuellem Reifegrad.
Wie beurteilt die heute hM die Sittenwidrigkeit der Tat iSd § 228?
Die heute hM vertritt hier die sog. „Rechtsgutslösung". Danach beurteilt sich die Sittenwidrigkeit der Körperverletzung grds. nach Art und Gewicht des ex ante drohenden Körperverletzungserfolgs und dem Grad der damit verbundenen weiteren Leibes- oder Lebensgefahr. Die lange Zeit verwendete Formel vom Anstandsgefühl der billig und gerecht Denkenden bzw. die Orientierung an allgemein gültigen moralischen Maßstäben wird überwiegend nicht mehr herangezogen, da zu unbestimmt.
Gedanke des §15 StGB
Alle Delikte sind Vorsatzdelikte
Bestrafung von Fahrlässigleit muss ausdrücklich normiert sein
Wie wird der Alternativvorsatz nach hM behandelt?
Der Täter wird nach hM wegen aller konstruktiv erfassbaren Delikten bestraft d.h. falls kein Erfolg eingetreten ist wegen der verschiedenen Versuche in Idealkonkurrenz; falls einer der Erfolge eingetreten ist, grds. wegen des vollendeten Delikts in Idealkonkurrenz mit dem Versuch
Struktur der Rechtfertigungsgründe
Objektiv: Konfliktssituation + Beschränkungen
Subjektives RF- Element
Was ist unter Alternativvorsatz zu verstehen?
Alternativvorsatz ist gegeben, wenn der Täter im Zeitpunkt der maßgeblichen Handlung nicht weiß, ob er von zwei sich gegenseitig ausschließenden Tatbeständen den einen oder anderen verwirklicht, beude Alternativen jedoch in Kauf nimmt
(P) Tier als Sache
Nach §90a S.1 BGB sind Tiere zwar keine Sachen, jedoch sind sie als Sachen bei §303 I zu behandeln, da die Vorschrift des §90a BGB entweder auf den Sachbegriff des StR von vornherein keine Anwendung findet oder gem. §90a S. 3 BGB die für Sachen geltenden Vorschriften kraft Gesetzes auf Tiere entsprechend anwendbar sind
Definition Angriff §32 StGB
Jede Bedrohung rechtlich geschützter Interessen durch menschliches Verhalten
(P) Angriff nicht durch Mensch, sondern Hund
hM: auch Angriff durch Unterlassen möglich, sofern eine Rechtspflicht iSd §13 StGB (Garantenpflicht) zur Verhinderung/ Beseitigung der bedrohlichen Situation besteht
Zusätzlich muss aber für den Garanten auch die reale Möglichkeit bestehen, durch Vornahme einer Handlung nach den durch das Tier drohenden schädlichen Erfolg abzuwenden. Fehlt diese Vermeidungsmöglichkeit ist das Unterlassen des Garanten nicht anders zu bewerten, wie etwa ein durch vis absoluta ausgelegter Schadensvorgang, der nicht Willenssteuerung des Täters unterliegt
(P) Interessenabwägung bei §228
Schaden am Eingriffsgut darf nicht außer Verhältnis zur abgewendeten Gefahr am Erhaltungsgut stehen.
heute anerkannt, dass bei Abwägung von Sachgütern auch subjektive Wertschätzungen + ideelle Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind
erst recht muss das bei Tieren gelten, die als Mitgeschöpfe durch §90a BGB von reinen Sachgüternabgehoben sind und an denen Menschen wesentlich intensiver “hängen” können als an reinen Sachgütern
Subjektives Rechtfertigungselement
ganz hM verlangt ein subjektives rechtfertigungselement udn zwar mind. in Form der Kenntnis der objektiven Rechtfertigungsvoraussetzungen
Kenntnis objektiver Voraussetzungen
Rettungswille
(P) Strafmilderung, §23 II
eA: in früherer Rspr. müsste Täter aus dem Strafrahmen einer vollendeten Sachbeschädigung bestraft werden
hM: nur Strafbarkeit wegen Versuch oder entsprechenden Versuchsregeln -> Milderungsmöglichkeit nach §23 II StGB besteht (+)
=> Im Rahmen des 3-Stufigen Deliktsaufbaus sollte allerdings nicht wegen Versuchs, sondern entsprechend milderen Versuchsregeln bestraft werden, da ja trotz Vorliegen der objektiven Rechtfertigungsvss. auf der 2. Deliktsebene die TB-Vss. auf der ersten Deliktsebene voll verwirklicht sind, also tatbestandsmäßig ein vollendetes Delikt vorliegt d.h. im Ergebnis liegt ein vollendetes Delikt vor, auf das aber wie beim untauglichen Versuch iRd Strafbarkeit eine Vorschrift des §23 I (iVm §12) bzw. §23 II entsprechend anwendbar ist
(P) Umstritten, ob Notwehrlage bei §904 BGB objektiv pflichtwidriges Verhalten des Angreifers voraussetzt
Rspr + Lit.: ja nach Lehre vom Verhaltensinstrument
ausreichend, dass jedenfalls der Angegriffene den Angriff nicht zu dulden braucht (Lehre vom Erfolgsinstrument) , was auch bei sorgfaltsgemäßem Verhalten des Angreifers denkbar ist, wenn diesem im Hinblick auf die drohende Rechtsverletzung keine spezielle Eingriffsbefugnisse zusteht
=> Nach beiden Auffassungen entfällt aber jedenfalls dann die Rechtswidrigkeit des Angriffs, wenn der Angreifer seinerseits einen Rechtfertigungsgrund auf seiner Seite hat, der ihm die Befugnis zum Angriff auf das betroffene Rechtsgut gibt
(P) SInd bedrohte privatrechtliche Forderungen notwehrfähig?
eA: relative Güter sind nicht wehrfähig (=Forderungsrechte). Die rechtmäßige Durchsetzung von Ansprüchen außerhalb des Prozesses beschränke sich auf den in §§229, 230 BGB eröffneten Rahmen
aA: misst §229 BGB eine Notwehrersatzfunktion bei und sieht in der Vorschrift eine verdrängende Spezialregelung zu §32 StGB, die insbesondere auch die Voraussetzungen der Erforderlichkeit näher konkretisiert
SN: Richtig erscheint, §32 StGB bei Angriffen auf privatrechtliche Forderungen gar nicht erst anzuwenden, da ansonsten eine Umgehung der engen Voraussetzungen des Selbsthilferechts droht
(P) Wann Provokation bei §32 StGB Vorwerfbar?
eA: ausreichend, wenn Provokationsverhalten “sozialethisch missbilligenswert” ist
hL: Provokationsverhalten (straf-)rechtswidrig und Verhalten und Angriff enge räumlich-zeitliche (Provokations-)Zusammenhang und Angriff als adäquate (voraussehbare) Folge des rechtswidrigen Provokationsverhaltens
Lit.: verlangt subjektiven Provokationszusammenhang
BGH: verlangt “motivationalwn “ Zusammenhang
(P) Sittenwidrigkeitsklausel §228 BGB
hM: Bewertung ist grds. auf Art + Gewicht des ex-ante drohenden Körperverletzungserfolgs und den Grad der damit verbundenen weiteren Leibes-oder Lebensgefahr zu beschränken (Rechtsgutlösung). Körperverletzung ist grds. sittenwidrig, wenn bei objektiver ex-ante Betrachtung und Einbeziehung aller maßgeblichen Umstände due einwilligende Person durch die Körperverletzunng in konkrete Todesgefahr oder in die konkrete Gefahr schwerer Verletzungsfolgen gebracht wird
§228 BGB steht Wirksamkeit der rechtfertigenden Einwilligung nicht entgegen solange sich die tätliche Auseinandersetzung nur auf einen Zweikampf mit körperlichen Mitteln beschränkt und ein Kräftegleichgewicht herrscht.
Wann liegt nach hM Notwehrexzess §33 StGB vor?
hM: erfasst nur intensiven Notwehrexzess, bei dem zunächst tatsächliche Notwehrlage besteht, in der dann der Täter aufgrund eines sogenannten asthenischen Effekts die Grenze der Erforderlichkeit/ Gebotenheit überschreitet
(P) Analoge Anwendung §33 beim Putativnotwehrexzess
Lit: teilweise (+) insbesondere für den Fall, dass das Fehlen der Notwehrlage trotz objektiv pflichtgemäßer Prüfung für Täter nicht erkennbar ist
hM (-) denn Entschuldigungsgrund des §33 beruht darauf, dass 2 Gesichtspunkte zusammen kommen
(1) obj. Unrechtsminderung aufgrund tatsächlichem Vorliegens der zugespitzten Situation einer Notwehrlage +
(2) subj. Unrechtsminderung infolge eines subj. psychischen Ausnahmezustands (Verwirrung, Furcht, Schrecken)
(P) Fraglich ob §35 II StGB auf andere Entschuldigungsgründe als den entschuldigenden Notstand §35 I überhaupt analog anwendbar ist
-> ob weitere Analogiemöglichkeiten bestehen, ist wenig geklärt
Jedenfalls sollte aber eine analoge Anwendung des §35 II auf den Entschuldigungsgrund des §33 im Falle des Putativnotwehrexzesses mangels Strukturgleichheit abgelehnt werden
Im Übrigen würde Grundgedanke des §33 umgangen, nach dem beim (noch bewussten) Exzess erst die Kombination von obj. + subj. Unrechtsminderung zu einer Entschuldigung führen soll.
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