Wann?
Die Abfassungszeit von Hebr ist umstritten, oft wird 80–90 n.Chr. angenom-
men.
Wo?
Als Abfassungsort wird oft Rom angenommen (vgl. 13,24), dabei kann es sich aber auch um eine literarische Fiktion handeln.
Wer?
Der Absender des Briefes bleibt anonym. Der Briefschluss (13,23f.) und einige Themen sollen möglicherweise paulinische Verfasserschaft suggerieren.
Gliederung
1,1-4: Einleitung
1,5-4,13: 1. Hauptteil: Gottes endgültuge Rede in seinem Sohn
4,14-10,18: 2. Hauptteil: Christus als Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks
10,19-13,17: 3. Hauptteil: Mahnung zur Bewährung des Glaubens
13,18-25: Briefschluss
Gottes endgültige Rede in seinem Sohn
Der Hebr enthält ursprünglich keine Adressatenangabe (die Überschrift „An die Hebräer“ ist sekundär) und ist von daher vermutlich an keine konkrete Gemeinde gerichtet, sondern hat als ein allgemeines Lehr- und Mahnschreiben verschiedene christliche Gemeinden im Blick, in welchen aus Sicht des Verfassers eine „Glaubensschwäche“ drohte. Dagegen argumentiert er v.a. auf der Basis einer schriftgelehrten, von hellenistisch-judenchristlicher Theologie geprägten Auslegung des AT – wohl kaum eine andere Schrift im NT baut so stark auf atl. Traditionen auf wie der Hebr, und keine andere Schrift enthält so viele und so lange Schriftzitate. Dabei steht die Christologie im Zentrum, davon ausgehend werden aber v.a. wichtige ekklesiologische Probleme behandelt.
Kap.2 thematisiert das Heilsgeschehen, das mit Christus realisiert wurde, und beschreibt die Art und Weise desselben. In diesem Zusammenhang wird zunächst einmal die Schöpfermacht Gottes betont. Christus herrscht hier erst nach seiner Auferstehung (2,10). Er ist derjenige, welcher alle anderen Menschen „heiligt“. Da er aber zusammen mit allen anderen Menschen in Gott seinen Ursprung hat, kann er zugleich auch ihr Bruder genannt werden (2,11f.). Da die Menschen sterblich sind, ist Christus mit seiner Menschwerdung gleichsam den Lebensweg der sterblichen Menschen nachgegangen, um durch sein eigenes Sterben diese von der Macht des Todes bzw. des Satans, der wiederum die Macht über den Tod hatte, zu erlösen (2,14f.). Diese Versöhnungsvorstellung hängt eng mit dem Amt des Hohenpriesters zusammen: Im AT ist der Hohepriester für die Sühnopfer verantwortlich, durch welche das ganze Volk geheiligt werden soll. Diese Funktion des Hohenpriesters übernimmt nun Christus, indem er die Heiligung für alle Menschen bringt. Deshalb wird er als der wahre Hohepriester bezeichnet (2,17f.). Dieses Motiv wird im weiteren Verlauf des Briefs noch eine ganz zentrale Rolle spielen.
Im ersten Hauptteil des Hebr ist auch von der „Ruhe des Gottesvolkes“ die Rede. Diese verheißene Ruhe hat ihren atl. Traditionshintergrund in der Erzählung vom Exodus Israels aus Ägypten. Die Ruhe ist hier ein Synonym für die Ankunft im „gelobten Land“, die aber wegen der „verstockten Herzen“ der Israeliten verspielt wurde (3,7-19). Im Hebr wird dieses Motiv aufgegriffen, um die Zugehörigkeit zu Gott zu beschreiben, eine Zugehörigkeit, welche durch das Heilshandeln in Christus vermittelt wird und nicht aufs Neue verspielt werden darf. Wie die Israeliten damals sind jetzt die Christen unterwegs in eine verheißungsvolle Zukunft, die zur Ruhe und d.h. zur Gottesgemeinschaft führt (4,1-11). Mit diesem Motiv wird vermutlich dieselbe Vorstellung zum Ausdruck gebracht, welche in den synoptischen Evangelien mit der Teilhabe am „Reich Gottes“ bzw. am „Himmelreich“ umschrieben wird.
Der erste Briefteil endet schließlich mit einer anschaulichen Aussage über das Wort Gottes, die die aufdeckende und richtende Funktion dieses Wortes zum Ausdruck bringt (4,12f.: „Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.“).
Was steht in Hebr 6 über die Möglichkeit der sog. „zweiten Buße“?
In Hebr 6 äußert sich der Verfasser über die Möglichkeit bzw. die Unmöglichkeit der sog. „zweiten Buße“, und zwar auf sehr radikale Weise: Wer einmal zum Glauben an Christus gekommen ist und danach wieder abfällt, kann sich nicht noch ein zweites Mal bekehren. Das würde bedeuten, Christus ein zweites Mal zu kreuzigen und damit zu verspotten (6,4-6). (Wohlgemerkt: Es geht hier um den Abfall vom Glauben, nicht um kleine Fehltritte im Alltagsleben!)
Christus und Melchisedek: Warum wird im Argumentationsgang von Kap. 7 das Amt Christi als Hohepriester auf Melchisedek zurückgeführt und nicht auf Levi, dessen Nachfahren die Priester in Israel stellten und von dem auch Aaron, der „Begründer“ des Priestertums, herkommt? Worin liegt die Pointe dieser Argumentation? (Zum Verständnis ist es auch sehr hilfreich, den alttestamentlichen Traditionshintergrund Gen 14 zu lesen!)
Im Zentrum dieses zweiten Briefhauptteils steht das Hohepriesteramt Christi, welches hier auf Melchisedek, den Priesterkönig aus Salem aus Gen 14, zurückgeführt wird. Melchisedek ist nach Gen 14 ein Priester Gottes, der Abraham segnet. In der Auslegung des Hebr hat er keinen Stammbaum und damit auch „weder Anfang noch Ende“. Daraus zieht der Autor weitere Schlussfolgerungen: Der Name „Melchisedek“ kann aus dem Hebr. mit „König der Gerechtigkeit“ übersetzt werden (7,2); „König von Salem“ kann mit „König des Friedens“ übersetzt werden (7,2). => Zusammen mit seiner ewigen Existenz besitzt Melchisedek damit drei wichtige Attribute, welche auch Christus zugesprochen werden: Ewigkeit, Gerechtigkeit und Frieden (7,3). Des Weiteren: Melchisedek segnet Abraham, der ihm dafür den Zehnten ausbezahlt. Deshalb muss er höhergestellt sein als Abraham (7,4-8). Levi hingegen, ein Urenkel Abrahams, ist der Stammvater der Leviten, durch welche nach Aussage des Hebr „das Volk das Gesetz empfangen“ hatte (7,11). Das führt den Verfasser wiederum zu weiteren Schlussfolgerungen: Wenn Abraham der Würde Melchisedeks untergeordnet ist, dann ist es auch Levi als dessen Urenkel. Damit stehen dann auch all seine Nachfahren und deren Tätigkeit unterhalb der Würde Melchisedeks, also auch das Gesetz und das levitische Priestertum, aus dem auch Aaron, gleichsam der „Begründer“ des Priestertums, herkommt. Die Pointe dieser ganzen Argumentation liegt darin, dass somit ein neuer „Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks“ (und als ein solcher wird Christus unter Rückgriff auf Ps 110,4 bezeichnet) zugleich auch das Gesetz und den alten Bund als untergeordnet und defizitär außer Kraft setzt (7,15-19.22).
Der alte und der neue Bund: Im Hebr ist nicht von einer Ausweitung des alten Bundes auf alle Völker die Rede, sondern von einem neu gestifteten Bund. Welche alttestamentliche Tradition steht hier im Hintergrund? Wie verhalten sich diese Aussagen zu diesbezüglichen Aussagen bei Paulus? Und wie wird der alte Bund hier bewertet?
Der alte und der neue Bund ist damit auch ein weiteres zentrales Thema dieses Briefteils: Im Hebr ist nicht von einer Ausweitung des alten Bundes auf alle Völker die Rede (wie das zumindest ansatzweise z.B. im Eph der Fall ist), sondern von einem neu gestifteten Bund. Als atl. Tradition steht hier die Rede vom „Neuen Bund“ in Jer 31,31-34 im Hintergrund. Der Ansatz, Jer 31 als Grundlage für den Bundesschluss in Christus heranzuziehen, findet sich andeutungsweise auch bei Paulus in 2.Kor 3 (vgl. aber im Gegensatz dazu z.B. das Ölbaumgleichnis in Röm 11,17-24 oder auch den Abschluss von Röm 11!). Der alte Bund wird im Hebr jedenfalls eindeutig als negativ und defizitär bewertet (8,6f.13; vgl. auch schon Kap.7).
Warum sind Opferkulte unnötig geworden? Oder anders: Welche Funktion konnten diese überhaupt erfüllen?
Dementsprechend sind auch die Opferkulte des alten Bundes, d.h. genauer: das atl.-jüdische Kultgesetz, unnötig geworden. Denn durch die einmalige Selbsthingabe des vollkommenen Hohenpriesters Christus sind alle anderen Kultopfer ein für allemal überboten worden. Durch seinen Tod und seine Auferstehung ist zum einen einmalig und endgültig Sühne gestiftet und zum anderen der Neue Bund vollgültig in Kraft gesetzt worden. Es braucht daher keine zusätzlichen Opferhandlungen mehr, wie sie für den alten Bund charakteristisch waren (9,13f.26-28). Außerdem werden die früheren Kultopfer (auch schon vor Christus) durchgehend als unzureichend dargestellt, weshalb sie auch permanent wiederholt werden mussten. Das einmalige Opfer Christi dagegen stiftet tatsächlich Sühne und setzt den Neuen Bund in Kraft. Innerhalb dieses Neuen Bundes wirkt nun ausschließlich Gottes Vergebung als Grundlage der Versöhnung, ohne weitere Notwendigkeit äußerer Handlungen (10,11-14-18).
Die ethischen Ausführungen im Hebr bewegen sich zwischen Verheißungen und Drohungen. Worin besteht die Hoffnung? Wie wird hier (ein zweites Mal) die Unmöglichkeit der „zweiten Buße“ begründet?
Die ethischen Ausführungen im dritten Hauptteil des Hebr bewegen sich zwischen Verheißungen und Drohungen. Die Hoffnung besteht im festen Vertrauen auf Christus, in dessen Bund die Gemeinde jetzt schon steht und dem sie sich dementsprechend als würdig erweisen soll. Die wiederholten Mahnungen zur Geduld und zum Durchhalten im Glauben bis zur Wiederkehr Christi erinnern an die verheißene Gottesruhe aus Kap.4 (vgl. z.B. 10,23: „Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung und nicht wanken; denn er ist treu, der sie verheißen hat.“; 10,35f.: „Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat. Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.“).
Die Unmöglichkeit der „zweiten Buße“ wird hier (ein zweites Mal) mit Bezug auf das Heilshandeln Jesu Christi begründet: Schon das Mosegesetz sieht bei schweren Verstößen die Todesstrafe vor; deshalb ist es nach der Auffassung des Hebr nur folgerichtig, dass denjenigen, welcher den Sohn Gottes und dessen Blut gering achtet, eine umso härtere Strafe treffen muss (10,26-29).
Auswendig lernen: das lebendige Wort Gottes
Hebr 4,12a:
Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert.
Last changed4 months ago