den Menschen “dient” als Wohnung §306a StGB - Wann und wann nicht?
Zündet der einzige Bewohner oder ein Bewohner (oder Dritter) im Einverständnis mit allen Bewohnern einen Wohnraum an, wird dadurch zugleich der Wille kundgetan, den Raum als Wohnung aufzugeben (=sog Entwidmung durch Brandlegung)
Die Räumlichkeit “dient” dann nicht mehr der Wohnung von Menschen
BGH: für das Einverständnis allein kommt es auf den gegenwärtigen, unmittelbar berechtigten Besitzer des Gebäudes bzw der Räumlichkeit selbst an, wenn diese nur Fremdbesitzer (zB Mieter) sind
Überblick Brandstiftung
(P) Wann trotz Einwilligung verstoß gegen die guten Sitten, §228 StGB?
Merke bei §306a II iVm §306 I Nr. 1-6 StGB
Eigentumsverhältnisse spielen hier keine Rolle, da sich der Verweis in §306a II nicht auf das Adjektiv “fremd” in §306 I bezieht und deshalb nicht nur fremde, sondern auch eigene und herrenlose Sachen von der Vorschrift erfasst werden
“in die konkrete Gefahr des Todes bringen” §306b II Nr. 1 - was bedeutet das? Welche Vorsatzform wird benötigt?
Täter muss einen anderen Menschen in die konkrete Gefahr des Todes bringen d.h. in eine Situation, in der aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt worden ist, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht
§306b II Nr. 1 ist keine Erfolgsqualifikation, bzgl der konkreten Gefahr des Todes gilt deshalb nicht §18, sondern §15 StGB
(P) Analoge Anwendung des §306e StGB (Tätige Reue) - möglich?
eA: setzt voraus, dass Schaden vom Brandstiftungsobjekt abgewendet wird, denn die Beseitigung der Gesundheits- oder Lebensgefahr sei gerade nicht Gesetzeswortlaut geworden
aA: §314a II, III oder §320 II, III analog anwenden
BGH: befürwortet analoge Anwendung von §306e, da Löschen lediglich einen besonderen Fall der Gefahrabwendung darstellt, es ist jedoch mit dem Gebot der Gerechtigkeit nicht zu vereinbaren, dem Täter die Möglichkeit der Strafmilderung oder eines Absehens von Strafe zu versagen, wenn er eine effektivere Methode zur Abwendung der Gefahr wählt und dadurch das gleiche Ergebnis erzielt wie mit dem Löschen des Brandes + Systematik des Gesetzes spricht dafür und eben nicht §§314a, 320 StGB anzunehmen
Gebäude vorsätlich nur teilweise zerstört §306 I Nr. 1 StGB - reicht das aus?
Ja, wenn ein funktionswichtiger bzw. zwecknötiger Gebäudeteil, der nicht Wohnung sein muss, für längere Zeit nicht mehr bestimmungsgemäß benutzt werden kann.
es reicht auch aus, wenn die brandbedingte Aufhebung der tatbestandlich geschützten Zweckbestimmung für einen längeren Zeitraum etwa durch Verrußung oder Hitzeschäden eintreteb
(P) gemischt-genutztes Gebäude - ist damit §306a I Nr. 1 erfüllt?
eA: Feuer muss tatsächlich auf den Wohnteil übergreifen und diesen in Brand setzen und zwar so, dass ein nicht nur unwesentlicher Bestandteil vom Feuer in einer Weise erfasst wird, dass ein Fortbrennen aus eigener Kraft möglich ist
bisher hM: reicht schon das Inbrandsetzen des gewerblich genutzten Teils aus, wenn dieser Teil mit dem Wohnteil ein einheitliches Gebäude bildet (Anhaltspunkt: zB gemeinsames Treppenhaus) und nicht auszuschließen ist, dass das Feuer vom Gewerbe-auf den Wohnbereich übergreifen kann
BGH: will nur gelten lasse, wenn der gewerbliche Teil des Gebäudes in Brand gesetzt worden ist, also selbstständig brannte. Wurde der gewerbliche Teil nur durch Brandlegung (teilweise) zerstört, etwa durch brennendes Inventar, so führt dies nach BGH-Ansicht selbst dann nicht zur vollendeten Brandstiftung nach §306a I Nr. 1 Alt. 1, wenn die konkrete Gefahr bestand, dass das Feuer am Inventar auf den Wohnteil übergreift
Teleologische Reduktiion bei Brandstiftung - wann ?
AUsnahmsweise nur, wenn im Zeitpunkt der Tathandlung
eine konkrete Gefahr für Menschen absolut ausgeschlossen war
der Täter sich davon gründlich Gewissheit verschafft hatte und
das (einräumige) Objekt auf einen Blick überschaubar war
Abicht, eine andere Straftat zu ermöglichen iSd §306b II Nr. 2 Alt. 1 StGB - was wird verlangt?
Teil d Lit + Rspr: verlangt indofern, dass gerade die spezifischen Auswirkungen der brandbedingten Gemeingefahr (Verwirrung, Panik, Flucht aus Gebäuden unter Zurücklassung von Wertgegenständen, Unübersichtlichkeit der Situation etc) die Begehung der anderen Tat nach Vorstellung des Täters begünstigen müssen (Einengung der Ermöglichungsabsicht auf eine spezifische Ausnutzungsabsicht)
Grds wie bei §211 II Fallgruppe 3
liegt nicht vor, wenn Täter durch Brandstiftung zugleich einen Versicherungsmissbrauch gem. §265 oder auch Sachbeschädigung gem. §303 StGB begehe
Arg: Es handelt sich trotz unterschiedlicher Schützgüter nicht um eine von Brandstiftung abgrenzbare “andere Straftat”, die der Täter durch die Brandlegung zu ermöglichen trachte, sondern um eine Straftat, die der Täter nur gliechzeitig mit der Brandstiftung begehe
(P) Warmsanierungsfälle (=Brandstiftung zwecks Erlangung der Verischerungsleistung)
Verwirklicht Täter nur gleichzeitig mit Brandstiftung einen Versicherungsmissbrauch gem. §265 (=keine andere Straftat iSv §306b II Nr.2) oder nachfolgend durch Schadensmeldung als sog. “Zieltat” einen Versicherungsbetrug gem. §263 StGB (=andere Straftat iSv §306b II Nr.2) ?
§265 StGB verlangt im Vgl zu früher nicht mehr unbedingt ein Handeln in “betrügerischer Absicht”
§263 StGB gilt nur, wenn der Täter für sich oder einen Dritten eine Versicherungsleistung erstrebt, obwohl auf sie nach §81 I VVG (versicherungsgesetz) kein Anspruch besteht
Trotz Eintritt des Versicherungsfalls wird der Versicherer von der Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeiführt
Repräsentatnt führt Versicherungsfall vorsätzlich herbei
-> ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs-oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist und die Risikoverwaltung übernommen hat (zB gesetzlicher Vertreter, Prokurist, Geschäftsführer) Hierzu zählt auch der faktische Inhaber eines Betriebs, der nur formal (auf dem Papier) die Unternehmensführung eines Dritten übertragen hat
§306a I Nr. 3 StGB - was wird verlangt?
es ist maßgeblich, ob es sich um eine Räumlichkeit handelt, die im Sinne einer tatsächlichen Nutzung des Raumes zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient.
Dies setzt Anwesendsein von einer gewissen Dauer voraus
Wie unterscheiden sich „in Brand setzen" und „durch eine Brandlegung zerstören" iSd §§306 ff?
• In Brand gesetzt ist ein Schutzobjekt in dem Moment, in dem - zurechenbar durch das Täterverhalten verursacht - ein für seinen bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht nur unwesentlicher Bestandteil vom Feuer in einer Weise erfasst wird, dass ein Fortbren-nen aus eigener Kraft möglich ist..
• Zerstörung durch Brandlegung erfordert hingegen nicht, dass das Schutzobjekt selbst Feuer fängt; ausreichend ist bereits, dass es - zurechenbar durch einen Brandmitteleinsatz des Täters verursacht - infolge Rauch-, Ruß- oder Hitzeentwicklung, aber auch Löschwassereinsatz oder Explosion von Zündmitteln ganz oder teilweise auf längere Zeit für seinen bestimmungsgemäßen Zweck unbrauchbar wird.
Wann ist ein Gebäude iSd § 306 I Nr. 1 teilweise zerstört?
Da § 306 I Nr. 1 als Brandstiftungsobjekt ein „Gebäude" und nicht unbedingt eine „Wohngebäude" voraussetzt, reicht für ein „teilweise Zerstören" bereits aus, dass ein funktionswichtiger bzw. zwecknötiger Gebäudeteil, der nicht Wohnung sein muss, für längere Zeit nicht mehr bestimmungsgemäß benutzt werden kann (z.B. Kellerraum; nicht Teeküche einer Unternehmensverwaltung).
Könnte Tatobjekt iSd § 306 I Nr. 4 auch ein fremdes Schlauchboot sein?
Vom Wortlaut her ja! Allerdings wäre der Verbrechenscharakter und die Mindeststrafdrohung von 1 Jahr - in minder schweren Fällen von immer noch 6 Monaten - kaum zu rechtfertigen. Deshalb wird wohl überwiegend verlangt, dass die Tatobjekte von einer nicht unerheblichen Bedeutung und von nicht unerheblichem Wert sind.
Gibt es bei § 306 die Möglichkeit einer rf. Einwilligung?
Die hM bejaht diese Möglichkeit, da § 306 entgegen seiner systematischen Stellung kein gemeingefährliches Delikt sei, sondern - wie an den Tatobjekten deutlich werde - fremdes Individualeigentum schütze. Danach besteht Dispositionsbefugnis des von der Brandstiftung betroffenen Eigentümers und kann seine Einwilligung rechtfertigen.
Wie ist das Konkurrenzverhältnis des § 306 zu § 303 bzw. 305?
Nach überwiegender Auffassung ist § 306 ist Spezialfall der Sachbeschädigung gem. §§303 bzw. 305, sozusagen eine „Sachbeschädigung durch Feuer".
Ist ein Brandstifter auch dann gem. § 306a I Nr. 1 strafbar, wenn er sich vor Brandlegung genau vergewissert, dass kein Menschenleben gefährdet werden kann?
Grds. ja, da § 306a I Nr. 1 nur verlangt, dass die Räumlichkeit im Tatzeitpunkt zur Wohnung von Menschen dient, nicht aber dass sich zur Tatzeit tatsächlich Menschen im Gebäude aufhalten (abstraktes Gefährdungsdelikt).
Eine Einschränkung wird allerdings überwiegend gemacht, wenn
• eine konkrete Gefahr für Menschen absolut ausgeschlossen ist,
• der Täter sich davon gründlich Gewissheit verschafft hat und
• das (einräumige) Objekt auf einen Blick überschaubar ist.
Gibt es bei § 306a I die Möglichkeit einer rf. Einwilligung?
Da § 306a I ein gemeingefährliches Delikt ist, bei dem Eigentumsverhältnisse keine Rolle spielen, scheidet hier ein rechtfertigende Einwilligung aus.
Wann spricht man von einer „Entwidmung durch Brandlegung"?
Zündet der einzige Bewohner oder ein Bewohner oder Dritter im Einverständnis mit allen anderen Bewohnern ein Wohngebäude an, wird dadurch in der Regel der Wille kundgetan, das Gebäude als Wohnung aufzugeben und liegt eine sog. „Entwidmung durch Brandlegung" vor. Das Gebäude „dient" dann nicht mehr der Wohnung von Menschen. Damit ist bereits der Tatbestand des § 306a I ausgeschlossen. Das darf nicht mit einer rechtfertigenden Einwilligung verwechselt werden.
Wann ist ein Wohngebäude iSd §306a I Nr. 1 teilweise zerstört?
Das ist er Fall, wenn ein zum selbständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes, das heißt eine zum Wohnen bestimmte abgeschlossene Untereinheit, durch die Brandlegung für Wohnzwecke für eine beträchtliche Zeit unbrauchbar geworden ist.
Wann ist bei einer Brandstiftung in sog. „gemischt genutzten Gebäuden"
§ 306a I Nr. 1 erfüllt?
Nach hM reicht allein schon das Inbrandsetzen des gewerblich genutzten Teils aus, wenn dieser Teil mit dem Wohnteil ein einheitliches Gebäude bildet (Anhaltspunkt z.B. gemeinsames Treppenhaus) und nicht auszuschließen ist, dass das Feuer vom Gewerbe-auf den Wohnbereich übergreifen kann. Wurde der gewerbliche Teil hingegen nur durch Brandlegung (teilweise) zerstört, etwa durch brennendes Inventar verrußt, so führt das nach hM selbst dann nicht zu einer vollendeten Brandstiftung nach § 306a I Nr. 1 Alt. 1, wenn die konkrete Gefahr bestand, dass das Feuer (z. B. am Inventar) auf den Wohnteil übergreift.
Kann bei einem als Flüchtlingsunterkunft genutzten Gebäude eine teilweise Zerstörung eines Wohngebäudes auch schon dann bejaht werden, wenn ein einzelnes Zimmer längerfristig unbewohnbar wird?
Das ist zu bejahen, wenn das Zimmer ebenso eine selbstständige zum Wohnen bestimmte „Untereinheit" der Flüchtlings-unterkunft darstellt wie eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus; insbesondere wenn es der einzige abgeschlossene Raum ist, der dem Bewohner zur persönlichen Nutzung zur Verfügung steht und damit sein alleiniges Refugium zur privaten Lebensführung ausmacht.
Wie ist der Verweis des § 306a II auf §306 I Nr. 1 bis 6 zu verstehen?
Der Verweis in § 306a II bezieht sich nur auf die Gegenstände im Katalog des § 306 I Nr. 1 bis 6, nicht aber auf das davor stehende Adjektiv „fremd". Deshalb werden nicht nur fremde, sondern auch eigene und herrenlose Sachen von der Vorschrift erfasst.
Ist § 306a Il auch dann einschlägig, wenn der Täter durch Brandstiftung einen anderen Menschen fahrlässig gefährdet?
Nein! Dieser Fall wird bereits von § 306d I Alt. 3 erfasst und milder bestraft.
Gibt es bei § 306a II die Möglichkeit einer rf. Einwilligung?
Eine rechtfertigende Einwilligung durch den Eigentümer des Brandstiftungsobjekts ist nicht zulässig. Nach hM ist aber eine (Risiko)Einwilligung des Opfers in die Gefährdung seiner Gesundheit zulässig. Allerdings ist dann § 228 zu beachten!
Wie ist das Konkurrenzverhältnis des § 306a II zu § 306?
306a Il ist keine unselbständige Qualifikation zu § 306, sondern ein von den Eigentumsverhältnissen unabhängiges eigenständiges gemeinschädliches Delikt, das zu § 306 in klarstellende Idealkonkurrenz gem. § 52 treten kann (sog. „Konkurrenzlösung").
Ist § 306b Il Nr. 1 eine Erfolgsqualifikation?
Nein! Der Täter muss Lebensgefährdungsvorsatz haben. Arg.: Der Unterschied der Mindeststrafandrohung von 2 Jahren bei § 306b I und 5 Jahren bei § 306b II Nr. 1 wäre nur schwer erklärbar, wenn hier wie dort nur Fahrlässigkeit (§ 18) verlangt würde.
Kann § 306b II Nr. 2 Alt. 1 auch bejaht werden, wenn der Täter durch die Brandstiftung nur einen Versicherungsmissbrauch iSd & 265 ermöglichen will?
Neuerdings lehnt der BGH das ab. Es handele sich beim Versicherungsmissbrauch des § 265 - trotz unterschiedlicher Schutzgüter - nicht um eine von der Brandstiftung abgrenzbare „andere Straftat", die der Täter durch die Brandlegung zu ermöglichen trachte, sondern um eine Straftat, die der Täter nur gleichzeitig mit der Brandstiftung begehe. Anders ist es, wenn der Täter durch eine der Brandstiftung nachfolgende Schadensmeldung einen Versicherungsbetrug ermöglichen will.
In welchen Fällen wendet der BGH § 306e heute analog an?
In seiner aktuellen Rechtsprechung wendet der BGH jetzt den § 306e I analog auf den Gefährdungstatbestand des § 306b
II Nr. 1 an, wenn der Täter - anstatt den Brand zu löschen (so der Wortlaut des § 306e I) - die konkrete Lebensgefahr für das Opfer freiwillig durch anderweitige Rettungshandlungen beseitigt. Dies dürfte genauso für den Gefährdungstatbestand des § 306a II gelten, wenn der Täter hier - anders als durch Löschen - die konkrete Gesundheitsgefahr für das Opfer beseitigt. Argument: Das in § 306e geforderte Löschen des Brandes stelle lediglich einen besonderen Fall der Gefahrabwendung dar. Es sei jedoch mit dem Gebot der Gerechtigkeit nicht zu vereinbaren, dem Täter die Möglichkeit der Strafmilderung oder eines Absehens von Strafe zu versagen, wenn er eine effektivere Methode zur Abwendung der Gefahr wähle und dadurch das gleiche Ergebnis erziele wie mit dem Löschen des Brandes.
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