Atopie
Atopie: Prädisposition zur Entwicklung atopischer Krankheitsbilder (Asthma bronchiale, atopische Dermatitis, Rhinokonjunktivitis allergica, Nahrungsmittelallergien)
Überempfindlichkeit von Haut und Schleimhaut gegenüber Umweltstoffen
Bildung IgE-Ak und unspezifische Hyperreagibilität
Verlauf: Atopischer Marsch
Erhöhtes Atopierisiko bei mind. einem verwandten Atopiker
Definition Vorlesung: genetisch bedingte, familiär gehäufte Neigung, auf harmlose Umweltreize mit der Bildung von IgE-AK zu reagieren.
Allergien- Epidemiologie
häufigsten Erkrankungen + Zunahme in den letzten Jahrzehnten (30% der europäischen Bevölkerung)
Gründe:
Sensibilisierung von Ärzten und Öffentlichkeit für Krankheitsbilder
Klimawandel:
Verschiebung der Vegetationszonen in nördlichere Regionen
Veränderungen der Pollenflugsaison (Früherer Pollenflugbeginn, Ausdehnung der Pollenflugsaison)
Steigerung der Konzentration der Pollen in der Luft
Einwanderung und Verbreitung von Neophyten
"Gewitterasthma": erhöhte Exposition gegen kleine Allergenfragmente nach Gewitter
Auswirkung auf Zeitspanne und Symptomstärke der Beschwerden bei Allergiker*innen
Allergie
Allergie: erworbene Überempfindlichkeitsreaktion auf exogene Substanzen.
Sensibilisierungsphase: zuvor harmlose Substanz wird als Antigen erkannt und eine immunologische Reaktion ausgelöst
erneute Exposition: Auslösung Immunreaktion
Ursache: Umweltfaktoren (Allergenexposition) , verstärkende Faktoren (Tabakrauch, Feinstaub), Hygiene-Theorie
Atopischer Marsch
Etagenwechsel atopischer Erkrankungen in Laufe des Lebens:
erst atopisches Ekzem und Nahrungsmittelallergien
später allergische Rhinokonjunktivitis und Asthma
Typ-I-Reaktion
Sofortreaktion innherhalb von Sekunden bis Minuten
Sensibilisierung: Erstkontakt mit Allergen (meist symptomlos)
TH2-Helferzellen schütten Interleukin-4 (IL-4) aus
IL-4 aktiviert B-Zellen
B-Zellen produzieren spezifische IgE-Antikörper gegen das Allergen
IgE-Antikörper binden an basophile Granulozyten und Mastzellen und werden zu zellständigen Antikörpern
erneute Allergenkontakt: Bindung des Allergens an zellständige IgE-Antikörper
Degranulierung der Zellen mit massiver Freisetzung diverser Entzündungsmediatoren (Prostaglandine, Leukotriene und Histamin)
Atopie = gesteigerte Bereitschaft, eine allergische Reaktion vom Typ I zu entwickeln
Typ-II-Reaktion
zytotoxische Reaktion: einige Stunden nach Exposition
immunologischer Mechanismus:
An Zellwände gebundene Antigene werden durch IgE/IgG erkannt
Aktivierung Komplementsystem und zytotoxische Killerzellen
Zerstörung (Lyse) körpereignener Zellen
Klinische Beispiele:
Allergische hämolytische Anämie
allergische Thrombozytopenie
allergische Agranulozytose
Typ-III-Reaktion
Immunkomplexreaktion: einige Stunden nach Exposition
Antigen + AK (IgE/IgG) bilden Immunkomplex
Aktivierung Komplementsystem
Auslöser: Medikamente (Penicilline, Diuretika, Salizylate, Sulfonamide)
Serumkrankheit
Allergische Vaskulitis
Typ-IV-Reaktion
zelluläre Immunreaktion verzögert: 24-48h nach Exposition
1. Sensibilisierung
Antigen wird über Langerhans-Zellen der Haut (Makrophagen) aufgenommen
wandern in LK > präsentieren Antigen an T-Zellen > T-Gedächtniszellen entstehen
2. erneute Exposition
Langerhans-Zellen nehmen Antigen auf > präsentieren es über MHC-II > T-Helferzellen erkennen Antigen
Ausschüttung von Zytokinen und Interleukinen sorgt für Rekrutierung von weiteren Immunzellen und Verstärkung der lokalen Entzündungreaktion
Typ-IV-Reaktion Auslöser
allergisches Kontaktekzem (10% aller Berufskrankheiten!)
Makulopapulöses Arzneimittelexanthem: AB, Anfallssuppressiva, KM, Betablocker
Nahrungsmittelallergien
Tuberkulin-Hauttest
Transplantatabstoßung
Anaphylaxie/Anaphylaktischer Schock
Anaphylaxie: akute systemische Reaktion mit den Symptomen einer Sofortreaktion
Anaphylaktischer Schock: Maximalvariante mit Schocksymptomatik durch Erhöhung der Gefäßpermeabilität und Vasodilatation —> lebensbedrohlich!
Auslöser: Insektengift, Nahrungsmittel, Arzneimittel
Klinik: Gradeinteilung (1-4, je nach Schwere)—> siehe Tabelle
Therapie:
Allergen-Zufuhr beenden
großlumiger Zugang
Adrenalin (i.v., i.m.): langsame Injektion 1 Ampulle = 1mg/ml (Suprarenin) + 9ml NaCl 0,9%
Volumensubstitution: 1000ml NaCl 0,9%
O2-Gabe
Antihistaminika: z.b. 2mg Clemastin, 4mg Dimetinden (Fenistil), 50mg Ranitidin
Glukokortikoide: 250-1000mg Methylprenisolon
ggf. Reanimation
Anaphylaxie Grade
Schweregrad
Haut
Abdomen
Respirationstrakt
Herz/Kreislauf
I
Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem
-
II
möglich
Übelkeit, Krämpfe
Rhinitis, Heiserkeit, Dyspnoe
Tachykardie (Anstieg >20/min), Hypotonie (Abfall >20 mmHg)
III
Erbrechen, Kolik, Defäkation, Miktion
Larynxödem, Asthma, Zyanose
Schock, Bewusstlosigkeit
IV
Grad III möglich
Atemstillstand
Kreislaufstillstand
Kreuzreaktion
Reaktion des Körpers auf Stoffe, deren Proteinstruktur der des primären Antigens ähnelt
Aeroallergene (Pollen) sind für die meisten IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien im Erwachsenenalter verantwortlich
Baumpollen (Birke): Apfel, Haselnuss, Pfirsich, Feige, Pflaume, Nektarine, Aprikose, Kiwi, Kirsche, Karotte, Sellerie, Kartoffel, Soja
Beifußpollen: Karotte, Mango, Sellerie, Sonnenblumenkerne, Gewürze
Naturlatex: Banane, Avocado, Ananas, Tomate, Kartoffel, Kiwi, Pfirsich, Mango, Papaya, Sellerie (Latex-Frucht-Syndrom)
Klinik: sofort bis 2h nach Exposition
Kontakturtikaria der Munschleimhaut
ggf. Rhinokonjunktivitis, GI-Beschwerden, Asthma
ggf. Anaphylaxie
Diagnostik:
Anamnese
Pricktest, IgE-Test auf Aeroallergene ggf. zusätzlich auf spezifische Nahrungsmittel
bei unklar: oraler Provokationstest oder molekulare Testung
Verhalten: Expositionskarenz, Nahrungsmittel erst nach Erhitzen konsumieren
Anaphylaxie Notfallset, bei schweren Reaktionen
ggf. SIT gegen Primärallergen
Pseudoallergien/ Intoleranzreaktionen
allergieähnliche Reaktion (Typ-1) auf exogene Substanzen ohne immunologische Sensibilisierung (keine IgE-Beteiligung) und mit individueller und dosisabhängiger Reaktion
Häufige Allergene: Nahrungsmittelinhaltsstoffe und Arzneimittel (Analgetika, LA, KM)
Pathophysio: Vielfältige Mechanismen, abhängig von Substanz und Person
Bsp: direkte Histaminfreisetzung, vermehrte Leukotrienproduktion
Diagnostik: nur Provokationstestung
Idiosynkrasie
Überempfindlichkeitsreaktion auf bestimmte Substanzen (bsp: Medikamente)
keine klare Abgrenzung zur Pseudoallergie möglich!
Allergen-Immuntherapie
Synonym: Hyposensibilisierung/ Spezifische Immuntherapie (SIT)
Prinzip: wiederholte Applikation eines verdünnten spezifischen Antigens mit langsamer Dosissteigerung
Ziel: Toleranzentwicklung durch Wechsel von IgE und IgG
Indikation: Nachweis IgE-vermittelte Sensibilisierung und deutliche Symptome
mögliche Allergene: Wespen, Bienen, Pollen, Hausstaubmilben
Applikation: subkutan, sublingual (SCIT, SLIT)
Behandlungsdauer: 3-5 Jahre
KI: unkontrolliertes Asthma, schwere Systemreaktion durch SIT, aktive Krebserkrankung, schwere Autoimmunkrankheit,
Akuttherapie Anaphylaxie
Allgemein:
Zufuhr des Allergens beenden
Lagerung
Sauerstoff
Medikamentös:
Antihistaminika
Glukokortikoide
Volumen
ggf. Adrenalin
Grad I: Haut/Allgemeinsymptome (Pruritus, Flush, Urtikaria, Angioödem)
Glukokortikoide i.v.
Grad II: Haut/Allgemeinsymtome, Abdominell (Übelkeit, Erbrechen,Krämpfe), respiratorisch (Rhinorhö, Heiserkeit, Dyspnoe), kardiovaskulär (Tachykardie, Hypotension, HRS)
Grad III: Haut/Allgemein, abdominell (Erbrechen, Defäkation), respiratorisch (Larynxödem, Bronchospasmus, Zyanose), kardiovaskulär (Schocksymptomatik)
GI: Antihistaminika, Glucocortkoid i.v. (Esk: Spasmolytikum, Antiemetikum)
resp: Adrenalin i.m., O2, Salbutamol, Antihistaminikum, Glukokortikoid i.v. (Esk: Atemwegssicherung)
kardiovask: Adrenalin i.m., O2, Volumensubstitution, Antihistaminikum, Glukokortikoid i.v. (Esk: Dopamin, Noradrenalin)
Grad IV: Herz-Kreilauf-Versagen
Reanimation
Prävention von Sofortreaktionen
Ernährung:
während SS: ausgewogen, Nikotin- und Alkoholkarenz, Übergewicht vermeiden
Säuglinge <4 Monate: Stillen! oder Aminosäureformula, extensiv hydrolysierte Formula > keine Kuhmilch
Säugline > 4 Monate: abwechslungsreiche Beikost (Milch, Fisch, Ei, Erdnuss) zu Muttermilch/Formula
Aufenthalte an Orten mit Reizklima (Küste/Berge)
Impfungen nach STIKO-Empfehlung
Vermeidung Begünstigender Faktoren (AB, Schadstoffe (Tabak/Schimmel), Tierhaltung, Geburt per Sectio, Adipositas)
Mundschleimhautkontakt zu Fremdproteinen fördert die Immuntoleranz, während Hautkontakt das Allergierisiko erhöht (bei Atopie)!
Anaphylaxie- Notfallset
Erste-Hilfe-Ausrüstung für Personen mit erhöhtem Anaphylaxie-Risiko
Adrenalin-Autoinjektor: wirkt innerhalb von 5-10 Minuten
i.m. Injektion: 150ug (Kinder), 300ug (Erwachsene)
Keine KI im Notfall, sollte schnellstmöglich verabreicht werden
Applikation in Hände/Füße kann zu Ischämien führen
Antihistaminikum: wirkt innerhalb von 30 Minuten
Dimetinden (Fenistil): Tropfen (besser als Tabletten, falls Angioödem)
Überdosis: ZNS-Symptomatik (sedierend!), ATeminsuffizienz, Mydriasis
Cetirizin
Desloratadin
Im Notfall immer eher überdosieren, im Zweifels eine zweite Gabe!
Glucocortikoide: wirken innerhalb von 60 Minuten
Betametason oral: 7,5mg (Kinder), 15mg (Erwachsene) Einmaldosis
Prednison/Prednisolon rektal:
Prednisolon oral: 50mg als Einzeldosis (jedes Alter), bis auf 250mg steigerbar
Tablette —> Schlucken muss möglich sein!
keine KI im Notfall! Bei weiterbehandlung Interaktion mit anderen Medikamenten und Vorerkrankungen beachten!
Salbutamol: Dosieraerosol
keine KI im Notfall!
Allergologische Diagnostik
Anamnese: genaue Klärung der in Frage kommenden allergischen Reaktion (Cooms and Gell), potenzieller Allergene und Schweregrad der Reaktion
Prick-/Reibe-, Scratch-, Intrakutantest: zur Diagnostik von Soforttyp-Reaktionen (Typ 1)
Epikutantest: Test zur Diagnostik einer allergischen Spättypreaktion
Serologische Nachweismöglichkeiten:
Gesamte-IgE: Beurteilung einer atopischen Disposition
Spezifisches IgE: dient dem Nachweis einer Sensibilisierung auf bestimmte Allergene
Provokationstests: nasal, oral, bronchial, konjunktival
Scratch-Test
Durchführung: Nativallergene werden aufgelöst (Wasser/Alkohol) und auf Unterarmbeugeseite aufgetragen. Die Stellen werden mit einer Lanzette leicht strichförmig angeritzt, ohne eine Blutung hervorzurufen.
Wichtig: positive (Histamin) und negative (NaCl) Kontrolle auftragen!
Ablesen nach 20 Minuten
Beurteilung: Nach Quaddel und Reflexerythem (0 bis ++++) —> meist negativ, da sich die Sensibilisierung meist gegen Metabolite der Substanzen richtet
Reibetest
alternative Testmethode zu Pricktest bei zu erwartender starker Reaktion
Durchführung: Einreiben von Partikeln des nativen Allergens an der intakten Unerarminnenseite OHNE Einritzen der Haut
Auswertung: Ablesung nach 20 Minuten mit Beurteilung der Hautrötung und Quaddelgröße
Pricktest
Test zur Diagnostik einer IgE-vermittelten allergischen Reaktion vom Soforttyp (Typ-I-Reaktion), nach negativem Scratchtest
Durchführung: Allergentestlösungen auf Unterarmbeugeseite aufgetragen. Die Stellen werden mit einer Lanzette leicht strichförmig angeritzt, ohne eine Blutung hervorzurufen.
4 Tage vorher Antihistaminika und Glukokortikoide absetzten
Beurteilung: Nach Quaddel und Reflexerythem (0 bis ++++)
Intrakutantest
wie Pricktest, nur das Allergenlösungen intrakutan gespritzt werden
Sensitiver als Pricktest
Gefahr der Anaphylaxie besteht
Epikutantest
Test zur Diagnostik einer allergischen Spättypreaktion
Indikation: allergisches Kontaktekzem, photoallergische/phototoxische Reaktionen, Arzneimittelreaktionen
KI: SS, akute Ekzeme, Einnahme von Immunsuppressiva
UAW: Exazerbation bestehender Ekzeme, postinflammatorische Hyperpigmentierung oder Narbenbildung bei sehr starken Reaktionen, Sensibilisierung auf Allergene, anaphylaktische Reaktion
CAVE: Kortison 1 Woche vorher absetzen, Wiederholung mit gleichen Substanzen innerhalb von 12 Monaten vermeiden —> Sensibilisierungsgefahr
Durchführung: Allergene werden stark verdünnt und mit Zellstoff oder Dünnschichtfolie auf die gesunde Rückenhaut appliziert. Ablesung der Testreaktion nach 48h, 72h, 96h
Bewertung:
Negativ = keine Reaktion
? = fraglich, kein Erythem, nur Infiltrat
+= einfach positiv (Erythem, diskretes Infiltrat, ggf Papeln)
++= zweifach positiv (Erythem und Papeln, Infiltrat, Vesikel)
+++= dreifach positiv (Erythem, Infiltrat, konfluierende Vesikel)
++++= vierfach positiv (erodierende Vesikel
Crescendo-Muster spricht für allergischen Typ
Decrescendo-Muster für irritativen Typ
Spätreaktion nach 10-14d: evtl. iatrogene Sensibilisierung
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