Urikaria
Quaddeln
Juckreiz
Angioödem
Urtikaria- Klassifikation
Akut: < 6 Wochen (oft durch Infekte, Nahrungsmittel, Allergien)
—> NSAR
Chronisch spontan: > 6 Wochen, kein Trigger (Autoimmunität gegen IgE/IgE-Rezeptor der Mastzellen, Infekte (H. pylori), Intoleranzen)
Chronisch induzierbar: > 6 Wochen, definierter Trigger
Urtikarieller Dermographismus (Urticaria factitia), Druckurtikaria, Kälteurtikaria, Wärmeurtikaria, lichtinduziert, Vibrationsinduziert, Kontakturtikaria, cholinergische Urtikaria (nach Erhöhung der Körperkerntemperatur), aquagen (nach Wasserkontakt)
Urtikaria- Pathophysiologie
Aktivierung von Mastzellen:
über IgE-Ak/Autoantikörper (Typ-1- Reaktion)
ODER nicht-immunologisch (IgE unabhängig, z.B. über bakterielle Toxine oder Pseudoallergene)
Symptombildung: Degranulation von Mastzellen
Gefäßweitstellung: Rötung
Gefäßpermeabilität: Ödeme
Aktivierung von Nerven: Juckreiz
Urtikaria- Klinik
Nur Quaddeln (ca. 50%), Quaddeln und Angioödem (ca. 40%) oder nur Angioödem (ca. 10%)
Quaddeln:
Variable Größe, Form und Farbe
Ausbreitung oft großflächig und dynamisch
Starker Juckreiz
Meist von einer Rötung umgeben (sog. Reflexerythem)
Dauer: Flüchtig, i.d.R. 30 min bis max. 24 h
Angioödem:
Akute Schwellung von Dermis, Subkutis und/oder Submukosa
Eher Kribbeln bis Brennen, Spannungsgefühl oder Schmerzen statt Juckreiz
Dauer: Bis zu 72 h
Allgemeinsymptome: nur bei einer Minderheit
Müdigkeit, Abgeschlagenheit
Übelkeit, Durchfall
Kurzatmigkeit, Luftnot
Gelenkschmerzen, Fieber
Urtikaria- Diagnostik
Anamnese: Grundlegend für Diagnose und Abgrenzung von Unterformen
Zeitlicher Verlauf der Beschwerden, Symptome, Vermutete Auslöser, Weitere Erkrankungen, Medikation, Beeinträchtigung der Lebensqualität
Körperliche Untersuchung:
Urtikaria ist sehr flüchtig —> meist keine Hautbefunde bei Vorstellung —> ggf. Fotodokumentation
Diagnostik der akuten Urtikaria: keine Standarddiagnostik —> ggf. Abklärung Typ-1-Reaktion (Nahrungsmittel, NSAR)
Diagnostik der chronisch spontanen Urtikaria:
Labor: Diff.-BB, CRP, BSG, Gesamt-IgE und Theyreoperoxidase (Hypothyreose!)
Scoring-Systeme zu Krankheitsauswirkung, -verlauf, Therapieerfolg: UAS7, AAS, CUQ2oL, AE-QoL, UCT, AECT
Erweiterte Diagnostik: nur sinnvoll bei langen/therapierefraktären Verläufen —> ansonsten konsequenzlos
Autoantikörper: gegen IgE od. Mastzellen
Infekte: H. pylori, Darmparasiten, bakterielle Entzündung (Nasopharynx, Zahnwurzel, HWI, Abdomensono, )
Pseudoallergien (Medikamente (NSAR), Nahrungsmittel)
Schilddrüsenerkrankungen
Allergien
Stress
Diagnostik der chronisch induzierbaren Urtikaria: Dermografismus testen, Provokationstest (je nach Ursache), Scoring zum Therapieerfolg
Urtikaria- DD
CsU:
Leitsymptom Quaddeln: Neutrophile urtikarielle Dermatose, Autoinflammatorische Syndrome (Schnitzler-Syndrom, systemisch juvenile idiopathische Arthtitis, CAPS), Vaskulitiden (urtikarielle Vaskulitis, Takayasu-Arteriitis), Blasenbildende Autoimmundermatose, Skabies, Erythema multiforme
Leitsymptom Angioödem: hereditäres Angioödem, erworbenes Angioödem, Medikamenteninduziertes Angioödem
CiU:
Kälteurtikaria: Muckle-Wells-Syndrom
Lichturtrikaria: Polymorphe Lichtdermatose, kutaner Lupus erythematodes, erythropoetische Protoporphyrie
Aquagene Urtikaria: Aquagener Pruritus bei myeloproliferativen Erkrankungen
Urtikaria- Therapie
Ursachenbehebung + Meiden von Auslösern:
Medis: absetzen, umstellen
Infektionen therapieren
Autoantikörper: Elimination durch Plasmapherese/Immunsuppression
möglich: Toleranzentwicklung gegen Trigger durch Expositionstherapie
meiden: Reize, Nahrungsmittel, unspezifische Faktoren
Symptomatisch medikamentös: Ziel ist dauerhafte Symptomkontrolle bei größtmöglicher Therapiesicherheit (UAS7 = 0)
Antihistaminika: Cetirizin/Desloratadin
—> Steigerung auf 4-fache Dosis oder bis Symptomkontrolle (bis 40mg)
Omalizumab (IgE AK) + H1-Blocker: nur bei CsU
—> Erst nach Ausreizung der H1-Blocker-Therapie
Ciclosporin A (Off-Label) + H1-Blocker: nur bei CsU
—> Wenn Omalizumab + H1-Blocker keine Symptomkontrolle gebracht haben
Dosisanpassung: nach UCT und UAS7
—> UCT <12: Dosis steigern
—> UCT = 16 Dosis reduzieren
akute Schwellung von Dermis, Subkutis und/oder Submukosa über mehrere Stunden/Tage
Klassischerweise sind Augenlider, Lippen und Zunge betroffen (bishin zum Larynxödem).
Angioödem- Einteilung
Histamin-vermittelt („Mastzell-vermittelt“): allergisch (IgE- vermittelt), pseudoallergisch (nicht IgE-vermittelt —> Nahrungsmittel, Medikamente), urikaria-assoziiert (nicht IgE-vermittelt —> chronisch/spontan)
Pathomechanismus: Mastzelldegranulation (IgE-vermittelt oder durch andere Reize ausgelöst) → Freisetzung von Mediatoren, insb. Histamin → Vasopermeabilität↑ → Einstrom von Flüssigkeit ins Gewebe → Attackenartige Schwellung, oft Juckreiz und Urtikaria
Bradykinin-vermittelt: hereditär (HAE): mit/ohne C1-INH-Mangel, erworben (autoimmun, Malignome), Medikamenten-induziertes Angioödem (meist ACE-Hemmer)
C1-Esterase-Inhibitor-Mangel (C1-INH-Mangel): quantitativer Mangel/ qualitative Dysfunktion des C1-Esterase-Inhibitors —> vermehrte Produktion von Bradykinin (vasoaktiv + Steuerung Entzündungsprozesse —> Bradikinin = ähnliche Wirkung wie Histamin)
Pathomechanismus: Vermehrte Bildung oder verminderter Abbau von Bradykinin → Bradykininspiegel im Plasma↑ → Vasopermeabilität↑ → Einstrom von Flüssigkeit ins Gewebe → Attackenartige Schwellung, kein Juckreiz und Urtikaria
Auslöser: Trauma (Stöße, Druck), OP, psychisch, hormonell, Infekte, Medikamente (ACE-hemmer)
Angioödem- Klinik
Allgemein: Akute Schwellung von Dermis, Subkutis und/oder Submukosa (Gesicht, Extremitäten, Genital, Mundschleimhaut), lokales Spannungsgefühl, geringer Druckschmerz, Pharynx-/Larynxbeteiligung (—> Dyspnoe)
Histamin-vermittelt: Manifestation oft im Kopf-Hals-Bereich, oft mit Urtikaria, meist einmaliges Auftreten bei allergisch/pseudoallergisch —> Rezidiv bei erneutem Kontakt möglich
Bradykinin-vermittelt: rezidivierende Schwellungen, i.d.R. keine Urikaria, Ödemdauer bis 7d, ggf. Prodromi (Müdigkeit, Abgeschlagenheit etc.)
ACE-Hemmer-induziert: Manifestation ausschließlich im Kopf-Hals-Bereich, 10% Obstruktion der oberen Atemwege, keine Urtikaria
Angioödem- Diagnostik
Anamnese: Zeitpunkt/Dauer, Auslöser, Begleitsymptome, FA
kU: lokalisiert, asymmetrische Ödeme der Subkutis/Submukosa, unscharf Begrenzte Gewebeschwellung, leicht erythematös, nicht eindrückbar, ggf. allergische Begleitsymptome
Allergietest: Pricktest
Labor: GOT, GPT, Krea, TSH,
bei HAE: Komplemetfaktor C4, quantitative/qualitative Bestimmung von C1-INH
Typ 1: KF 4 ¯, C1-INH-Aktivität ¯, C1-INH- Konzentration ¯
Typ 2: KF 4 ¯, C1-INH-Aktivität ¯, C1-INH-Konzentration oder normal
Typ 3: typischerweise alles normwertig
Diagnosesicherung: rezidivierende Schwellungen, abdominelle Attacken, positive FA + Laborparameter
Kriterien für Ausschlussdiagnose rezidivierendes idiopathisches Angioödem: negative FA, kein C1-INH-Mangel, Attacken nicht auf Medikamente zurückführbar
Angioödem- DD
Ödem bei Allergie
Urtikaria
Zyklisches Ödem bei hormoneller Dysbalance
Ödem bei Hypothyreose (Lidödem, Myxödem)
Rechtsherzinsuffizienz mit oberer Einflusstauung
kardiales/renales Ödem
Lymphödem
Angioödem- Therapie
Akuttherapie:
Dringlichkeit einschätzen: Dysnpoe, Larynx/Pharynx/ Zungenödem erfordern dingliche Handlung
DD stellen: Histamin/Bradykinin?
—> unklar: probatorische Gabe von Antihistaminika und Glucokortikoiden
Supportiv: Therapie von Schmerzen/Erbrechen, Vasokonstriktorische Maßnahmen (Kühlen), Infusionstherapie (Kreislauf-Stabilisierung bei Hypovolämie)
Spezifisch Kopf-Hals-Bereich: Sicherstellen, dass Atemwege frei sind (Beruhigen, Oberkörper vorbeugen, Husten lassen, Inspektion auf Fremdkörper)
Sauerstoffgabe, Oberkörperhochlage
Frühzeitige Intubation bei V.a. Dyspnoe: Inspiratorischer Stridor, unter Therapie größenprogredientes Ödem, O2-Sättigung
Spezifisch Histamin-vermittelt: Glucocorticoide und Antihistaminika i.v.
Schwerer Verlauf: beta2-Sympathomimetika inhalativ, Adrenalin i.m.
Behandlungsschema Anaphylaxie!
Langzeittherapie: Allergenkarenz
Langzeittherapie: Symptome lindern, Erstickungstod verhindern
Patientenaufklärung, Notfallausweis, Mitführen von Selbstmedikation (Icatibant, C1-INH-Konzentrat), C1-Prophylaxe vor Eingriffen,
Dauerprophylaxe: Dauertherapie mit C1-INH-Inhibitor
Spezifisch Bradykinin-vermittelt: HAE 1&2
bei abdominalen Attacken —> krampflösende Zäpfchen und C1-INH-Konzentrat/Bradykinin-Rezeptor-Antagonisten (Icatibant)
Medikamenten-induziertes Angioödem: sofortiges Absetzen des Medikamentes!
Keine Kausaltherapie!
potentiell Langzeitprophylaxe mit Danazol (Androgen) —> kann hepatische C1-INH-Sythese stimulieren (seit 2005 in DE nicht mehr erlaubt)
Off-Label: Antihistaminika, Glucocorticoide, C1-INH-Konzentrat, Icatibant
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