1/5: g-Faktor der Intelligenz (Spearman)
• Zweifaktoren-Theorie der Intelligenz
- g = general intelligence; s = specific intelligence
- allgemeiner Faktor g: liegt allen Leistungswerten gemeinsam zugrunde
- dazu noch: testspezifische Intelligenzfaktoren s
- Mittelwert aller Tests ergibt gute Schätzung für g
- Korrelationen zwischen Messverfahren werden nur durch das Ausmaß bestimmt, in dem sie g erfassen (keine anderen Gemeinsamkeiten)
- Korrelationen zw. versch. Tests müssten allein auf g-Faktor zurückführbar sein -> Gemeinsamkeit von s mit g
-> Das ist aber nicht der Fall: einzelne Tests lassen sich zu Untergruppen zusammenfassen, die untereinander höher korrelieren, als es ihre Korrelation mit dem g-Faktor erwarten lässt (bspw. verschiedene verbale Aufgaben)
-> Spezifischere Untergruppen von Fähigkeiten (z.B. Wortanalogien oder Logikaufgaben)
Hierarchische Strukturmodelle
-> Grundidee: Es gibt einen übergeordneten, allgemeinen Intelligenzfaktor (g-Faktor), aber auf niedrigerer Hierarchieebene lassen sich noch spezifischere Sub-Faktoren identifizieren
2/5: Fluide und kristalline Intelligenz (Cattell)
Raymond Bernard Cattell (1905-1998)
- Annahme: g lässt sich in zwei getrennte Komponenten aufteilen, fluide Intelligenz (gf) und kristallisierte Intelligenz (gc)
• fluide Intelligenz (gf)
Fähigkeit,sich neuen Problemen anzupasse, ohne dabei wesentlich auf frühere Lernerfahrungen zurückgreifen zu müssen
- Primärfähigkeiten wie Merkfähigkeit, Induktion oder räumliches Denken
- eher anlagebedingt, Maximum ca. im 16. Lebensjahr
- Messung fluider Intelligenz, z.B. mit Matrizentest:
• kristallisierte Intelligenz (gc) Fähigkeiten, in denen sich die kumulierten Effekte vorangegangener Erfahrungen verfestigt haben
- z.B. Wortverständnis, Wortflüssigkeit
- eher bildungs- bzw. erfahrungsabhängig, zumindest keine Abnahme im Alter
- Messung kristallisierter Intelligenz, z.B. mit Wortschatztest:
Cattell: Bewertung
• Positiv:
- Hoher heuristischer Wert
- In Forschung und Praxis nach wie vor relevant
• Allerdings:
- Unterteilung von g in gf und gc empirisch nicht immer überzeugend gestützt, häufig weitere Subfaktoren identifizierbar (siehe Modell von Carroll)
- Annahmen hinsichtlich genetischer und Bildungsabhängigkeit kontrovers diskutiert
3/5: Intelligenz-Strukturmodell (John B. Carroll, 1993)
1916-2003
- Carroll (1993): Reanalyse von 460 Datensätzen, 1927-1987, insg. 130.000 Personen
- 3 Ebenen: g, allgemeine Spezialfähigkeiten, spezifische Teilfähigkeiten
• Bewertung:
- in englisch-sprachiger Forschung derzeit mit das verbreitetste Modell
- Fußt auf sehr großer Datenbasis (130.000 Personen, Daten aus mehr als 80 Jahren)
- Etwas „theorielos“
4/5: Intelligenz-Strukturmodell (Deary, Penke & Johnson2008)
Ian Deary
5/5: Berliner Intelligenzstrukturmodell (BIS) (Jäger, 1984)
Adolf Otto Jäger
· Jäger (1984): Integrationsversuch vorhergehender Strukturmodelle
· Beobachtung: Intelligenztestaufgaben unterscheiden sich hinsichtlich zweier Modalitäten
· Annahme: an jeder Intelligenzleistung sind immer dieselben Fähigkeiten beteiligt, nur in jeweils anderer Gewichtung
- Erforderliche Operationen:
Welche Art mentaler Leistung ist erforderlich? (Bearbeitungsgeschwindigkeit, Merkfähigkeit, etc.)
Aufgabeninhalte: Welche Inhalte haben die Aufgaben, die in den Tests verwendet werden? (Zahlen, Wörter, Figuren)
-> 12 spezifische Fähigkeiten; diese werden in Untertests des Berliner Intelligenzstruktur-Tests erfast , von denen jeweils 3-5 derselben speifischen Fähigkeiten zugeordenet sind -> sie erfassen in ihrer Gesamtheit die allgemeine Intelligenz (Aggregation aller Untertests)
• Annahmen:
- Intelligenzleistungen lassen sich bimodal danach klassifizieren, welche Operationen gefordert und welche Aufgabeninhalte relevant sind
- In alle Leistungen fließt g ein
5 Kennzeichen des BIS
Jede Aufgabe ist genau einer Raute zuordnungsbar
Faktorenanalytische Bestätigung der vier unterschiedlichen Operationen und drei unterschiedlichen Inhalte
Jede Aufgabe fließt sowohl in die Berechnung des Werts für die zugehörige Operation als auch in die Berechnung des Werts des zugehörigen Inhaltsbereichs ein
Alle Aufgaben fließen in die Berechnung von g ein
Modell prinzipiell erweiterbar um andere Operationen und/oder Inhalte
Bewertung des BIS
- Umfassendes Modell
- Innovative zweidimensionale hierarchische Struktur
Allerdings: International wenig bekannt (Jäger publizierte viel auf deutsch
Strukturmodelle: Fazit
- g-Faktor der Intelligenz in jedem Modell enthalten
- Aber dennoch Subfaktoren der Intelligenz unterscheidbar, die je nach Strukturmodell unterschiedlich (Anzahl, Benennung) sind
Der Flynn-Effekt
James Flynn
· die Intelligenzrohwerte nahmen in westlichen Kulturen in den letzten Jahren ständig zu
· Kohorteneffekt: Durchschnittliche Intelligenztestrohwerte nahmen über die Zeit hinweg kontinuierlich zu
· Kohorte = Eine Kohorte ist eine Gruppe von Personen, die ein gleiches Ereignis zur gleichen Zeit erfahren hat. Eine Geburtskohorte entspricht z.B. einer Gruppe von Personen, die im gleichen Kalenderjahr geboren wurden.
· Flynn (1984, Psychological Bulletin): Anstieg in IQ im StanfordBinet-Test und im Wechsler-Intelligenztest von 1932 bis 1978 in den USA um 13,8 Punkte
· Flynn (1987, Psychological Bulletin): Replikationen des o.g. Ergebnismusters in verschiedenen Ländern
· Metaanalyse von Pietschnig & Voracek (2015): Steigerung in den letzten 100 Jahren um 20-35 IQ-Punkte je nach Intelligenzdomäne; 1909-2013, 4 Mio. Testpersonen, vier untersuchte Domänen (fluide Intelligenz, kristalline Intelligenz, Raumvorstellungsfähigkeit, Gesamt IQ)
indiv. Messrohwert = x
Mittelwert der Normstichprobe = M
Streuung der Normstichprobe = SD
Mögliche Gründe für den Flynn-Effekt
Aber auch – gleichzeitig – zu beobachten (Flynn, 1984):
· Fylnn-Effekt als Beleg für kulturelle und historische Relativität der Intelligenzmessung
- In den letzten 40 Jahren stärkere Anstiege in ‚Entwicklungsländern‘ im Vergleich zu den ‚entwickelten‘ Ländern (Wongupparaj et al., 2015, Intelligence)
- Es gibt Anzeichen, dass der Flynn-Effekt in den letzten Jahrzehnten in den entwickelten Ländern nicht mehr existiert (z.B. Sundet et al., 2004: „The end of the Flynn effect?“) oder sich gar umdreht (Bratsberg & Rogeberg, 2018) (Daten aus Norwegen; vgl. Bratsberg & Rogeberg, 2018, PNAS)
Wegen des Flynn-Effekts sind regelmäßige Neunormierungen von Intelligenztests notwendig
- Alte Normen haben z.B. drastische Auswirkungen bei der Legasthenie-Diagnostik (falls über Diskrepanz IQ – Lese-Rechtschreibtest bestimmt) und bei der Bestimmung von Hochbegabung
· Wegen des Flynn-Effekts sind querschnittliche Alterseffekte nicht als individuelle Veränderungen interpretierbar
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