Selbstwert
· Subjektive Bewertung der eigenen Person, Zufriedenheit mit sich selbst
· Häufig untersuchtes Konstrukt in der Persönlichkeitspsychologie
· Auch hohe Relevanz in der Sozialpsychologie
· es gibt viele wissenschaftliche, parawissenschaftliche und nicht wissenschaftliche Bücher zum Thema Selbstwert
Messung
Stabilität und Veränderung
- Mittelung verschiedener Quer- und Längsschnittstudien
- im Alter von 51 Jahren wurden viele Ziele bereits erreicht
- vor 51: Unsicherheit, Exploration
- nach 51: Krankheit, näher rückender Tod
- normative gemittelte Approximation -> im Durchschnitt über alle Menschen
- umgekehrt U-förmige Funktion
- der Selbstwert ist nicht so stabil wie die Big Five
Korrelation mit den Big Five
• Substantielle Korrelationen mit Extraversion (r = .38), emotionaler Stabilität (r = .50) und mit Gewissenhaftigkeit (r = .24) (Robins et al., 2001, JRP; N = 326641)
• Aber keine Redundanz
- der Selbstwert hat neben den Big 5 noch eine eigene Vorhersagekraft
Soziometer Theorie
Timothy Leary (1920-1996)
• Theorie zur Erklärung von Schwankungen im Selbstwertgefühl infolge der Umwelt
• Menschen haben ein universelles und evolutionär evolviertes Bedürfnis nach sozialer Inklusion (Eingeschlossenheit, Zusammenhalt, Wertschätzung)
• Selbstwert: stellt Mechanismus dar, der kontinuierlich prüft, inwiefern dieses Bedürfnis befriedigt ist
• Da geringer Selbstwert aversiv ist, versuchen Menschen in der Regel sich so zu verhalten, dass ein Absinken des Selbstwerts vermieden wird
• Evolutionärer Nutzen: Aufrechterhaltung der sozialen Inklusion
• Implikation: Eine zentrale Funktion des Selbstwertgefühls liegt darin, soziale Inklusion zu gewährleisten
•
Empirische Evidenz zur Soziometer-Theorie
Experimentell:
• Sozialer Ausschluss (soziale Exklusion) führt zu einem Absinken, sozialer Einschluss zu einem Anstieg des Selbstwertgefühls (Leary, 1998; Buckley, 2004)
- etwas artifiziell
Tagebuchstudie:
• Selbstwert ist höher an Tagen, an denen man sich sozial eingeschlossen fühlt, als an Tagen, an denen man sich sozial ausgeschlossen fühlt (Denissen et al. 2008)
Längsschnittstudie:
· Beliebtheit bei den Peers führt zu einem Anstieg des Selbstwerts (Srivastava & Beer, 2005)
è Der Selbstwert reagiert tatsächlich auf soziale Inklusion vs. Exklusion
Selbstwert: Korrelation
• Zusammenhänge mit…
• Beliebtheit+
• psychischer Gesundheit (Optimismus, Lebenszufriedenheit)+
• Schulleistung+
• Drogenkonsum-
• Depression-
- ein hoher Selbstwert ist positiv für Vieles!
( + -> positive Korrelation)
(- -> negative Korrelation)
Impliziter Selbstwert
• expliziter und impliziter Selbstwert
- Impliziter Selbstwert im Gegensatz zum expliziten Selbstwert nicht introspektiv zugänglich
- Zwei-Prozess-Modelle: Expliziter Selbstwert soll eher kontrolliertes Verhalten und impliziter Selbstwert eher spontanes Verhalten vorhersagen
• Messung impliziter Selbstwert
- Implizite Assoziationstests (IAT)
- Primingverfahren (z.B. Selbstwert APT (Affektiver Priming Task))
- Messung des impliziten Selbstwerts: etwas Affektives, was außerhalb der eigenen Kontrolle liegt, messen; Reaktionszeitmessung
- impliziter Selbstwert: zeigt sich in spontanem Verhalten, z.B. Reaktion auf (Un)Glück von Anderen; liegt im Unbewussten
- expliziter Selbstwert: kontrolliertes, durchdachtes, gestütztes Verhalten
- Rosenberg Self-Esteem Scale zum Messen von explizitem Selbstwert
Selbstwert-IAT
- Impliziter Assoziationstest
- Wort-Klassifizierungsaufgabe
- schnell & richtig kategorisieren -> Trade -Off
- weniger Reaktionszeit bei M(RT_A) -> mehr Selbstwert
How does the IAT work?
The IAT measures associations between concepts (e.g., Young people and Old people) and evaluations (e.g., Good, Bad). People are quicker to respond when items that are more closely related in their mind share the same button. For example, an implicit preference for Young people relative to Old people means that you are faster to sort words when 'Young people' and 'Good' share a button relative to when 'Old people' and 'Good' share a button.
Studies that summarize data across many people find that the IAT predicts discrimination in hiring, education, healthcare, and law enforcement. However, taking an IAT once (like you just did) is not likely to predict your future behavior well.
Selbstwert-Affektiver Priming-Test
- Prime: Lieblingsfoto von einem selbst anschauen
- Präsentation des Primes hat einen Effekt auf die Kategorisierung
- hoher Selbstwert: positive Kategorisierung ist einfacher (weil man schon positiv geprimet/“vorgewärmt“ ist)
- Adjektive-Valenz-Kategorisierungsaufgabe (-> vorgeprimet)
• Befunde
- geringe Zusammenhänge zwischen explizitem und implizitem Selbstwert (Bosson et al., 2000, JPSP)
- Allerdings auch nur geringe Zusammenhänge zwischen verschiedenen Tasks zur Messung des impliziten Selbstwerts (Bosson et al., 2000, JPSP; Krause et al., 2011, EJP)
- unterschiedliche Verhaltensvorhersage z.T. bestätigt, aber unklare Replizierbarkeit
- Reliabilitäten (Zuverlässigkeiten) zumeist problematisch (z.B. in Lägnsschnittstudien)
- der implizite Selbstwert entspricht bestenfalls dem wahren Selbstwert
Subjektives Wohlbefinden
Ed Diener (1946-2021)
- zum Thema Selbstwert wurde viel geforscht
-> Konzeptionalisierung von „subjective well-being“ (SWB) nach Diener (2000):
• Kognitive Komponente (life satisfaction, Lebenszufriedenheit)
- z.B. im SOEP: „Wie zufrieden sind Sie gegenwärtig, alles in allem, mit Ihrem Leben? “ von 0 = „ganz und gar unzufrieden“ bis 10 = „ganz und gar zufrieden“
• Emotionale Komponente (happiness)
- Intensive und häufige positive Affekte
- Wenig und seltene negative Affekte
- wenn kognitive und emotionale Komponente stark vorhanden -> hohes subjektives Wohlbefinden
- das subjektive Wohlbefinden liegt in Deutschland bei etwa 7,2
- life satisfaction: Zufriedenheit mit den eigenen Lebensbedingungen
Hängt SWB mit Intelligenz zusammen?
• Traditionelle Vorstellung: Keine Zusammenhänge zwischen Intelligenz (g-Faktor) und subjective well-being (z.B. Gottfredson, 2008; „The few studies that examined the influence of intelligence on happiness generally concluded that the effect was nil”; Watten, Syversen, & Myhrer, 1995)
• Aber eine ganze Reihe von Studien zeigen einen (kleinen) positiven Zusammenhang zwischen „cognitive functioning“ und SWB zumindest für Personen im höheren Alter
• z.B. Studie mit 11234 Personen ab 50 Jahren (Llewellyn et al., 2008, Age and Aging) zeigte ca. 0,30 Standardabweichung höherer IQ in höchstem Quintil vs. niedrigstem Quintil in SWB (Zusammenhang verringert sich noch nach Kontrolle für verschiedene Gesundheitsvariablen)
• Kleiner Zusammenhang fand sich in einer neueren Studie aber auch für Personen jüngeren Alters (Ali et al., 2013, Psychological Medicine): 6870 Personen, repräsentativ ab 16 Jahren
-> Evidenz für einen sehr geringen positiven Zusammenhang
Einflüsse durch Lebensumstände auf SWB?
• Nur vergleichsweise geringe Korrelation mit Einkommen und Reichtum (ca. r = .10 bis .25 über verschiedene Studien hinweg), möglicherweise kurvilineare Zusammenhänge
- geringe Korrelation zwischen Einkommen/Reichtum und SWB im unteren Einkommensbereich
- Schwellenidee: ab einem bestimmten Einkommen/Reichtum erhöht sich das SWB nicht mehr allzu stark bei weiterem Vermögensgewinn
• Nur kurzfristige positive Effekte bei Lottogewinn?
- unmittelbar: ja
- hängt vom Umgang mit dem Geld ab
- Adaptation nach 1-2 Jahren: alles ausgegeben oder Gewöhnung an Reichtum
- ein Lottogewinn hat einen kleinen Effekt auf happiness durch das Phänomen der fincancial happiness
Subjektives Wohlbefinden als stabile Persönlichkeitseigenschaft?
• > .80 über 3 Monate (Eid & Diener, 2003)
• ≈ .55 über 1 Jahr (Lang et al., 2013)
• ≈ .50 über 10 Jahre (Lykken & Tellegen, 1996)
• 20-Jahres-Stabilität von .30 für 1-Item-Measure der Lebenszufriedenheit (SOEP; Lucas & Donnellan, 2007, Journal of Research in Personality)
• Substantielle Korrelationen mit Extraversion (.28 bis .49) und Neurotizismus (-.38 bis -.46) (Steel et al., 2008)
- stabile Komponente
- SWB als fester Punkt, der von Zeit zu Zeit Schwankungen ausgesetzt ist
- Hormone (-> Neurobiologie) spielen auch eine Rolle
- SWB auch nicht redundant
Regelkreismodell bzw. Set-Point-Model (Headey & Wearing, 1989, JPSP)
Bruce Headey
- individueller Sollwert
- kurzfristige Schwankungen durch Lebensumstände
è Modell wurde bestätigt für weniger gravierende alltägliche Ereignisse (z.B. 10€ finden), aber für gravierendere Ereignisse lassen sich doch auch langfristigere Veränderungen nachweisen
- Wiederherstellung des SWB-Levels nach etwa 5 Jahren
- Skala der Lebenszufriedenheit: 0-10
- Heirat: Paradebeispiel für Set-Point-Theorie
- Scheidung: in die andere Richtung kompatibel mit Set-Point-Theorie
- Heirat und Scheidung -> inverse Ereignisse
- stärkste Auslenkung im Jahr des Ereignisses selbst
- bei Arbeitslosigkeit findet eine Sensitivierung statt
- Männer definieren sich stärker über ihre Arbeit als Frauen
- UE = unemployment
- RE = re-employment
SWB und Lebenserwartung
• Erinnerung: Positive Effekte von Intelligenz und Gewissenhaftigkeit auf Lebenserwartung
• Wie sieht das aus für Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit und positiven Affekt?
- gleich
- höhere Lebenserwartung
Nonnenstudie (Danner et al.)
Daniel Danner
• zwischen 1931 und 1943: 180 Nonnen (18-32 Jahre) nach der endgültigen Aufnahme in den Orden von Oberin gebeten, einen Lebenslauf zu schreiben (Kindheit, Erziehung, Schule, Gründe für den Eintritt)
• 2 Beurteiler: Anzahl der positiven Emotionswörter in den Lebensläufen
• Kriterium: Langlebigkeit (erfasst: 2000)
- schriftliches Zeugnis -> standardisierte Aufgabe
gleiche Situation, verschiedene Persönlichkeiten
- je mehr positive Wörter, desto höher die Wahrscheinlichkeit lange zu leben
- homogene Stichprobe
- gleiche Aufgabe
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