Buffl

Einführung in die Verwaltungswissenschaft

MG
by Maya G.

Historische Entwicklung der Verwaltungswissenschaft


-Ausgangspunkt: Rückgriff auf Aristoteles, Fach Politik in mittelalterlichen Universitäten, auf Grundlage der Nikomachischen Ethik von Aristoteles, normatives Ziel im Vordergrund

-ab 16.Jahrhundert: Ausgangspunkt sozio-ökonomische Veränderungen, moderner Territorialstaat als Ordnungsstifter, Policy (Inbegriff sämtlicher staatlicher Aktivitäten, synonym mit Staat und Verwaltung), Policeywissenschaft als Gesetzgebungs-, Regierungs- und Verwaltungslehre oder Staatswirtschaftslehre

-im 18.Jahrhundert: Policeywissenschaft als Kameralistik in fast allen deutschen Universitäten als neues Fach eingeführt, neben juristische auch wirtschaftliche verwaltungstechnische Kenntnisse

-im 19.Jahrhundert: Abspaltung der Policeywissenschaft in 3 Zweige- Kameralistik (als Lehre staatlichen Wirtschaftens, Vorgänger von Finanzwissenschaft), Ökonomik und Policeywissenschaft/-Staatswissenschaft, Entwicklung des Liberalismus und Rechtsstaates, Policeywissenschaft zerfiel in ökonomischen und rechtlichen Teil (Volkswirtschafts-und Staats(rechts)lehre)

-160 Jahre zuvor: staatsbildende Wissenschaften gefragt, Politik und Ethik galten als “unwissenschaftlich”,Trennung zwischen normativer (bzw. juristischer) und empirischer Staatslehre, empirische Fragestellungen zu Disziplinen Ökonomie und Soziologie, juristische Fragestellungen zu speziellem Verwaltungsrecht, im Sinnne vom Rechtspositivismus alles staatliche Handeln nun in Rechtsverhältnisse aufgelöst

- in Nachkriegszeit: Staatsrechtslehre belastet vom Nationalsozialismus, von Alliierten Einführung einer unbelasteten, empirischen Politikwissenschaft —> Entwicklung von Staatslehre/Staats- und Verwaltungsrecht (über Aufbau, Organisation und rechtliche Ausgestaltung von Staat und Verwaltung) auf einen Seite, auf anderer Seite Politik- und Verwaltungswissenschaft (Orientierung am Government: konkrete Ausgestaltung der politischen Organisationen zum Zwecke der Wahrnehmung allgemeiner Aufgaben, Gegenstände: Verfassungslehre, Formen der Herrschaft, Institutionen)

-in 60er-Jahren: Entwicklung der modernen Verwaltungswissenschaft, durch politische Entwicklungen wie Ausbau des Sozial-und Wohlfahrtsstaates, Aufbau von Planungs- und Entscheidungssystemen und Reform der Ministerialorganisation, inspiriert vom US-amerikanischen Vorbild und Scientific Management (wissenschaftliche Untersuchung der Steuerung und Koordination von Arbeitsabläufen in Großorganisationen), Trennung von Politik und Verwaltung (Ausbildung im öffentlichen Dienst separat von Politik)

-in 70er-Jahren: Versuch, Verwaltungswissenschaft als Teil der Politikwissenschaft neu zu etablieren, da Politik zur Verarbeitung gesellschaftlicher Probleme und als aktive Gestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse immer schwieriger wurde Aufmerksamkeit auf administrativen Apparat, der Politik unterstützen und Gesetze durchführen soll, Verwaltung verknüpft in Politikfeldanalyse


Schwerpunkte der Verwaltungswissenschaft in Entwicklung


auch als “lange Wellen” bezeichnet, Entwicklungen von Verwaltungswissenschaft im Zusammenhang mit Verwaltungspraxis


Demokratischer Staat

Aktiver Staat

Schlanker Staat

Aktivierender Staat

Digitaler Staat

Perioden

ab Beginn 50er Jahre

ab Mitte 60er Jahre

ab Ende 70er Jahre

ab Miite 90er Jahre

ab Mitte 00er Jahre

Probleme und Ziele

Überwindung von Demokratieversagen und Obrigkeitsstaat

Ausbau des Wohlfahrtsstaats

Informationsverarbeitung

Konfliktlösung

Staatsversagen

Entbürokratisierung

Privatisierung

Ko-Produktion

Beteiligung

Neue Aufgabenteilung

Vernetzung

Transparenz

Theoretische Grundlagen

Verwaltungsrecht

Bürokratietheorie

Policy-Forschung

Makroökonomie

New Public Management

Public Choice

Institutionentheorie

Kommunitarismus

?

Zentrale Konzepte

Bürokratie

Hierarchie

Politische Beamte

Globalsteuerung

Regierungs-und Verwaltungsreform

PPBS

Aufgabenkritik

Neues Steuerungsmodell

Outsourcing Privatisierung

Gewährleistungsstaat

Verantwortungsteilung

Regulierung

Open Data

One-Stop-Shop

Shared Service-Center

Demokratischer Staat:

Verwaltung als wesentliche Voraussetzung des demokratischen Rechtsstaats, als Vollzugsagent für die Umsetzung von Entscheidungen der demokratischen Instanzen, hierarchisch Politik unterstellt, Ziel: demokratisch legitimierte und kontrollierte Verwaltung


Aktiver Staat:

erhöhter Steuerungsbedarf, Anwachsen des staatlichen Aufgabenbestandes, PPBS (Planning-Programming-Budgeting-System) zur Lösung, im Vordergrund: Policies (Politikinhalte), Public Policies (Fragen der Voraussetzungen und Folgen politischer Problemverarbeitung), politische Planung, von Top-Down-Perspektive zu Bottom-Up-Perspektive (von staatsfixierter Perspektive zur gesamtgesellschaftlichen Steuerungstheorie), interne Organisation des politischen Systems uninteressanter stattdessen Untersuchung gesellschaftlicher Teilbereiche


Schlanker Staat:

als Problem sozio-ökonomischen Fortschritts nicht Marktversagen sondern Staats- und Bürokratieversagen, Kritik an zunehmender Gesetzesflut und Verrechtlichung, stetige Vermehrung staatlicher Aufgaben und Wachstum des bürokratischen Apparats, Managementkonzepte des privaten Sektors auf öffentlichen Sektor übertragen, Konzentration auf staatliche Kernaufgaben und Aufgabenabbau gepaart mit individueller Verantwortung und gesellschaftlicher Selbstregelung


Aktivierender Staat:

weniger neoliberales Konzept als schlanker Staat, nicht nur Staat allein für Probleme zuständig, sondern auch Zivil- oder Bürgergesellschaft, Neubestimmung des Verhältnisses von Staat, Markt und Zivilgesellschaft, statt Staatsversagen Gesellschaftsversagen, gesellschaftliche Akteure in Problembewältigung einbezogen,Governance-Theorie: von akteurszentrierten Steuerungsperspektive zur institutionalistischen Regelungsperspektive (Regelungsstruktur statt handelndes Subjekt im Vordergrund)


Digitaler Staat:

Digitalisierung, Einführung neuer Organisationsmodelle, die eine möglichst vollständige elektronische Abbildung der Kommunikationswege zwischen Verwaltungskunden und Behörden, E-Government (Durchführung von Prozessen der öffentlichen Willensbildung, der Entscheidung und der Leistungserstellung in Politik, Staat und Verwaltung unter sehr intensiver Nutzung der Informationstechnik), Open Government (stärkere Betonung von Rechenschaftspflicht und Transparenz des Regierungshandelns, Partizipation und Kollaboration durch soziale Medien und Informationszugang)


Governance


-Konzept wurde von Weltbank aufgrund der Erfahrungen der Entwicklungspolitik aufgegriffen, dann von OECD umfassend propagiert

-um das Verhältnis von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren und deren Koordination und Kooperation

-unterscheidet sich vom klassischen verwaltungswissenschaftlichen Konzept der Steuerung und von Management und Regieren (Government)

-Regieren als Prozess mit vielen Akteuren und institutionelle Struktur dieses Prozesses, die Elemente von Hierarchie, Verhandlungssystemen und Wettbewerb miteinander verbindet

-als Merkmale:

  • Koordination öffentlicher und gesellschaftlicher Akteure

  • neue Aufgabenteilung zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft

  • Koproduktion öffentlicher Güter

  • Verhandlungen und Netzwerke staatlicher und gesellschaftlicher Akteure

enger und weiter Begriff von Governance

-enger Begriff bezieht sich nur auf diejenigen Formen der Handlungskoordination, bei denen staatliche Hierarchie durch die Kooperation staatlicher und privater Akteure abgelöst und weitgehend ersetzt wird, entspricht normativem Konzept des aktivierenden Staates

-analytischer,weiterer Governance-Begriff, von Renate Mayntz definiert: “Governance meint dann das Gesamt aller nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte: von der institutionalisierten zivilgesellschaftlichen Selbstregelung über verschiedene Formen des Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure bis hin zu hoheitlichem Handel staatlicher Akteure

-4 elementare Governance-Formen:

Hierarchie, Netzwerk, Verhandlung und Wettbewerb

-Governance bezeichnet damit Wiederentdeckung der institutionellen Grundlagen gesellschaftlichen Handelns


Aufgabentypen staatlichen Handelns


öffentlich (expliziter Gemeinwohl-Bezug)

-Staatliche Kernaufgaben, die auf der Basis eines expliziten gesellschaftlichen Konsenses vom Staat gewährleistet und selbst vollzogen werden müssen (z.B. Verteidigung, innere Sicherheit)

-Staatliche Gewährleistungsaufgaben, deren dauerhafte Erbringung zwar der Staat gewährleistet, bei deren Vollzug jedoch im Einzelfall zu prüfen ist, ob sie wirksamer bzw. kostengünstiger nach Maßgabe staatlicher Auftragserteilung und unter demokratischer Kontrolle von staatlichen Einrichtungen, von privaten Auftragnehmern oder von Organisationen des sog. Dritten Sektors erledigt werden können (z.B. Technische Überwachungsdienste, Kindergärten, Seniorenheime, Schulen oder Universitäten, in Deutschland auch Gesundheitswesen)

—> in Deutschland Subsidiaritätsprinzip große Rolle (Aufgaben sollen bürgernah und möglichst in Eigenverantwortung wahrgenommen werden)


nicht-öffentlich (kein expliziter Gemeinwohl-Bezug)

-Staatliche Ergänzungsaufgaben, bei denen es sich nach explizitem gesellschaftlichen Konsens um nich-öffentliche Aufgaben handelt, die der Staat wahrnehmen könnte, sofern er dies wirksamer und wirtschaftlicher als Private tun kann (Beispiele: Gebäudereinigung, Grünflächenpflege, Straßeninstandhaltung)

-Private Kernaufgaben, die auf der Basis eines gesellschaftlichen Konsenses von privaten gesellschaftlichen Institutionen (d.h. von kommerziellen Unternehmungen wie auch von Organisationen des sog. Dritten Sektors) erledigt werden

Aktivierender Staat


-politisches Leitbild seit Anfang der 90er Jahre

-Handlungsfähigkeit des Staates soll durch Aufgabenumbau, Verantwortungsteilung und Leistungsaktivierung bewahrt werden

-Staat, der zu einer Optimierung der Abläufe in der Gesellschaft beiträgt, bestimmte Grundbedürfnisse (öffentliche Infrastruktur, Bildung, öffentliche Sicherheit, Rechtssicherheit, soziale Sicherung) sicherstellt und Eigeninitiative und gesellschaftliches Engagement unterstützt

-vor dem Hintergrund dauerhafter öffentlicher Haushaltsprobleme und der Notwendigkeit, Veränderungen staatlicher Aufgaben in demokratischen Prozessen, was angesichts vorhandener Reformwiderstände und -blockaden nicht einfach ist, wird sich für eine Aufgabenentlastung des Staates durch Differenzierung verschiedener Verantwortlichkeiten ausgesprochen

-in Weiterentwicklung des Konzepts des Gewährleistungsstaates wird auf Verantwortungsteilung und Verantwortungsstufung gesetzt

-der aktivierende Staat soll:

  • Gewährleistungsverantwortung für eine öffentliche Aufgabe übernehmen, wenn im demokratischen Prozess ein wichtiges öffentlichen Interesse festgestellt worden ist

  • nur dann die Finanzierungsverantwortung übernehmen, wenn keine marktgerechten Erlöse zu erzielen sind oder staatliche Finanzierung politisch beabsichtigt ist (z.B. um soziale Benachteiligungen auszugleichen)

  • nur dann die Vollzugsverantwortung übernehmen, wenn nichtstaatliche Dritte nicht verfügbar sind oder der Vollzug durch solche Dritte aus Risiko-, Gleichbehandlungs- oder Missbrauchsgründen ausscheidet


Ausschließliche /Konkurrierende Gesetzgebung


Zwei Formen der Bundesgesetzgebung


Ausschließliche Gesetzgebung:

-es handelt sich um Gegenstände, die wegen ihrer Eigenart nur vom Bund geregelt werden können

-Beispiele:

  • Auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung und Schutz der Zivilbevölkerung

  • Melde- und Ausweiswesen, Ein- und Auswanderung

  • Währung-, Geld- und Münzwesen, Maße, Gewichte, Zeitbestimmung

  • Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, Handels- und Schifffahrtsverträge

  • Bundeseisenbahnen und Luftverkehr

  • Post- und Telekommunikation

  • Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht

  • Zölle und Finanzmonopole

  • Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus , Waffen- und Sprengstoffrecht

  • Kernenergie, Entsorgung radioaktiver Stoffe


Konkurrierende Gesetzgebung:

-Bund hat in festgelegten Bereichen immer dann ein Gesetzgebungsrecht, wenn es zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse notwendig erschien

-wenn Bund von Gesetzgebungsrecht noch keinen Gebrauch gemacht hat, haben Länder Gesetzgebungsbefugnis

-Bund muss Tätigwerden begründen

-Beispiele:

  • Bürgerliches Recht, Strafrecht

  • Personenstandswesen und Vereinsrecht

  • Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer

  • Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht, Kartellrecht

  • Ausbildungsbeihilfen, Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse

  • Grundstückswesen, Bodenrecht, Wohnungswesen, Grundsteuer

  • Schifffahrt und Wasserstraßen

  • Straßenverkehr, Kraftfahrtwesen sowie Bau und Unterhaltung von Fernverkehrsstraßen

  • Förderung der Land- und Forstwirtschaft, Sicherung der Ernährung, Wasserhaushalt

  • Wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, medizinische unterstütze Erzeugung menschlichen Lebens, Transplantation und Veränderung von Erbanlagen

  • Naturschutz und Landschaftspflege



Verwaltungszuständigkeiten


-Verwaltungszuständigkeiten und insbesondere der geringe Anteil zentralstaatlicher Verwaltung in Deutschland sind eine Folge des Föderalismusprinzips (Verwaltungsföderalismus), des Gewaltenteilungsprinzips sowie der grundgesetzlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung.

-Verwaltungszuständigkeit und Regelungskompetenz sind oft getrennt. Viele Verwaltungstätigkeiten, die Länder und Kommunen ausüben, werden durch einheitliche Bundesgesetze gesteuert

-Der Bund bedient sich mit wenigen Ausnahmen zur Durchführung seiner Gesetze der Verwaltung der Länder und der Kommunen.

-Dass die starke Verwaltungsdezentralisierung die staatliche Einheit nicht gefährdet, wird neben einer bundeseinheitlichen Rechtsordnung durch einen weitgehend bundeseinheitlich geregelten öffentlichen Dienst, eine nationale Parteienstruktur sowie ein bundeseinheitliches Wirtschaftssystem gewährleistet.

-Nach dem Grundgesetz (Art. 30, Art. 83) ist die Verwaltung in Deutschland daher mit wenigen Ausnahmen Aufgabe der Länder und der Gemeinden. Anders als in anderen Bundesstaaten, z.B. in den USA, liegen Verwaltungs- und Gesetzgebungskompetenz meist nicht beim gleichen Träger

-Verwaltungszuständigkeiten nach Sektoren:

  • In den Sektoren Auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung, Finanz- und Steuerverwaltung liegt die Verwaltungszuständigkeit überwiegend beim Bund

  • in den Sektoren öffentliche Sicherheit und Ordnung, Rechtsschutz, Umweltschutz, Wirtschaft, Kultur (einschließlich Medien) und Bildungswesen bei den Ländern

  • in den Sektoren innere Verwaltung und allgemeine Staatsaufgaben, Soziales, Gesundheitswesen, Wirtschaftsförderung, Verkehr und öffentliche Einrichtungen bei den Gemeinden


Gemeinschaftsaufgaben


-Entwicklung zu Planungs-, Entscheidungs- und Finanzierungsverbünden zu beobachten, die 1969 durch die Einführung von Gemeinschaftsaufgaben (Hochschulbau, regionale Wirtschaftsstrukturverbesserung, Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes, Art. 91a GG) begann.

-Hier finanziert der Bund die Aufgabenerfüllung in der Regel zu 50% (in der Agrarstruktur zu 60% und im Küstenschütz zu 70%) und hat insofern auch Planungseinfluss durch die gemeinsame Rahmenplanung mit den Ländern. Durch die Föderalismusreform I ist jedoch der Hochschulbau aus dem Katalog der Gemeinschaftsaufgaben gestrichen worden, so dass hier auch die Mischfinanzierung entfällt.

-Darüber hinaus haben Bund und Länder im Bereich der Bildungsplanung und Förderung der Forschung zusammengewirkt (Art. 91b GG). So werden die Max-Planck-Gesellschaft und die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Bereich der wissenschaftlichen Grundlagenforschung je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert, im Bereich der anwendungsorientierten Forschung die Großforschungsanlagen wie die Fraunhofer-Gesellschaft oder das Deutsche Krebsforschungszentrum sogar zu 90% vom Bund.

-Im Bereich der Hochschulen können Bund und Länder auf Grund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre zusammenwirken. Diese Vereinbarungen bedürfen der Zustimmung der Länder. Zu nennen sind hier die Förderung von sogenannten „Eliteuniversitäten“ oder die Hochschulpakte I bis III zur Verbesserung der Lehrsituation

Politikverflechtung



-Die Vermischung der Aufgaben- und Verwaltungszuständigkeiten von Bund, Ländern und Kommunen führt zu einer gesonderten Form der Willensbildung, die in der Politikwissenschaft unter dem Stichwort Politikverflechtung diskutiert wird

- Politikverflechtung ist eine typische Eigenschaft föderativ verfasster Staaten. Sie steht für alle Kompetenzverschränkungen, die staatsrechtlich autonome Entscheidungsträger des Bundes und der Länder zwingt, bei der Erfüllung der Aufgaben zusammenzuwirken.

-Sie bezeichnet in Deutschland eine Entscheidungsstruktur, in der die meisten öffentlichen Aufgaben nicht durch Entscheidungen einzelner Gebietskörperschaften, sondern durch Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen und zunehmend auch der Europäischen Union wahrgenommen werden, so dass hier auch von einem kooperativen Föderalismus gesprochen wird.

-Politikverflechtung ist in Deutschland durch die Gemeinschaftsaufgaben, durch die Mitsprache der Länder im Bundesrat, durch den Steuerverbund und den Verwaltungsföderalismus verfassungsmäßig institutionalisiert

-es wird unterschieden zwischen vertikaler und horizontaler Politikverflechtung

-Die Vor- und Nachteile von Politikverflechtung lassen sich nur aufgrund einer differenzierten Analyse einzelner Formen erfassen, und sind hoch kontrovers. Als Vorteile gelten die Koordinierungsfunktion und die Herstellung von Stabilität und Flexibilität öffentlicher Aufgabenerfüllung, während die Nachteile in der Intransparenz, der Fragmentierung von Staatstätigkeit und zumindest in einigen Bereichen in einer ineffizienten und ineffektiven Aufgabenerfüllung gesehen werden

-Zentrale Lösungen werden eher aus der Ebene des Bundes vorgeschlagen, dezentrale von den Ländern, wobei die ärmeren und kleineren Bundesländer eher gewillt sind, Kompetenzen zugunsten von Bundesmitteln abzugeben. In der Öffentlichkeit gibt es generell eine oft wenig reflektierte Vorliebe für zentrale und eher wenig Verständnis für die Vorteile dezentraler Aufgabenwahrnehmung, wie die ewigen Debatten über die Probleme des deutschen Bildungsföderalismus zeigen

Horizontale und vertikale Politikverflechtung (in Deutschland)




Vertikal

(einschließlich des Bundes)

Horizontal

(ohne Bund)

Formalinstitutionalisiert

-Bundesrat

-Gemeinschaftsaufgaben

−Auftragsverwaltung

−Oberfinanzdirektionen

− Bund-Länder-Kommissionen

−Ministerpräsidentenkonferenz (MPK)

−Kultusministerkonferenz (KMK)

− Staatsverträge und Verwaltungsabkommen

-Medienstaatsvertrag

informell

−Landesvertretungen

−Fachbruderschaften/Ressortkumpanei

− Treffen Bundeskanzlerin mit MPK

−Fachministerkonferenzen

− Arbeitskreise und Beratungsgremien

− Sog. „Dritte Ebene“

-Der Bundesrat ist neben dem Bundestag das zweite Gesetzgebungsorgan des Bundes, über den die Länder an der Bundesgesetzgebung, bei der Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirken. Bekannt geworden ist insbesondere die Mitwirkung an den sogenannten Zustimmungsgesetzen, die nur in Kraft treten können, wenn der Bundesrat sie ausdrücklich billigt. Ihr Anteil ist von ca. 30% in den 1970er Jahren auf bis zu 55% Anfang des 21. Jahrhunderts angestiegen. Die Zustimmungsgesetze sind im Einzelnen im Grundgesetz beschrieben. Es sind Gesetze, die in die Verwaltungshoheit der Länder eingreifen, die Finanzen der Länder beeinflussen oder die die Verfassung ändern. Auch können die wichtigsten Rechtsverordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften nur mit Zustimmung des Bundesrates in Kraft treten


-horizontale Verflechtungen zwischen dezentralen Gebietskörperschaften, wenn diese Entscheidungen, die über das eigene Territorium hinausreichen, mit den anderen betroffenen Gebietskörperschaften abstimmen. Beispiele für aus einer horizontalen Verflechtung entstandene Einrichtungen sind z.B. das ZDF (als weitgehend autonome Rundfunkanstalt), die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen oder die Ständige Konferenz der Kultusminister. Daneben gibt es zum Zweck der Koordination regelmäßige Besprechungen der Regierungschefs der Länder untereinander und mit dem Bundeskanzler, den Konjunkturrat, den Finanzplanungsrat, den Wissenschaftsrat sowie die Bund-Länder Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderungen und alle möglichen Fachministerkonferenzen der Bundesländer (dies wird als sog. „Dritte Ebene“ bezeichnet

-Ressortkumpanei“ oder „vertikale Fachbruderschaften“ : informelle Kontakte zwischen Fachbeamten auf verschiedenen Ebenen (etwa Kommune, Land, Bund bis hin zur EU; Beispiele wären Landwirtschaft, Verkehr oder auch Regionalpolitik), deren informell abgestimmte Standards und Absprachen durch die formell zuständigen politischen Gremien schwer zu kontrollieren und zu ändern sind

Föderalismusreformen


- in Ende der 1990er Jahre verdichten sich die kritischen Stimmen, die stärker die Reformblockaden und die mangelnde „Regierungsfähigkeit“ in diesem System betonen. Zwar gibt es über die grobe Richtung – Entflechtung, Dezentralisierung und mehr Wettbewerb – weitgehend Einigkeit, aber im Detail variieren die Vorschläge beträchtlich.

-Nach langem Ringen und einigen gescheiterten Versuchen kam es letztlich im Zeitraum von 2006 bis 2017 zu drei Föderalismusreformen in Deutschland


Föderalismusreform I

-zielt auf eine die Entflechtung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern durch die Neuordnung der Gesetzgebungszuständigkeiten und eine Reduzierung der zustimmungspflichtigen Gesetze und trat nach einem gescheiterten Versuch im Jahr 2004 am 1.9.2006 mit Änderungen des Grundgesetzes und dem Föderalismusreform-Begleitgesetz in Kraft

-Vom Umfang her war es die umfassendste Reform des Grundgesetzes seit 1949.

Ergebnisse:

  • Rahmengesetzgebung abgeschafft und die ehemals per Rahmengesetzgebung geregelten Materien zwischen Bund und Ländern aufgeteilt

  • aus dem Katalog der Gemeinschaftsaufgaben wurde der Hochschulbau gestrichen.

  • Vor allem Reduzierung der Zustimmungspflicht bei Gesetzen. Das größte Einfallstor für die Zustimmungspflicht der Länder lag in Art. 84 GG Abs. 1, nach dem ein Bundesgesetz dann zustimmungspflichtig wurde, sobald Details über die Art der Ausführung enthalten waren (also über die Einrichtung von Behörden oder bezüglich der Verwaltungsverfahren), da die Ausführung von Bundesgesetzen in der Regel im Rahmen des Landesvollzugs von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheiten der Länder erfolgt.

    —> Problematisch wurde diese Regelung auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, welches das Zustimmungserfordernis der Länder auch auf den politischen Inhalt dieser Gesetze ausweitete. Die Länder verzichten nun in diesen Fällen auf die Mitwirkung am Zustandekommen des Bundesgesetzes, haben dafür aber die Möglichkeit für ihr Land die Ausführung durch ein abweichendes Landesgesetz zu verändern. Sollen die Bundesvorgaben dennoch für alle gültig sein, ist wie bisher die Zustimmung des Bundesrat erforderlich

  • zweitwichtigste Auslöser der Zustimmungspflicht, die Steuergesetzgebung (Art. 105, Abs. 3 GG) ebenso wie alle anderen Zustimmungstatbestände bleiben erhalten und ein neuer wurde geschaffen (Art. 104a, Abs. 4 GG), wenn den Ländern durch Bundesgesetze Ausgaben entstehen.

-Folge: Anteil von Zustimmunggesetzen gesunken, Dieser Anteil von weniger als 40% bei den Zustimmungsgesetzen ist auch in den folgenden Jahren weitgehend stabil geblieben


Föderalismusreform II

-2007 konstituierte sich nach der Föderalismuskommission I eine gemeinsame Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen (Föderalismuskommission II). Sie sollte im Bereich der Finanzthemen vor allem die Einführung von Verschuldungsgrenzen und Schuldenbremsen zur Vermeidung von Haushaltsnotlagen sowie die Etablierung eines Frühwarnsystems diskutieren und im Bereich der Verwaltungsthemen Vorschläge für eine Optimierung der Verwaltungsaufgaben zwischen Bund und Ländern entwickeln

Ergebnisse:

  • Das wesentliche Ergebnis der Föderalismuskommission II ist die Einführung neuer Schuldengrenzen durch den neugefassten Art. 109 GG. Grundsätzlich sind die Haushalte von Bund und Ländern ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.

  • Ausnahmen des Kreditaufnahmeverbots für Bund und Länder sind eingeschränkt zugelassen bei einer von der Normallage abweichenden Konjunkturentwicklung und in Fällen von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen. Ob eine solche Situation vorliegt, wird für den Bund mit einer Mehrheit des Bundestages entschieden.

  • Für den Haushalt des Bundes ist es darüber hinaus zulässig, Einnahmen aus Krediten bis zur Höhe von 0,35% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) jährlich in Anspruch nehmen zu können.

  • Für die Länder ist eine strukturelle Komponente nicht vorgesehen, daher dürfen sie ab 2020 keine Einnahmen aus Krediten mehr einstellen. Um das Finanzgebaren der Länder zu überwachen, ist mit dem Stabilitätsrat ein Kontrollgremium geschaffen worden


Föderalismusreform III

-Mit der Neufassung des föderalen Finanzausgleiches und der damit verbundenen Abschaffung des horizontalen Finanzausgleiches in der Föderalismusreform III fand die Reformtätigkeit 2017 und 2018 ihren vorläufigen Abschluss

-im Juli 2017 wurde der bundesstaatliche Finanzausgleich ab 2020 neu geregelt. Insgesamt wurde das bestehende Ausgleichssystem trotz des Wegfalls des horizontalen Finanzausgleichs nicht grundlegend geändert, da der Wegfall des horizontalen Finanzausgleichs zum 1.1.2020 nun vertikal kompensiert wird.

Ergebnisse:

  • Verständigung auf einen neuen bundesstaatlichen Finanzausgleich, bei dem Ausgleichsleistungen zwischen den Ländern entfallen und in den der Bund zusätzliche Milliarden einbringt, von denen alle Länder im Vergleich zur bisherigen Lage im Ergebnis profitieren. Die Finanzkraftunterschiede sollen nun über die Bundesergänzungszuweisungen und höhere Anteile an der Umsatzsteuer ausgeglichen werden. Insgesamt überweist der Bund zwischen 10 und 13 Mrd. Euro pro Jahr

  • Als Gegenleistung hat der Bund hierfür Länderkompetenzen im Bereich der Digitalisierung der Verwaltung, im Bereich der Verkehrsinfrastruktur und im Bereich des sozialen Wohnungsbaus erhalten. Die Kompetenzen des Bundes zu Finanzhilfen für Investitionen der Länder und Kommunen wurden weiter ausgebaut und um Steuerungs- und Kontrollrechte des Bundes ergänzt worden (Art. 104b Abs. 2 S. 2 bis 4 GG).

  • Der neue Art. 104c GG erlaubt dem Bund nunmehr auch Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Kommunen im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur. 2019 wurde diese Investitionshilfekompetenz des Art. 104c GG auf Investitionen auch der Länder und (aller) Kommunen im Bereich der Bildungsinfrastruktur ausgeweitet und im neuen Art. 104d GG eine weitere Bundesinvestitionshilfekompetenz für den Bereich des sozialen Wohnungsbaus eingeführt.


—> In der Summe ist nach diesen drei Föderalismusreformen der letzten 13 Jahre eine zunehmende hierarchische Politikverflechtung zu beobachten, in deren Rahmen der Bund Landeskompetenzen an sich zieht und dafür Landesaufgaben mitfinanziert

-Bundesstaatliche Solidarität wird nun nicht mehr zwischen den Ländern diskutiert, sondern soll vertikal als fiskalische Unterstützung durch den Bund hergestellt werden. Die ursprünglich (2006) angestrebte Entflechtung und auch damit verbundene Übertragung von Kompetenzen nach unten ist in den Hintergrund gerückt ,Verflechtungen nehmen eher wieder zu.

Gebietsorganisationsmodell und Aufgabenorganisationsmodell


zwei denkbare theoretische Grundmodelle der Staatsorganisation, eine horizontale gebietsbezogene und einer vertikale funktionsbezogene Verwaltungsorganisation zu unterscheiden


Gebietsorganisationsmodell

Aufgabenorganisationsmodell

Alle Aufgaben in einem Gebiet werden von einer Verwaltungseinheit erfüllt

Spezielle Organisation für jede abgrenzbare Fachaufgabe

-Regionale Betrachtungsweise

− Bündelung von Verwaltungsaufgaben

− Einheit der Verwaltung

− Universalität des Wirkungskreises

− Sektorale, spartenhafte Betrachtungsweise

− Einzelaufgabe entscheidend

− Aufgabenbezogenes Organisationsmodell

Horizontale Integration

Vertikale Integration

Gebietskörperschaften: z.B. Kommunalverwaltung

Sonderbehörden: z.B. Forstbehörden, Gewerbeaufsicht, Zoll

− Harmonisierung und Ausgleich sich tendenziell störender Aufgaben

− Suboptimale Erfüllung der Einzelaufgaben aus fachlicher Sicht

− Spezialisierung

− Zentralisierung

− Überzogene Erfüllung der Aufgabe

− Suboptimale Koordination

Gebietsorganisationsmodell

Horizontal organisiert heißt, dass es in der Regel keinen durchgängigen Behördenapparat von der Bundes- bis zur Ortsebene gibt, sondern jede Verwaltungsebene ihren abgegrenzten und gebündelten Aufgabenbereich hat. Alle Aufgaben in einem Gebiet werden von einer Verwaltungseinheit erfüllt, deshalb nennt man dieses Modell auch Gebietsorganisationsmodell.

-Bündelung von Verwaltungsaufgaben und einer einheitlichen Verwaltung

-Zu diesem Organisationsmodell gehören Stichworte wie „Universalität des Wirkungskreises“ und „Einheit der Verwaltung.“ Diese Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen Gebietskörperschaften ist ein Grundprinzip föderalstaatlicher Systeme

- Eine Gebietskörperschaft ist nach Frido Wagener „raumausfüllendes Verwaltungsgerüst mit eigener Rechtspersönlichkeit und unmittelbar gewählten Organen“. Damit zählen Bund, Länder, Stadtstaaten und Kommunen zu den Gebietskörperschaften.

- Die horizontale, gebietsbezogene Organisation war vor allem im Feudalismus vorherrschend, als ein König, Fürst oder Gutsherr absoluter Gebietschef war, aber sie ist auch ein zentrales Grundelement der lokalen Selbstverwaltung, in der Gemeinden das Recht haben „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft (...) in eigener Verantwortung zu regeln


Aufgabenorganisationsmodell

-Das funktionsbezogene oder vertikale Modell ist historisch jünger und trat vor allem dort auf, wo eine hochentwickelte, komplexe Industriegesellschaft besonderen Wert auf die optimale Erfüllung von öffentlichen Teilfunktionen legte.

-Es ist gekennzeichnet durch einen durchgängigen Behördenapparat. Für jede abgrenzbare Fachaufgabe wird eine spezielle Organisation geschaffen (z.B. staatliche Sonderbehörden).

-Hier dominiert die sektorale, spartenhafte Betrachtungsweise und ein aufgabenbezogenes Organisationsmodell.

-In Deutschland waren z.B. der Auswärtige Dienst, Eisenbahn, Post und Militär schon immer funktional organisiert, aber Beispiele wären auf Landesebene auch staatliche Bereiche wie Forstwirtschaft, Gewerbeaufsicht, Polizei oder Schule


-Grundsätzlich erleichtert das Gebietsorganisationsmodell eher die Harmonisierung und den Ausgleich sich tendenziell störender Aufgaben und die demokratische Kontrolle „vor Ort“, führt damit aber auch eher zur suboptimalen Erfüllung von Aufgaben aus fachlicher Sicht. Das Aufgabenorganisationsmodell führt zur Spezialisierung und Professionalisierung, damit aber auch zur Zentralisierung und erschwerten Kontrolle


-In Deutschland kann man von einer abgeschwächten Gebietsorganisation ausgehen, in der aber viele Fachaufgaben in Sonderbehörden organisiert sind. Daher lassen sich grob drei Hauptverwaltungsebenen unterscheiden, die sich – horizontal organisiert – im Prinzip unabhängig gegenüberstehen: die Verwaltung des Bundes, die Verwaltung der Länder und die Kommunalverwaltung

Verwaltungsebenen und -funktionen


Verwaltungsebenen

-Bund

-Länder

-Regierungsbezirke bzw. Bezirsregierungen (z. B. in den größeren Flächenländern wie Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz, Sachsen)

-Landkreise/ Kreisfreie Städte ( in allen Flächenländern, also auch den kleineren , die drei Stadtstaaten (Berlin, Hamburg, Bremen) sind kreisfreie Städte und Stadtstaaten zugleich und damit den Ländern gleichgestellt)

-Gemeinden


Verwaltungsfunktionen

-In der Ordnungsverwaltung geht es um den Vollzug und die Kontrolle von Gesetzen und Vorschriften (z.B. Gewerbeaufsichtsämter, Bauordnungsamt, Polizei). Das Verwaltungshandeln orientiert sich hier primär an den Vorschriften, allerdings gibt es dennoch Entscheidungsspielräume für die in der Verwaltung Beschäftigten.

-In der Dienstleistungsverwaltung geht es um die Erbringung technischer, personeller oder finanzieller Dienstleistungen (Bürgerämter, Sozialämter, insgesamt große Teile der Kommunalverwaltung). Sie ist natürlich auch an Vorschriften und Gesetze gebunden, aber auch fachliche Besonderheiten sind zu berücksichtigen. Zwischen beiden Anforderungen kann es durchaus zu Spannungen kommen.

– Die politische Verwaltung liefert Führungshilfen und Entscheidungsvorbereitungen für die politische Spitze (Ministerien). Hier spielen durch die Nähe zur Politik vor allem politische Überlegungen eine wichtige Rolle.

– Die Organisationsverwaltung kümmert sich um die Verwaltung der Verwaltung selbst, indem sie Personal einstellt und betreut, Organisationsmittel besorgt und pflegt und sich um die Finanzen kümmert (z.B. Hauptamt, Personalämter, Kämmerei).


Die Ordnungs- und Dienstleistungsverwaltung ist unmittelbar für die Erledigung öffentlicher Aufgaben zuständig, die Organisationsverwaltung für die Voraussetzungen der Aufgabenerledigung und die politische Verwaltung ist an der Bestimmung und Konkretisierung der Aufgaben selbst beteiligt. Bei weitem die Mehrheit aller öffentlich Beschäftigten arbeitet in der Dienstleistungsverwaltung.

Nichtministerielle Bundesverwaltung




Unmittelbare Bundesverwaltung

Mittelbare Bundesverwaltung

Bundesverwaltung in Privatrechtsform

Privatrechtliche Auftragsverwaltung

Rechtskreis

Öffentlich-rechtlich

Öffentlich-rechtlich

privatrechtlich

privatrechtlich

Rechtsträger

Bundesrepublik Deutschland

Juristische Person des öffentlichen Rechts

Privatrechtssubjekt in Bundeseigentum oder -beteiligung

Privatrechtssubjekt,

Beliehen

Typus

Bundesoberbehörde

Bundesmittlerbehörde

Untere Bundesbehörde

Beauftragte

Anstalt

Körperschaft

Stiftung

GmbH

AG

e.V.

Stiftung

GmbH

AG

e.V.

Errichtung durch

Gesetz

Gesetz oder Verordnung

nicht geregelt

nicht geregelt

Steuerung

Rechts- und Fachaufsicht

Rechtsaufsicht

Direktionsrecht des Eigentümers bzw. Anteilseigners

Vertrag

Typische Aufgaben

Sektorale Wirtschaftsaufsicht, Regulierung, „hoheitliche“ Aufgaben

Sozialversicherung, Forschungsanstalten, Sondervermögen des Bundes

Bundesunternehmen, Finanzierungsträger in der Forschung, Entwicklungshilfe

Normung, Verbraucherschutz,

Kultur

Beispiele

− Statistisches Bundesamt

− Bundesverwaltungsamt

− Bundeskartellamt −Bundesnetzagentur

−Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen

−Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)

− Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheit

− Bundesbank

−Bundesagentur für Arbeit −Deutsche Rentenversicherung Bund

−Bundesverband für den Selbstschutz

−Kassenärztliche Bundesvereinigung

−Bundesstiftung Mutter und Kind − Treuhandanstalt (und Nachfolger)

− Deutsche Flugsicherung GmbH

− DFG

− Max-Planck Gesellschaft

− DAAD −Kreditanstalt für Wideraufbau

− Goethe Institut Inter Nationes e.V.

−Deutscher Entwicklungsdienst GmbH − GIZ

−Stiftung Warentest

− Post AG

− Bahn AG

−Telekom AG

− TÜV

−Verbraucherzentrale „Bundesverband“ − Verein Deutscher Ingenieure VDI

−Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.

−Deutscher Motoryachtverband


Normative Bilder/Arten von Verwaltungen-Überblick




Autonome Verwaltung

Hierarchische Verwaltung

Kooperative Verwaltung

Responsive Verwaltung

Rolle öffentlicher Organisationen

Verwirklichung des Gemeinwohls

Verwirklichung demokratisch festgesetzter politischer Präferenzen

Konstrukteur und Moderator komplexer Verhandlungssysteme

Befriedigung der Wünsche von Klienten und Kunden

Staat

Souveräner, autonomer Obrigkeitsstaa

Demokratischer Verfassungsstaat

Pluralistischer/ korporatistischer Verhandlungsstaa

Partizipativer Staat

Normative Prämisse

Gemeinwohl, Wahrheit (moralische und professionelle Werte)

Demokratie (Repräsentation Legalität und Legitimität)

Problemlösung (Konsens, Kompromiss, Interessenberücksichtigung)

Dienstleistung (Bürgernähe, Effizienz, Effektivität, Kundenorientierung)

Verwaltung im Regierungssystem

Schutz der Verwaltung vor der Umwelt (Politiker, Parteien, Verbände und Bürger als Bedrohung des Gemeinwohls)

Verwaltung als verlässliche Maschine (hierarchische Steuerung)

Verwaltung als Partner (administrative Interessenvermittlung, horizontale Verflechtung

Verwaltung im Wettbewerb (im direkten Kontakt mit Kunden und Klienten)

Vorrangige Rolle der Bürger

Untertanen

Wähler

Mitglieder der Organisationen

Kunden, Klienten, Konsumenten, Ko-Produzenten

Politikformulierung

Neutrale Bürokratie Experten Professionen

Wahlen Parlament

Kabinett

Politik-Netzwerke Korporatismus

Bürgerbeteiligung, Partizipation

Politikdurchführung

Neutrale Organisation Experten Professionen

Neutrale Organisation Experten Professionen

Politische Bürokraten

Professionelle Organisation, Bürger als Ko-Produzenten

Politiker

Nicht notwendig gefährlich

Demokratisch legitimierte Meister der Organisation

Partner von Bürokratie und Verbänden

Zuständig für Ziele, Rahmensetzung

Bürokraten (Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung)

Vermitteln Ziele, Werte und Identität: Staatsdiener (Professionen)

Neutrale und loyale Instrumente rationaler und legaler Herrschaft: Klassische Beamte

Partner der Politikformulierung und -umsetzung: Politische Bürokraten

Manager orientiert an Effizienz und Effektivität: Öffentlicher Entrepreneur

Steuerung

Sozialisation Autorität Werte Standards: „Normen“

Hierarchie

Regeln Weisung Kontrolle: „Recht“

Kommunikation Loyalität Personal Organisation: „Information“

Wettbewerb Austausch Verträge Ressourcen: „Geld“

Demokratie

Nicht notwendig, eher schädlich

Repräsentative Demokratie Rechtsstaat Polyarchie „top-down“

Organisierte Demokratie Korporatismus „horizontal“

Partizipative Demokratie

Direkte Demokratie Selbst-Organisation „bottom-up“

Bindung an die Politik

schwach

Stark

Regeln

Stark

Loyalität

Schwach

Bindung an die Gesellschaft

schwach

schwach

stark

Verhandlung

stark

Austausch

Dialog

Politiker

schwach

stark

stark

schwach

Bürokraten

stark

schwach

stark

schwach

Universität als Beispiel

Gelehrtenrepublik

Nachgeordnete Behörde

Hochschulrat

Service-Universität

Weitere Beispiele

•Öffentliche Theater

•Kliniken

• Polizei •Baubehörde

•Ministerien

•Umweltverwaltung

•Gebührenfinanzierung

•Gutscheine

Gefahr für Demokratie

Technokratische Bevormundung

Bürokratische Regelorientierung, Verselbstständigung

Oligarchische Einigung auf Kosten Dritter

Gnadenlose Kostenorientierung


Aufbau der Bundesverwaltung


Oberste Bundesbehörden

-Neben den Ministerien gehören das Bundespräsidialamt, die Verwaltungen des Bundestages und des Bundesrates, das Bundeskanzleramt, das Presse- und Informationsamt und der Bundesrechnungshof zu den obersten Bundesbehörden.

-Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie keiner anderen Behörde unterstellt, sondern unmittelbar einem Verfassungsorgan oder einer sonstigen politischen Spitze untergeordnet sind

-nur einige wenige oberste Bundesbehörden mit einem eigenen dreistufigen Behördenaufbau (Oberste Bundesbehörde, Bundesmittelbehörde, Bundesunterbehörde), nämlich die Bundesfinanzverwaltung, die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, die Bundeswehrverwaltung mit ca. der Hälfte aller Bundesbediensteten und die Bundespolizei. Einen eigenen Unterbau hat auch das Auswärtige Amt mit dem diplomatischen Dienst

-Die meisten anderen Ministerien verfügen nur über eine Ministerialverwaltung und einen begrenzten nachgeordneten Bereich


Unmittelbare Bundesverwaltung

-Zur unmittelbaren nichtministeriellen Bundesverwaltung gehören die nachgeordneten Behörden. Sie sind in drei Stufen gegliedert, in Bundesoberbehörden, Bundesmittelbehörden und untere Bundesbehörden.


Obere Bundesbehörden

-Den Ministerien unmittelbar nachgeordnet sind die Bundesoberbehörden, die einen speziellen Aufgabenbereich von ihrem Dienstsitz aus ohne eigene nachgeordnete Behörden bundesweit wahrnehmen (Art. 87, Abs. 3 GG)

- Zu nennen sind hier z.B. das Bundeskriminalamt, das Statistische Bundesamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das Bundeskartellamt, die Bundesnetzagentur, das Deutsche Patent- und Markenamt, das Kraftfahrtbundesamt, das Umweltbundesamt, das Eisenbahnbundesamt, aber auch der Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Staatssicherheit


Mittelbare Bundesverwaltung

-durch bundesunmittelbare Körperschaften, Anstalten und Stiftungen (Art. 86, 87 GG).

-Zu ihr gehören öffentlich-rechtlich verfasste Einrichtungen mit Sonderaufgaben, die nicht in die unmittelbare Verwaltung eingegliedert sind. -Überwiegend handelt es sich dabei um Institutionen der Sozialversicherung sowie um wissenschaftliche und kulturelle Einrichtungen in Form von Anstalten, Körperschaften oder Stiftungen des öffentlichen Rechts, die durch Selbstverwaltungseinrichtungen gesteuert und daher dem unmittelbaren Zugriff von Bund oder Ländern entzogen sind.

-Die ehrenamtlichen Aufsichtsgremien sind bei den Sozialversicherungen meist paritätisch zwischen Vertretern der Arbeitgeber und der Versicherten (meistens durch die Gewerkschaften repräsentiert) besetzt.

-Diese Einrichtungen unterstehen grundsätzlich der Rechts- aber nicht der Fachaufsicht des zuständigen Bundesministers.

-Beispiele: Träger der gesetzlichen Krankenkassen und Pflegeversicherungen, Sozialversicherungsträger, Träger der gesetzlichen Unfallversicherung bei Arbeitsunfällen, öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die mit einer weitgehenden Autonomie ausgestattet sind und eine ganze Reihe von öffentlich-rechtlichen Stiftungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen


Bundesverwaltung in Privatrechtsform

-Viele öffentliche Aufgaben werden aber auch von Organisationen wahrgenommen, die privatrechtlich organisiert sind, sich aber im vollständigen oder teilweisen Eigentum des Bundes befinden, also öffentliche Unternehmen, oder die als eingetragene Vereine, private Stiftungen etc. organisiert sind.

-Beispiele: fast alle Organisationen der Forschungsförderung,Organisationen der internationalen Zusammenarbeit, privatrechtliche Stiftungen, verbliebene öffentliche Unternehmen, die voll oder noch zum Teil in öffentlicher Hand sind, wie die Bahn AG, Post AG oder Telekom AG.


Privatrechtliche Auftragsverwaltung

Schließlich gibt es aber auch rein private Organisationen ohne staatliche Beteiligung, die als „Beliehene“ oder auf Vertragsbasis wichtige öffentliche Aufgaben wahrnehmen, prominente Beispiele wären etwa: TÜV, Deutsche Institut für Normung (DIN),Verein Deutscher Ingenieure (VDI)


Agencies und Agencification


-Der deutsche Begriff für Agency ist Agentur. Es gibt international keine einheitliche Definition dieser Begriffe, aber es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Agenturen

i.d.R. Organisationen des öffentlichen Rechts sind, auch wenn dies in den angelsächsischen Ländern anders definiert wird als in der kontinental-europäischen Tradition,

eine gewisse Kapazität für autonome Entscheidungen haben,

strukturell disaggregiert, also nicht Teil eines Ministeriums sind,

• aber unter einer gewissen Kontrolle durch Ministerien und/oder Politikern stehen,

Kontinuität aufweisen,

• und mit der Verfügungsgewalt über eigene Ressourcen ausgestattet sind


-Verselbständigung von Agencies als wichtiges Element von New-Public-Management-Reformen propagiert —> Ziel war, die Leistungsfähigkeit von Behörden durch strukturelle Eigenständigkeit, Ergebnisverantwortung, Kontraktmanagement und erweiterte interne manageriale Handlungsspielraume zu steigern (Public Management Agencies). Eine größere Effizienz bei der Ausführung öffentlicher Aufgaben sollte dadurch erreicht werden, dass Agenturen über größere Entscheidungsspielräume und Flexibilität beim Einsatz der vorhandenen Ressourcen verfügen und sich auf enger begrenzte, klare Ziele konzentrieren können.

-Agencies spielen im Rahmen neuartiger Regulierungen und damit in Verbindung mit den Reformdiskursen bezüglich einer veränderten staatlichen Leistungserstellung, d.h. beim Übergang vom Leistungs- zum Regulierungsstaat, eine wichtige Rolle -> Hierbei handelt es sich um Behörden, die im Bereich der Regulierung tätig sind


-In Deutschland fallen darunter die unmittelbare und der größte Teil der mittelbaren Bundesverwaltung, bei den typisch deutschen Einrichtungen der Selbstverwaltung ohne direkte Beteiligung des Staates, etwa im Bereich der Kranken- oder Sozialversicherung, ist die Zuordnung nicht ganz eindeutig, denn sie verfügen über erhebliche eigene Autonomie gegenüber der Politik. Die privat-rechtlichen Organisationen fallen nicht unter diese restriktive Definition.

—> sie gibt es in der internationalen Diskussion die Bezeichnungen QUAGOS (Quasi Governmental Organizations) und QUANGOS (Quasi Non-Governmental Organizations), wobei die Begrifflichkeit keineswegs einheitlich ist


-Die klassischen Beispiele für weitgehend autonome Behörden sind in Deutschland das Bundeskartellamt und natürlich die Bundebank, die eine Sonderstellung einnimmt. Auch die wissenschaftliche Unabhängigkeit wichtiger Ressortforschungseinrichtungen wie dem durch die Corona-Krise wohlbekannten Robert-Koch-Institut (RKI) oder dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wurde in den letzten Jahren gestärkt (beides übrigens keine normalen wissenschaftliche Institute, sondern Bundesoberbehörden).


-in Deutschland keinerlei Agency Fever, weder gab es eine Zunahme solcher Behörden (tatsächlich gibt es durch Zusammenlegungen eher weniger), noch gab es umfassende Einführungen managerialer Steuerung

-aber Insgesamt haben die deutschen Agenturen, die es als Bundesoberbehörden „schon immer“ gab, auch schon immer über eine gewisse Autonomie verfügt. Auch wenn diese Behörden sowohl der Rechts- wie der Fachaufsicht durch ihre Ministerien unterliegen, ist deren Kontrollkapazität für eine detaillierte Steuerung der nachgeordneten Behörden begrenzt. —> Die meisten Behörden der nicht-ministeriellen Bundesverwaltung genießen also de facto ein recht hohes Maß an Unabhängigkeit von Ministerien, die sich selten in die Entscheidungen ihrer Agenturen einmischen

Verwaltungsaufbau der Länder


-Der Verwaltungsaufbau der Länder wird von ihnen selbst organisiert, so dass es hier durchaus Unterschiede gibt. Beeinflussbar sind auf der Landesebene

  • die Zahl der Ressorts und (begrenzt) die Anzahl der Sonderverwaltungszweige und Fachbehörden,

  • das Ausmaß an Dekonzentration von Aufgaben auf ortsnahe Träger,

  • die Frage des zwei- oder dreistufigen Verwaltungsaufbaus (also mit oder ohne der Ebene der Regierungsbezirke)

  • die interne Organisation der Landesministerien und Fachbehörden sowie

  • die Gestaltung der Rahmenbedingungen der kommunalen Selbstverwaltung.


Verwaltungsebene

Verwaltungseinheiten

Oberste Landesbehörden

Landesregierungen: acht bis zwölf Ministerien (in der Regel: Staatskanzlei, Innenministerium, Finanzministerium, Justizministerium, Wirtschaftsministerium, Sozial-/Arbeitsministerium, Kultus-/Wissenschaftsministerium, Landwirtschafts-/Verbraucher-/Umweltministerium, Verkehrsministerium)

Obere Landesbehörden

Landesbehörden, Landesbetriebe

Mittlere Landesbehörden

-Fachliche Mittelinstanzen (Oberfinanzdirektionen) oder

-Fachliche Mittelinstanzen (Oberfinanzdirektionen) und Allgemeine Mittelinstanzen (Regierungspräsidien

Untere Landesbehörden

Untere Landesbehörden und nachgeordnete Einrichtungen

Länderzuordnung

Zweistufig: Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Schleswig-Holstein

Dreistufig: Bayern, Baden-Würtemberg, Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen


Oberste Landesbehörden und Landesoberbehörden als Zentralstufe

-Zu den obersten Landesbehörden gehören die Landesministerien (zwischen 8 und 12) und der Landesrechnungshof

- zu den Landesoberbehörden, die oft parallel zu den Bundesoberbehörden organisiert sind, in der Regel das Landesamt für Verfassungsschutz, das Landesarchiv, das Statistische Landesamt und das Landesamt für Besoldung sowie je nach Bundesland verschiedene weitere Landesämter oder Landesbetriebe, z.B. im Bereich Umwelt, Soziales oder Straßenbau.

Regierungspräsidien und höhere Sonderbehörden als Mittelebene

-Generell versteht man unter einer Mittelbehörde jene Teile der öffentlichen Verwaltung, die für einen Teil des Landes zuständig sind und über einen nachgeordneten oder unteren Organisationsbereich verfügen.

-Zu den Landesmittelbehörden zählen die Bezirksregierungen oder Regierungspräsidien sowie die Oberfinanzdirektionen.

-Daneben gibt es in verschiedenen Ländern auch einige Landesbehörden mit regionalen Zuständigkeiten sowie höhere Kommunalverbände.


Untere Verwaltungsbehörden und Sonderbehörden als Unterstufe: -Zu den unteren Landesbehörden im Rahmen staatlicher Sonderverwaltungen zählen z.B. die Finanzämter, die Forstämter, die Versorgungsämter, die Gewerbeaufsichtsämter, die Gesundheitsämter, die Katasterämter und die Straßenbauämter, wenn sie nicht in die Kommunen eingegliedert sind.



-In den Stadtstaaten nehmen die Landesregierungen, die hier als Senate bezeichnet werden, gleichzeitig Landes- und Gemeindeaufgaben wahr. Unterhalb der Senatsebene existieren in Stadtstaaten zudem die Bezirksverwaltungen

-Neben der unmittelbaren Landesverwaltung gibt es wie beim Bund eine mittelbare Staatsverwaltung durch Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,

-Körperschaften sind z.B. Ortskrankenkassen, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammer, Ärztekammer, Hochschulen etc.,

-Anstalten, z.B. die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Landesmedienanstalten, die Landesbanken und die Sparkassen.

-Ebenfalls zur mittelbaren Staatsverwaltung gehören die kommunalen Gebietskörperschaften, soweit ihnen staatliche Aufgaben der Vollzugsebene übertragen sind. Dies ist z.B. im Bereich des Wasser- und Abfallrechtes, der Naturschutzverwaltung, der Raumordnung und der Bauaufsicht der Fall.




Mittelinstanzen/ zweistufiger und dreistufiger Verwaltungsaufbau


-Bezirksregierungen als staatliche Mittelinstanzen stehen zwischen den Obersten Landesbehörden, den Ministerien, und den Unteren Landesbehörden

-Die Bezirksregierungen entstanden im 19. Jahrhundert als regionale Bündelungsbehörden, um die Vorgaben einzelner Ressorts auf regionaler Ebene wieder zusammenzuführen.

-In dem Begriff „Regierung“ wird die Stellvertreterfunktion deutlich.

-Die Bündelung ressortspezifischer Entscheidungen war von Anfang an eine Kernfunktion der Bezirksregierungen. werden als dreistufig (zentrale, mittlere und untere Ebene) bezeichnet


-Allerdings gibt es verschiedenste Formen von allgemeinen Mittelinstanzen. Weder ihre Aufgaben noch ihre Einbindung in die Verwaltungsstruktur sind bundesweit einheitlich. Es lassen sich drei Modelle unterscheiden: der dreistufige Aufbau mit Landesverwaltungsämtern in Sachsen-Anhalt und Thüringen, der dreistufige Aufbau mit funktionalem Aufgabenzuschnitt in Rheinland-Pfalz und der dreistufige Aufbau mit regional ausgerichteten Mittelinstanzen in Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen.


-Die allgemeinen Mittelinstanzen haben insbesondere Bündelungs-, Koordinierungs- (Entlastung von Ministerien, Hilfe bei politischer Leitung, Koordinierung kommunaler Aufgaben) und Kontrollfunktionen (Aufsichtsbehörde und Widerspruchsinstanz) inne. Das Spektrum der Zuständigkeit der Regierungspräsidien reicht von polizei- und ordnungsrechtlichen Angelegenheiten über die Kommunal-, Schul-, Bau- und Sparkassenaufsicht bis hin zu Aufgaben der Raum- und Landesplanung.

-Die Frage, ob man in Flächenländern Bezirksregierungen braucht, hängt von den Alternativen ab. Ohne Bezirksregierungen müssen ihre Aufgaben von den Ministerien und Oberbehörden und von den Kommunen wahrgenommen werden



Zweistufig:

-ohne allgemeine Mittelinstanzen, auch wenn es fachliche Mittelinstanzen gibt

-Der zweistufige Verwaltungsaufbau stärkt eher die Fachverwaltung

-Eine zweistufige Verwaltung ohne allgemeine Mittelinstanz findet sich (mit der Ausnahme von Niedersachsen) vornehmlich in den einwohnermäßig kleinen Bundesländern Landesbehörden.


Dreistufig:

-Die Flächenländer mit Regierungspräsidien werden als dreistufig (zentrale, mittlere und untere Ebene) bezeichnet

-der dreistufige stärkt die allgemeine Verwaltung.

-Zurzeit gibt es in Deutschland 19 regional ausgerichtete Bezirksregierungen sowie fünf Einrichtungen mit ähnlichen Aufgaben (Landesverwaltungsämter, Landesdirektion, Dienstleistungsdirektionen)

-Vor allem in den größeren Bundesländern (Ausnahme Niedersachsen) dominiert eine dreistufige Verwaltung



Personalwirtschaft im öffentlichen Dienst


Die Personalwirtschaft im öffentlichen Dienst in Deutschland hat mehrere Besonderheiten:

– eine parlamentarische Verantwortung für den Stellenplan,

– eine speziell auf den öffentlichen Dienst ausgerichtete Ausbildung und die damit verbundene begrenzte Mobilität des Personals,

– die lebenslängliche Bindung, die auch weitgehend über die Gruppe der Beamten hinaus durch tarifvertragliche Unkündbarkeitsregeln und arbeitsrechtliche Praxis gilt

– die Einbindung in ein engmaschiges gesetzliches Regelwerk (Bundesbeamtengesetz, Beamtenrechtsrahmengesetz, Bundeslaufbahnverordnung und die landesrechtlichen Laufbahnvorschriften, BAT sowie seit dem 1.10.2005 der TVöD und seit dem 19.5.2006 der TV

-Art. 33 GG regelt, dass die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen sind, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Gemeint sind damit die Beamten

-Bei hoheitlichen Aufgaben (Polizei, Schulen, Hochschulen, Finanzverwaltung) müssen in Deutschland also nach wie vor Beamte eingestellt werden. Allerdings ist umstritten, inwieweit Schulen und Hochschulen tatsächlich hoheitliche Aufgaben sind, und es gibt Anzeichen für eine Auflockerung dieses Prinzips

-Historisch ist das Beamtentum aus dem Fürstendienst der Einzelstaaten entstanden. War zu Beginn des 17. Jahrhunderts der Bedienstete dem Lehnsherren auf lehns- und privatrechtlicher Grundlage verpflichtet, beginnt mit dem Zeitalter des Absolutismus die Verrechtlichung des Beamtentums. Die Entfaltung des Beamtenrechts geht mit einer detaillierten Rechtsstellung einher.

-Merkmale sind

  • der Beamteneid, der allgemeine Treuepflicht, politische Zurückhaltung und Neutralität verbürgen soll,

  • die Sicherung der Unabhängigkeit der Amtsführung,

  • die Einführung einer eigenen Disziplinargerichtsbarkeit und

  • die Ausbildung eines differenzierten Laufbahnsystems

-Mit der Weimarer Reichsverfassung werden die Anstellung auf Lebenszeit, die Regelung von Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung, die Haftung des Staates bei Amtspflichtverletzung eines Beamten sowie die Gewährleistung der Freiheit der politischen Gesinnung ergänzt. Auch heute noch ist das Beamtenverhältnis durch das Laufbahnprinzip, das Lebenszeitprinzip, die Treuepflicht, die Unparteilichkeit, die Fürsorgepflicht sowie die Hauptberuflichkeit gekennzeichnet.

-Beamten sollen dem ganzen Volk dienen (nicht einer Partei), ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht erfüllen und bei der Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht nehmen (§ 35 BRRG)

Entwicklungstrends im öffentlichen Dienst


Der öffentliche Dienst umfasst das Personal von Bund, Ländern und Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden (Kernhaushalte und Sonderrechnungen), der Sozialversicherungsträger (einschl. der Bundesagentur für Arbeit) sowie der rechtlich selbstständigen Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform.

- Der größte Bereich hinsichtlich des Personals im öffentlichen Dienst ist der unmittelbare öffentliche Dienst, die Gebietskörperschaften, der im Jahr 2017 einen Anteil von 92% ausmacht. Der Anteil des mittelbaren öffentlichen Dienstes, das sind vor allem die Sozialversicherungssysteme und die Bundesagentur für Arbeit,liegt bei 8%

-die Zahl der im öffentlichen Dienst befindlichen Personen hat sich von von 1950 bis 1990 ständig erhöht, Seit 1991 gibt es nun einen kontinuierlichen Personalabbau bis 2015. Insgesamt wurden zwischen 1991 und dem Jahr 2007 ca. 33% der Beschäftigten abgebaut, 2017 liegt die Zahl der öffentlich Beschäftigten mit 57 Beschäftigten pro 1000 Einwohner auf einen Stand wie zu Beginn der 1960er-Jahre

-Ein besonders dominierender allgemeiner Trend in der Personalstruktur des öffentlichen Dienstes ist die zunehmende Feminisierung. Die Frauenquote im öffentlichen Dienst stieg von 26% im Jahr 1960 auf 48% im Jahr 2007 und nunmehr 56,6% im Jahr 2017. Damit liegt der Frauenanteil im öffentlichen Dienst über dem Anteil von Frauen in der Bevölkerung

—>Mit dem Vordringen von Teilzeitbeschäftigung ist also auch der Frauenanteil erheblich gewachsen (zum Frauenanteil unter den Führungskräften vgl. weiter unten). Allerdings findet sich nach wie vor größere Frauenanteil vor allem auf den niedrigen Hierarchiestufen und nimmt mit höheren Hierarchie- und Besoldungsstufen ab.

-Der Anteil der über 50-jährigen ist auf allen Ebenen mit Abstand am höchsten und liegt insgesamt bei fast 45%. Angesichts der Überalterung der Belegschaft im öffentlichen Dienst sind systematische Personalentwicklungsmaßnahmen dringend erforderlich.


-Bezüglich der Aufgabenbereiche dominiert seit den 1990er Jahren der Bildungsbereich allerdings mit ständig steigendem Anteil. Im Jahr 2017 arbeiten dort 35% der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, während es im Jahr 1960 noch 12% waren. Das Personal hat sich in dieser Zeit verfünffacht auf mittlerweile 1.633 Mio. Beschäftigte, davon 947.000 im Schulbereich und 538.000 im Hochschulbereich.


-Befanden sich im Jahr 1960 nur 8,7% der Beschäftigten im höheren Dienst, sind es 1990 schon 15,4% und 2017 ergibt sich ein Anteil von 20,9% , Hier zeigen sich auch im öffentlichen Dienst die Wirkungen der Bildungsexpansion, ein Prozess, den Derlien als „Veredelung“ bezeichnet hat, Das frühere Bild einer „Zwiebel“ im Aufbau des öffentlichen Dienstes hat sich damit insofern geändert, als dass diese Zwiebel unten schmaler und insgesamt länglicher geworden ist.


-Allerdings hat sich durch weitgehende leistungsrechtliche Angleichungen der Unterschied zwischen Beamten und Angestellten deutlich verringert. —>Durch TVöD und dem TV-L im Jahr 2005 bzw. 2006 sind die Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten beseitigt worden. Seitdem werden Arbeiter/Angestellte in einer Gruppe ausgewiesen. Auch Angestellte sind im öffentlichen Dienst weitgehend unkündbar, zum Teil tarifvertraglich abgesichert, zum Teil aber auch vor allem durch Gewohnheitsrecht, und Beamte profitieren von den in Tarifverhandlungen und gelegentlichen Streiks erkämpften Verbesserungen der Angestellten, die i.d.R. automatisch für Beamte übernommen werden

Führungskräfte in der Verwaltung


Führung in der Verwaltung wird oft angesehen als zielorientierte soziale Einflussnahme auf das Mitarbeiterverhalten zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben. Danach gibt es eine Vielzahl von Führungspositionen, vom Behörden- zum Abteilungsleiter bis zu denjenigen, die einen oder mehrere Kollegen anleiten

-Sinnvoll scheint es daher zu sein, von Führungskräften zu sprechen, wenn ihnen erhebliche Personalführungsfunktionen zukommen (mitunter auch als Führungsspitzenkräfte bezeichnet). Dies ist in Ministerien in der Regel ab der Ebene des Unterabteilungsleiters der Fall (B6), mitunter auch schon auf der Referatsleiterebene. Im nachgeordneten Bereich sind dies etwa Direktoren von Schulen oder Leiter von Sonderbehörden (A16). Insgesamt handelt es sich bei diesem Personenkreis in Deutschland traditionell überwiegend um Beamte

-In Deutschland gibt es keine besonderen Eliteschulen für die Ausbildung des öffentlichen Dienstes wie in Frankreich oder informal in Großbritannien. Dennoch verfügt die Mehrheit der Führungskräfte über eine ähnliche Ausbildung., Die öffentliche Verwaltung bedient sich zur Ausbildung ihres Personals eines vielfältigen Angebotes an öffentlichen, halböffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen


-Zugangsvoraussetzung für Beamte im höheren Dienst ist aber nach wie vor in der Regel ein juristisches Studium mit anschließendem zweijährigem Vorbereitungsdienst (allerdings gibt es auch das technische Referendariat). Diese Dominanz der juristischen Ausbildung wird als „Juristenmonopol“ bezeichnet —> Insgesamt variiert der Juristenanteil also seit Jahren um die 60%, so dass zwar nicht mehr von einem Juristenmonopol, wohl aber von einer Juristendominanz gesprochen werden kann

-Neben der Dominanz juristischer Ausbildung war die Dominanz der Laufbahnkarriere ein zweites wesentliches Merkmal für die Rekrutierung von leitenden Führungskräften in der deutschen Ministerialbürokratie. —> unter den Abteilungsleitern immer noch ein Anteil von ca. 50 % als reine Laufbahnbeamten


-Die weitgehend juristisch geprägte Ausbildung für den höheren Dienst und eine immer noch hohe Orientierung an Laufbahnbeamten sind zwei Gründe für ein gemeinsames Grundverständnis unter den leitenden Führungskräften, auch wenn es keine gemeinsame Ausbildung für Führungskräfte gibt , Es wird verstärkt durch Fortbildungsveranstaltungen. So gibt es im Bereich der Fortbildung für die leitenden Führungskräfte spezielle Lehrgänge.

Finanzverfassung


Die Finanzverfassung ist das komplexeste aller Regelwerke in Mehrebenensystemen. Sie regelt die finanzielle Lastentragung, die Rechte auf Steuergesetzgebung und Steuererhebung sowie die Verteilung und –gegebenenfalls Umverteilung der Einnahmen zwischen den Ebenen

-Im Grundgesetz sind hier die Art. 104a bis 115 einschlägig. Diese Regelungen gehören zu den am häufigsten geänderten Teilen des Grundgesetzes, da sie viele detaillierte Regelungen bis hin zu Prozentsätzen der Steuerverteilung zwischen den föderalen Ebenen enthalten. Bei der Ausgestaltung der Regelungen geht es im Prinzip um den Ausgleich zwischen dem Prinzip der fiskalischen Autonomie und der Leistungsfähigkeit der föderalen Einheiten und dem Prinzip der Solidarität zwischen den föderalen Einheiten

-In der deutschen Finanzordnung haben wir es mit einer Mischung aus Trenn- und Verbundsystem zu tun. Die Finanzverfassung sieht einerseits eine Verteilung der Steuereinnahmen nach Ebenen, d.h. zwischen Bund, Ländern und Kommunen, vor (Art. 106 und 107 GG).

-Ausschließlich dem Bund stehen vor allem die Mineralölsteuer, die Tabaksteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und der Solidaritätszuschlag zu

-Die Länder verfügen vor allem über die Erbschaftssteuer, die Grunderwerbsteuer, die Biersteuer sowie die Renn- und Lotteriesteuer

-die Kommunen über die Gewerbe-, Grund-, Getränke- und Hundesteuer

- Bund und Länder werden durch eine Umlage an der Gewerbesteuer beteiligt. Diese Steuern, die nach dem Trennsystem verteilt werden, machen im Jahr 2017 aber nur ca. 27% des Gesamtertrages an Steuern aus


Steuergesetzgebungskompetenz


-Die Steuergesetzgebungskompetenz ist in Art. 105 GG geregelt. In die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes fallen nur die Zölle und die Finanzmonopole. Da die Zollkompetenz auf die Europäische Union übergegangen ist und im Bereich der Finanzmonopole nur das Branntweinmonopol besteht, hat dieser Bereich kaum noch eine Bedeutung.

-Wenig Bedeutung hat auch die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder, in die die örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuern (Vergnügungs-, Getränke-, Hunde-, Jagd- und Spielgerätesteuer) fallen.

-Der Kernbereich der Steuergesetzgebung ist mithin die konkurrierende Zuständigkeit des Bundes, von der dieser immer mehr Gebrauch gemacht hat, so dass er hier eine eindeutige Dominanz aufweist.

—> Sogar die Erbschaftssteuer, deren Aufkommen ausschließlich den Ländern zusteht, oder die Gewerbesteuer (bis auf die Hebesätze) werden über Bundesgesetze geregelt.

-Allerdings wird die Dominanz des Bundes dadurch erheblich eingeschränkt, dass bei allen Steuern, deren Aufkommen ganz oder teilweise den Ländern und den Gemeinden zufließt, die Zustimmung des Bundesrates erforderlich ist.

-Um hier Einfluss zu nehmen, müssen sich die Länder allerdings weitgehend einigen. Im Zuge der Föderalismusreform I haben die Länder zudem die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbssteuer erhalten, Bis auf Bayern und Baden-Württemberg haben die Länder diesen Spielraum weitgehend ausgenutzt und den Steuersatz, der bis 2006 einheitlich bei 3,5% lag, auf 4,5% bis 6,5% erhöht.

-Dennoch gibt es insgesamt gesehen für die Länder und Kommunen aufgrund der eingeschränkten Steuerautonomie wenig Möglichkeiten ihre Steuereinnahmen nachhaltig zu erhöhen. Da ihnen ab 2020 aufgrund der Föderalismusreform II auch eine weitere Einnahmenmöglichkeit genommen ist (die Schuldenaufnahme), gibt es nur die Möglichkeit Problemlagen durch höhere Transferzahlungen finanziell leistungsfähiger föderaler Einheiten zu generieren

-Dem Bund kommt in der Haushalts- und Finanzpolitik also eine bedeutende Rolle zu. Neben der erwähnten Dominanz in der Steuergesetzgebung —>bestimmt er über die Rechtsgrundlagen der

Sozialversicherung,

–>wirkt er durch die Zuständigkeit für die Europäische Union an überstaatlichen Rahmenbedingungen mit,

–-> verwaltet er den größten staatlichen Einzelhaushalt mit einem Volumen um die 356 Mrd. Euro im Jahr 2019 und

–-> betreibt damit stets Ordnungs- und Verteilungspolitik und setzt so Anreize oder Hemmnisse für Wachstum und Beschäftigung.


-Allerdings haben auch die Länder über den Bundesrat einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Finanzpolitik. So wird z.B. die Verteilung der Umsatzsteuer durch Bundesgesetz unter Zustimmung des Bundesrates festgelegt und ist damit natürlich häufig Gegenstand von Auseinandersetzungen


Verteilung der Steuern


-Der bundesstaatliche Finanzausgleich zielt darauf ab, die Einnahmen der Länder einander anzunähern um gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet herzustellen oder zu bewahren.

-Nach der Steueraufteilung zwischen Bund und Ländern (erste Stufe) werden die Steuern zwischen den Ländern verteilt (zweite Stufe).

-Für die Einkommens- und Körperschaftsteuer gilt in der Regel das Prinzip des örtlichen Aufkommens,

-der Länderanteil an den Gemeinschaftssteuern steht dem Land zu, das sie eingenommen hat, also eine Orientierung am Leistungsprinzip.

-Die Einkommenssteuern fließen dem Land zu, in dem der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz hat (Wohnsitzprinzip),

-bei der Körperschaftssteuer gilt das Betriebsstättenprinzip, das heißt die Steuer wird auf alle Länder verteilt, in denen ein Unternehmen Filialen betreibt.

-Die Mittel, die den Ländern dagegen aus der Umsatzsteuer zufließen, werden zu drei Vierteln nach deren Einwohnerzahl und zu einem Viertel nach Bedürftigkeit verteilt (Umsatzsteuervorwegausgleich) und orientieren sich somit stärker am Solidarprinzip


-Als dritte Stufe der Steuerverteilung gab es von 1969 bis 2019 den Länderfinanzausgleich, um ein gewisses Gefälle zwischen „reichen“ und „ärmeren“ Ländern auszutarieren. Ziel ist nicht die Nivellierung der Finanzausstattung, sondern die Annäherung der finanzschwachen Länder an die durchschnittlich verfügbare Finanzkraft. Zur Durchführung des Länderfinanzausgleichs (horizontaler Finanzausgleich) werden aus Beiträgen der ausgleichspflichtigen Länder Zuschüsse an die ausgleichsberechtigten Länder gezahlt. Die Berechnung erfolgt nach einem System von Messzahlen, bei dem u.a. die Steuereinnahmen der Länder, die Einwohnerzahl und die Bevölkerungsdichte berücksichtigt werden. Ob ein Land ausgleichspflichtig oder ausgleichsberechtigt ist, hängt von dem Verhältnis zwischen Finanzkraft und Finanzbedarf ab.


-Diese Form des horizontalen Finanzausgleiches funktionierte bis 1990 zwar nicht konfliktfrei aber wurde nicht in Frage gestellt, zumal das Volumen des Finanztransfers maximal bei 2 Mrd. Euro lag. Mit der Wiedervereinigung und der Integration von fünf neuen Ländern, deren Finanzkraft weit unter der Hälfte der westdeutschen Länder lag, wären alle westdeutschen Länder zu Geberländern geworden —>Daher blieb der horizontale Finanzausgleich bis 1995 ausgesetzt in der Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Aufschwung im Osten

-Da sich die relative Finanzkraft der ostdeutschen Länder weiter verschlechterte, klagten die Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen 1998 vor dem Bundesverfassungsgericht.

—> im Jahr 2013 kam es 2017 zur Abschaffung des horizontalen Finanzausgleiches und einer Erhöhung des vertikalen Finanzausgleiches ab 2020 durch die Föderalismusreform III


-Nach diesem horizontalen Finanzausgleich erfolgt als vierte Stufe der Steuerverteilung ein vertikaler Finanzausgleich (und ab 2020 als dritte) zwischen Bund und Länder in Form von Bundesergänzungszuweisungen. Aus ihm erhielten alle Länder, deren Finanzkraft nach Abwicklung des horizontalen Ausgleichs unter 99,5 des Länderdurchschnitts liegt, allgemeine Bundesergänzungen, um den Fehlbetrag zu 77,5% auszugleichen. Daneben gibt es noch Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen, die auf den Ausgleich besonderer nur vorübergehend bestehender Finanzbedarfe abzielen. Zum Ausgleich von Sonderlasten durch strukturell bedingte Erwerbslosigkeit erhielten die fünf neuen ostdeutschen Bundesländer bis 2009 derartige Sonderbedarfsergänzungszuweisungen.

-Insgesamt gesehen bestand der bundesstaatliche Finanzausgleich daher bis zum Jahr 2020 aus drei Stufen, dem Umsatzsteuervorwegausgleich, dem Länderfinanzausgleich sowie den allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen.


-Durch die Föderalismusreform III sind der Umsatzsteuervorwegausgleich und der Länderfinanzausgleich zum 1.1.2020 abgeschafft, stattdessen werden der Länderanteil an der Umsatzsteuer um rund 4 Mrd. Euro und die Bundesergänzungszuweisungen erhöht. Für den Bund bedeutet das erhebliche finanzielle Mehraufwendungen. Die Verteilung des Länderanteils an der Umsatzsteuer soll grundsätzlich nach der Einwohnerzahl erfolgen

Steuervolumen/Schuldenentwicklung


-Insgesamt sind die Steuereinnahmen insbesondere in den letzten Jahren ständig angestiegen und liegen 2018 bei 776 Mrd. Euro. 2006 waren es noch 526 Mrd. Euro, das ist ein Anstieg von fast 50% in 12 Jahren. Von den Steuereinnahmen 2018 entfielen 322 Mrd. auf den Bund, 314 Mrd. auf die Länder und 111 Mrd. auf die Kommunen


-Deutlich wird, welches die zentralen Steuereinnahmequellen sind: vor allem die Lohn- und Einkommenssteuer (35%) und die Umsatzsteuer (23%) und dann mit einigem Abstand noch die Gewerbesteuer (7%) sowie die Mineralölsteuer (5%)

-Betrachtet man die finanzielle Entwicklung der öffentlichen Haushalte seit 1970, so wuchs die Schuldenstandsquote (Schulden bezogen auf das BIP) bis 2010 nahezu ständig.

- Insbesondere der Anteil des Bundes ist kontinuierlich angewachsen, nicht zuletzt durch seine besonderen Belastungen durch die Finanzierung der Einheitsfolgen.

-In manchen Jahren hatte diese zur Folge, dass die Zinssteuerquote, also der Anteil der Zinsausgaben an den Steuereinnahmen für den Bund, z.T. über 20% und für die Länder ebenfalls bei über 10% lag

-Seit 2011 sinkt die Schuldenstandsquote jedoch durchgehend und liegt im Jahr 2018 wieder deutlich unter 60%

-Im Jahr 2018 hat sich der Finanzierungssaldo,( Der Finanzierungssaldo bezeichnet die Differenz zwischen den Einnahmen und den Ausgaben des Staates bzw. einer seiner Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherung)) von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen weiter positiv entwickelt

- Gab es 2010 im Zeichen der Finanzmarktkrise noch einen negativen Saldo von 108 Mrd, so betrug der positive Saldo 2018 fast 54 Mrd.

Haushalt und öffentliches Rechnungswesen


-Der Haushalt ist das zentrale Instrument zur Sicherung parlamentarischen Einflusses und generell der politischen Steuerung.

-Er ist Ausdruck des politischen Willens und bestimmt das Handeln der Verwaltung.

-Das öffentliche Rechnungswesen

(Gemeint ist das externe Rechnungswesen, welches sich vor allem an Adressaten außerhalb der Organisation richtet im Gegensatz zum internen Rechnungswesen, welches z.B. mit der Kosten- und Leistungsrechnung vor allem auf Adressaten in der Organisation ausgerichtet ist)

erfüllt dabei eine Informations-, Dokumentations- und Rechenschaftsfunktion.

-Zu unterscheiden ist zwischen dem kameralen, dem erweitert kameralen

(Die erweiterte Kameralistik ist eine Ergänzung dieser insbesondere um eine Kosten- und Leistungsrechnung und/oder eine Vermögensübersicht.) und dem doppischen System.

-Die Probleme der Kameralistik haben zu verschiedenen Reformmaßnahmen geführt. Die Modernisierung des öffentlichen Rechnungswesens begann auf kommunaler Ebene im Zusammenhang mit der Diskussion um das neue Steuerungsmodell vor ca. 20 Jahren.

- Im Jahr 2003 kam es zu einem Beschluss der Innenministerkonferenz mit Musterentwürfen für eine kamerale und doppische Gemeindehaushaltsverordnung. Seit Mitte der 2010er Jahre hat die Mehrzahl der Kommunen sowohl das Haushalts- als auch das Rechnungswesen auf Basis der Doppik (Ressourcenverbrauchskonzept) umgestellt.

-Auf der staatlichen Ebene wurde im Jahr 2009 das Haushaltsgrundsätze-Modernisierungsgesetz (HGrGMoG) verabschiedet, durch welches neben dem kameralen auch ein doppisches Rechnungswesen zugelassen wurde. Es dominiert auf der staatlichen Ebene aber weiterhin die Kameralistik, nur vier von 16 Bundesländern haben die Modernisierung des Rechnungswesens begonnen oder abgeschlossen und der Bund strebt dies ohnehin nicht an

-Im Ergebnis ist auch das öffentliche Rechnungswesen in Deutschland von einer weitgehenden Uneinheitlichkeit gekennzeichnet. Dies betrifft zum einen die prinzipiellen Unterschiede in der Rechnungslegung zwischen Kommunen und der staatlichen Ebene und zum anderen den Umsetzungsstand in den Gebietskörperschaften selbst

-Während die meisten EU-Mitgliedsstaaten ihre Rechnungslegung auf der Basis des Ressourcenverbrauchssystems durchführen, dominiert in Deutschland auf der staatlichen Ebene noch das Geldverbrauchssystem


Kameralistik


-Die traditionelle kameralistische Haushaltsführung legt mit der finanzwirtschaftlichen Einnahmen und Ausgabenrechnung und mit ihren ausdifferenzierten Instrumenten der Budgetkontrolle viel Wert auf die Ordnungsmäßigkeit der Mittelverwendung.

-Der Fokus liegt auf Kassenvorgängen und Geldbewegungen und damit auf dem Geldverbrauchskonzept. —> Kameralistik ist daher vor allem ein formales externes Rechnungswesen (gegenüber vorgesetzten Behörden, Parlament, Rechnungshof) und kein internes Rechnungswesen, mit dem Steuerungsziele der Organisation betrachtet werden können.

-Steuerungsrelevante Informationen über die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit des Verwaltungshandelns fehlen in der Kameralistik weitgehend, während formale Rechenschaftslegung gut unterstützt wird. Damit – so ein immer wieder geäußerter Kritikpunkt von Seiten der öffentlichen Betriebswirtschaft – läuft aber auch eine parlamentarische Kontrolle der Verwaltung weitgehend leer.

-Hinzu kommen weitere Defizite kameralistischer Haushaltsführung

  • Da Einnahme- und Ausgabekonten voneinander getrennt sind, gibt es keinen systematischen Zusammenhang zwischen Mittelherkunft und Mittelverwendung. Wenn man aber keine Kosteninformationen hat, kann auch kein Kostenbewusstsein entstehen.

  • Es werden grundsätzlich nur Geldzahlungen erfasst, nicht aber Werteverzehr von Sachanlagen (Abschreibungen, kalkulatorische Zinsen, Mieten und Pachten).

  • Bestimmte Kosten (z.B. Personal) werden nicht verursachergerecht zugeordnet, sondern in Sammelnachweisen veranschlagt

  • Es gilt das Kassenwirksamkeitsprinzip, das heißt nur die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben in einem Jahr werden erfasst, so dass keine gute Planung möglich ist.

-

Verwaltungsgerichtsbarkeit


-Das öffentliche Recht unterteilt sich in Verfassungsrecht, Strafrecht, Prozessrecht, Verwaltungsrecht, Polizei-, Schul-, Beamten-, Sozial- und Steuerrecht. Von zentraler Bedeutung für die öffentliche Verwaltung ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

-Sie ist historisch entstanden als Instrument zur Sicherung des Rechtsstaates, also zur Bindung öffentlicher Gewalt an Recht und Gesetz und zur Sicherung bürgerlicher Freiheitsrechte. Die ersten Formen einer eigenständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit entwickelten sich in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in den deutschen Staaten. Eine einheitliche bundesweite Regelung gibt es erst mit dem GG von 1949

-Wesentliche Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind in der 1960 erlassenen Verwaltungsgerichtsordnung enthalten. Sie begründet zum einen in einer Art Generalklausel die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit es nicht um Verfassungsbeschwerden oder einem anderen Rechtsweg durch Gesetz zugewiesene Bereiche wie das Sozialrecht und das Finanzrecht handelt.

-Zum anderen regelt sie den Aufbau und die Organisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dabei sind drei Instanzen vorgesehen:

  • als 1. Instanz insgesamt 52 Verwaltungsgerichte, größtenteils orientiert an den Verwaltungsgrenzen innerhalb der Bundesländer. Die Senate sind mit jeweils drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt.

  • als 2. Instanz 16 Oberverwaltungsgerichte, die in einigen Ländern auch Verwaltungsgerichtshöfe heißen. Die Senate sind hier mit jeweils drei Berufsrichtern besetzt.

  • als 3. Instanz das Bundesverwaltungsgericht mit Sitz in Leipzig. Die Senate sind mit jeweils fünf Berufsrichtern besetzt.

-Die Verwaltungsgerichte sind funktionell und organisatorisch selbständig sowie personell und sachlich unabhängig. Sie werden im Prinzip nur tätig, wenn sie durch Klage eines Betroffenen mit einem konkreten Fall befasst werden, es gilt hier also der Individualrechtschutz und nicht die Popularklage.

-Allerdings lässt eine Reihe von Sonderbestimmungen auch die Vertretung fremder Interessen zu. So haben in Umweltstreitsachen die anerkannten Umweltschutzverbände das Verbandsklagerecht und auch die anerkannten Naturschutzvereinigungen sind zu Klagen gegen Eingriffe in Natur und Landschaft befugt

- Als besondere Verfahrensart ist darüber hinaus das Normenkontrollverfahren zu erwähnen, nachdem Rechtsvorschriften überprüft werden können. Dieses findet immer vor den Oberverwaltungsgerichten statt.

-Auch wenn die Verwaltungsgerichte parallel durch Neueinstellungen und Umstrukturierungen ihren Output deutlich erhöht haben (von knapp 56.000 Entscheidungen im Jahr 2015 auf 173.000 im Jahr 2018), ist die Zahl der anhängigen Klagen, Berufungen und Revisionen ständig angestiegen, auf 362.000 Verfahren Ende 2017 und 312.000 Ende 2018

-Ähnliches gilt für die erledigten asylrechtlichen Eilverfahren, die 2016 60,5% aller erledigten Verfahren zur Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz ausmachten.

-Mit diesem Verfahrensanstieg im Bereich des Asylrechtes ist es trotz der durchaus beachtlichen Neueinstellungen zu einer deutlichen Verlängerung der durchschnittlichen Verwaltungsgerichtsverfahren gekommen. Auch vorher gab es in Verwaltungsgerichtsbarkeit angesichts ständig steigender Zahlen von Hauptverfahren schon Verfahrensdauern von über 12 Monaten. Deshalb wird häufig von dem Instrument des vorläufigen Rechtsschutzes Gebrauch gemacht, welches im Bereich des Asylrechtes nicht immer greift. Darüber hinaus wird diskutiert, durch eine Vereinfachung der Prozessvorschriften die Verfahrenszeiten zu verringern

Politische Kontrolle von Verwaltung


-Bei der politischen Kontrolle der Verwaltung kann man zwischen der parlamentarischen Kontrolle und der Kontrolle durch die Öffentlichkeit unterscheiden.

-Die Parlamente haben im Prinzip in Deutschland universelle Kontrollrechte, das heißt die Kontrolle kann sich auf die Aufgabenerfüllung, die Rechtmäßigkeit und die Wirtschaftlichkeit beziehen. Allerdings handelt es sich meist um punktuelle und keine systematischen Kontrollen, da für letztere die Kontrollkapazität fehlt.

-Zudem fehlt es in der Regel an Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der Verwaltung (jedenfalls auf den staatlichen Ebenen) und insbesondere bei den jeweiligen Mehrheitsfraktionen an Interesse zumindest an öffentlichen Formen der Kontrolle, da sie die jeweilige Regierung tragen, dazu noch häufig eng mit den Verwaltungen verwoben sind und daher ihre Kompetenzen eher informell ausnutzen.

- Insofern werden solche Instrumente wie Untersuchungsausschüsse, Akteneinsichtsrechte und parlamentarische Anfragen vorrangig von der jeweiligen Parlamentsopposition genutzt

-Insgesamt kann man von einem „Eisberg-Modell parlamentarischer Kontrolle“ ausgehen, da parlamentarische Kontrolle deutlich mehr umfasst als die nach außen sichtbaren formalen Instrumente. Die Nutzung informaler Instrumente (etwa von Ministerbriefen oder direkten Gesprächen der Berichterstatter und zwischen Fachpolitikern von Regierungs- und Oppositionsfraktionen) bleibt zumeist unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung.

—> Dadurch entsteht ein verzerrtes Bild einer unzureichenden parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung, welches laut Siefken einer näheren empirischen Betrachtung nicht standhält


-Als noch wirksamere Form der Verwaltungskontrolle wird die „Öffentlichkeit“ angesehen, klassischerweise die durch Massenmedien vermittelte allgemeine Öffentlichkeit, die bereichsbezogene fachlich-wissenschaftliche Öffentlichkeit und die durch Interessengruppen gebildete fachgebundene Öffentlichkeit

- Die besondere Rolle einer seriösen Presse ist dabei offenkundig. Die Verwaltung gerät durch informierte Berichterstattung unter Rechtfertigungszwang und versucht, eine negative Presse im Vorhinein zu vermeiden.

-Da einzelne Verwaltungen sehr unterschiedlich vom allgemeinen öffentlichen Interesse berührt sind, ist es wichtig, dass es daneben auch die Kontrolle durch die Fach-Öffentlichkeit gibt, z.B. durch interessierte Verbände oder auch Bürgerinitiativen.

-Darüber hinaus gibt es in einigen Bundesländern und in vielen Kommunen institutionalisierte Formen der Öffentlichkeitskontrollen durch Bürgerbeauftragte oder Ombudsmänner.

-Kontrolle durch moderne soziale Medien ist bisher kaum untersucht. Hier beschränkt sich die Diskussion bisher auf allgemeine Vermutungen der positiven Effekte von „Open Government“

Rechenschaftspflicht/ Accountability


-Kontrolle von Regierung und Verwaltung wird in der Verwaltungswissenschaft seit einigen Jahren intensiv unter dem Schlagwort „Rechenschaftspflicht“ diskutiert, vor allem unter dem englischen Begriff Accountability. Wie sein Gegenstück "Transparenz" ist Rechenschaftspflicht ein ‚magischer Begriff‘ untrennbar verbunden mit der Diskussion um gute Regierungsführung (Good Governance) und Kernthema vieler Reformdebatten im öffentlichen Diskurs

-Die aktuelle Debatte über Nutzen, Vorzüge und Probleme von Rechenschaftspflicht ist stark von dem niederländischen Autor Mark Bovens und der sog. Utrecht School of Accountability beeinflusst

—> Bovens unterscheidet zwischen Rechenschaftspflicht als eine Tugend, etwas Wichtigem und Gutem an sich, und Rechenschaftspflicht als einem Prozess, der sich beobachten und bewerten lässt. Diese prozedurale Rechenschaftspflicht definiert er als:

„A relationship between an actor and a forum, in which the actor has an obligation to explain and justify his or her conduct, the forum can pose questions and pass judgment, and the actor may face consequences”


-Zunächst ist zu klären, welche Akteure überhaupt gemeint sind. Akteure können die verschiedensten Personen und Organisationen in einer sogenannten Prinzipal-Agent-Beziehung sein: Bürokraten vs. Politiker, Politiker vs. Wähler, Ministerien vs. Regierungen, Behörden vs. Ministerien, Abteilungen einer Behörde vs. Leitung, Angestellte vs. Manager und so weiter und so fort. Der Prinzipal (Auftraggeber) kontrolliert die Arbeit des Agenten (Auftragnehmers).

- Das ist jedoch nicht leicht, da der Agent naturgemäß mehr über seine Aufgaben weiß als der Prinzipal (Informationsasymmetrie). Akteure, d.h. sowohl Prinzipale wie Agenten, können daher diverse staatliche Organisationen und Personen des öffentlichen Sektors sein. Allerdings ist die Beziehung viel komplizierter als ein einfaches Prinzipal-Agent-System, da es eine Reihe ganz verschiedener Prinzipale (also Akteure mit Kontrollaufgaben) gegenüber der Verwaltung gibt.


-Man unterscheidet daher drei Aspekte von Rechenschaftspflicht: Forum (gegenüber wem legt ein Akteur Rechenschaft ab?), Fokus (worüber legt er Rechenschaft ab?) und Form (wie legt er Rechenschaft ab?). Somit sind in der Verwaltung mehrere Formen von Rechenschaftspflicht zu unterscheiden:

• politische Rechenschaftspflicht gegenüber gewählten Politikern,

• administrative (oder bürokratische) Rechenschaftspflicht gegenüber übergeordneten Einheiten (Ministerien, Behörden, Abteilungen),

• finanzielle Rechenschaftspflicht gegenüber Rechnungskontrollbehörden, z.B. Rechnungshöfen,

• rechtliche Rechenschaftspflicht gegenüber Gerichten, aber auch

• professionelle Rechenschaftspflicht gegenüber Kollegen und Berufsverbänden (etwa im Falle von Medizinern, Juristen oder Angehörigen sozialer Berufe) und schließlich

• soziale Rechenschaftspflicht gegenüber Klienten, Beteiligten, Interessengruppen oder Kunden, oder auch generell gegenüber Bürgern.


-Davon zu trennen ist der Fokus oder Inhalt der Verpflichtung, also für was ist jemand verantwortlich, welche Informationen werden gegeben und welche Fragen gestellt? Hier ist zu unterscheiden:

• Legalität: Handeln Akteure im Einklang mit bestehenden Gesetzen und Vorschriften?

• Prozess: Werden Verfahren und Beschlüsse als korrekt, gerecht und fair wahrgenommen?

• Finanzierung: Werden Ressourcen bedarfsgerecht und wirtschaftlich eingesetzt?

• Leistung: Werden Ergebnisse erzielt und sind sie effektiv und effizient?


-Die ersten drei Merkmale sind klassische Kriterien für den „Einsatz“ (Input) und werden seit langem von Politik, Gerichten, der Bürokratie selbst oder Rechnungsprüfungsorganen kontrolliert.

-Das Kriterium „Ertrag/Ergebnis“ (Output) ist jünger und erst in letzter Zeit unter der Bezeichnung Ergebnisverantwortung durch Verträge, eine ziel- und ergebnisorientierte Steuerung, Leistungsmessung usw. verstärkt eingeführt worden


-Schließlich kann nach der Form bzw. dem Wesen der Verpflichtung unterschieden werden, also in welche Richtung Rechenschaftspflicht besteht. Differenziert werden vertikale (politische, administrative, rechtliche) Rechenschaftspflichtformen, also klassische Hierarchien, von diagonalen (Rechnungshöfe, Bürgerbeauftragte, Aufsichtsorgane) und horizontalen Formen (soziale, professionelle). Die meisten vertikalen Rechenschaftsbeziehungen sind obligatorisch und können zu direkten Sanktionen führen, während horizontale Rechenschaftsbeziehungen eher freiwillig und indirekt sind. Die diagonalen Rechenschaftsforen nehmen eine Zwischenstellung ein, oft im Schatten von Hierarchien. Diagonale und horizontale Rechenschaftspflicht ist in der Regel nicht mit direkten Sanktionen verbunden, kann aber ernste politische Konsequenzen haben.


-Besonders der neuere Begriff der Ergebnisverantwortung oder „managerialen Rechenschaftspflicht“ ist in diesem Zusammenhang wichtig. Die Erbringung öffentlicher Leistungen ist, wie gezeigt wurde, geprägt durch die Übertragung von Budgets und Aufgaben auf niedrigere Ebenen (Dezentralisierung) oder unabhängige Einheiten (Agenturen) innerhalb des öffentlichen Sektors oder sogar durch Privatisierung.


Administrative Kontrolle durch Exekutive


-administrative Kontrolle durch die Exekutive: die Aufsicht —> Hierbei kann grundsätzlich zwischen der Ministerialaufsicht, der Bundesaufsicht und der Kommunalaufsicht unterschieden werden.

-Gemeinsam ist allen Aufsichtsfunktionen, dass ihnen ein hierarchisches Element innewohnt, allerdings unterscheiden sich die Intensität dieser hierarchischen Kontrolle und das Ausmaß an kooperativen Elementen von Verwaltungshandeln je nach Aufsichtsfunktion.

-Die am meisten verbreitete Form der Aufsicht, die Ministerialaufsicht, dient der Kontrolle der Durchsetzungsfähigkeit der Ministeriumsabsichten. Sie ist damit auch politische Kontrolle, da Ministerien ja hierarchisch von Politikern geleitet werden. Während im Rahmen der Rechtsaufsicht über die Einhaltung dienstrechtlicher und anderer Normen gewacht wird, geht es im Rahmen der Fachaufsicht um die „Zweckmäßigkeit“ des Verwaltungshandelns. Die Ministerialaufsicht innerhalb der unmittelbaren Verwaltung erstreckt sich oftmals auf die Rechts- und Fachaufsicht, während bei der Aufsicht gegenüber der mittelbaren Verwaltung aufgrund ihrer größeren „Staatsferne“ meist nur eine Rechtsaufsicht üblich ist

-Zentrales Aufsichtsinstrument auf Ministerialebene ist der „Erlass“, dessen Inhalt von der Bekanntmachung beliebiger Rechtsnormen, über Auskunftsersuchen, bis hin zur terminierten Weisung reichen kann,. Die Grenze zwischen Bitte, Wunsch und Weisung ist dabei häufig schwer zu ziehen.

-Die Aufsicht erstreckt sich grundsätzlich auf alle Funktionsbereiche der nachgeordneten Verwaltung. Weitgehend in die Eigenverantwortung delegiert sind aber mittlerweile Personal-, Organisations- und Haushaltsangelegenheiten, wobei im vorgesetzten Ministerium regelmäßig ein Zustimmungsvorbehalt verbleibt.

-Die Intensität wie auch der Hierarchiegehalt der Aufsicht hängen in erheblichem Maße von den „Besonderheiten der Aufgabe“ ab. Während manche Behörden, wie etwa das Umweltbundesamt und besonders das Bundeskartellamt, beachtliche Entscheidungsfreiräume für sich reklamieren konnten, dominiert andernorts, speziell auf der Ebene von Landesbehörden, nach wie vor eine hierarchisch geprägte Aufsicht.


-Im Fall der Bundes- und der Kommunalaufsicht werden eigenständig legitimierte Gebietskörperschaften beaufsichtigt, was den Hierarchiegehalt deutlich mindert (ebd.). Das gilt insbesondere für die Bundesaufsicht. Nach Art. 84 Abs. 2 GG überwacht der Bund die regelkonforme Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder. Mit Zustimmung des Bundesrates (Art. 85 Abs. 5 GG) könnte der Bund sogar Weisungen an die Länder erteilen, was im Unterschied zur Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 Abs. 2 GG) bisher allerdings nicht vorgekommen ist


-Die Kommunalaufsicht wird hier als Sammelbegriff für die Kontrolle kommunalen Verwaltungshandelns durch Aufsichtsbehörden der Länder verstanden Daneben wird natürlich auch die kommunale Verwaltung durch gewählte Politiker, also Bürgermeister, Landräte und Beigeordnete kontrolliert.

-Da im deutschen Verwaltungsföderalismus ein erheblicher Teil des Gesetzesvollzugs an die lokale Ebene delegiert ist, üben hier die Länder vor allem durch die Innenministerien und soweit vorhanden, die Regierungspräsidien, die Aufsichtsfunktion aus.

-In den Regierungspräsidien bündelt sich die Ministerial- und die Kommunalaufsicht. Sie nehmen einerseits Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht über nachgeordnete staatliche Behörden (z.B. Behörden des Arbeits- und Immissionsschutzes, Polizei, Staatshochbau, Schulen, Stiftungen) sowie Fach- und Rechtsaufsicht gegenüber den Kommunen wahr, insbesondere die Genehmigung der kommunalen Haushalte. Ebenfalls zur Aufsichtsfunktion zu zählen ist, dass der Regierungspräsident als Rechtsmittelinstanz über Widersprüche gegenüber Entscheidungen nachgeordneter Behörden fungiert. Diese Aufsichtsfunktionen sind allerdings je nach Bundesland in manchen Bereichen zwischen Bezirksregierungen, Sonderbehörden und Ministerien aufgeteilt.


-Trotz der Aufsichtsfunktion des Landes verfügt die kommunale Ebene über ein gewisses Maß an Autonomie, da sie die Gebiets-, Organisations-, Personal-, Planungs-, Finanz- und Satzungshoheit innehat und sich im Rahmen des Rechtsschutzes (Verfassungsbeschwerde oder verwaltungsgerichtliche Klage) gegen Eingriffe des Landes wehren kann. Zudem hat die Implementationsforschung aufgezeigt, dass in der Regel die Implementationsspielräume auf lokaler Ebene nicht unbeträchtlich sind.

—>In der Praxis spricht daher einiges dafür, dass trotz weitgehender Aufsichtsrechte Konflikte zwischen Ländern und Kommunen vor allem im Rahmen kooperativer Verhandlungsbeziehungen ausgetragen werden. Der je nach Bundesland durchaus differierende hierarchische Zuschnitt in den Beziehungen zwischen Land und Kommunen weicht somit zunehmend einer „Vertrauens-“ bzw. „Beratungsaufsicht



Beziehung zwischen Rechenschaftspflicht und Leistung


-Beziehung zwischen Rechenschaftspflicht und Leistung. Diese soll eng sein. Für manche sind Leistung, Transparenz und Rechenschaftspflicht sogar nahezu identisch. Barbara Romzek ( zufolge ist Rechenschaftspflicht, einfach ausgedrückt, die Übernahme von Verantwortung für Leistungen, die unter normalen Bedingungen honoriert oder sanktioniert werden.

—> Rechenschaftspflicht, so Romzek, setzt Informationen über Leistungen voraus; fehlen diese, ist Rechenschaftspflicht eine leere Worthülse.

-Tatsächlich jedoch sind Spannungen, Mehrdeutigkeiten und Widersprüche typisch für die Beziehung zwischen Rechenschaftspflicht und Leistung, und es besteht keine einfache direkte Verbindung zwischen beiden


-Die meisten empirischen Belege für das schwierige und unsichere Verhältnis zwischen Rechenschaftspflicht und Leistung lassen sich mit den bekannten allgemeinen Konzepten begrenzte Rationalität, opportunistisches Verhalten und unbeabsichtigte Folgen beschreiben

-Leistungsmessung und -steuerung werden erschwert durch die Vielschichtigkeit der Aufgabe, widersprüchliche Ziel- und Wertvorstellungen und unklare Kausalitäten. Viele staatliche Leistungen lassen sich nur schwer definieren und messen.

-Noch schwerer ist es, klare kausale Zusammenhänge zwischen Steuerungsinstrumenten, Organisationsverhalten und Ergebnissen (Outputs) und Wirkungen (Outcomes) herzustellen.

-Gleichzeitig kann mehr Rechenschaftspflicht eine Überfrachtung mit Rechenschaftspflichten und damit eine Lähmung zur Folge haben (multiple accountabilities disorder).

—> Das kann schließlich zu opportunistischem Verhalten führen, etwa dazu, dass Zahlen manipuliert (das Ziel erreichen und den Sinn verfehlen) und Leistungspotenziale nicht ausgeschöpft werden, um zu vermeiden, dass Zielvorgaben erhöht werden (gaming, target ratcheting).

-Je mehr Angaben zu machen sind, desto größer ist der Anreiz, diese Art von Informationen zu manipulieren. Zu guter Letzt gibt es noch die unbeabsichtigte Folge der „Tyrannei des Lichts“ (tyranny of light): Je mehr Informationen gegeben und verarbeitet werden, umso größer wird das Misstrauen zwischen Akteuren


Formen von Legitimität und Rechenschaftspflicht


-Die allgemeine Definition von Legitimität geht auf Max Weber (und später Easton) zurück. Sie bezieht sich auf den Grad, in dem Politik (Input), Prozesse (Throughput) und politische sowie administrative Maßnahmen und Ergebnisse (Output/Outcome) für Bürger akzeptabel sind und akzeptiert werden, sodass staatliche Rechtsakte und Beschlüsse freiwillig befolgt werden, auch wenn sie unmittelbaren Interessen und Wünschen zuwiderlaufen sollten

• So bezieht sich Input-Legitimität auf die partizipative Qualität des demokratischen Prozesses. Sie beinhaltet den demokratischen Grundsatz der ‚Herrschaft des Volkes‘. Er besagt, dass politische Entscheidungen in einer Rechenschaftskette, die Regierende mit Regierten verbindet, aus den Präferenzen der Bevölkerung abgeleitet werden, also z.B. durch Wahlen. Das ist jedoch nicht die einzige Form von Legitimität, auch und gerade nicht in modernen Demokratien.

• Daneben wichtig ist Output-Legitimität, also das Vermögen einer Regierung oder Verwaltung, kollektive Probleme zu lösen oder zumindest zu mildern. Ein vorbildlich demokratisches System, das die höchsten partizipativen Standards erfüllt, aber keine akzeptablen politischen Lösungen und Leistungen bietet, zum Beispiel ein gewisses Maß an Sicherheit und sozialen Standards, ist nicht legitim und wird von den Bürgern auf Dauer nicht akzeptiert werden.

• Schließlich gibt es den Begriff der Throughput-Legitimität. Diese Form der Legitimität verlangt staatliches Handeln, das sich durch Transparenz, Inklusivität, Offenheit und Gerechtigkeit auszeichnen. Eine Entscheidung, Politik oder Organisation besitzt Legitimität, wenn sie eine formal und verfahrensrechtlich ordnungsgemäße und akzeptierte Form hat oder auf diese Weise Beschlüsse fasst, Luhmann (1983) hat dies „Legitimation durch Verfahren“ genannt


-Ausgehend von diesen drei Formen von Legitimität lassen sich also drei Formen von Rechenschaftspflicht unterscheiden:

• die klassische, auf Input basierende, politische und demokratische Rechenschaftspflicht, die sich vor allem an Ketten von Prinzipal-Agent-Beziehungen zwischen Bürgern, Politikern und Bürokraten orientiert, z.B. das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept der „ununterbrochenen Legitimationskette“, die sicherstellen soll, dass sich der demokratische Mehrheitswille zuverlässig als konkretes staatliches Handeln um- bzw. durchsetzen lässt, oder auch der Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, nachdem jeder staatliche Eingriff auf ein demokratisch zustande gekommenes Gesetz zurückgeführt werden muss,

• die auf Wirkung und Output ausgerichtete Rechenschaftspflicht, bei der es im Wesentlichen um Leistung, zweckmäßige politische Konzepte und Ressourceneffizienz für Bürger, Klienten und ‚Kunden‘ geht, also um die Zufriedenheit mit staatlichen Leistungen,

• und schließlich auf „Throughput“ ausgerichtete Rechenschaftspflicht, in deren Mittelpunkt formale Prozeduren, ordnungsgemäße Verfahren, Gerechtigkeit, Expertise und ähnliche Werte stehen

Behörde


-Im allgemeinen Sprachgebrauch spricht man oft von Behörden, und auch im Verwaltungsverfahrensgesetz heißt es lapidar „Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung

wahrnimmt“ (§1 Abs. 4 VwVfG).


-öffentliche Verwaltung nimmt nicht nur vielfältige Aufgaben und Funktionen wahr, sondern besteht auch aus einer großen Vielfalt unterschiedlicher öffentlicher Organisationen. Neben den bekannten und besonders sichtbaren Ministerien auf Bundes- und Landesebene und den Kommunalverwaltungen gibt es eine Fülle von

• nachgeordneten Behörden (von der Polizei über den Denkmalschutz oder die Gesundheitsämter bis hin zu Forschungsanstalten und Forstämtern),

• Oberbehörden (vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben bis zur Bundesnetzagentur),

• Anstalten (von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bis hin zur Bundesanstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben),

• Körperschaften (von der Bundesversicherungsanstalt bis hin zur Bundesagentur für Arbeit) und

• öffentlich-rechtlichen Stiftungen (von der Stiftung Mutter und Kind bis hin zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz).

—>Eine Universität ist somit genauso eine öffentliche Organisation wie eine Strafvollzugsanstalt, eine Schule oder ein Museum, und damit Teil der öffentlichen Verwaltung.

-Die meisten Schulen und Universitäten würden sich allerdings heute wohl dagegen verwahren, als „Behörde“ bezeichnet zu werden, und auch die alte Bundesanstalt für Arbeit wollte eine Bundesagentur werden, um damit zumindest nach außen den Wandel von einer Behörde zum modernen Dienstleister zu vollziehen


-auch wenn daher der Begriff „öffentliche Verwaltung“ vielschichtig und missverständlich ist, gibt es dennoch ein Merkmal, das zumindest in der alltäglichen Wahrnehmung mit fast allen öffentlichen Organisationen verbunden wird und als charakteristisch für deren interne Strukturen und Prozesse gilt, das der Bürokratie

Bürokratie


-Der Begriff der Bürokratie ist zunächst als Schimpfwort erfunden worden, Er geht auf den Franzosen de Gournay zurück, der – lange vor der französischen Revolution – damit die Herrschaft des „Büros“, die nicht-legitimierte Herrschaft von Subalternen kritisiert hat. Er definierte damit Bürokratie ganz explizit als vierte Herrschaftsform neben Monarchie, Aristokratie und Demokratie, als Regierungsform, in der Regieren und Verwalten zum Selbstzweck geworden sei.

-Erst viel später, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wurde dieser Begriff und das damit zusammenhängende Konzept von Max Weber wissenschaftlich „neutralisiert“ und objektiviert

-„Die rein bureaukratische, also: bureaukratisch-monokratische aktenmäßige Verwaltung ist nach allen Erfahrungen die an Präzision, Stetigkeit, Disziplin, Straffheit und Verlässlichkeit, also: Berechenbarkeit für den Herrn wie für die Interessenten, Intensität und Extensität der Leistung, formal universeller Anwendbarkeit auf alle Aufgaben, in all diesen Bedeutungen: formal rationalste Form der Herrschaftsausübung“ (Weber 1921).


-Als Merkmale einer solchen bürokratischen Organisation hebt er besonders hervor:

• Hauptamtliches Personal (Trennung von Amt und Person und von öffentlichen und privaten Mitteln);

• Fachlichkeit, Professionalisierung (Einstellung und Beförderung nach Ausbildung und Leistung);

• Arbeitsteilung und Spezialisierung;

• Hierarchische Über- und Unterordnung (klare Zuständigkeiten, Dienstweg);

• Regelgebundenheit sowie • Schriftlichkeit, Aktenmäßigkeit.


-Für Max Weber ist bürokratische Organisation eine wichtige Errungenschaft und eine rationale Form der Herrschaft, weil sie überkommene feudale, willkürliche Herrschaftsformen ersetzt, also etwa die Aneignung öffentlicher Mittel durch die Besitzer von Ämtern, die Ausübung dieser Ämter und die Einstellung und Beförderung auf der Grundlage von Vererbung, Nepotismus oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, unklare, kollegiale Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, unprofessionelle Verwaltung durch Amateure und Begünstigte und insbesondere undurchschaubare und unkontrollierte Willkür

—>Fachlichkeit, Unpersönlichkeit, Berechenbarkeit sind daher zentrale Merkmale des Weber‘schen Bürokratiebegriffs.


-Die Weber‘sche Bürokratietheorie gehört sicherlich zu den wichtigsten Grundlagen der Verwaltungswissenschaft, und sie ist auch im gesamten Kanon der Sozialwissenschaften eine der bekanntesten und einflussreichsten Theorien.

-Allerdings ist sie auch immer wieder selektiv oder falsch interpretiert worden, etwa als allgemeingültige empirische Beschreibung vorhandener Organisationsformen oder als normative und präskriptive Vorschrift, als Modell, wie öffentliche und formale Organisationen gestaltet werden sollten. Beides trifft für Weber gerade nicht zu, der bestimmte in der Wirklichkeit vorfindbare Merkmale von Organisationen typologisch zusammenfasst (und durchaus auch kritisch sieht).

—> Er nennt dies zwar einen „Idealtypus“, aber damit ist kein normatives Ideal gemeint, sondern eine analytische Beschreibung, die in dieser reinen Form historisch nicht vorkommt

-Eine differenzierte Hierarchie über- und untergeordneter Einheiten mit eindeutigem Dienstweg (Einliniensystem) sowie eine klare Kompetenzverteilung mit starker Entscheidungszentralisation (und als Folge erheblicher Leitungstiefe) sind klassische Merkmale von Bürokratien.

-Die damit verbundenen Aufgabenzuweisungen sind wiederum in Form von Geschäftsverteilungsplänen schriftlich fixiert, die die innerbehördliche Arbeitsteilung und vor allem eindeutige Zuständigkeiten festschreiben. Im Prinzip kann so jede Aufgabe, jeder „Vorgang“, jedes Schreiben, das eine Behörde erreicht, aufgrund des Geschäftsverteilungsplans einer eindeutig zuständigen Einheit zugewiesen werden.


Aufbauorganisation von Bürokratie


-Die aufgeführten Merkmale bürokratischer Organisationen können unter den gängigen Begriffen „Aufbauorganisation“, also formale Gliederung durch Arbeitsteilung und Hierarchie, und „Ablauforganisation“, also Regelgebundenheit, Aktenmäßigkeit und Schriftlichkeit, zusammengefasst werden, wobei beide Organisationsmerkmale voneinander abhängen

-Die deutsche Verwaltung ist durch eine starke Arbeitsteilung, Spezialisierung und Differenzierung gekennzeichnet – auf die Vielfalt der deutschen Behördenlandschaft ist bereits verschiedentlich verwiesen worden. Schematisch kann man unterschiedliche Typen von Spezialisierung und Differenzierung danach unterscheiden, ob sie zwischen (interorganisatorisch) oder innerhalb von Organisationen (intraorganisatorisch) stattfindet, und ob es sich um horizontale oder vertikale Differenzierung handelt.




Interorganisatorisch

Intraorganisatorisch

Horizontal

− Ressorts, Ministerien

− Dezernate

− Sonderbehörden

− Abteilungen

− Referate

− Sachgebiete

Vertikal

−Dezentralisierung, Föderalismus

− Nachgeordnete Behörden (Dekonzentration)

−Auslagerungen, Outsourcing

-Hierarchieebenen

-Zur Beschreibung und Analyse der horizontalen Differenzierung von Organisationen oder von organisatorischen Feldern unterscheidet man seit dem grundlegenden Werk von Gulick/Urwick (1937) folgende Organisationsprinzipien:

• nach Objekt (divisional): alle Personen, die für dieselbe öffentliche Aufgabe arbeiten, werden in einer Einheit zusammengefasst (Beispiel: Umwelt, Denkmalschutz);

-• nach Verrichtung (funktional): alle Personen einer Berufsgruppe bzw. alle, die mit denselben Kenntnissen und Techniken arbeiten (Planungsabteilung, Haushalt, Bibliothek, Forschung, Labore);

• nach Klientel (klientelistisch): alle die mit denselben Personen- oder Sachgruppen arbeiten (Frauenministerium, Jugendamt);

• nach Bezirk (regional): alle in einem abgegrenzten Bezirk (Bezirksamt, Quartiersmanagement, Bezirksregierung).

—>In der Realität findet man eine Kombination der verschiedenen Prinzipien, die naturgemäß zu Koordinationsproblemen führt und immer wieder hinterfragt wird und werden muss.


-Im Rahmen der vertikalen Differenzierung ist insbesondere das Prinzip der hierarchischen Linienorganisation für bürokratische Organisationen von entscheidender Bedeutung. Im klassischen Einliniensystem ist jede Organisationseinheit genau einer anderen unterstellt. In dieser klassischen Autoritätshierarchie gibt es also feste, eindeutige Strukturen für Kommunikation, Weisungen und Kontrolle. Verantwortlichkeiten sind klar verteilt, und damit auch Zuständigkeiten

-Für die vertikale Differenzierung und Organisation sind zwei weitere Prinzipien von großer Bedeutung, nämlich Leitungsspanne und Leitungstiefe.

-Die Leitungsspanne, auch Kontrollspanne genannt (engl. span of control) gibt an, wie viele Einheiten oder Personen einer übergeordneten Einheit (oder einem Vorgesetzten) unmittelbar, also auf der direkt folgenden Leitungsebene, unterstellt sind.

-Die Leitungstiefe gibt dann die Anzahl der Leitungs- oder Organisationsebenen an, aus denen eine Organisation besteht.

—>Offensichtlich hängen beide Konzepte eng zusammen: je größer die Leitungs- oder Kontrollspanne, desto geringer die Leitungstiefe, also desto flacher die Organisation (bei einem festen Bestand von Personal).


Ablauforganisation von Bürokratien

-Aber nicht nur die Aufbauorganisation ist in einer Bürokratie schriftlich fixiert, sondern auch die Ablauforganisation, also die Prozesse, nach denen innerhalb der Organisation gearbeitet werden soll.

-Eine Bürokratie zeichnet sich aus durch ein System von genau definierten Verfahrensweisen für die Erfüllung von Aufgaben. Bürokratisches und damit Verwaltungshandeln ist also stark regelgebunden und standardisiert. Die Verwaltung handelt, im Prinzip, nur aufgrund schriftlich fixierter (und damit transparenter, überprüfbarer) Regeln, und sie dokumentiert ihre Aktivitäten schriftlich (Aktenmäßigkeit).

-Beide Prinzipien, Regelgebundenheit und Aktenmäßigkeit, haben erhebliche Vorteile. Zusammen mit Hierarchie und Spezialisierung verhindern sie, so zumindest die theoretische Annahme, Willkür und Inkompetenz und ermöglichen erst rechtsstaatliche und demokratische Führung und Kontrolle der Verwaltung.

—>Sie sind die Garanten von Fachlichkeit, Berechenbarkeit und Unpersönlichkeit, d.h. der Behandlung „ohne Ansehen der Person“, „sine ira et studio“.

-Aus diesem Grund regeln Geschäftsordnungen oft bis ins kleinste Detail, wie Prozesse innerhalb der Bürokratie ablaufen sollen,

  • also von der Behandlung der Eingänge (Wer sieht welche Eingänge? Wer entscheidet über die Verteilung? Wie werden Aktenzeichen vergeben?),

  • die Bearbeitung von Vorgängen (Wer ist zeichnungsberechtigt? Wie müssen andere Einheiten beteiligt werden? Welche Form soll ein Vermerk haben?)

  • bis hin zu Fragen bei der Abwicklung „besonderer Dienstgeschäfte“ (Kontakte mit Klienten oder Interessengruppen, Dienstreisen und Dienstgänge) und der Dienst- oder Hausordnung.

-in klassischen Geschäftsordnungen wird u.a. geregelt, wer mit welcher Farbe Vermerke abzeichnen darf (Leitungsebene mit grün, Staatssekretäre mit rot, Abteilungsleiter mit violett etc.), welche Zeichen auf einem Schreiben was bedeuten sollen, welche Vorgänge „vor Abgang z.Kts.“ gegeben werden müssen usw. Der Sinn dieser Vorschriften ist, dass im Nachhinein auf jeder Akte erkennbar sein muss, wer sie gesehen und daher „abgezeichnet“ hat bzw. wer welche „Verfügungen“ auf die Akte geschrieben hat – alles im Interesse der Berechenbarkeit und Nachprüfbarkeit.

-In einer klassischen Bürokratie müssen Probleme a.d.D., „auf dem Dienstweg“, gelöst werden, d.h. Eingänge werden in der untersten Ebene bearbeitet und laufen dann die Hierarchieleiter hoch, bis sie vom jeweils zuständigen „Letztentscheider“, ggf. dem Minister oder Bürgermeister, entschieden und unterzeichnet werden. Der Dienstweg ist die getreue Abbildung der innerbehördlichen Verantwortung

-Eine bürokratische Organisation ist also keineswegs konfliktfrei, ganz im Gegenteil.

—>Größere Spezialisierung bedeutet gleichzeitig fachliche Vertiefung und Verengung, sog. „selektive Problemperzeption“ oder auch „tunnel view“ und im Extrem Fachidiotentum.

—>Inner- und interorganisatorische Konflikte sind daher keine zu überwindende Schwäche, kein Mangel von Verwaltungen, sondern sind gewollt und notwendig. Sie sind, wenn man so will, der eigentliche Sinn von Organisationen.

—> je spezialisierter die Verwaltung, desto mehr Konflikte und desto mehr Bedarf an Koordination. Ein zentrales Problem für bürokratische Organisationen ist daher die Koordination unterschiedlicher Interessen und die Lösung der zwischen ihnen auftretenden Konflikte

Koordinationsprobleme


-Als wicked problems bezeichnet:

Sie zeichnen sich ganz allgemein durch besondere Komplexität, Unsicherheit und Ambiguität aus:

• sie sind komplex, weil sie viele gesellschaftliche Akteure, Sektoren und Ebenen (und damit viele unterschiedliche Verwaltungen) und auch unterschiedliche Zeithorizonte betreffen (multi-actor, -sector, -level and -temporal);

• sie sind unsicher, weil Wirkungsketten und Interdependenzen lang und wenig oder gar nicht bekannt, Effekte daher kaum vorhersehbar und Wissensbestände kontrovers sind (contested knowledge);

• und sie sind mehrdeutig (ambiguos), weil sie widersprüchliche Werte, Weltanschauungen und Bewertungskriterien umfassen und daher keine gemeinsamen normativen Standards vorhanden sind.


-Die Koordinationsprobleme moderner Gesellschaften und politisch-administrativer Systeme werden international seit Jahren diskutiert, Schlagworte sind joined-up government oder whole of government, Grundlegende Konzepte, wie Koordination durch Weisung (Hierarchie), Verhandlung (Netzwerke), Solidarität (Gemeinschaften) oder Tausch (Märkte) sind bekannt, aber es gibt keine übergreifende und allgemeine Theorie der Koordination


-Ein besonderer Koordinierungsbedarf entsteht zudem durch die starke Verwaltungsverflechtung, die strukturell im deutschen Verwaltungsföderalismus verankert ist

- Dann wenn Zuständigkeiten zu stark zwischen verschiedenen Ebenen verteilt sind, können Doppelarbeiten, Koordinierungsprobleme und eine fehlende Verantwortung für den Gesamtprozess auftreten.

-Insbesondere der Bereich der Migrations- und Integrationspolitik ist in jüngster Zeit als Beispiel für eine solche besondere Verwaltungsverflechtung identifiziert worden. In diesem Politikfeld werden die Aufgaben vertikal auf allen drei Verwaltungsebenen bearbeitet, sind horizontal durch den Querschnittscharakter geprägt, so dass eine policy-übergreifende Abstimmung nötig ist, und es besteht ein formal institutionalisierter Zwang zur Kooperation im Mehrebenensystem (hoher Formalisierungsgrad der Verwaltungsverflechtung)


-Möglichkeiten diese Koordinationsprobleme zu vermindern liegen

• in der Entflechtung (z.B. durch Verlagerung des Verwaltungsvollzugs der Integrationskurse und der berufsbezogenen Sprachförderung vom BAMF auf die Länder oder im Bereich der Digitalisierung durch stärkere Standardisierung und Zentralisierung),

• in der Optimierung von Verflechtungsstrukturen (z.B. Verbesserung des Datenaustausches zwischen Bund, Ländern und Kommunen durch mehr Standardisierung, Registermodernisierung und Überprüfung von Datenschutzregeln; stärkere Absprachen bei Fördermaßnahmen durch die Fachministerien, Aufbau Ministerien übergreifender Förderportale) oder

• in der Bündelung (z.B. Reform der unterschiedlichen Sozialleistungen wie SGB II, BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe, Wohngeld, Pflegegeld in Richtung weniger Schnittstellen und Vorrangprüfungen, Vermeidung des Rechtskreiswechsels von Leistungen des AsylbLG / SGB III zum SGB II durch Abschaffung des AsylbLG und Öffnung des SGB II generell für Asylbewerber; prozessorientierte Bündelung von Verwaltungstätigkeiten durch Aufbau integrierter Verwaltungseinheiten für Migration und Integration sowohl auf der Ebene der Ministerien, der Bezirksregierungen als auch der Kommunen).


Bürokratische Koordinationsmechanismen


-Federführung bedeutet, dass für jede Aufgabe eine und nur eine Organisationseinheit verantwortlich ist. Doppelzuständigkeiten darf es, so zumindest die Theorie, nicht geben. Jeweils eine Einheit ist dafür zuständig, dass die Aufgabe bewältigt wird, sie hat aber gleichzeitig dafür zu sorgen, dass andere Stellen, die daran ein Interesse haben oder von Entscheidungen betroffen sind, beteiligt werden. Dies geschieht zunächst im Rahmen der

-Mitzeichnung, d.h. Vorschläge, Verfügungen, Anordnungen, Pläne der Verwaltung müssen anderen, beteiligten Stellen zugeleitet werden und dürfen erst entschieden werden, wenn diese, eben durch ein schriftliches Kürzel, bestätigt haben, dass sie den Vorgang gesehen haben und damit einverstanden sind. Auch hier ist die Rationalität wiederum die Nachvollziehbarkeit der Verantwortlichkeit: Die Straßenbaubehörde soll nicht behaupten können, dass sie von der geplanten Kabelverlegung oder dem geplanten Naturschutzgebiet nichts gewusst habe. Umgekehrt wird die federführende Einheit gezwungen, andere zu beteiligen. Bei größeren Planungsvorhaben, bei denen interorganisatorische Abstimmungen notwendig sind, ist so gesetzlich vorgeschrieben, dass alle möglichen „Träger öffentlicher Belange“ zu beteiligen sind, Die Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit liegt dagegen nicht auf der Ebene der innerbürokratischen Verfahren und Prozesse, um die es hier geht. Selbstverständlich können die umfassenden intra- oder auch inter-organisatorischen Konflikte nicht immer durch einfache schriftliche Mitzeichnung gelöst werden. Das nächste klassische bürokratische Koordinationsinstrument ist daher die


-Besprechung, in der die beteiligten Organisationen oder Organisationseinheiten versuchen, ihre unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen miteinander zu vereinbaren. Wie bei den anderen Instrumenten auch, geht es immer gleichzeitig um Informationsbeschaffung und - verarbeitung und um Konfliktlösung und Konsensbildung. Jeder kennt wiederum die klassische und frustrierende Antwort, wenn bürokratische Akteure mal wieder nicht erreichbar sind: „Die Damen und Herren befinden sich gerade in einer Besprechung“. Abgesehen von der Frage, ob alle Besprechungen in Umfang, Dauer und Beteiligung notwendig sind, ist doch offenkundig, dass sie ein klassisches und unverzichtbares bürokratisches Instrument sind, auch in Zeiten von Videokonferenzen und E-Mail. Wenn die Zahl der beteiligten oder interessierten Akteure zu umfangreich wird, gibt es schließlich die Möglichkeit der


-Anhörung, bei der nicht nur „formal“ Mitzeichnungsberechtigte an der Entscheidungsfindung beteiligt werden, sondern der Kreis anzuhörender Akteure und Interessen noch weiter ausgeweitet wird, in der Regel auch in die Richtung externer, also nicht- oder halb-öffentlicher Akteure (Kammern, Interessenverbände, Firmen, Bürgerinitiativen etc.).

Positive und negative Koordination


Negative Koordination

-bezeichnet die normale Praxis: Die Initiative zur Problemverarbeitung geht von einer spezialisierten Einheit aus und ist dieser zugeordnet, und diese ist vorrangig auf das eigene Problem fixiert, ansonsten interessiert nur, inwieweit andere Bereiche negativ durch vorgesehene Lösungen und Maßnahmen betroffen sind.

-Um die eigene Problemlösungsfähigkeit nicht zu früh einzuschränken, werden andere Bereiche und Interessen daher so spät wie möglich einbezogen, damit sie die eigene Problemlösung nicht stören, typischerweise mit dem Instrument der Mitzeichnung.

-Es wird also abgeklärt, inwieweit andere Einheiten mit einer Lösung „nicht leben“ können, und nicht, inwieweit sie ggf. selbst etwas zur Lösung des Problems beitragen könnten


Positive Koordination

-will genau dies erreichen: Auf der Grundlage einer Analyse des gesamten interdependenten Problemzusammenhangs sollen Maßnahmen aus unterschiedlichen Bereichen ausgewählt werden, die einander unterstützen und gemeinsam zur Problemlösung beitragen. Dies bedeutet aber, dass in allen voneinander abhängigen Entscheidungsbereichen alle infrage kommenden Entscheidungsalternativen gemeinsam und gleichzeitig zur Disposition gestellt werden müssen.


-Dass reale Verwaltungen in aller Regel negative Koordination vorziehen ist allerdings nicht einfach auf deren Unfähigkeit, Bequemlichkeit oder das Vorherrschen von Fachidioten zurückzuführen, sondern kann mit den entstehenden „Koordinationskosten“ erklärt werden

-Dazu benutzt Scharpf ein ganz einfaches Zahlenbeispiel: Insgesamt gib es drei Entscheidungsbereiche (z.B. Referate oder Ämter, n=3) und eines der Ämter muss zwei Handlungsalternativen mit den anderen beiden abklären (a=2). Hier sind also vier gegenseitige Abhängigkeiten oder Relationen zu prüfen. Wenn im gleichen Beispiel jede Einheit zwei Alternativen präsentiert hätte, deren gegenseitige Abhängigkeiten zu prüfen wären, wären dies schon 24 Relationen oder Koordinationsschritte

-Negative Koordination: Rn= (n-1) *a

-Positive Koordination: Rn= n *(n-1)* a²


—> Wenn wir es statt nur mit drei mit fünf Einheiten (n=5) zu tun hätten, die jeweils drei Alternativen ins Gespräch bringen (a=3), steigt der Koordinationsbedarf im Rahmen der negativen Koordination auf immerhin zwölf zu prüfende Möglichkeiten, nämlich (5-1)*3 = 12. Bei positiver Koordination wären dies aber bereits 5*(5-1) *9 = 180 Alternativen.

—>Schon diese rein schematische Betrachtung verdeutlicht, warum Organisationseinheiten, wann immer es möglich ist, den Mechanismus der negativen Koordination wählen werden: der normativ vorzuziehende Weg der positiven Koordination führt sehr schnell zu einer Überlastung der Informations- und Konfliktverarbeitungskapazitäten von Organisationen


-Auch positive und negative Koordination sind offenkundig „Idealtypen“, die in der Realität in reiner Form kaum vorkommen. Allerdings haben empirische Untersuchungen immer wieder gezeigt, dass das alltägliche Geschäft bürokratischer Organisationen, und damit auch der deutschen Verwaltung, immer noch durch die Merkmale negativer Koordination gekennzeichnet ist

Bürokratiekritik und -abbau


-Dabei werden sehr unterschiedliche Phänomene kritisiert, z.B.

• bürokratische Sprache: gestelzte, unverständliche bis absurde Vorschriften, Formulare und Bescheide; • bürokratisches Verhalten: Unpersönlichkeit, Unfreundlichkeit, langsame und schwerfällige Bearbeitung, Verantwortungsscheu, Kontrollfixierung;

• bürokratische Persönlichkeit: Rigidität, Dogmatismus, Risikovermeidung, Zielverschiebung (Mittel wird zum Zweck);

• bürokratische Vorschriften: Verrechtlichung und Überregelung, für die Betroffenen nicht einsehbare und nachvollziehbare Regelungen, die Eigeninitiative einengen, Kosten verursachen und Aktivitäten verzögern;

• bürokratische Geschäftsprozesse und Organisationsstrukturen: Zuständigkeitswirrwarr, negative Auswirkungen der selektiven Problemwahrnehmung, Überbetonung formaler Richtigkeit gegenüber Effizienz und Effektivität;

• bürokratische Verselbstständigung: unkontrollierte Machtausübung, fehlende politische Loyalität, Klientelismus usw.


-Dabei kann man mindestens vier Dimensionen der Bürokratiekritik unterscheiden:

• die Aufgabenebene (Umfang der vom Staat bzw. von der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen Aufgaben),

• die Regulierungsebene (Anzahl und Dichte der Regulierungen bzw. der darin festgelegten materiellen Standards, Qualität der Regulierungen)

• die Organisationsebene (Anzahl staatlicher Behörden, horizontale und vertikale Koordination, Merkmale der Ablauforganisation und des Personals etc.) und

• die politische Ebene (Verselbständigung der Bürokratie, politische Steuerung der Verwaltung)


-Hierunter fällt z.B. die Kritik

• am Wachstum und Umfang neuer staatlicher Aufgaben – also etwa Gleichstellungs-, Klima- oder Sozialpolitik – allerdings hat das vorrangig etwas mit politischen Schwerpunkten zu tun, und weniger mit Bürokratie;

• an der wachsenden Staatsquote, (Bürokratisierung als Finanzproblem);

• am Wachstum der öffentlichen Verwaltung (Bürokratisierung als Personalproblem).


—> Hinsichtlich des Personalumfangs des öffentlichen Dienstes (öffentlich Beschäftigte) gibt es keine Anzeichen dafür, dass es in Deutschland einen im internationalen Vergleich „aufgeblähten öffentlichen Dienst“ gibt, Nach der Wachstumsphase in den siebziger Jahren ist vor allem seit den neunziger Jahren ein anhaltender Verschlankungsprozess zu beobachten, so dass der öffentliche Dienst in Deutschland im internationalen Vergleich eher unterdurchschnittlich groß ist

—> Bezüglich der „Bürokratisierung als Finanzproblem“ zeigt sich in Deutschland, dass staatliche Ausgaben und Einnahmen (Staats- und Abgabenquote) europaweit im durchschnittlichen bis unterdurchschnittlichen Bereich liegen. Die Ausgaben des deutschen Staates gemessen am BIP, also die sogenannte Staatsquote, lag z.B. 2017 mit 44% unter dem EU-27 Schnitt von 46%


-Theorie des Parkinson Gesetzes:

Aufgrund der Merkmale bürokratischer Organisationen, insbesondere der asymmetrischen Informationsverteilung und der beschränkten Kontrollkapazität der Vorgesetzten und der Politik, nutzen die Mitglieder der Bürokratie ihre Handlungsspielräume für ihre eigenen Interessen. Dies führt u.a. zu einem Überangebot öffentlicher Güter und Dienstleistungen und zu überhöhten Kosten.

-Bürokraten agieren als „Budgetmaximierer“, indem sie aus eigennützigen Gründen versuchen, die Anzahl der ihnen unterstellten Mitarbeiter oder das von ihnen kontrollierte Budget zu maximieren. Wenn, wie es früher z.B. in der bürokratisierten Reichs- oder Bundesbahn üblich war, die Besoldung von Stationsvorstehern von der Anzahl ihrer Untergebenen abhängig ist, werden diese versuchen, deren Anzahl zu erhöhen.

-Mit anderen Worten wachsen Bürokratien nach dieser Erklärung nicht vorrangig aufgrund externer Anforderungen, sondern aufgrund ihrer internen Strukturen. Die erste Formulierung dieses „Gesetzes vom Wachstum der Bürokratie“ stammt von dem englischen Wissenschaftler und Satiriker C. Northcote Parkinson und wurde als Parkinsons Gesetz bekannt


-Ein weiterer Schwerpunkt der modernen Bürokratiekritik ist die Kritik staatlicher Regulierung gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft. Hier geht es zum einen um die Reduzierung von Regeln und Vorschriften, um De-Regulierung. Dies ist die Kritik an der Gesetzes- und Verordnungsflut, an den „überflüssigen“ oder „unnützen“ Gesetzen und Vorschriften. Diese Diskussion wird in Deutschland seit den siebziger Jahren unter den Stichworten der Überregelung, Normenflut oder Verrechtlichung geführt

-im Kern geht es hier zum einen um den quantitativen Umfang der regulativen Aktivitäten des Staates, womit sämtliche rechtliche Regelungen aller möglichen staatlichen Steuerungsaktivitäten gemeint sind, unabhängig von den dabei zur Anwendung kommenden Instrumenten, also etwa Ge- und Verbote, aber auch finanzielle Anreizprogramme, Besteuerung oder Information. Davon zu unterscheiden, aber oft in einem Atemzug genannt, ist die materielle Regelungsebene. Gemeint sind damit die materiellen Standards etwa im Umwelt-, Arbeits- oder Verbraucherschutz. Hier geht es um den Umfang des Kündigungsschutzes, die inhaltlichen Kriterien im Immissionsschutz, Qualitätskriterien für Nahrungsmittel oder sogar um das Recht, bei staatlichen Planungen beteiligt zu werden und sich zu wehren


-Davon zu unterscheiden ist zum anderen die Kritik der Ausgestaltung von Regulierungen, im Sinne von (ausführlich Mayntz 1980b)

• Umfang, • Dichte, • Genauigkeit, • Kosten, • Effektivität und • Problemlösungsfähigkeit von staatlichen Regelungen.

-Hier wird im Kern angenommen, dass das gleiche Niveau der Zielerreichung staatlicher Vorschriften (z.B. Einhaltung bestimmter Sicherheitsstandards) mit geringeren administrativen Lasten, d.h. Kosten für die Betroffenen (und die Verwaltung), zu erreichen ist. Das aktuelle Schlagwort ist hier nicht De-Regulierung, sondern „better regulation“, und der zentrale Ansatzpunkt sind Informations- und Erfüllungsaufwand, die sich aus rechtlichen Regelungen ergeben, also etwa welche Daten gegenüber staatlichen Stellen wie oft in welchem Detaillierungsgrad nachgewiesen werden müssen


Vor- und Nachteile bürokratischer Organisation



Organisationsmerkmale

Funktion


Dysfunktion



Für den Staat

Für den Bürger

Für den Staat

Für den Bürger

Arbeitsteilung

Spezialisierung, Kompetenzgarantie

Zuständigkeitsgarantie

Selektive Perzeption/ Negativkoordination

Zuständigkeitslabyrint

Regelbindung

Steuerungsentlastung

Berechenbarkeit

Kontrollüberlastung

Verrechtlichung der Lebenswelt, Verfahrenskomplexität

Hierarchie

Steuerung von Kontrolle

Verantwortlichkeit

Motivationsverlust, Konfliktverdichtung

Einschränkung dezentraler Flexibilität

Professionalität

Fachkompetenz

Fachkompetenz

Betriebsblindheit

“Expertokratie”

-Die strikte bürokratische Arbeitsteilung hat für den Staat den Vorteil der dauerhaften spezialisierten und kompetenten Aufgabenwahrnehmung, für den Bürger wird so die verlässliche Zuständigkeit einer bestimmten Einheit garantiert. Allerdings ist diese Arbeitsteilung auch verantwortlich für die beschriebenen Phänomene der selektiven Problemperzeption und die damit verbundene vorherrschende negative Koordination, während sie sich für den Bürger oft als undurchschaubares Zuständigkeitslabyrinth darstellt.


-Die klassische Regelbindung ermöglicht auf der Seite des Staates erst die kontinuierliche und verlässliche Steuerung der Verwaltung, für den Bürger ist sie die Garantie der Berechenbarkeit und möglichen Kontrolle des Verwaltungshandelns. Umgekehrt führt sie auch intern zu Verrechtlichung und Überregelung bis hin zu einer „pragmatischen Vorschriftenreduktion im Vollzug“ (Frido Wagener), bei der sich die Verwaltung aus der Überfülle relevanter Vorschriften diejenigen heraussuchen kann, die gerade „passen“, Für den Bürger ist die Regelbindung Ursprung bürokratischer Komplexität, Distanz und Abgehobenheit – bis hin zu den Verhaltensweisen der „bürokratischen Persönlichkeit“ (Rigidität, Zielverschiebung etc.), die letztendlich zu einer Verrechtlichung aller möglichen Lebensbereiche führt und die „Herrschaft der Bürokratie“ stabilisiert


-Hierarchie ist für den Staat eine weitere notwendige Bedingung der Steuerung von Verwaltungseinheiten, und für den Bürger garantiert sie klare Verantwortlichkeitsketten und Einspruchsmöglichkeiten. Innerhalb der Bürokratie kann sie allerdings auf der einen Seite bei den Beschäftigten zu Motivationsverlusten, Verantwortungsscheu und Risikovermeidung führen, andererseits zu Informations- und Konfliktüberlastung bei den Vorgesetzten. Zusammen mit Regelbindung liegen hier einige der Ursachen für langsame, schleppende Bearbeitung und mangelhafte flexible Berücksichtigung spezifischer Bürgerinteressen („Bürgerferne“)


-Professionalität des Personals garantiert für den Staat wie für die Bürger die notwendige Fachkompetenz bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben, aber die Kehrseite ist hier auf der Seite des Staates die Überbetonung bis hin zur Verabsolutierung professioneller Interessen, für die Bürger Überheblichkeit und professionelle Besserwisserei (die Bürger wissen nicht, was gut für sie ist)


—-> Hinsichtlich der Bürokratieproblematik im Sinne allgemeiner „bürokratischer Organisation und Verfahren“ (also Kundenzufriedenheit, Schnelligkeit, Qualität etc.) zeigen vorliegende Untersuchungen, ungeachtet der problematischen Umsetzung der Reformen des Neuen Steuerungsmodells eine Verbesserung der Kunden- und Bürgerorientierung vor allem auf der intraorganisatorischen Ebene, d.h. auf der Ebene der einzelnen Behörden und Ämter. Die Kritik der Bürgerinnen und Bürger ist hier, wie erwähnt, uneindeutig und widersprüchlich, sie richtet sich sowohl gegen Phänomene der „Überbürokratisierung“ (Überregelung, Anonymität, Inflexibilität), wie auch der „Unterbürokratisierung“ (Willkür, Korruption)

Von Entbürokratisierung zur Renaissance der Bürokratie


Entbürokratisierung

-Ent-Bürokratisierung im Sinne von Vorschriftenreduzierung und Rechtsvereinfachung hat in Deutschland eine lange Tradition. Zu erinnern ist an eine große Entbürokratisierungswelle Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre sowohl in den Bundesländern als auch etwas später auf Bundesebene („Waffenschmidt-Kommission“), in der es um Verwaltungsvereinfachung, Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und Anfang der neunziger Jahre um Erleichterung von Gewerbeansiedlung in den neuen Bundesländern ging

-Vor allem ist es aber auch eine gefährliche technokratische Illusion, dass sich Bürokratie durch die richtigen wissenschaftlichen Methoden, also etwa ‚regulatory impact analysis‘ (RIA) einfach und konfliktfrei (also ‚unpolitisch‘) reduzieren lässt: „Entbürokratisierung ist immer auch eine politische Frage und hängt somit von den Akteurs- und Interessenkonstellationen ab. Entbürokratisierung ist (wie Bessere Rechtsetzung) Querschnittspolitik und als solche vor allem dann wirkungsvoll durchzusetzen, wenn politische oder administrative Unterstützung gegenüber den im Zweifelsfall mächtigeren Sektor-/Ressortpolitiken mobilisiert werden kann“

- Dies gelingt nur durch die institutionelle und organisatorische Stärkung dieser generellen Anliegen und ihre Verankerung in den normalen bürokratischen Entscheidungs- und Koordinationsprozessen, wie dies in Deutschland durch die Etablierung des Normenkontrollrates durchaus in Ansätzen gelungen ist.


Renaissance der Bürokratie

-Trotz der vielfältigen und wie gezeigt seit langer Zeit etablierten Bürokratiekritik und den kontinuierlichen Forderungen nach Bürokratieabbau, ist es in der Verwaltungswissenschaft weitgehend Konsens, dass bürokratische Organisationen unverzichtbar sind, und es gibt sogar Stimmen, die eine Renaissance der Bürokratie sowohl empirisch konstatieren wie auch normativ fordern.

-Weltweit beobachten wir eine rule explosion, die mit dem Schlagwort freer markets, more rules beschrieben wird . Insbesondere die Entwicklung der EU gilt als Hinwendung zu einem regulatory state, und die Ablösung klassischen Vertrauens in Bürokraten, Sozialarbeiter oder im Gesundheitsbereich, hat im Rahmen von NPM-Reformen gerade nicht zu weniger Regeln und weniger Kontrolle geführt, sondern zu einer audit explosion, und zum sog. auditory state, Regulierung und ihre Umsetzung ist daher seit einiger Zeit ein Schwerpunkt moderner sozialwissenschaftlicher Forschung über den Staat

-Normativ, so die Argumentation, unterstützen und stärken bürokratisch strukturierte Organisationen wichtige Werte, Prinzipien und Ziele, also Vorstellungen von richtigem und angemessenem Verhalten, z.B. in Bezug auf Gleichbehandlung, Fairness, Verantwortlichkeit und Berechenbarkeit.

-Bürokratien sind daher Ausdruck und Verstärker kultureller Werte, z.B. prozeduraler Rationalität und Verlässlichkeit, Rechtsstaatlichkeit und professioneller Standards. Identitäten, Werte und Normen von Akteuren sind aus dieser Sicht nicht Voraussetzung, sondern Ergebnis von institutionellen Arrangements. Im Prinzip werden Individuen also durch die Institutionen, in denen sie agieren, zu egoistischen und opportunistischen Nutzenmaximierern, zu kooperierenden, tauschorientierten Netzwerkern oder zu regelorientierten, neutralen und integren Amtsinhabern, eben Bürokraten.

-Olsen argumentiert weiter, dass Bürokraten daher nicht in erster Linie Diener und Hüter der Herrschenden sind, sondern vor allem gesetzlicher und professioneller Regeln und der verfassungsmäßigen Ordnung.

-In Bürokratien gibt es daher mindestens drei konkurrierende Prinzipien mit unterschiedlichen Aufpassern und gate-keepern, nämlich Hierarchie (Politiker), Regeln (Gerichte) und Expertise (Professionen). Bürokratien zeichnen sich dadurch aus, dass sie in der Lage sind, zwischen diesen konkurrierenden Prinzipien zu vermitteln

Planung


-In der Phase des Agenda Settings, der Problemdefinition und der Politikformulierung geht es im Prinzip um Entscheidungen über zukünftige Aktivitäten: Welche Probleme sollen durch welche Maßnahmen, Instrumente und Programme zukünftig wie bearbeitet werden? Dies ist das klassische Problem der Planung

-Planung hat umgangssprachlich und auch wissenschaftlich verschiedene Bedeutungen, aber im Kern geht es jeweils um einen Entwurf, der den Weg zu einem Ziel ebnet (nach lateinisch PLANUM ‚eben‘). Kern ist also die Sicherung vor ungewissen Zukünften durch eine rationale, d.h. Zweck- Mittelorientierte Zukunftsorientierung. Es geht um „vorausschauendes Setzen von Zielen und gedankliches Vorwegnehmen der ihrer Verwirklichung erforderlichen Verhaltensweisen“, oder in der Diktion von Luhmann um „Entscheidungen über künftige Entscheidungen“. Nach einer anderen klassischen Definition von Frido Wagener ist Planung der Übergang vom Zufall zum Irrtum. Tatsächlich gehört Planung zum Standardrepertoire der öffentlichen Verwaltung in Deutschland.


-In einer groben Systematisierung kann man drei verbreitete öffentliche Planungsarten unterscheiden: • In der Raumplanung geht es um Festlegungen der zukünftigen Nutzung des knappen Gutes „Raum“, also von Flächen oder Grundstücken, z.B. durch kommunale Bauleitplanung und Flächennutzungsplanung, aber auch durch regionale Raumordnungspläne oder etwa durch die Festlegung von Naturschutzgebieten.

• Bei der Finanzplanung geht es um Festlegungen, für welche öffentlichen Aktivitäten wann wie viel Geld bereitgestellt werden soll und kann. Das zentrale Instrument ist hier das jährliche Budget (auf allen Ebenen der Verwaltung und nicht zuletzt für jede einzelne öffentliche Organisation), aber es gibt zumindest auch Versuche längerfristiger Finanzplanungen, etwa „mifrifi“ (mittelfristige Finanzplanung).

• Daneben gibt es in fast allen Sektoren und Ressorts der Verwaltung Fachplanungen, also etwa Hochschulentwicklungspläne, Krankenhausbedarfspläne, Seniorenpläne, Frauenförderpläne.


-Eine zweite Systematisierung unterscheidet Planungsarten nach dem Grad ihrer Verbindlichkeit, also

• Aufgabenplanung, in der allgemeine Aufgaben einer Organisation oder eines Politikfeldes definiert werden (etwa das Regierungsprogramm zu Beginn einer Legislaturperiode);

• Programmplanung, bei der bestimmte umfangreiche staatliche Vorhaben festgelegt werden (etwa im Bundesverkehrswegeplan);

• Projektplanung, in der die Durchführung spezifischer Projekte programmiert wird (etwa die Trassierung einer Autobahn oder der Ausbau bestimmter Forschungsschwerpunkte), und schließlich

• Maßnahmenplanung, bei der eine einzelne Maßnahme im Detail „durchgeplant“ wird (etwa der Bau einer einzelnen Brücke oder die Festlegung eines bestimmten Schutzgebietes).

Im Prinzip kann man öffentliche Planungen also nach dem Grad der Konkretisierung von materiellen (Zielen), zeitlichen, räumlichen und finanziellen Festlegungen unterscheiden. Für die Verwaltungsforschung ist in diesem Zusammenhang relevant, wie diese Pläne und Entscheidungen zu Stande kommen und durch welche verwaltungsinternen und -externen Strukturen und Prozesse sie beeinflusst werden

Inkrementalismus


-Genau dies ist auch der Ausgangspunkt der Lehre vom Inkrementalismus oder vom „Sich-Durchwursteln“ (the science of muddling through), wie sie sich selbstironisch bezeichnet.

-Sie möchte in erster Linie realistisch beschreiben und erklären, wie politisch-administrative Systeme handeln und entscheiden, dabei wird zwischen den beiden Elementen Regierung und Verwaltung nicht weiter differenziert.

-Untersuchungsgegenstand ist die „Administration“. Politik ist nach dieser Auffassung ein kontinuierlicher Prozess der Problemlösung. Diese Aufgabe muss von der jeweiligen Administration erfüllt werden. Zentrale Fragestellung ist daher: Wie werden politische Entscheidungen getroffen und wie sollten sie sinnvollerweise getroffen werden?

-Charles E. Lindblom, der bekannteste Vertreter und „Erfinder“ der Lehre vom „Sich-Durchwursteln“ behauptet, dass Administrationen nicht, wie im rationalen Modell unterstellt, zunächst Ziele und Zwecke des politischen Handelns genau ermitteln und festlegen, dann sämtliche Strategien (Mittel) zur Erreichung dieser Ziele erarbeiten und schließlich die für das gesetzte Ziel beste oder geeignetste Strategie auswählen (Zweck-Mittel-Abwägung).

-Eine umfassende, „rationale“ Planung in diesem Sinne ist nicht nur unmöglich; es ist auch verfehlt, dieses Modell nur anzustreben. Stattdessen ist für administratives Handeln eine Strategie der unkoordinierten kleinen Schritte (disjointed incrementalism) bei der Entscheidungsfindung rational und sinnvoll

-Der Begriff der inkrementalen Politik, der sich auch im Deutschen durchgesetzt hat, bedeutet dabei nach Lindblom:

• Politische oder administrative Entscheidungen orientieren sich normalerweise am Status quo und streben nur jeweils kleine Verbesserungen an (marginale Veränderungen).

• Dadurch wird eine schrittweise Problemlösung (sequenzielle Problemverarbeitung) erreicht. Probleme sollen und können nicht endgültig „gelöst“ werden, sondern es wird nach einem angemessenen Fortschritt in einer vermutlich erfolgversprechenden Richtung gesucht.

• Dabei werden nicht adäquate Mittel für feststehende Zwecke gesucht, sondern die Zwecke werden umgekehrt an vorhandene Mittel angepasst. Die wichtigsten Impulse für politische Entscheidungen ergeben sich nicht aus übergeordneten Zielen, sondern aus aktuellen Missständen und vorhandenen Mitteln.


-Inkrementale Politik ist weiterhin dadurch charakterisiert, dass sie „disjointed“, d.h. unkoordiniert abläuft. Dies bedeutet:

• Problemlösung wird nicht von irgendwelchen Zentren hierarchisch kontrolliert, sondern findet unkoordiniert, durch eine Vielzahl von Entscheidungseinheiten statt, wie dies für hochgradig arbeitsteilige Organisationen typisch ist;

• dadurch werden Interessen und Informationen von verschiedenen Seiten berücksichtigt;

• die Beiträge dieser verschiedensten Entscheidungsträger werden durch einen Prozess der gegenseitigen Verhandlung und Anpassung (partisan mutual adjustment) zusammengebracht und ausgeglichen, bei dem keine Entscheidungseinheit andere dominieren oder unterdrücken kann (siehe oben negative Koordination).


-Der hier beschriebene Vorgang der politischen Entscheidungsfindung als ein Prozess der permanenten und partiellen Anpassung an veränderte Problemlagen und relevante Interessen ist nach Ansicht Lindbloms das in der politisch-administrativen Realität vorherrschende Verhalten. So wie hier beschrieben, handeln Administrationen wirklich.

-Das klassische Beispiel für inkrementale Entscheidungen ist der jährliche Budgetprozess, wie ihn der amerikanische Politikwissenschaftler Aaron Wildavsky in einer berühmten Studie über den Budgetprozess in den USA beschrieb (1984, zuerst 1964). Auch beim Budget wird nicht jedes Jahr wieder bei politischen Zielen und Handlungsalternativen begonnen, sondern das alte Budget ist Ausgangspunkt der politischen Verhandlungen und wird dann, je nach „partisan mutual adjustment“ marginal fortgeschrieben


-Vorteile:

• Die menschliche Entscheidungsfähigkeit und Möglichkeit, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, wird nicht überfordert: „etwas ‚vernachlässigen‘, heißt etwas ‚überhaupt erst analysierbar machen‘; nach Vollständigkeit zu streben, bedeutet zuweilen, sich ein unbrauchbares Ergebnis einzuhandeln“ (Braybrooke/Lindblom 1972, S. 150).

• Weil das Wissen über die Zukunft prinzipiell unsicher ist, ist die schrittweise Veränderung des Status quo der sicherste Weg, um Risiken zu vermeiden. Da Veränderungen jeweils nur geringfügig sind, können sie nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ (trial and error) vorgenommen werden. Wenn eine Entscheidung sich als falsch erweist, sie z.B. andere als die gewünschten Folgen hat, kann sie leicht wieder revidiert werden

• Die durch inkrementales Vorgehen getroffenen Entscheidungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie weitgehend akzeptiert werden, da sie ja nur geringfügige Änderungen vornehmen

und durch den Prozess der gegenseitigen Anpassung die verschiedensten Interessen berücksichtigen. Daraus folgt aber auch, dass die Politik richtig ist, denn „Einigung auf eine bestimmte Politik ist (...) der einzige brauchbare Test für die Richtigkeit einer Politik“ (Lindblom 1975, S. 168).

• Schließlich entspricht die inkrementale Politik in idealer Weise einer pluralistischen Gesellschaft. Durch die dezentralisierte Entscheidungsfindung wird eine Vielzahl der vorhandenen gesellschaftlichen Interessen berücksichtigt und somit eine gewisse Vollzähligkeit der in der Gesellschaft vorhandenen Werte erreicht. Inkrementalismus ist daher die dem Pluralismus angemessene Form der Entscheidungsfindung. Ähnlich wie im ökonomischen Marktmodell entsteht durch die marginalen und unkoordinierten Entscheidungen der isolierten Entscheidungsträger ein gesellschaftlich optimaler Zustand

Synoptische vs. inkrementale Politik


-Inkrementale Politik bedeutet dabei nicht, dass auf jegliche Analyse oder Planung verzichtet wird. Es geht nur darum, den Stellenwert rationaler Analyse in politisch-administrativen Entscheidungsprozessen realistisch einzuschätzen und einzuordnen. In Anlehnung an Lindblom unterscheidet Wildavsky daher zwei „reine“ Modelle, nämlich „synoptische“ und „inkrementale“ Politik (Wildavsky 1979)

-Die klassische Institution synoptischer Entscheidung ist der Plan, der idealtypisch umfassende Information erfordert, die zentral und hierarchisch erhoben und aggregiert wird. Grundlage „richtiger“ Pläne ist die „richtige“ Erkenntnis und umfassende Analyse. Faktische und normative Irrtümer müssen möglichst vermieden werden, da sie in umfassenden Plänen erhebliche negative Auswirkungen haben. Das Kriterium, ob ein umfassender Plan angenommen werden sollte, ist daher, ob er „richtig“ ist, auf richtiger Erkenntnis basiert.




reines synoptisches Modell

reines inkrementales Modell

Institution

Plan

Markt

Politik

Information

umfassend

begrenzt

Akteure

zentral

hierarchisch

dezentral

unabhängig

Grundlagen

Erkenntnis

Analyse

Verhandlung

Anpassung

Irrtum

Vermeidung

Korrektur

Kriterium

Richtigkeit

Übereinstimmung

-Wildavsky behauptet nun keinesfalls, dass politisch-administrative Entscheidungsprozesse nur und ausschließlich inkremental ablaufen oder ablaufen sollten. Aber er insistiert, dass diese Prozesse immer aus Interaktionen (Verhandlungen, Abstimmungen) und Analysen (Erkenntnis) bestehen und dass politische Interaktionen und Verhandeln nicht durch rationale Analyse und Erkenntnis ersetzt werden können und sollen. Als Ergebnis hält er eine Daumenregeln bereit: Das Verhältnis von 1/3 Analyse (Policy Analyse) und 2/3 Interaktion scheint ihm eine sinnvolle und anzustrebende Mischung bei Entscheidungen über staatliche Policies zu sein.

Garbage Can-Theorie


-In der gleichen Tradition sog. „nicht-rationaler“ Entscheidungstheorien, die allerdings keineswegs behaupten, dass in Politik und Verwaltung irrational entschieden würde, sondern die die Aufmerksamkeit von normativen aber unrealistischen Modellen auf realistische Prozesse und die ihnen innewohnenden Rationalität lenken wollen, steht ein von James March und Johan P. Olsen entwickeltes Modell, das sie durchaus selbstironisch Garbage Can oder auf Deutsch Mülleimer-Modell von Entscheidungen genannt haben


-Besonders interessant sind Situationen, in denen es weder Einigkeit über die Ziele gibt noch darüber, was eigentlich zu tun sei und wirksam sein könnte. Genau dies sind die Probleme, die typischerweise der Politik und damit natürlich auch der Verwaltung zugewiesen werden.

-Über das allgemeine Ziel der Bildungs- und Forschungsförderung besteht noch Einigkeit, aber welche konkreten Ziele dabei vorrangig sind (Förderung der Allgemeinbildung oder der Eliten, Natur- oder Sozialwissenschaften) und wie dies erreicht werden soll (Privatschulen und Privatuniversitäten, Studiengebühren oder mehr staatliches Geld), bleibt kontrovers und unklar.


-Genau hier setzt die Garbage Can Theorie an. Sie behauptet, dass viele nur einigermaßen komplexe Entscheidungsprozesse und Problemlösungen aus vier weitgehend voneinander unabhängigen „Strömungen“ bestehen:

• Lösungen, die nach Problemen suchen, auf die sie angewendet werden könnten (man denke nur an neue Kommunikationstechnologien, Reorganisationsvorschläge, Führungsinformationssysteme u.ä.),

• Teilnehmer, die nach Gelegenheiten suchen, in relevanten Entscheidungsprozessen eine gewichtige Rolle zu spielen,

• Situationen, die es erlauben oder erfordern, Entscheidungen zu treffen oder einen Entscheidungsprozess abzuschließen (z.B. regelmäßige Gelegenheiten wie das jährliche Budget, aber auch unverhoffte Krisen), und schließlich auch

• Probleme, die ganz unabhängig von vorhandenen Lösungen, Aktivisten und Gelegenheiten darauf warten, bearbeitet zu werden.


-Diese vier grundlegenden Entscheidungsströme, so diese Theorie, existieren weitgehend unabhängig voneinander, ihre Interaktionen sind stark situationsabhängig und deshalb nur schwer vorhersehbar. Konkrete Entscheidungsprozesse ähneln daher besagtem Mülleimer, in dem die vier Ströme mehr oder weniger zufällig zusammentreffen. Offensichtlich gibt es verschiedene Mülleimer, und welche Lösungen mit welchen Akteuren wann zusammenkommen, hängt u.a. davon ab, welches Etikett die einzelnen Mülleimer tragen (daher die Bedeutung von Organisationsstrukturen).

-Kingdon (1995) hat diesen Ansatz auf Prozesse der Politikformulierung und des Agenda Setting übertragen und dabei besonders auf die Gelegenheitsstrukturen, die „windows of opportunity“ für innovative und kontroverse Entscheidungen verwiesen. Zudem betont er die Rolle von „policy entrepreneurs“, also Akteuren, die in der Lage sind, solche unklaren Entscheidungssituationen für ihre Interessen auszunutzen. In der wissenschaftlichen Diskussion hat dieser Ansatz inzwischen unter der Überschrift „multiple streams“ Karriere gemacht


-Eine weitere neue Organisationstheorie spricht in diesem Zusammenhang von der „organization of hypocrisy“, von der organisierten Heuchelei, und weist darauf hin, dass „talk, decisions and actions“ in Organisationen allenfalls „lose gekoppelt“ sind,

-Das worüber Organisationen in der Öffentlichkeit reden, entspricht nicht notwendigerweise dem, was sie programmatisch entscheiden, und dies wiederum wird oft auch gar nicht umgesetzt, Um die eigene Informations- und Konfliktlösungskapazität nicht permanent zu überlasten, handeln solche Organisationen, wann immer es geht, auf der Grundlage von Routine, von Standard Operating Procedures, anstelle von gründlicher Analyse, Planung und Prognose. Genau dies ist der tiefere Grund der bekannten bürokratischen Maximen „das haben wir schon immer so gemacht“ und „das haben wir noch nie so gemacht“.

Rechtliche Programmierung des Verwaltungshandelns


-Nach dem deutschen Rechtsstaatsverständnis ist Verwaltungshandeln rechtlich programmiert, d.h. alle Maßnahmen und Entscheidungen der Verwaltung müssen rechtmäßig sein und können daher auch vor Verwaltungsgerichten überprüft werden. Die Verwaltung wird also durch Gesetze, Rechtsverordnungen und durch autonome Satzungen (etwa der Kommunen) gesteuert (legislative Steuerung).

-Es gilt der Vorrang des Gesetzes (Gesetze sind anderen Rechtsquellen außer der Verfassung übergeordnet) und der Vorbehalt des Gesetzes (nach der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts bedürfen wesentliche staatliche Maßnahmen einer gesetzlichen Grundlage).

-Die typische Einzelfallentscheidung ist daher der öffentlich-rechtliche Verwaltungsakt, allerdings gibt es auch andere Handlungsformen, etwa öffentlich-rechtliche Verträge oder privat-rechtliches Handeln der Verwaltung (etwa städtebauliche Verträge, die im Bereich der Stadtsanierung eingesetzt werden oder Arbeits- und Werkverträge)


-Bezüglich der rechtlichen Programmierung des Verwaltungshandelns werden zwei grundsätzliche Formen unterschieden (grundlegend Luhmann 1966):

Konditionalprogramme, die ein bestimmtes Verwaltungshandeln festlegen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. In der einfachsten Form sind dies „Immer-Wenn-Dann-Programme“, die der Verwaltung, zumindest theoretisch, überhaupt keinen Entscheidungsspielraum überlassen. Beispiele wären etwa das Passgesetz oder das Gesetz über Personalausweise: Immer, wenn die notwendigen Unterlagen beigebracht werden, muss ein Pass ausgestellt werden. Es gibt im Prinzip keinen Handlungsspielraum der Verwaltung. Handlungsspielräume gibt es indes auch hier bei der Beurteilung der für die Verwaltungsleistung notwendigen Unterlagen, wie dies z.B. in der Flüchtlingskrise beim Agieren von Ausländerämtern deutlich geworden ist

Final- oder Zweckprogramme lassen demgegenüber den jeweiligen Entscheidern in der Verwaltung wesentlich größere Freiräume. Hier sind nur die angestrebten Zwecke und Ziele festgelegt, während die Mittel zur Erreichung dieser Zwecke erst noch von der Verwaltung ausgewählt werden müssen (allenfalls sind zu beachtende Restriktionen, etwa finanzielle Mittel vorgegeben). Beispiele wären etwa staatliche oder kommunale Fachplanungen oder z.B. Wirtschaftsförderungsprogramme, ein klassisches Beispiel ist der §1 des Bundesraumordnungsgesetzes: „Das Bundesgebiet ist in seiner allgemeinen räumlichen Struktur einer Entwicklung zuzuführen, die der freien Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft am besten dient. Dabei sind die natürlichen Gegebenheiten sowie die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Erfordernisse zu beachten“ (§1 BRauOG)


-Es ist offenkundig, dass diese beiden reinen Formen in der Realität kaum anzutreffen sind, sondern dass reales Verwaltungshandeln durch eine Kombination konditionaler und finaler Programmierung gesteuert wird . Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang z.B. unbestimmte Rechtsbegriffe (etwa „unbillige Härte“), die von der Verwaltung interpretiert werden müssen, oder der Verweis auf „pflichtgemäßes Ermessen“ der Verwaltung.

-Gerade auch in Deutschland, wo aufgrund der rechtsstaatlichen und bürokratischen Tradition die rechtliche und formale Programmierung besonders ausgeprägt ist , verfügt also die Verwaltung, selbst die Ordnungs- und Eingriffsverwaltung, über erhebliche Handlungsspielräume.

-Frido Wagener hat z.B. wiederholt darauf hingewiesen, dass aufgrund der Vielzahl und Komplexität der rechtlichen Regelungen die öffentliche Verwaltung ohnehin nur einen Teil davon überhaupt beachten kann, sie also „pragmatische Vorschriftenreduktion im Vollzug“ betreibt, sich diejenigen Regelungen aussucht, die gerade passen und sich dabei im „permanenten Verfassungsbruch“ befindet


Implementationsforschung


-Die Entscheidung für ein politisches Programm, z.B. die Verabschiedung eines Gesetzes oder auch des jährlichen Budgets, garantiert noch kein praktisches Handeln der durchführenden Instanzen, d.h. in aller Regel der öffentlichen Verwaltung, und erst recht nicht den Erfolg eines Programms. Die Phase der Durchführung oder Umsetzung eines beschlossenen Programms, der Vollzug von Gesetzen und Rechtsverordnungen, die Ausführung von politisch beschlossenen Maßnahmen, wird in der Politikwissenschaft als Implementation bezeichnet


-Mit der bahnbrechenden Studie von Pressman/Wildavsky zur Implementation sozialpolitischer Programme in den USA wurde gezeigt, dass die Durchführungsphase nicht nur Teil des politischen Prozesses ist, sondern häufig die entscheidende Phase, in der sich der Erfolg oder Misserfolg eines politischen Programms herausstellt, und in der auch kontroverse politische Entscheidungen erst getroffen oder zumindest konkretisiert werden. Wenn in Einzelfallentscheidungen festgelegt wird, wer welche Genehmigungen, staatlichen Förderungen oder Infrastrukturleistungen bekommt oder nicht bekommt, geht es um grundlegende politische Entscheidungen: Wer bekommt was, wann, wo und warum?

-Ähnlich wie in den USA begann auch in Deutschland mit den ersten Enttäuschungen der Reformpolitiken der sozial-liberalen Koalition Anfang der siebziger Jahre der Aufschwung der Implementationsforschung. Zunächst nahm man dabei eine Perspektive ein, die später als „Gesetzgeberperspektive“ oder „Top-down“-Ansatz bezeichnet wurde.

—> Die Implementationsprozesse wurden vor allem unter dem Aspekt des Grades der zielgenauen Umsetzung der auf übergeordneter (meist zentralstaatlicher) Ebene definierten Politikziele analysiert und die Gründe für Abweichungen von diesen Zielen in verwaltungsinternen Prozessen sowie der Interaktion der Vollzugsbehörden mit den betroffenen Adressaten im Rahmen von Verhandlungs- und Konfliktbeziehungen analysiert. Die theoretische Perspektive basierte dabei auf einem klassischen hierarchischen Verständnis politischer Steuerung

-Gefragt wurde also nach Vollzugsdefiziten (Warum werden bestimmte Regelungen nicht angewendet? Z.B. in der Umweltpolitik, Mayntz 1977), nach Zielverschiebungen (Warum werden in der Umsetzung andere Ziele als ursprünglich intendiert verfolgt?

-Vollzugsdefizite, z.B. die ineffektive (Ziele werden verfehlt) oder ineffiziente Durchführung von Gesetzen und politischen Programmen (Aufwand und Ertrag stehen in einem problematischen Verhältnis zueinander) wurden so in Merkmalen der Programme (etwa widersprüchliche oder unklare Ziele, problematische Ziel-Mittel-Annahmen, Überregelung, Verrechtlichung) oder der Implementationsstrukturen (unklare, komplizierte Organisation, ungeeignetes Personal, komplexe und langwierige Verfahren, unzureichende Finanzen) verortet, zunehmend aber auch in Merkmalen des Regelungsumfeldes, die von der Verwaltung gar nicht zu beeinflussen sind

-Zugleich leiteten diese empirischen Studien somit einen Perspektivenwechsel ein, Der Implementationsprozess wurde immer weniger als hierarchische (top down) Steuerung durch übergeordnete Einheiten betrachtet, sondern zunehmend als gemeinsamer Lern- und Aushandlungsprozess. Die Verwaltung erhält ihre Entscheidungsprämissen nicht nur „von oben“, durch Gesetze und hierarchische Weisungen, sondern auch „von unten“ und „von der Seite“, also durch Kunden, Klienten, Bürgerinitiativen, Interessengruppen.

-Einerseits erkannte man die zentrale Bedeutung der Vollzugsbehörden auf den unteren Ebenen („Street Level Bureaucracy“, ) und richtete den Blick auf die Interaktionsbeziehungen mit den eigentlichen Adressaten politischer Programme

-Eine weitere Erkenntnis war, dass die Implementationsphase ganz entscheidend durch die zur Anwendung kommenden Instrumente des politischen Programms geprägt wird,

—> Neben regulativen Instrumenten (Ge- und Verbote, Genehmigungspflichten) werden u.a. finanzielle (positive und negative Anreize, Leistungsprogramme), die direkte Bereitstellung von staatlichen Leistungen (harte und weiche Infrastruktur, also z.B. sowohl Schulen und Universitäten wie Lehrer und Professoren) und Informationsinstrumente (Aufklärung, Propaganda) unterschieden.

—>Die Untersuchungen zeigten, dass die verschiedenen Instrumente spezifische Implementationsprobleme aufweisen. Während regulative Politik vor allem mit dem Kontrollproblem und möglichen Widerständen auf Seiten der Adressaten verbunden ist , sind Anreizprogramme, wie Scharpf bereits 1983 am Beispiel der Arbeitsförderung zeigte, der Gefahr von „Mitnahmeeffekten“ (Unternehmen nehmen Fördergelder für ohnehin geplante Investitionen oder Arbeitsplätze in Anspruch), d.h. der ineffizienten Mittelverteilung ohne Steuerungseffekte, ausgesetzt

Kooperative Verwaltung


-Die Ergebnisse der empirischen Verwaltungs- und Implementationsforschung haben zu einem von der klassischen hierarchischen Bürokratie abweichenden Bild der modernen Verwaltung geführt, das unter dem Schlagwort der verhandelnden oder kooperativen Verwaltung zusammengefasst wird und schließlich sogar zu einem veränderten Bild des Staates als „kooperativer Staat“ geführt hat

-Andere Autoren sprechen in diesem Zusammenhang auch vom „informalen Verwaltungshandeln“ das schließlich zu einem „informalen Rechtsstaat“ führe

-Grundlegendes Merkmal der kooperativen Verwaltung ist der weitgehende Verzicht auf die Anwendung von Zwang.

-Kooperativ handelt die Verwaltung also z.B., wenn sie mit Adressaten Entscheidungen aushandelt und mit ihnen entweder informelle Absprachen trifft oder Verträge schließt.

-So war ein Ergebnis der Implementationsforschung, dass Behörden etwa im Bereich des Umweltschutzes oder der Gewerbeaufsicht auf regulative Instrumente (Verbote, Gebote bis hin zu Geldstrafen oder Betriebsschließungen) verzichten, obwohl diese Maßnahmen ausdrücklich im Gesetz vorgesehen sind. Stattdessen versuchen die zuständigen Behörden sich z.B. mit „Umweltsündern“ zu einigen, bis wann bestimmte Missstände abgestellt werden

—>Die Schliessung einer Betriebsstätte mag umweltpolitisch sinnvoll sein, hat aber negative arbeitsmarktpolitische, sozialpolitische und andere ungewollte Folgen. Um einen Ausgleich dieser unterschiedlichen Interessen zu erreichen, ist kooperatives Verwaltungshandeln sinnvoller und angemessener als der eigentlich juristisch vorgesehene Vollzug z.B. mit Hilfe von Zwangsmitteln.

-Ein weiteres Verständnis der kooperativen Verwaltung umfasst daher auch Fälle, in denen zuständige Behörden Verhaltensweisen vorübergehend oder dauerhaft dulden, obwohl sie diese aufgrund von Gesetzen verhindern könnten

-Normalerweise beruht eine solche Kooperation zwischen Verwaltung und den Adressaten von politischen Programmen auf Verhandlungen, in denen Verwaltungsbehörden mit Entscheidungsbetroffenen eine Einigung suchen. Nicht selten enden diese mit einem formalen Verwaltungsakt, der die Ergebnisse der Verhandlungen festlegt. Dieser ist dann zwar der Form nach ein Hoheitsakt der Verwaltungsbehörde, tatsächlich stellt er aber eine Vereinbarung zwischen gleichberechtigten Partnern dar. Oft beruht eine Einigung, wie oben erwähnt, auf Tauschgeschäften, die durch Verbindung verschiedener Entscheidungsmaterien möglich werden, wobei die Verwaltung in einem Bereich und die Adressaten ggfs. in einem ganz anderen Bereich Konzessionen machen

-Eine weitere Bedeutung kooperativen Verwaltungshandelns ergibt sich bei der Erstellung personenbezogener Dienstleistungen, die ohne Mitwirkung der Adressaten nicht erfolgreich sein können. Wenn es z.B. darum geht, Arbeitslose in Arbeit zu vermitteln oder sie fortzubilden, oder die Ansiedlung bzw. den Ausbau von Unternehmen zu unterstützen, ist dies nur in enger Kooperation mit den jeweiligen Adressaten und Klienten der Verwaltung möglich.

Evaluation


-Schließlich sind Behörden und Verwaltungen bei Entscheidungen über die Wirkungen und Auswirkungen politischer Programme beteiligt, und damit bei der Frage nach deren Veränderung, Verbesserung oder ggfs. sogar Beendigung (Termination).

—>In der verwaltungswissenschaftlichen Forschung hat sich dafür der Begriff der Evaluation eingebürgert. Evaluation ist dabei von den traditionellen „Kontrollschleifen“ im deutschen Regierungs- und Verwaltungssystem zu unterscheiden, nämlich

• der Überprüfung von Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit durch Rechnungshöfe,

• der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns durch Verwaltungsgerichte,

• der verwaltungsinternen Kontrolle durch hierarchische Überordnung und (Rechts- und Fach- ) Aufsicht sowie

• der politischen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit


-Unter Evaluation wird gemeinhin die wissenschaftliche oder zumindest systematische Untersuchung der – intendierten oder nicht-intendierten – Wirkungen und Auswirkungen politischer und administrativer Interventionen verstanden. Dabei interessiert nicht nur die jeweilige Zielerreichung (Erfolgskontrolle), sondern auch positive oder negative Effekte und Nebenwirkungen, z.B. auch in anderen als den intendierten Bereichen (Wirkungsforschung). In der wissenschaftlichen Diskussion werden eine Reihe unterschiedlicher Ansätze und Methoden der Evaluation und der Evaluationsforschung unterschieden:

• Bei der ex-post (oder summativen) Evaluation wird im Nachhinein, nach Abschluss eines Programms oder einer Maßnahme, untersucht, welche Wirkungen und Nebenwirkungen eingetreten sind (Wirkungsanalyse) bzw. ob und in welchem Umfang die intendierten Ziele erreicht wurden (Erfolgskontrolle).

• Demgegenüber hat die ex-ante Evaluation die Aufgabe, Wirkungen, Nebenwirkungen und Ursache-Wirkungszusammenhänge eines künftigen Handlungsprogramms vorab abzuschätzen (pre-assessment). Im deutschen wird hier oft der Begriff Gesetzesfolgenabschätzung verwendet, in diesen Zusammenhang gehören auch die klassischen Methoden der Kosten-Nutzen-Analyse.

Formative (oder on-going) Evaluation findet begleitend zur Durchführung der jeweiligen Programme und Maßnahmen statt, um möglichst frühzeitig im Rahmen der „Rückkopplung“ von Ergebnissen Korrekturen zu ermöglichen. Im Deutschen hat sich hierfür der Begriff der Begleitforschung etabliert, die mehr oder weniger analytisch distanziert bis hin zur Form einer sich aktiv einmischenden Aktionsforschung stattfindet.

• Weiter werden Effektivitäts- und Effizienz- (oder Wirtschaftlichkeits-) Untersuchungen unterschieden. Bei ersteren geht es in der Form eines Soll-Ist-Vergleichs um den Zielerreichungsgrad bezüglich der Outputs (Leistungen der Verwaltung), bis hin zu den direkten Wirkungen (Impacts) und weitergehenden gesellschaftlichen Auswirkungen (Outcomes), bei letzterer um das Verhältnis zwischen Inputs (finanzielle, personelle, organisatorische Ressourcen) und Ergebnissen (Outputs und Impacts).

• Unter Monitoring versteht man in diesem Zusammenhang eine deskriptiv-analytische, auf kausale Interpretationen und Erklärungen weitgehend verzichtende Beobachtung relevanter Ergebnisse und Resultate, möglichst mit Hilfe standardisierter Indikatoren, also eine routinemässige, permanente und systematische Sammlung von vergleichbaren Daten

Controlling ist schließlich vor allem in Verbindung mit dem Neuen Steuerungsmodell populär geworden, insbesondere zur Überprüfung der dort postulierten Output-orientierten Steuerung der Verwaltung durch Produkte, Kennzahlen, Berichtswesen und generell performance measurement . Auch beim Controlling geht es „strategisch“ um Ziel und Effektivitätssteigerung und „operativ“ vor allem um Effizienz.

—>Der zentrale Unterschied zur Evaluation besteht darin, dass es sich um interne Instrumente der jeweiligen Organisationen, Behörden etc. handelt und die Ergebnisse des Controllings direkt zur Steuerung des Planungs- und Leistungsprozesses und zur Leistungssteigerung erhoben und eingesetzt werden sollen.


-Evaluationen sind „weapons in the political wars“, Waffen in politischen und fachlichen Auseinandersetzungen, und zwar sowohl zwischen Organisationen auf der makro-politischen Ebene wie mikro-politisch innerhalb von Organisationen. Evaluationen sind möglich und notwendig, aber sie sind alles andere als selbstverständlich und einfach nur technisch schwierig. Sie werfen nicht nur erhebliche methodische, sondern mindestens ebenso komplizierte politische Probleme auf, d.h. sie müssen in kontinuierlichen politischen Auseinandersetzungen durchgesetzt, durchgeführt und interpretiert werden.

Beziehung zwischen Politik und Verwaltung


-Weder eine klare Dichotomie noch ein einheitliches politisch-administratives System, können offensichtlich die Komplexität der Wirklichkeit einfangen. Dazu braucht es präzisere Unterscheidungen.

-Die einfachste Unterscheidung setzt an der jeweiligen Rekrutierung und Legitimationsbasis an. Unterschieden wird zwischen gewählten Politikern (etwa Parlamentarier, Minister, oder auch kommunale Wahlbeamte), die jederzeit abgewählt werden oder zumindest Wahlen und damit ihre Stellung verlieren können, und ernannten (oder angestellten) Bürokraten (also allen Mitarbeitern der Verwaltung), die entweder als Beamte eine Lebensstellung haben, und ansonsten durch das normale Arbeitsrecht geschützt sind.

-Die problematische Unterscheidung der diesen Gruppen jeweils zugeordneten Funktionen kann dann am besten anhand von vier gängigen Interpretationen des Verhältnisses und der Kooperation zwischen beiden illustriert werden:

• Nach Interpretation I, der ältesten und einfachsten Theorie über das Verhältnis von Politik und Verwaltung machen Politiker Politik und Bürokraten verwalten. Die einen treffen Entscheidungen und die anderen führen sie nur aus. Dieses Bild der Arbeitsteilung, auch wenn es wahrscheinlich nie vollständig zugetroffen hat, ist dennoch ein wichtiges Element der Mythologie über die neutrale, unpolitische Rolle der Bürokraten im politischen System und damit im Prozess der Formulierung und Umsetzung von Politik.

-Interpretation II geht davon aus, dass sowohl Politiker wie Beamte an politischen Entscheidungen beteiligt sind (etwa: wie soll das Gesetz aussehen? wer bekommt wann, was, wo und warum?), dass sie aber unterschiedliche Beiträge liefern. Beamte liefern Fakten und Wissen, Politiker bringen Interessen und Werte ein. Die einen sind für die neutrale Expertise zuständig, während die anderen für die politische Sensibilität verantwortlich sind.

• Interpretation III hingegen behauptet, dass sowohl Bürokraten wie Politiker „Politik machen“, also z.B. verhandeln und am Interessenausgleich teilnehmen, dass sie aber unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen. Während Politiker breite, diffuse aber auch spezifische Interessen artikulieren und so dafür sorgen, dass sich im politischen Prozess etwas bewegt, also als Beweger und Energielieferanten auftreten, sind Beamte damit beschäftigt, zwischen wohldefinierten und etablierten Interessen zu vermitteln, d.h. sie sorgen eher für Kontinuität und Ausgleich. Nach diesem Bild sind Politiker eher parteiisch, engagiert, idealistisch und sogar ideologisch, während Bürokraten eher als vorsichtig, praktisch, pragmatisch und distanziert gelten.

• Interpretation IV geht schließlich davon aus, dass sich Bürokraten und Politiker immer mehr angleichen, beide artikulieren und verhandeln Interessen und sind mit der gesellschaftlichen Umwelt eng vernetzt. Angenommen wird, dass eine Entwicklung hin zu reinen „Mischlingen“ zwischen Politikern und Bürokraten feststellbar sei.




Interpretation I

Interpretation II

Interpretation III

Interpretation IV

Politikdurchführung

V

V

V

V

Politikformulierung

P

G

G

G

Interessenausgleich

P

P

G

G

Interessenartikulation

P

P

P

G

V= Verwaltung

P=Politik

G=Gemeinsam

Idealtypen des Bürokraten


-Idealtypen des klassischen und des politischen Bürokraten

-Klassische Bürokraten operieren dabei eher auf der Basis eines monistischen Verständnisses des öffentlichen Interesses, indem sie sich um die Schaffung objektiver Standards für technische Praktikabilität, Recht und Gerechtigkeit bemühen und davon ausgehen, dass Probleme vor allem sachlich zu lösen seien. Ihr Verhältnis zu den Institutionen politischer Macht wie Parlamenten, Parteien und Verbänden ist eher von Misstrauen bis hin zur Ablehnung geprägt.

-Dagegen erachten politische Bürokraten den politischen Einfluss auf Entscheidungsprozesse als legitim und akzeptieren die Notwendigkeit politischer Kompromisse auch jenseits von sachlichen Notwendigkeiten. Sie verhalten sich zu den Parteien eher affirmativ, vielfach sind sie sogar Mitglied einer Partei.



-In Deutschland ist die Verwaltung nicht prinzipiell apolitisch oder neutral, sondern durchaus politisiert. Dabei ist es hilfreich, analytisch zwei Dimensionen von Politisierung zu unterscheiden. Zum einen „funktionale Politisierung“, also die Fähigkeit, alle möglichen Aufgaben der Politikgestaltung wahrzunehmen, also von Politikformulierung, Zieldefinition, Verhandlungen innerhalb und außerhalb der Regierung bis hin zur Interaktion mit Bürgern und Interessengruppen

—> Dabei geht es auch, aber nicht nur darum, die Erreichung der politischen Zielsetzungen der Hausleitung voranzutreiben. Dies bedeutet wiederum, die Position der Hausspitze nicht nur zu kennen und zu vertreten, sondern bei neu auftretenden Fragen eine solche Position auch treffsicher zu antizipieren oder sogar zu beeinflussen (und damit konstruktiv zu gestalten), noch bevor sie überhaupt gebildet werden konnte.

-Die zweite Dimension ist die „Parteipolitisierung“, also welche Rolle parteipolitische Orientierung z.B. für Stellenbesetzungen und Karrieren in der Verwaltung spielt, bis hin zu einer Ämterpatronage


-Das Konzept der funktionalen Politisierung ist eng mit dem Konzept des „political craft“ verbunden, das Klaus Goetz (1997) als typisch für die deutsche Ministerialbürokratie herausgearbeitet hat.

—>Politisches Handwerk umfasst nicht nur die Fähigkeit, politische Aspekte zu berücksichtigen, sondern auch die Bereitschaft und Fähigkeit, sich aktiv am politischen Prozess zu beteiligen, den Minister zu beraten und ihm wenn notwendig zu widersprechen, um die Chance auf Zielerreichung zu erhöhen und sich in der Durchsetzung der Ziele auf Netzwerke des jeweiligen Politikbereichs zu stützen (Policy Networks).


-in deutschen Bundesministerien: Die starke funktionale Politisierung und Einbindung von Beamten der Bundesministerien in die Formulierung und Ausgestaltung von Politikinhalten zeigt sich in einem besonderen deutschen Rechtskonstrukt, den „politischen Beamten“. Nach § 54 des Bundesbeamtengesetzes sind die beiden höchsten hierarchischen Ränge in Bundesministerien, also beamtete Staatssekretäre und Abteilungsleiter, politische Beamte.

-Politische Beamte sind meist, aber nicht notwendigerweise, Mitglieder derselben politischen Partei wie ihre Minister, Die meisten von ihnen, aber längst nicht alle, werden nach einem Regierungswechsel ersetzt. Allerdings schützt auch die „richtige“ Parteizugehörigkeit nur sehr bedingt bei einem Ministerwechsel

-Der Anteil von Parteimitgliedern und Beamten mit klaren parteipolitischen Loyalitäten unter den Spitzenbeamten ist hoch, selbst unter den „unpolitischen“ Leitern von Unterabteilungen und Referaten , Alles dies deutet auf eine gewisse Relevanz von Ämterpatronage hin

-Politische Beamte fungieren als Bindeglied zwischen der professionellen Bürokratie und der politischen Führung und tragen dazu bei, gegenseitiges Verständnis und Vertrauen zu schaffen und Missverständnisse und Misstrauen zwischen beiden Sphären abzuschwächen. Die typischen Schuldzuweisungen zwischen Politikern und Beamten oder auch „a government of strangers“ (Heclo 2011) sind in Deutschland eher ungewöhnlich.

-Das Verhältnis zwischen Politik und Verwaltung, zwischen gewählten Politikern und ernannten Beamten, ist auch in Deutschland nie spannungs- und konfliktfrei, aber insgesamt scheint der politisierte öffentliche Dienst, sowohl in funktionaler als auch in parteipolitischer Hinsicht, zu weniger Konflikten, Missverständnissen und Schuldzuweisungen zu führen, als in anderen demokratischen Ländern.

-Spitzenbeamte in Deutschland brauchen sowohl fachliche Expertise als auch politisches Handwerk, sie geben nicht vor, unpolitisch und neutral zu sein, und die informierte Öffentlichkeit weiß in der Regel, woher ihre Spitzenbeamten kommen und wofür sie stehen. Diese politische Orientierung beeinträchtigt ihre Rolle als Beamte keineswegs, denn die Loyalität zu allen demokratisch gewählten Führern kann als selbstverständlich vorausgesetzt werden

-im Hinblick auf die Politisierung in den Landesministerien ist der Anteil der Parteimitglieder hoch (ähnlich wie auf Bundesebene). Allerdings haben die Staatssekretäre sehr häufig, d.h. in mehr als zwei Drittel aller Fälle, in früheren Karrierestufen Berufserfahrung in der Politik erworben (sei es als gewählte Politiker, als Parteiprofis oder als Beamte mit Erfahrung in politiknahen Ämtern wie z.B. als persönliche Assistenten eines Ministers). Andererseits verfügen aber auch viele Minister (etwa ein Drittel) über Berufserfahrung im öffentlichen Dienst. Dies deutet darauf hin, dass die politischen und administrativen Laufbahnen auf Länderebene nicht mehr so strikt getrennt sind wie auf Bundesebene.

-in Kommunen: Eine klare Trennung zwischen Politik und Verwaltung ist nicht erkennbar und auch nicht beabsichtigt,

Normative Bilder der Verwaltung


-„Öffentliche Verwaltung“ wird dabei zunächst ganz einfach institutionell verstanden, im Gegensatz z.B. zu der oben vorgenommenen personellen Unterscheidung zwischen „Bürokraten“ (Beamten, Angehörigen des öffentlichen Dienstes) und „Politikern“ (nicht ernannten, sondern gewählten Funktionären).

-Ganz allgemein sollen unter öffentliche Verwaltung alle Organisationen subsumiert werden, die – im deutschen Rechtssystem – öffentlich-rechtlich organisiert sind und/oder überwiegend durch in öffentlichen Haushaltsplänen festgelegte Finanzen finanziert werden (also z.B. auch öffentliche Theater, Eigenbetriebe, Universitäten oder Schulen, öffentliche Stiftungen, Körperschaften und Anstalten).

- Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist daher die formal definierte „öffentliche Organisation“, die in vier unterschiedlichen normativen Bildern der öffentlichen Verwaltung typologisch unterschieden wird


Autonome Verwaltung

-Ausgangspunkt traditioneller Vorstellungen der Verwaltung ist die „autonome Verwaltung“. Die Funktion öffentlicher Organisationen besteht in diesem Idealtypus darin, das Gemeinwohl zu erkennen und zu verwirklichen.

- Normative Grundlage ist das a priori vorhandene Gemeinwohl, das „nur“ erkannt und umgesetzt werden muss. Darin besteht die eigentliche Aufgabe des Staates, und nur er ist dazu in der Lage.

-Der Staat wiederum besteht aus seinen loyalen Beamten. Zentrales Merkmal dieses Beamtenkörpers sind gemeinsame moralische, ethische und professionelle Werte, die vor allem durch eine spezifische Sozialisation vermittelt werden können.

-Organisationsprinzip der öffentlichen Verwaltung ist daher die autonome Bürokratie, die letztendlich vor den unsachlichen und das Gemeinwohl verfälschenden Einflüssen der Umwelt geschützt werden muss

-Die Bindung an Politik wie Gesellschaft ist schwach, die ideale Regierungsform ist eine mit nicht-vorhandenen oder schwachen Politikern und starken, professionellen Angehörigen des öffentlichen Sektors. So stellen sich Chefärzte Krankenhäuser und Professoren Universitäten vor.


Hierarchische Verwaltung

-Das nächste Bild ist das der hierarchisch organisierten Verwaltung im demokratischen Rechts- und Verfassungsstaat. Hier besteht die zentrale Funktion öffentlicher Organisationen in der Verwirklichung demokratisch definierter politischer Präferenzen. Normative Grundlage dieses Bildes ist die Demokratie, und zwar im Sinne von Dahl als Polyarchie,

—> Dies ist das klassische Bild des demokratischen Verfassungsstaates. Das Idealbild der öffentlichen Verwaltung ist darin das der Bürokratie als verlässlicher Maschine, die all diese demokratischen Funktionen ohne Bias, „sine ira et studio“, fair, neutral und wie die Adjektive alle heißen, unterstützt. Im Gegensatz zum ersten Bild soll die Verwaltung hier alles andere als autonom sein, sie soll stattdessen vollständig demokratisch determiniert und kontrolliert werden.

-Es gibt eine parlamentarische Steuerungs- und Legitimationskette, die entweder über Wahl-Parlament-Gesetze-Bürokratie (legislative Programmsteuerung) oder Wahl-Parlament-Regierung-Bürokratie (demokratisch-legitimierte Weisung) funktioniert. Die Politikdurchführung ist demgegenüber weiterhin der neutralen Expertise und Professionalität der Bürokratie überlassen. Dies ist das Bild der klassischen Dichotomie zwischen Politik und Verwaltung

-Die ideale Regierungsform der hierarchischen Verwaltung sind repräsentative Demokratie und Rechtsstaat, Willensbildung erfolgt Top-Down oder mit anderen Worten in der Form der „overhead democracy“


Kooperative Verwaltung

- Hier erweitert sich die Funktion der öffentlichen Verwaltung in Richtung eines Konstrukteurs und Moderators komplexer Verhandlungssysteme zwischen öffentlichem und privatem Sektor.

-Die Bürokratie ist in diesem Bild kompetenter Verhandlungspartner in und auch Architekt von Politiknetzwerken, dabei wird nicht prinzipiell zwischen Politik und Verwaltung unterschieden. Akteur ist das politisch-administrative System. Eine zentrale Rolle der Verwaltung besteht in der administrativen Interessenvermittlung, d.h. in der Aggregation und durchaus auch Artikulation gesellschaftlicher Interessen in enger Verbindung mit gesellschaftlichen Organisationen

-Die kooperative Verwaltung ist die Regierungsform der organisierten Demokratie (Olsen 1983) und des liberalen Korporatismus. Sie ist gekennzeichnet durch starke Bindungen an die Politik und gleichzeitig an organisierte Interessen, sozusagen eine horizontale Demokratie


Responsive Verwaltung

-„moderneres“ Bild der öffentlichen Verwaltung, nämlich das der responsiven Dienstleistungsorganisation. Hier liegt die zentrale Aufgabe der öffentlichen Verwaltung in der Befriedigung der konkreten Wünsche und Bedürfnisse der Bürger, also ihrer Klienten und ihrer „Kunden“

-Normative Prämissen sind in diesem Modell die effektive und effiziente Dienstleistung und „Kundenorientierung“. Die Präferenzen der Bürger werden nicht, wie im autonomen Modell, von der Verwaltung selbst definiert, sie werden auch nicht, wie im hierarchischen Modell, per Gesetz oder Regierung vorgegeben und auch nicht in komplexen Verhandlungssystemen festgelegt, sondern sie werden direkt gegenüber der Verwaltung artikuliert und durch direkten Austausch durchgesetzt.

-Das Idealbild der öffentlichen Verwaltung ist hier die Bürokratie im Wettbewerb. Die Bürger können sich ihre öffentlichen Dienstleistungen in der Konkurrenz einer Vielfalt von Anbietern, seien sie privat, aus dem sog. Dritten Sektor oder auch andere öffentliche Organisationen, aussuchen.

-Die ideale Regierungsform der responsiven Verwaltung könnte schließlich die partizipative, direkte Demokratie sein, gekennzeichnet durch Selbstorganisation der Gesellschaft und enge Verbindungen zwischen Bürokratie und Bürgern


-Beispiele in Deutschland:

  • Das klassische Bild der autonomen Verwaltung ist offenkundig der überkommene Obrigkeitsstaat, aber es gibt diese Form auch in anderen Orientierungen. Es wurde bereits angedeutet, dass Strukturen der autonomen Verwaltung im demokratischen System der Bundesrepublik Deutschland durchaus wohlauf und erkennbar sind. Gemeint ist damit das, was gelegentlich als der professionell-bürokratische Komplex bezeichnet wird, also die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch mehr oder weniger etablierte Professionen oder Fachbruderschaften,

    —> Ein typisches Beispiel für diese Art öffentlicher Organisation ist auch die Universität in ihrem Bild als „Gelehrtenrepublik“, die sich jegliche politische Einflussnahme verbittet, und insgesamt alle öffentlichen wissenschaftlichen Einrichtungen, die stolz darauf sind, ihre Aufgaben ohne politische Einflussnahme wahrzunehmen. Aber zu denken ist zum Beispiel auch an Fachbehörden wie Umweltämter, die sich mit aller Macht dagegen wehren, in eine allgemeine Verwaltung (z.B. des Kreises) eingeordnet zu werden

  • Die hierarchische Verwaltung ist das Idealbild des demokratischen Verfassungsstaats, und selbstverständlich ist sie auch empirisch relevant. Ihren reinsten Ausdruck findet sie in der klassischen Ministerverantwortlichkeit, aber auch der kommunalen Selbstverwaltung. Es gibt ohne Zweifel viele Felder, die durch legislative Programmierung verbunden mit klassischer Rechts- und Fachaufsicht gekennzeichnet sind, z.B. Polizei, Rentenversicherung, Bauaufsicht oder der gesamte Schulbereich,

    —>Wenn wir wiederum die Universitäten als Beispiel nehmen, ist dies das Bild der Universität als „nachgeordneter Behörde“, von der demokratisch legitimierten Politik über Rechts- und Fachaufsicht und insbesondere über das jährliche Budget und den Stellenplan und deren Kontrolle stark beeinflusst, wenn nicht bis zur Dysfunktionalität in ihren Aufgaben behindert

  • die kooperative Verwaltung ist offenkundig das Lieblingskind der empirischen Politik- und Verwaltungsforschung. Ihr Prototyp ist die moderne Ministerialverwaltung, aber sie findet sich auch im Bereich der Kommunen und nicht zuletzt im weiten Feld der Quagos und Quangos , Klassische Beispiele sind die Umweltpolitik, die Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik

    —>Am Beispiel der Universität wäre dieses Steuerungsmodell die moderne durch einen externen Hochschulrat gesteuerte und so von kurzfristiger politischer Einflussnahme und Eigeninteressen weitgehend abgekoppelte Hochschule, die eng mit ihrer Umgebung (z.B. Stadt, regionale Wirtschaft, Verbände) verflochten ist

  • Die responsive Verwaltung, gesteuert durch Kunden und öffentliche Entrepreneure ist schließlich in weiten Teilen das Idealbild der Diskussionen über neue Steuerungsmodelle. Aber auch bisher gibt es bereits diese Art der Verwaltung, die sich durch ihre Bürgernähe definiert, zumindest einen Teil ihrer Ressourcen durch Gebühren oder andere Einnahmen selbst deckt und ihren Erfolg vorrangig an ihrer Akzeptanz bei ihren Klienten, weniger der Politik misst. Beispiele sind öffentliche Kindergärten, Altersheime, Pflegedienste, externe wie interne Dienstleister (Reinigung, Gebäudemanagement, Fuhrpark etc.), aber auch Katasterämter, Statistische Landesämter und selbst Polizeidienststellen können sich als responsive Verwaltung neu erfinden

    —> Die Universität als responsive Organisation wäre die moderne Service-Universität, die einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Einnahmen durch Studiengebühren und Forschungsförderung selbst erwirtschaften muss, die sich gleichzeitig ihre Studenten selbst aussuchen kann und durch starke Präsidenten und Dekane geleitet wird.




Politikberatung


-Für die Verwaltungswissenschaft ist Politikberatung aus zwei miteinander verbundenen Gründen von besonderer Bedeutung. Zum einen ist offenkundig, dass professionelle Bürokratien die wichtigsten Berater der Politik und unserer Politiker sind, denn es ist ihre zentrale Aufgabe, die in unseren extrem arbeitsteiligen und spezialisierten öffentlichen Organisationen vorhandenen umfangreichen Informationen zu filtern, zu verdichten und entscheidungsreif zu präsentieren

-Zum anderen ist ein Großteil der normalerweise unter der Überschrift Politikberatung laufenden Aktivitäten in Wirklichkeit Verwaltungsberatung. Die Ergebnisse von Gutachten, Expertenkommissionen, Anhörungen, Enqueten usw. sind in aller Regel so umfangreich und so speziell, dass sie wiederum nur von den Experten in den Verwaltungen im Detail gelesen und verarbeitet werden können, die diese Ergebnisse dann wiederum für die politischen Spitzen aufbereiten.

-Politik- und Verwaltungsberatung kann nach einer Reihe unterschiedlicher Kriterien unterschieden werden, z.B.

• wissenschaftlich oder interessengeleitet,

• dauerhaft oder zeitlich begrenzt,

• kommerziell oder gemeinnützig,

• von Individuen oder spezialisierten Organisationen,

• bestellt oder ungefragt usw.


-Politikberater sind dabei weder reine Wissenschaftler noch Handlanger, sondern befinden sich auf einem Kontinuum zwischen vollkommener Autonomie auf der einen, und politischer Abhängigkeit auf der anderen Seite. Ihre Position auf diesem Kontinuum können sie, zumindest in Demokratien, weitgehend selbst bestimmen (auch wenn natürlich finanzielle Anreize und Reputation immer eine Rolle spielen).


-Idealtypisch lassen sich aufgrund der jeweils vorherrschenden Struktur der Nachfrage drei große Felder von Politikberatung unterscheiden:

  • Organisatorische und institutionelle Beratung, die sich zum einen auf die Verbesserung von Abläufen und Strukturen, der Effizienz und Effektivität von Personal oder Finanzen öffentlicher Organisationen bezieht, z.B. von Verwaltungen, Universitäten, öffentlichen Unternehmen etc. Dies ist eine Domäne der Betriebswirtschaft sowie kommerzieller Managementberater und Beratungsfirmen (man könnte auch von Management-Beratung sprechen). Zum anderen ist dies aber auch Beratung zum institutionellen Aufbau des politisch-administrativen Systems (etwa des deutschen Föderalismus), zu Fragen der Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Sektor (z.B. Privatisierung) oder etwa zu allgemeinen Verfahren der besseren Regulierung oder Gesetzesfolgenabschätzung. Im Sinne der klassischen Politik-Unterscheidung könnte man hier von Polity-Beratung sprechen (d.h. es geht um „Verwaltungspolitik“ im Sinne von Policies zur Veränderung der Polity).

  • Strategische und taktische Beratung, bei der es um die Chancenerhöhung im politischen Wettbewerb (etwa im Wahlkampf) geht, also die klassische Domäne von Befragungsfirmen (wie Infas, Forschungsgruppe Wahlen) oder auch von Public-Relations-Beratern (Politics-Beratung).

  • Materielle oder Programmberatung beschäftigt sich schließlich mit der ex ante Ausgestaltung und Planung oder auch ex post Evaluierung und Bewertung politischer Programme und Vorhaben, also von Politikinhalten in allen möglichen Politikbereichen, von der Umwelt- über die Arbeitsmarkt- bis zur Kultur- und Klimapolitik. Dies ist eine Domäne sowohl der natur- wie der sozialwissenschaftlichen oder ökonomischen Politikfeld-Forschung, der jeweils „zuständigen“ Disziplinen, aber natürlich auch der jeweils betroffenen Interessen und Akteure (Policy-Beratung). Dazu gehört auch die klassische Fachberatung, etwa zur Klärung technischer Fragen im Bau- oder Umweltbereich, z.B. welche Kosten eine Bauleistung verursachen wird, wie bestimmte Ökosysteme geschützt werden können, Gutachten zu Sicherheitsfragen oder Bebauungsplänen oder auch die juristische Beratung bei Vertrags- und Schadensersatzfragen (technische Beratung oder Expertise

Akteure der Politikberatung:

  • Kommerzielle Berater, die von der Beratung „leben müssen“, die also auf eine relevante Nachfrage reagieren. Hierzu gehören Consulting-Firmen (wie etwa Roland Berger und McKinsey), aber auch Stadtplaner, Ingenieure oder EDV-Firmen, private Institute (wie Prognos oder Battelle) und die professionellen Meinungs- und Umfrageforscher

  • Potenzielle Anbieter sind etwa Wissenschaftler und wissenschaftliche Institute an Universitäten, Max-Planck- oder Fraunhofer-Institute, die zwar nicht von Politikberatung leben, aber diese Aufträge doch gut als Drittmittelforschung und zur Erhöhung der eigenen Reputation gebrauchen können („Zuerwerbsbetriebe“)

  • Spezialisierte Beratungsinstitutionen sind im Prinzip dazu geschaffen, Politikberatung in einem bestimmten Feld anzubieten, aber reagieren nicht nur auf eine bestimmte Nachfrage; dazu gehören Einrichtungen der Ressortforschung (Umweltbundesamt, Bundesforschungsanstalten, öffentliche Labore etc.), aber auch die Stiftung Wissenschaft und Politik in der Außenpolitik

  • Eigenständige Denkfabriken, wie etwa Brookings in den USA oder das Policy Institute in Großbritannien (vgl. Gellner 1995, Braml 2004) sind in Deutschland noch rar, aber dazu könnte man etwa die Bertelsmann Stiftung zählen.


Verwaltungsreformen


-Der Begriff der Verwaltungsreform erfreut sich insbesondere seit Ende der sechziger Jahre zunehmender Beliebtheit. Er steht für das Bemühen, mit politischen Zielsetzungen der Verwaltung und ihrem schleichenden Wachstums- und Veränderungsprozessen gegenüberzutreten

- Verwaltungsreformen sind geplante Veränderungen von organisatorischen, rechtlichen, personellen und fiskalischen Strukturen der Verwaltung und sind damit weitgehend identisch mit dem Konzept der Verwaltungspolitik

-Verwaltungsreformen sind vor allem Sache der Länder, die für die meisten Verwaltungstätigkeiten zuständig sind. Die Länder organisieren ihre eigene Verwaltung und setzen den Gemeinden über die Gemeindeordnungen einen entsprechenden Rahmen. Der Bund war allerdings lange für die Reform des öffentlichen Dienstrechts zuständig und beeinflusst durch die Ausweitung oder Verlagerung öffentlicher Aufgaben die Verwaltungstätigkeiten der anderen Gebietskörperschaften. Auch die Gemeinden sind keine reinen Vollstreckungseinrichtungen, da sie neben der Organisationshoheit für die eigene Verwaltung auch über nicht unbeträchtliche Handlungsspielräume beim Vollzug von Maßnahmen verfügen.

-Überblicksartig lassen sich acht Phasen

unterscheiden, die im Folgenden näher erläutert werden:

• die „Aktive Politik“ sowie die kommunale Gebietsreform Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre ,

• die Bemühungen um Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung, die Ende der siebziger Jahre begannen ,

• die Diskussionen um Bürgernähe und Bürgerämter , seit Ende der siebziger Jahre,

• die betriebswirtschaftlich inspirierte Binnenmodernisierung der Verwaltung im Zuge des Neuen Steuerungsmodells (NSM) und der New-Public-Managementbewegung (NPM), sowie die Privatisierungs- und Liberalisierungsdiskussionen seit Anfang der neunziger Jahre,

• die Diskussionen um Bürgergesellschaft, Bürgerkommune und den aktivierenden Staat seit Mitte der neunziger Jahre,

• die Neuauflage des Bürokratieabbaus unter dem Schlagwort „bessere Rechtsetzung“ seit Anfang des 21. Jahrhunderts,

• die neueren Verwaltungsstrukturreformen in den Bundesländern seit ca. Anfang 2005 sowie

• die Bemühungen um eine zunehmende Digitalisierung der Verwaltung, ebenfalls seit ca. 2005


Aktive Politik und kommunale Gebietsreform


-Die Phase von der Mitte der sechziger bis Mitte der siebziger Jahre kann als Periode der „Inneren Reformen“ bzw. als Phase der „Aktiven Politik“ angesehen werden

- Gemeinsam war den Innovationsversuchen die Überzeugung, eine modernisierte Verwaltung sei notwendige Voraussetzung für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Die Verwaltung sollte reformiert werden, um die Bedingungen für weitere Modernisierungen zu schaffen, insbesondere sollte sie in die Lage versetzt werden, eine vorausschauende und integrative staatliche Politik zu ermöglichen und zu unterstützen.

- Planung und aktive Politik waren sowohl die Schlagworte der allgemeinen politischen Diskussion (Bildungsplanung, Globalsteuerung, Raumordnung, Infrastrukturplanung etc. bis hin zu Vorstellungen von Investitionslenkung) wie der Verwaltungsreform auf Ebene des Bundes, der Länder und der Gemeinden. Aufgabe des Staates war die Korrektur von Marktversagen oder sogar dessen vorausschauende Verhinderung. Der „organisierte Kapitalismus“ erforderte ein intelligentes, vorausschauendes und aktives politisch-administratives System


-Die verwaltungspolitischen Maßnahmen und Diskussionen dieser Reformperiode, also Finanzreform, Gebiets- und Funktionalreform, Planungsorganisation und Ministerialreform sowie Dienstrechtsreform waren Folge der Handlungs- und Organisationsprobleme des expandierenden Sozialund Interventionsstaates


-Nachdem Gebietsreformen auf der föderalen Ebene, also eine Länderneugliederung, scheiterten, zielte die kommunale Gebietsreform auf die Schaffung leistungsfähiger Verwaltungseinheiten

—>Ausgangspunkt war die Feststellung, dass eine weitgehend dezentrale Aufgabenwahrnehmung nur dann funktioniert, wenn die Territorien der Gebietskörperschaften so beschaffen sind, dass eine Aufgabenübertragung organisatorisch und wirtschaftlich möglich ist. Es bedarf also eines austarierten Verhältnisses von Einwohnerzahl, Verwaltungskraft, demokratischer Legitimation und Infrastrukturmöglichkeiten


-Zur Reduzierung der Zahl der Gemeinden wurden drei alternative Strategien angewandt:

• die Einrichtung von Verwaltungsgemeinschaften auf Grundlage der örtlichen Gebietskörperschaften; • die Schaffung einer zweistufigen Gemeindeorganisation, die eine politische Vertretung auf der Ebene der Orts- und der Gesamtgemeinden vorsieht, sowie

• die Schaffung großflächiger Gemeinden mit Ortsverfassungen.


-Die Gebietsreform führte zu einem gewissen Rückzug der Verwaltung aus der Fläche, zu Zentralisierung und Spezialisierung, damit zum Verlust von räumlicher Nähe und von Allzuständigkeit. Die fachliche Differenzierung wurde für die Qualität der Dienstleistungen als positiv eingeschätzt und war schließlich Sinn der Reform, es war nun möglich, Dienstleistungen mit mehr fachlicher Expertise zu erhalten (Sozialamt, Jugendamt, Bauamt), allerdings bedarf dies der Ergänzung durch eine räumliche Dezentralisierung und Bündelung von einfachen Aufgaben vor Ort.

—>Mehr Bürgernähe, einfache Dienstleistungen vor Ort, komplexere von der Zentrale, gestützt durch leistungsfähige IuK-Technik können daher als Anstöße aus dieser Phase betrachtet werden


-Mit der Schaffung größerer Verwaltungseinheiten durch die Gebietsreform waren eigentlich die Grundlagen für eine Verlagerung der Zuständigkeiten nach unten und für eine Reduktion staatlicher Sonderverwaltungen, die Hauptziele der Funktionalreform, gelegt

-Hierbei geht es um eine Aufgabenverlagerung auf andere Verwaltungsträger nach dem Subsidiaritätsprinzip, z.B. um die Kommunalisierung von Sonderbehörden wie Gesundheitsämtern, Veterinärämtern, Vermessungs- und Katasterämtern und Schulämtern oder die Verlagerung von Rechten auf Bezirksgliederungsebene

Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung


-Der Beginn der nächsten verwaltungspolitischen Themenkonjunktur ist bereits Mitte der siebziger Jahre erkennbar und befindet sich wiederum in Übereinstimmung mit den allgemeinen politischen und internationalen Diskussionen

-Hintergrund dieser neuerlichen verwaltungspolitischen Aktivitäten war die Mitte der siebziger Jahre international und etwas später in Deutschland sich verstärkende neo-liberale Staatskritik, die als größten Hinderungsgrund sozio-ökonomischen Fortschritts nicht länger Marktversagen, sondern im Gegenteil Staats- und Bürokratieversagen identifizierte. International verkörperten Thatcherism (seit 1978) und Reagonomics (seit 1980) diesen Themenwechsel, während in Deutschland der Regierungswechsel noch auf sich warten ließ.

-Aber auch in Deutschland wurde Bürokratisierung der Sammelbegriff für vielfältige Kritik am modernen Wohlfahrtsstaat. Zu nennen sind

• zunehmende staatliche Regelungen, • Gesetzesflut und Verrechtlichung,

• ungebändigte Vermehrung staatlicher Aufgaben und damit Erhöhung der Staatsquote,

• Wachstum des nach den bürokratischen Prinzipien formeller, schriftlicher Regelung und strikter Hierarchie aufgebauten, unpersönlichen Apparats,

• zunehmende Abhängigkeit von Bürgern und privaten Organisationen von staatlicher Verwaltung bis hin zur Entmündigung der Klienten, und schließlich

• zunehmende Tendenz zur Verselbstständigung der öffentlichen Verwaltung.


-Zusammengefasst gab es vor allem zwei zentrale Ansatzpunkte der Kritik: Zum einen Überregelung und Verrechtlichung, also die zunehmende staatliche Intervention in gesellschaftliche Teilbereiche durch Gesetze und Verordnungen, die zur Verschwendung gesellschaftlicher Ressourcen, der Behinderung privater Initiativen und zu einer ständig steigenden Staatsquote führe. Zum anderen die zunehmenden bürokratischen Strukturen und Funktionsweisen der Verwaltung, also Bürgerferne und Amtsschimmel, Unpersönlichkeit und mangelnde Dienstleistungsorientierung, deren Folge auch Entmündigung und Behinderung der Bürger sei


-Gleichzeitig begannen 1978 fast alle Bundesländer, eigene Entbürokratisierungskommissionen einzusetzen, wiederum i.d.R. mit externem Sachverstand. 1983, nach dem Regierungswechsel, kam schließlich auch auf Bundesebene eine „Unabhängige Kommission für Rechts- und Verwaltungsvereinfachung“, nach ihrem Vorsitzenden, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren, auch „Waffenschmidt-Kommission“ genannt, hinzu.

—> Mit dieser Kommission holte die Bundesregierung im Prinzip allerdings nur nach, was fast alle Bundesländer seit 1979 vorexerziert hatten, nämlich eine überfällige Rechtsbereinigung des schwer zu überblickenden Vorschriftendschungels. Viel mehr als Rechtsbereinigung war bei den Entbürokratisierungskommissionen der Länder nicht herausgekommen, und viel mehr kam auch beim Bund nicht heraus


-Aufgrund einer umfassenden Durchsicht der geltenden Rechtsvorschriften durch die zuständigen Bundesressorts wurden in drei Rechtsbereinigungsgesetzen und zwei Rechtsbereinigungsverordnungen 15 Gesetze und 30 Verordnungen ganz aufgehoben sowie 400 Einzelvorschriften in mehr als 100 Gesetzen gestrichen oder vereinfacht. Einzelne Rechtsgebiete wurden eigenständig vereinfacht, z.B. im Steuerrecht oder im Baurecht

-Ab Mitte der neunziger Jahre verstärken sich sowohl auf EU-Ebene als auch in fast allen europäischen Ländern Maßnahmen der besseren Rechtssetzung (better regulation)

Bürgernähe und Bürgerämter


-Parallel zu den Diskussionen um Entbürokratisierung machte seit den siebziger Jahren die Vorstellung von mehr „Bürgernähe“ in den öffentlichen Verwaltungen eine rasante Karriere. In dem Maße, wie staatliche Interventionstätigkeiten zunehmen, Probleme der Leistungsfähigkeit und Steuerbarkeit staatlichen Handelns offensichtlicher werden, Bürger höhere Anforderungen an die öffentliche Verwaltung haben und die Wirksamkeit bestimmter Dienstleistungen von der Mitwirkung der Bürger abhängig ist, bekommen Vorstellungen von einer bürgernahen Verwaltung eine stärkere Bedeutung.

-Bürgernähe bezieht sich dabei in erster Linie auf den Prozess der Politikumsetzung, nicht auf den der Politikformulierung. Bürgernähe avanciert neben den Zielvorstellungen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit zu einem vierten Hauptkriterium, unter dem der Erfolg von Verwaltungshandeln zu betrachten ist. Durch die Veränderung der bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen (Bundesbaugesetzbuch und Städtebauförderungsgesetz) wurde darüber hinaus in den Kommunen ein Ausbau der Bürgerbeteiligungsangebote bei räumlichen Planungsprozessen induziert

-Mit der Idee des Bürgeramts, manchmal auch als Bürgerbüro bezeichnet, entwickelte sich im deutschen Kontext erstmals zwischen 1980 und 1984 in der Stadt Unna ein Modell für eine technisch unterstützte Integration von bürgerbezogenen Aufgabenbereichen, Nachdem es zunächst wenige Nachahmer gab, wurde die Idee zu Beginn der neunziger Jahre, nicht zuletzt im Sog der Reformbewegung des „Neuen Steuerungsmodells“ , durch einen weiteren Modellversuch – diesmal mit dem „Bürgerladen Hagen“ – wiederbelebt und anschließend bundesweit beachtet

-Verwaltungshistorisch haben sich die Bürgerämter aus den früheren klassischen Einwohnermeldeämtern entwickelt. Statt fragmentierter Leistungsangebote, die über mehrere Ämter verteilt sind und die in spezifischen Lebenslagen (z.B. Umzug) nacheinander aufzusuchen sind (etwa Einwohnermeldeamt, Sozialamt, Wohnungsamt, Versicherungsamt, Straßenverkehrsamt), bieten Bürgerämter zahlreiche Dienstleistungen für die Bürger an einer Stelle an


-Blickt man auf die Anfangszeit der klassischen Bürgeramtsidee zurück, so zeigen sich einige zentrale Gestaltungselemente:

  • Aufgabenintegration aus der Sicht der Kunden: Die Anliegen der Bürger werden aus ihrem Lebenszusammenhang heraus definiert und nicht aus der spezialisierten Verwaltungsorganisation. Aufgabenintegration wird also aus einer verwaltungsexternen Sichtweise betrachtet, indem man das Angebot an die Kunden möglichst ganzheitlich gestaltet. Die Aufgabenintegration ist in Bürgerämtern zudem eng gekoppelt an die Allzuständigkeit der Beschäftigten. Wer in ein Bürgeramt kommt, kann bei jedem Mitarbeiter sämtliche Dienstleistungen abrufen.

  • Dezentralisierung der Kommunalverwaltung nach dem Motto: Die Verwaltung soll laufen und nicht die Bürger. Bürgerämter sollen die Kommunalverwaltung in die Stadtteile bringen. Während die Verwaltungsaufgaben zentralisiert werden, wird die Verwaltungsorganisation dezentralisiert. In allen Bürgerämtern kristallisiert sich ein kombiniertes Angebot zwischen einem meist im Rathaus ansässigen zentralen Bürgeramt mit einigen dezentralen Außenstellen heraus.

• Kurze Wartezeiten werden möglich, da bei der Auswahl des Leistungsangebotes darauf geachtet wird, dass die Leistungserstellung eine relativ geringe Bearbeitungszeit hat. Eine abschließende Bearbeitung von Sozialhilfe ist daher z.B. nicht möglich. Weitgehende Öffnungszeiten, zwischen 40 und 45 Stunden die Woche gegenüber ca. 21 Stunden in der sonstigen Verwaltung, sollen dafür sorgen, dass die Bürger jederzeit die Bürgerämter besuchen können. Für Berufstätige wird es möglich, in der Mittagspause oder noch nach Dienstschluss Behördengänge zu erledigen.

• Ein neues Raumkonzept soll dafür sorgen, dass sich die Bürger wohl fühlen und Zugangsängste zur Verwaltung abbauen. Neben freundlichen Wartezonen und Kinderspielecken ist insbesondere die Großraumsituation hervorzuheben, die dazu führt, dass die Bürger den Beschäftigten bei der Arbeit zuschauen können. Dadurch sind die Besucher von Bürgerämtern meist der Auffassung, dass dort schneller Anträge bearbeitet werden als in der übrigen Kommunalverwaltung, und dies auch bei Angelegenheiten, bei denen objektiv gleiche Bearbeitungszeiten festzustellen sind. Für die Beschäftigten bringt das Großraumbüro allerdings neue Belastungen durch die „Präsentiertellersituation“ mit sich.

• Bei der Wahrnehmung neuer Beratungsfunktionen wird in der Regel auf die Nutzung eines Informationssystems, in dem alle Zuständigkeiten, Öffnungszeiten und Voraussetzungen für Dienstleistungen, bezogen auf die jeweilige Stadtverwaltung, gespeichert sind, zurückgegriffen


• Es entsteht eine neue Zusammenarbeit zwischen Backoffice und Frontoffice. Einfache Vorgänge, die keine weiteren Bearbeitungsschritte im Fachamt, dem sog. Backoffice (das Bürgeramt bildet das Frontoffice), erfordern (z.B. Wohnsitzmeldungen, Beglaubigungen, Meldebescheinigungen, Parkberechtigungen), werden abschließend im Bürgeramt bearbeitet. Bei Leistungen, die eine komplexere Bearbeitung erfordern, geben Bürgerämter Vordrucke aus, nehmen die entsprechenden Anträge entgegen und stellen Kontakt zu den zuständigen Ämtern her


-Verändert wurde mit Bürgeramtsstrukturen vor allem die horizontale Arbeitsteilung, also die Aufgliederung von Tätigkeitsverläufen auf der gleichen Hierarchiestufe. Die neue Allzuständigkeit schuf in den Bürgerämtern mehr Abwechslung. Die Fachämter wurden von Publikumskontakten entlastet und können sich verstärkt fachamtsspezifischen Tätigkeiten zuwenden. Aber auch die vertikale Arbeitsteilung, also die Aufteilung in anordnende und ausführende Tätigkeiten, die auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen ausgeführt werden, wurde ein Stück zurückgedrängt. Assistenztätigkeiten, die zuvor von den Schreibdiensten oder der Registratur wahrgenommen wurden, wurden in die Sachbearbeitung reintegriert. Die veränderte Gestaltung der Arbeitsbedingungen in Bürgerämtern brachte für die Beschäftigten dort zwar nicht durchgängig weniger, sondern andere Belastungen mit sich, sie ermöglichte aber insgesamt einen völlig anderen Kundenkontakt

New Public Management und Neues Steuerungsmodell


-Seit Anfang der neunziger Jahre steht die betriebswirtschaftlich inspirierte Binnenmodernisierung der Verwaltung und die Neuausrichtung der Staatsaufgaben nach dem Konzept des „New Public Management“ (NPM) auch in Deutschland auf der Tagesordnung. Begreift man Management allgemein als die Steuerung komplexer Organisationen, so kümmert sich Public Management um die Spezifizierung der Steuerungsprobleme von öffentlichen Organisationen. NPM zielt auf die Analyse und Gestaltung von Managementprozessen einzelner Verwaltungseinheiten ab

-Die deutsche Version des NPM ist unter dem Begriff „Neues Steuerungsmodell“ (NSM) bekannt geworden. Es wurde als Reformmodell für die kommunale Verwaltung zwischen 1988 und 1991 von einer Arbeitsgruppe der KGSt (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung, später umbenannt in Verwaltungsmanagement) entwickelt und dann seit 1991 in einer Vielzahl von Berichten in der (kommunalen) Öffentlichkeit propagiert. Ausgangspunkt der Diskussion über ein NSM war Ende der achtziger Jahre eine zunehmende Unzufriedenheit mit den überkommenen Funktionsweisen und Leistungen der deutschen Kommunalverwaltungen bei Bürgern, Politikern und – vor allem – Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung, insbesondere ihrer Führungskräfte, die von Banner (1998) unter dem polemischen Schlagwort der „organisierten Unverantwortlichkeit“ zusammengefasst wurde

-Gründe für die in Deutschland vergleichsweise relativ späte Rezeption liegen im Fehlen eines akuten Problem- und Handlungsdrucks in den achtziger Jahren, dem relativ günstigen Abschneiden Deutschlands im internationalen Vergleich und in der Existenz einiger institutioneller Regelungen (das föderative System, die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung sowie die Dekonzentration der staatlichen Verwaltungsfunktionen), die lange Zeit einen Modernitätsvorsprung sicherten

—>Die Entwicklung des NSM ist daher auch als „Revolution der Verwaltungschefs“ bezeichnet worden, sie ist im Wesentlichen ein Produkt von Verwaltungspraktikern


-Die Ursache der Probleme des öffentlichen Sektors, so die Diagnose, bestehe vorrangig in einer Reihe von „Steuerungslücken“ (KGSt 1993), z.B. in der Form einer

• Effizienzlücke: fehlende Anreize zur ständigen, effizienten Mittelverwendung,

• Strategielücke: fehlende Orientierung an klaren, mittelfristigen Entwicklungszielen und Prioritäten,

• Managementlücke: fehlender Zwang und fehlende Instrumente zur Leistungsverbesserung, zur Strukturanpassung, zu Ressourcenumschichtungen, zur Anpassung an Nachfrageänderungen,

• Attraktivitätslücke: sinkende Attraktivität des öffentlichen Sektors für engagierte Mitarbeiter, unzureichende Nutzung der vorhandenen Bereitschaft zu Engagement und Kreativität,

• Legitimitätslücke: Unfähigkeit nachzuweisen, dass Verwaltungsleistungen durchaus ihr Geld wert sind, fehlende kontinuierliche Rechenschaftslegung über Effizienz, Zielgenauigkeit und Qualität öffentlicher Leistungen und daher schwindende Akzeptanz in der Öffentlichkeit.


-Der spezifische Charme des NPM entsteht durch die Verbindung der alten Frage nach den Aufgaben des Staates mit neuartigen Anforderungen und Problemlagen für staatliches Handeln in einem stark veränderten internationalen Kontext. Beabsichtigt ist eine Neuorganisation der Aufgabenerledigung durch staatliche und kommunale Institutionen und eine Neubewertung der Staatsaufgaben:

(Mit dem Begriff der Staatsaufgaben werden die von einem Staat konkret übernommenen Zuständigkeiten beschrieben, also die konkreten Tätigkeitsfelder. Dies ist etwas anderes als die Staatsfunktionen, auf die sich diese Aufgaben in der Regel beziehen)

• Zum einen geht es um die Art und Weise der administrativ-organisatorischen Umsetzung von Staatsaufgaben und hier insbesondere um die Einführung einer marktgesteuerten, kundenorientierten öffentlichen Dienstleistungsproduktion, die unter dem Stichwort Binnenmodernisierung diskutiert wird. Die dominierende Frage ist dabei: Wie kann die Effizienz im öffentlichen Sektor gesteigert werden?

• Zum anderen steht die Reichweite staatlicher Politik, eine Neubestimmung öffentlicher Aufgaben und dabei insbesondere die Bestimmung der optimalen Leistungstiefe, Unter dem Begriff „Leistungstiefe“ im öffentlichen Sektor wird analog zur „Fertigungstiefe“ von Industrieunternehmen diskutiert, in welchem Umfang und in welcher Qualität öffentliche Leistungen selbst erstellt werden sollten. Je geringer die Leistungstiefe, umso mehr müssen bei gegebenem Leistungsumfang Teilleistungen von dritter Seite zugekauft werden. Das Spektrum der Leistungstiefe reicht von 100%, einer vollständigen Eigenerstellung durch öffentliche Einrichtungen, bis zu 0%, einem vollständigen Verzicht auf öffentliche Eigenleistungen, im Blickpunkt des Interesses. Hier wird danach gefragt, ob und in welchen Formen staatliches Handeln stattfinden soll.



Bürokratische und zentralistische Steuerung („traditionelle Steuerungspraxis)

Ergebnisorientierte und dezentrale Steuerung („Neues Steuerungsmodell“)

Steuerung über Inputs (Regeln und Ressourcen)

Ziel- und ergebnisorientierte Steuerung (Produktsteuerung)

Ständige Eingriffe ins Tagesgeschäft, Übersteuerung im Detail

Steuerung auf Abstand, Steuerung über Ziele

Organisierte Unverantwortlichkeit (Trennung von Fach- und Ressourcenverantwortung)

Abgestufte Ergebnisverantwortung (Einheit von Fach- und Ressourcenverantwortung)

Übertriebene Arbeitsteilung und Spezialisierung

Gesamtprozess-Optimierung

Orientierung an den internen Erfordernissen des Verwaltungsablaufs

Bürger- und Kundenorientierung

Orientierung an Recht- und Ordnungsmäßigkeit

Umfassende Qualitätsorientierung

Juristische Personalverwaltung

Personalmanagement (Leistungsanreize, Führung, Personalentwicklung)

Kameralistische Haushaltsführung

Transparenz von Kosten und Leistungen (Doppik, Kosten- und Leistungsrechnung)

Präferenz für Eigenerstellung (übertriebene vertikale und horizontale Integration)

Konzentration auf Kernkompetenzen (Gewährleistungsverwaltung, Leistungstiefenpolitik)

Abschottung vom Marktdruck, natürliche und künstliche Monopole

Marktorientierung und Wettbewerb




Gestaltungselemente des New Public Management


-Konsens besteht darin, dass die Grundvoraussetzung für eine systematische Steuerung der Ressourcen die Schaffung organisatorisch abgrenzbarer Einheiten im Sinne von Verantwortungszentren ist (Dezentrale Ressourcenverantwortung). Dezentralisierungs-, Entflechtungs- und Verselbständigungsstrategien kommt daher besondere Bedeutung zu. Ergebnisorientierte Verfahren

- Controlling ist zunächst ein Sammel- und Modebegriff für eine Vielzahl von auf Führungs- und Sachfunktionen bezogene Verfahren. Hier wird Controlling als ein System der Führungsassistenz angesehen, welches der Zielentwicklung, Entscheidungsfindung und Entscheidungskontrolle des Managements durch Informationsversorgung, -bearbeitung und -auswertung dient

—> Controlling versucht, die Führungsfunktionen „Planung“, „Organisation“, „Personal“ und „Kontrolle“ funktional miteinander zu verknüpfen, Geht es um die Gesamtsteuerung einer Organisation im Bereich der Ziel- und Aufgabenentwicklung und Erfolgskontrolle, spricht man von strategischem Controlling. Geht es dagegen um den Aufbau eines effizienten Rechnungswesens und um die Binnensteuerung einzelner Organisationseinheiten, spricht man von operativem Controlling. outputorientiertes Rechnungswesen, Wirkungsanalysen) sind erst dann sinnvoll anwendbar, wenn Organisationseinheiten institutionalisiert sind, denen Kosten und Leistungen zugeordnet werden können. Vorteile dezentraler Strukturen im Sinne von Verantwortungszentren liegen somit im Abbau von Komplexität, in der Schaffung von Transparenz, in der Zurechenbarkeit von Kosten und Leistungen, in der Möglichkeit globaler Budgetierung, in der Herstellung einer Einheit von Entscheidung und Verantwortung und in der Möglichkeit der Institutionalisierung von wettbewerbsadäquaten Mechanismen


-Die strikte Trennung von Politik (policy making) und öffentlicher Dienstleistung (service delivery) steht somit in einem engen Zusammenhang mit der Bildung von Verantwortungs- und Ergebniszentren, Gedacht ist an eine klare Verantwortungsabgrenzung zwischen Politik und Verwaltung.

-In diesem Zusammenhang kommt Konzepten eines Management by Objektives (MbO) bzw. eines Kontraktmanagements eine zentrale Bedeutung zu. Diese Konzepte sind gekennzeichnet durch den Abschluss einer Zielvereinbarung oder eines Kontraktes, in dem für eine bestimmte Periode definiert wird, wer welche Ziele in nachprüfbarer Weise umsetzt.

-Der Begriff des Kontraktmanagements wird dabei sowohl für die neue Beziehung zwischen Politik und Verwaltung als auch für das Verhältnis zwischen Kernverwaltung und ausgegliederten Einheiten (interorganisatorisch) sowie für die Beziehungen innerhalb einer verselbstständigten Einheit (intraorganisatorisch) verwandt.

-Zentrale Maßnahmen zur Optimierung der Führungsfunktion „Personal“ sind die Organisations- und Personalentwicklung (OE bzw. PE). Als Innovations- bzw. Motivationsstrategien kommt ihnen eine wichtige Bedeutung zu. In einer zunehmend komplexen und dynamischen Welt, die mit Schlagworten wie Interdependenz, Unübersichtlichkeit und Vorhersageunsicherheit beschrieben wird, ist eine direkte Steuerung über allumfassende Regeln, von oben nach unten und zeitlich in Plänen festgelegt, nicht mehr zufriedenstellend


-OE ist ein längerfristiger, rückgekoppelter Prozess, der auf ein Lernen der Organisationsmitglieder und der Organisation durch die Änderung von Verhaltens- und Kommunikationsformen zielt. OE ist durch die Einführung von Partizipations-, Kooperations- und Gruppen-elementen und durch die Einbeziehung der Qualifikation der Beschäftigten mit Hilfe von Fort- und Weiterbildungsbemühungen gekennzeichnet.

-PE-Maßnahmen sollen in enger Verzahnung mit Formen der OE die Partizipations- und Selbstorganisationschancen der Beschäftigten erhöhen, mit dem Ziel einer Sensibilisierung für notwendige Organisationsinnovationen, einer Einbeziehung ihrer Qualifikationsentwicklung in organisatorische Innovationsprozesse und letztlich eines verbesserten Outputs an personaler Leistung. Dazu dienen kooperative Führungsstrukturen, Verfahren direkter Arbeitnehmerbeteiligung sowie ein Set von Anreiz- und Motivationssystemen wie die Personalbeurteilung, die Fort- und Weiterbildungsplanung sowie die Karriere- und Verwendungsplanung. Auch Unternehmenskulturansätze (Corporate Identity, CI) können als PE-Maßnahmen angesehen werden.1


-Neben den binnenorientierten Veränderungsstrategien im Bereich der Organisationsstrukturen, Verfahren und Personen erscheinen aus der Sicht des NPM ergänzende Maßnahmen zur Steigerung der Produktqualität und Kundenorientierung nötig. Dabei wird im Wesentlichen auf zwei konzeptionelle Ansätze zurückgegriffen: Das Total Quality Management (TQM) und das Management by Competition (MbC). —>Total Quality Management gilt als Konzept zur systematischen Erreichung eines höchstmöglichen Qualitätsgrades betrieblicher Produkte und Leistungen. Es wurde Anfang der achtziger Jahre in den USA aus Japan mit großem Erfolg reimportiert. Wesentliche Prinzipien sind die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Kunden, die permanente Verbesserung von Produkt-, Service- und Informationsqualitäten und die Optimierung der Arbeitsabläufe.

-Ansätze einer Konkurrenzbürokratie (Management by Competition, MbC) sollen die traditionelle Bürokratie entflechten und marktwirtschaftliche Mechanismen fördern. Erhofft wird sich eine Steigerung von Produktivität und Kundenorientierung durch die Installierung interner und externer Wettbewerbsstrukturen und die Vornahme von Leistungsvergleichen. Unterschieden werden Wettbewerbsstrukturen zwischen privaten Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Sektors (intersektoriell), zwischen den Organisationen des öffentlichen Sektors (interorganisationell) sowie zwischen den Organisationseinheiten im öffentlichen Sektor (intraorganisationell)

Ansatzpunkt

Maßnahmen

Organisationsstrukturen

Dezentralisierungs-, Entflechtungs- und Verselbstständigungsstrategien

Verfahren

Ergebnisorientierung durch Kosten-/Leistungsrechnung Controlling, outputorientiertes Rechnungswesen und Wirkungsanalysen Kontraktmanagement: Trennung von Politik und Verwaltung durch klare Verantwortungsabgrenzung

Personal

Organisationsentwicklung durch die Einrichtung von Partizipations-, Kooperations- und Gruppenelementen und den Einbezug externer Beratung Personalentwicklung durch Personalbeurteilung, Fort- und Weiterbildungsplanung, Karriere- und Verwendungsplanung und die Herausbildung einer Corporate Identity (CI)

Außenverhältnis

Ausbau der Kundenorientierung durch Total Quality Management (TQM) und Management by Competition (MbC)


Erfolge und Probleme von NSM


-Wesentliche Ergebnisse der erwähnten Evaluationsstudie zum NSM waren:

• Zweifelsohne haben die deutschen Kommunen seit Beginn der 1990er-Jahre die Modernisierung ihrer Verwaltungen beachtlich vorangetrieben. Es gab in den deutschen Kommunen eine breite Verwaltungsmodernisierungsbewegung. Den Reformpromotoren ist es gelungen, die intensive Beschäftigung mit einer im Kern betriebswirtschaftlich ausgerichteten Binnenmodernisierung in den deutschen Kommunen durchzusetzen. Zahlreiche Maßnahmen wurden in die Wege geleitet, manches war erfolgreich, aber es gibt auch viele Problemlagen, insbesondere im Bereich der Beschäftigtenmotivation. Eine wirklich neue Steuerung, also ein umfassender „Paradigmenwechsel“ der deutschen Verwaltung vom weberianischen Bürokratiemodell zum New Public Management ist nicht festzustellen.


• Der Modernisierungsstand und die Modernisierungsergebnisse in den deutschen Kommunen sind durchaus unterschiedlich. Zwar wurde bewusst darauf verzichtet ein Modernisierungsranking vorzulegen, allerdings gibt es einige wichtige Erklärungsfaktoren für die Unterschiede. Exogene Erklärungsfaktoren sind die Größe der Verwaltungen (am modernisierungsaktivsten sind mittlerweile die Großstadtverwaltungen) und der Ost-West-Faktor (anhaltender Modernisierungsrückstand ostdeutscher Kommunen durch die spezifische Situation der ostdeutschen Kommunen nach der Wiedervereinigung). Der Druck durch Haushaltskonsolidierung war zwar häufig Auslöser der Reformen, doch auch Kommunen mit vergleichsweise guter Haushaltslage zeigen gute Modernisierungsergebnisse, vor allem in den Bereichen Personalmanagement und Kundenorientierung, während sich Kommunen mit schwieriger Haushaltslage überwiegend auf betriebswirtschaftlich orientierte Reformelemente konzentrieren.

—>Von den endogenen Erklärungsfaktoren erweisen sich insbesondere die Einrichtung eines Modernisierungsmanagements als „Parallel-Organisation“ und eine ausgeprägte Mitarbeiterbeteiligung als erfolgssteigernd. Zudem kommt der Verwaltungsführung (Profil, Rollenverständnis und Durchsetzungsfähigkeit) eine zentrale Rolle für den Modernisierungsprozess zu, im Guten wie im Schlechten. Bürgermeisterwechsel in den Jahren nach 1999 führten häufig zu einem Rückbau der Modernisierungsmaßnahmen, was Ausdruck einer zunehmenden NSM-Skepsis bei neu ins Amt tretenden Verwaltungschefs sein dürfte.

• Ist es nun durch das NSM zu Einsparungen und Effizienzgewinne, zu einer Verbesserung von Servicequalität, Verfahrensdauer, Kundenfreundlichkeit und insgesamt zu einer Stärkung der politischen und gesamtstädtischen Steuerung gekommen? Zunächst werden von den kommunalen Akteuren Effizienzgewinne und Einsparungen konstatiert. Eine intensivere Betrachtung im Rahmen von Fallstudien fördert hier allerdings keine eindeutigen Einsparerfolge zutage. Effizienzgewinne und Einsparungen in Teilbereichen und insbesondere eine erhöhte Kostensensibilität sind zwar in zahlreichen Kommunen eingetreten. Stellt man aber die mit der Verwaltungsmodernisierung entstehenden Kosten durch Sach- und Personalaufwand in der Planung, bei der Einführung und im laufenden Betrieb in Rechnung, fällt die Gesamtbilanz eher negativ aus.

—>Auf der Outputseite hat es zweifelsohne sichtbare Verbesserungen gegeben. Ausweislich der Umfrageergebnisse hat vor allem der Umbau der Organisationsstruktur (insbesondere die Einführung von Fachbereichsstrukturen, der Abbau von Hierarchieebenen sowie der Übergang zu Teamstrukturen) zu markanten Outputverbesserungen geführt. Augenfällig ist eine stärkere Bürger- und Kundenorientierung, die vor allem auf den Siegeszug des Bürgeramtskonzeptes zurückzuführen ist. Weiterhin sind auf der Outputseite zahlreiche sektorale Bereiche zu nennen, in denen es durch eher klassische Maßnahmen der Organisationsentwicklung zu deutlichen Leistungsverbesserungen und Verfahrensverkürzungen kam.


• Die angestrebten Veränderungen hinsichtlich der politischen Steuerung und einer verstärkten Mitarbeiterorientierung konnten kaum realisiert werden. Die Verbesserung der gesamtstädtischen politischen Steuerung ist das am seltensten bearbeitete Problemfeld im Neuen Steuerungsmodell und dort, wo Bestrebungen unternommen wurden, erzielt man selten positive Ergebnisse. Die vielfältigen Bemühungen um eine verbesserte Outputsteuerung haben zwar die Transparenz des Verwaltungshandelns erhöht, ohne dass es zu einer wirklichen Ablösung der „klassischen“ Input- und Regelsteuerung gekommen ist. Viele Kommunen haben bessere Kenntnisse im Hinblick auf Verwaltungsleistungen, Kosten und wichtige „Wirtschaftskennzahlen“ der Verwaltung. Es zeigt sich aber, dass eine bessere Transparenz und Informationslage nicht automatisch zu besserer Steuerung führen.

—>Die lokalen Vertretungskörperschaften sind aus nachvollziehbaren Gründen nicht willens, sich auf die im NSM geforderte Steuerung auf Abstand einzulassen. Gleichzeitig zeigen sich in den Kommunen zahlreiche zentrifugale Tendenzen, ausgelöst einerseits durch die Dezentralisierungspolitiken im Rahmen des NSM

,denen keine adäquaten Steuerungsverfahren entgegengesetzt werden und die so zu einer verwaltungsinternen Abkopplung der Fachbereiche von gesamtstädtischen Zielen führen. Insgesamt ist eher von Steuerungsverlusten auszugehen, denen nur unzureichende Anstrengungen entgegengesetzt werden, um die Steuerungsfähigkeit etwa durch effektives Controlling und Zielvereinbarungen zu re-etablieren.


-Die Kommunalverwaltungen waren im Jahr 2005 ohne jeden Zweifel vor allem bürger- und kundenorientierter: Zu denken ist insbesondere an die Schaffung von Bürgerbüros, Verfahrensbeschleunigung oder die Stärkung professioneller Konzepte im Sozial- und Jugendhilfebereich,Allerdings waren dies keine originären Kernelemente einer betriebswirtschaftlichen „Neuen Steuerung“, obgleich sie wahrscheinlich ohne das NSM nicht in diesem Maß umgesetzt worden wären. Die Verwirklichung des NSM als Reformkonzept war vielfach ins Stocken geraten, beschränkte sich auf „Modernisierungsinseln“ und die selektive Umsetzung einzelner Instrumente. Hierfür waren neben schlechten finanziellen Rahmenbedingungen insbesondere die konzeptionellen Mängel eines zu stark betriebswirtschaftlich ausgerichteten Modells ursächlich

-Anstatt modernisierter Verwaltungsstrukturen war daher vielfach gerade in den Kommunen, die sich zwischenzeitlich auf diese zubewegt hatten, eine Rückkehr zu bürokratischen Strukturen und Prozessen, also zu Max Weber festzustellen. Auf die (unbeabsichtigten) Folgeprobleme der NSM-Reform wurde in den Pionierkommunen entweder dadurch reagiert, dass man die neuen Strukturen und Verfahren bewusst „zurückbaut“ oder dass man im Verwaltungsalltag sukzessiv wieder auf altbewährte Handlungsroutinen vertraut.

-Derartige Implementationsprobleme lassen sich auf zweierlei Weise erklären:

—> Entweder sie hängen damit zusammen, dass eine an sich richtige Theorie unzulänglich implementiert wird. Hier wird dann z.B. darauf aufmerksam gemacht, dass das Modernisierungsmanagement schlecht konzipiert ist (keine Freistellungen, keine Kompetenzen, falsche organisationsinterne Ansiedlung), dass es an der Prozessorientierung fehlt oder dass die Beschäftigten unzureichend einbezogen werden.

—> Oder aber Implementationsprobleme erklären sich daraus, dass die zugrunde liegende Theorie falsch ist. Hier wird dann darauf aufmerksam gemacht, dass öffentliches Verwalten spezifischen Besonderheiten unterliegt, die im betriebswirtschaftlich ausgerichteten Public Managementmodell nicht berücksichtigt würden und in der Modernisierungspraxis zu Problemen führen

-Reformprotagonisten betonten, dass die Verwaltungen durch das NSM effizienter geworden seien, gestanden aber zu, dass das Modell nicht seine volle Effizienzwirkung entfalten konnte. Allerdings sei dies nicht auf Fehler im Konzept zurückzuführen, sondern ein Implementationsproblem in den Kommunen (KGSt 2013). Die kommunalen Akteure pickten sich aus dieser Perspektive nur die Teile aus dem Gesamtkonzept heraus, die ihren Interessen entsprachen bzw. die keine massiven Akteurswiderstände erwarten ließen. Weil das Modell nicht ganzheitlich umgesetzt wurde, konnte es demnach nicht seine volle positive Wirkung entfachen.

-Je politiknäher und je weniger standardisiert der Verwaltungsbereich, desto unangebrachter ist die Übertragung des privatwirtschaftlichen Managementmodells. Dies ist auch einer der wesentlichen Gründe für die weitaus geringere Implementationsdichte in Ministerien


—>Insgesamt herrscht mittlerweile in der verwaltungswissenschaftlichen Forschung weitgehend Einigkeit darüber, dass der Reformdiskurs des NPM nicht zu jener allumfassenden Konvergenz der Verwaltungssysteme in Richtung eines managerialistischen Staates oder Gewährleistungsstaates geführt hat, die von manchen vorausgesagt und erwartet worden war.

Privatisierung und Liberalisierung öffentlicher Aufgaben


-Seit Ende der neunziger Jahre verdichten sich dann vor allem auf kommunaler Ebene Tendenzen, Aufgabenbereiche kommunaler Daseinsvorsorge, z.B. im Bereich der Energie- und Wasserversorgung, der Abfallentsorgung sowie des Öffentlichen-Personen-Nahverkehr (ÖPNV), zunehmend dem Wettbewerb zu öffnen bzw. zu privatisieren. Diese Aufgabenbereiche waren in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts überwiegend von der öffentlichen Hand wahrgenommen worden.

-Nun geraten sie einerseits durch europäische Vorgaben einer Politik der Liberalisierung von Märkten unter Wettbewerbsdruck. Dies gilt namentlich für die schrittweise Liberalisierung in den sogenannten Netzwirtschaften mittels sektorspezifischer EG-Richtlinien (vor allem: Strom- und Gasversorgung; ansatzweise auch: Abfall- und Wasserwirtschaft, ÖPNV). Sektorübergreifend wirken zudem die Vorgaben des EU-Beihilferechts (Art. 87 EG) und des europäischen Vergaberechts mit der Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung „öffentlicher Aufträge“.

-Am weitesten fortgeschritten ist die Liberalisierung des Energiemarktes, in dem durch den diskriminierungsfreien Zugang zu den Leitungsnetzen in Form von Durchleitungsrechten der Wettbewerb verstärkt wurde

-im Bereich der Wasserver- und -entsorgung gibt es keine wahrnehmbaren Veränderungen, allerdings zwischenzeitlich Überlegungen auf Bundesebene, die kommunalen Wassermonopole abzuschaffen, um Deutschland für den internationalen Wettbewerb um die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung vorzubereiten. Dabei geht es jedoch nicht um einen Wettbewerb um Einzelkunden wie im Energiebereich, sondern um einen Wettbewerb um Konzessionen für Versorgungsgebiete

-Im Bereich der Abfallentsorgung weisen europäische Richtlinien in Richtung eines stärkeren Wettbewerbs der Abfall- und Kreislaufwirtschaft, die dem Ziel einer Entsorgung mit möglichst geringen Stoff- und Verkehrsströmen nicht immer entspricht.

-Im Bereich des ÖPNV verpflichten europarechtliche Vorgaben die öffentlichen Aufgabenträger unmittelbar, gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen im Personennahverkehr im Wettbewerb zu vergeben.

-Allerdings leidet der ÖPNV, wie erwähnt, unter der geringeren Subventionierung durch die Veränderungen im Energiebereich. Tendenziell droht in liberalisierten Märkten, so die Kritiker dieser Prozesse, ein umwelt-politisches „race to the bottom“ im Bereich des Klimaschutzes, der Abfallvermeidung oder der Qualität der Wasserversorgung. Zudem bedeuten die umfassende Marktöffnung von Ver- und Entsorgungsnetzen und die Einbeziehung privater Unternehmen in die Erstellung kommunaler Daseinsvorsorge nicht automatisch den Wegfall öffentlicher Verantwortung für diese Aufgabenbereiche. Denkbar sind auch neue Formen der Regulierung, ein neues institutionelles Arrangement zwischen Staat, Markt und gesellschaftlicher Teilhabe. Die Privatisierungseffekte, die von der EU bisher ausgehen, sind quantitativ zudem bisher weniger bedeutsam als die von den Gemeinderäten selbst im Zuge der Haushaltskonsolidierung beschlossenen Privatisierungsvorhaben.

-Neben Privatisierungstendenzen finden sich vor allem auf kommunaler Ebene seit Anfang der neunziger Jahre in zunehmendem Maße auch Public-Private-Partnerships (PPP bzw. ÖPP für Öffentlich-Private Partnerschaft). Unter PPP werden Kooperationen zwischen staatlichen, privat-gewerblichen und nicht-staatlichen Akteuren zur Erstellung bestimmter Leistungen verstanden, die durchaus unterschiedliche Formen annehmen können und dadurch charakterisiert sind, dass unterschiedliche Handlungslogiken in einer gemeinsamen Zielperspektive vermittelt werden

—>In den neunziger Jahren sind PPP zudem durch verschiedene öffentliche Programme und Vorgaben auf europäischer, nationalstaatlicher und regionaler Ebene gefördert worden. Erinnert sei z.B. an den Wettbewerb „Lernende Regionen“, das Bundesprogramm „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“ oder die PPP-Initiative des Landes NRW

-Seit Beginn des neuen Jahrtausends ist also die Hochzeit der Privatisierung zu Ende. Damit beginnt auch eine partielle „Rückkehr des Öffentlichen“ durch Re-Regulierung, Re-Kommunalisierung und Vermögensrückkäufe, Die Gründe liegen in negativen Auswirkungen von Privatisierungsprogrammen (Steuerungsdefiziten, Qualitätsverlusten, Leistungseinschnitte) und einem anderen Verhältnis zum Staat (höhere Akzeptanz staatliche Regulierungen durch die Bewältigung der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise). Allerdings variieren Ausmaß und Intensität dieses „Pendelrückschwungs“ erheblich zwischen Ländern, Verwaltungsebenen und Sektoren

Bürgergesellschaft, Bürgerkommune und aktivierender Staat


-Auf lokaler Ebene wird das Modell der Dienstleistungskommune zu dem der Bürgerkommune weiterentwickelt, auf Landes- und Bundesebene wird versucht, das Konzept des „aktivierenden Staates“ mit Leben zu füllen. Dabei ist unverkennbar, dass die öffentliche Debatte wieder „politischer“ wird. Die ökonomistisch geprägten Probleme, Werte und Lösungen der neunziger Jahre sind nicht vergessen und auch nicht verdrängt, aber sie werden ergänzt und zum Teil überlagert durch eine verstärkt gesellschaftliche und politische Sicht der Probleme staatlicher Modernisierung und Steuerung. Hinter diesen Themenwechseln stehen auch Lernprozesse, nicht nur die Aufmerksamkeitszyklen öffentlicher Debatten und der Versuch der politischen Entlastung

-Beobachtbar sind zunehmende Versuche, die Bürger (wieder) in die öffentliche Dienstleistungsproduktion einzubeziehen

-Zu nennen sind neue Formen der Selbstverwaltung durch Bürger und Vereine (Clubhäuser, Schwimmbäder, Sport- und Freizeitanlagen, Senioreneinrichtungen, Sport- und Kulturveranstaltungen), Formen der Selbstorganisation und Selbsthilfe von Vereinen und Initiativen (Selbsthilfegruppen) und Kooperationen mit Politik, Verwaltung und professionellen Stellen in den Bereichen Gesundheit, Drogenabhängigkeit, Behinderung, Arbeitslosigkeit; Initiativen zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität im Bereich Spielanlagen, Sauberkeit, örtliche Sicherheit, Kultur u.a., Durchführung von Sanierungsarbeiten in Schulen und Kindergärten) sowie die Förderung individuellen Engagements (Tauschbörsen nichtmarktlicher Dienstleistungen; Freiwilligenzentren;

-In der Bürgerkommune soll die Ablösung der traditionellen Innensicht, der Produzentensicht, der Herstellerperspektive zu Gunsten einer Außenorientierung, einer Nutzersicht, einer Verwendungsperspektive im Vordergrund stehen. Nicht die Frage, wie die Verwaltung am einfachsten und am korrektesten verschiedene Leistungen erstellt, sondern die Frage, welchen Nutzen öffentliche Angebote und Leistungen für Kunden und Bürgerschaft haben, soll in den Mittelpunkt der Verwaltungstätigkeit rücken.

—>Dazu gehört neben dem kundengerechten Zugang zu Leistungen und der Beschleunigung und Vereinfachung von Verfahren die stärkere Berücksichtigung von Nutzerinteressen (Bedarfsermittlung) sowie der Ausbau von Bürgerbeteiligungselementen. Letztlich beinhaltet das Leitbild der Bürgerkommune, dass zusätzlich zum erfolgten Ausbau der Kundenorientierung eine notwendige Ergänzung repräsentativer Entscheidungsformen durch Elemente direkter und kooperativer Demokratie erfolgt


-Beim Ausbau bürgerschaftlichen Engagements sind daher vor allem drei Empfehlungen zu berücksichtigen:

• Die Beteiligungsangebote müssen an den im Zuge des Wertewandels veränderten Bedürfnissen und Interessen der Bürger ansetzen. Der Hinweis darauf, dass durch mehr Bürgerengagement die Stadt in einigen Bereichen Haushaltsmittel sparen oder bedarfsgerechter einsetzen kann, motiviert die Bürger allein selten zur Beteiligung. Diese häufig aus Sicht der kommunalen Entscheidungsträger zentralen Argumente müssen durch eine Perspektive „von unten“ ergänzt werden, damit die Beteiligungsangebote von den Bürgern tatsächlich angenommen werden bzw. zu einem nachhaltigen Umgang mit Beteiligungsressourcen führen. Ziel eines nachhaltigen Umgangs ist, dass die Bereitschaft der Bürger, nach der Teilnahme an Beteiligungsangeboten auch zukünftig zu partizipieren, gestärkt werden soll. Dafür muss das Engagement Spaß bzw. subjektiv „Sinn“ machen und Beteiligungsergebnisse müssen hinterher (zumindest zum Teil) auch umgesetzt werden


-Die Beteiligungsangebote sollten darauf abzielen, dass möglichst viele Bevölkerungsgruppen vertreten sind. Werden lediglich die Bürger erreicht, die sich bereits in verschiedenen Institutionen engagieren, bietet man lediglich den bereits weitgehend sozial integrierten und durchsetzungsfähigen Bürgern – also den „üblichen Verdächtigen“ ein zusätzliches Sprachrohr. Will man hingegen die Legitimität des politischen Systems erhöhen, muss man gerade die Bevölkerungsgruppen erreichen, die sich nur wenig am politischen System beteiligen:

• Zur Gestaltung dieses Prozesses bedarf es eines vorausschauenden Partizipationsmanagements, in dem die kommunalen Entscheidungsträger die Beteiligungsangebote dementsprechend zuschneiden und aktiv unterstützen. Die Umsetzung der Beteiligungsergebnisse wird zu der zentralen Aufgabe der kommunalen Entscheidungsträger. Darüber hinaus sollen die Beteiligungsthemen so zugeschnitten werden, dass die Bürger nicht überfordert werden. Die Beteiligung bezieht sich somit eher auf die kleinräumige Planung, konkrete Projekte oder Mitwirkung in öffentlichen Einrichtungen in den Stadtteilen.

—>Grundlegende Konflikte, wie z.B. Standortkonflikte sind dagegen durch kooperative Beteiligungsprozesse nicht lösbar und sollten deshalb möglichst bewusst ausgeklammert werden (dies erklärt auch viele Problemlagen der Beteiligung beim Ausbau der Stromtrassen). Es sollte um das kurzfristig im Konsens auch mit dem Stadtrat Machbare gehen, für das die Mitarbeit interessierter Bürger und anderer wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure eingeworben werden kann.

-Die ersten Berichte zur Umsetzung der Leitlinien für Bürgerbeteiligung zeigen, dass diese durchaus zu einer verbindlicheren Umsetzung der Bürgerkommune beitragen können. Allerdings sollte man die Beteiligungsbereitschaft der Bürger und die Bekanntheit der Leitlinien nicht überschätzen, Zudem wird gerade für größere Kommunalverwaltungen auf den Ressortegoismus der Fachverwaltungen hingewiesen, die die Kontrolle über Beteiligungsverfahren nicht abgeben wollen, Als weiteres Problem stellt sich die starke Parteipolitisierung in der großstädtischen Kommunalpolitik dar, die abschreckend auf engagierte Bürger wirken kann und einen gemeinsamen Konsens über die Umsetzung der Leitlinien erheblich erschwert

Normenkontrollrat/ Bürokratieabbau


-Schon von der rot-grünen Koalition wurden nach 2002 die Aktivitäten im Bereich Bürokratieabbau neu aufgegriffen und aufgestellt. Hintergrund war dabei sicherlich auch, dass die verschiedenen staatlichen Modernisierungsbemühungen, insbesondere in Verbindung mit Out-sourcing und Privatisierung, zumindest in den Augen einiger Beobachter einen Bedarf an Re-Regulierungen mit sich bringen und daher in die Richtung eines neuen „regulatory state“ weisen

-Zunächst wurden die Bemühungen um „Gesetzesfolgenabschätzung“ noch einmal verstärkt , und die Große Koalition nach 2005 machte sich dann genau diese allgemeinen Aspekte der besseren Regulierung zu eigen. 2006 etablierte sie nach niederländischem Vorbild die Institutionalisierung eines unabhängigen Gremiums zur Bürokratiekostenmessung und -reduktion (Nationaler Normenkontrollrat, NKR) sowie die Übernahme des auch in den Niederlanden entwickelten Standardkosten-Modells (SKM)


- Mit der Gründung des NKR wurden Maßnahmen der besseren Rechtssetzung stärker institutionalisiert. Zwar wurde eine integrierte GFA schon im Jahr 2000 erstmalig in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) formal verankert, aber die wesentlichen Maßnahmen im Bereich der besseren Rechtssetzung hängen eng mit dem NKR und seiner Entwicklung zusammen

-Mit der Einführung des NKR als ein beim Bundeskanzleramt angesiedeltes unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung im Jahr 2006 wurde zunächst die ex ante Bürokratiekostenmessung etabliert. Die zu erwartenden Bürokratiekosten neuer Bundesgesetze für Unternehmen, Bürger und die Verwaltung müssen seitdem im Rahmen der GFA abgeschätzt und auf dem Gesetzesvorblatt dokumentiert werden. Ziel war die Reduktion von 25% der Bürokratiekosten bis 2012, welches erreicht werden konnte. Seitdem sind die Bürokratiekosten nach Angaben des Bürokratiekosten-Indexes (BKI) des Statistischen Bundesamtes nur minimal (um weniger als 1%) verringert worden

-Seit 2011 müssen nicht nur die Kosten aus Informationspflichten ermittelt werden, sondern auch die Kosten für inhaltliche Pflichten und Veränderungen als so genannter Erfüllungsaufwand eines Gesetzes. Zudem werden nicht nur die Kosten für Unternehmen, sondern auch für Bürger und Verwaltungen erfasst. Der Erfüllungsaufwand umfasst den messbaren Zeitaufwand und die Kosten, die durch die Befolgung einer bundesrechtlichen Vorschrift bei Bürgern, Unternehmen sowie der öffentlichen Verwaltung entstehen

-Bürokratiekosten werden im SKM definiert als diejenigen Kosten, welche Unternehmen durch auf staatliche Regulierungen zurückzuführende Informationspflichten (z.B. das Ausfüllen von Anträgen oder das Führen von Statistiken) entstehen

-Die informelle Beratungspraxis des NKR im Bereich der Gesetzgebung umfasst die Arbeits- und die politische Ebene und erstreckt sich über drei Eskalationsstufen: Wenn das Ratssekretariat nach

eigener Einschätzung die übermittelten Daten anzweifelt oder eine aufwandsärmere Lösungsalternative erkennen kann, bemüht es sich zunächst, den Rechtsetzungsreferenten und seinen Referatsleiter von einer Änderung am Regelungsentwurf zu überzeugen.

—>Bleibt der Erfolg aus, beteiligt das Sekretariat den Berichterstatter oder den Vorsitzenden des NKR, die dann mit dem zuständigen Abteilungsleiter oder Staatssekretär ins Gespräch eintreten. In seltenen Fällen, wo auch hier keine Einigung erzielt wird, bezieht der Ratsvorsitzende den Minister in die Verhandlung ein,

-Schließlich kann der NKR eine eigene Stellungnahme zur Kabinettsvorlage vorlegen. In seinem jährlichen Bericht führt der NKR den von der gesamten Bundesregierung erzeugten jährlichen Erfüllungsaufwand auf und geht dabei auf die Entwicklung im Berichtszeitraum und seit Beginn der Schätzung des Erfüllungsaufwands im Jahr 2011 ein

-Insgesamt setzt der NKR auf eine kooperative Zusammenarbeit mit den Ressorts. Es wird versucht Kabinettsbefassungen mit unterschiedlichen Ansichten über eine Gesetzesfolgenabschätzung möglichst zu vermeiden. Stattdessen wird versucht auf Arbeitsebene bereits im Rohentwurfsstadium in die Gesetzvorhaben eingebunden zu werden und Einfluss auf die Gesetzesfolgenabschätzung oder den Regelungsentwurf selbst zu nehmen. Im Prinzip ist der NKR daher ähnlich wie die Ressorts in die Vorabstimmung der Gesetzesvorhaben eingebunden. So werden im Gespräch mit dem NKR die verantwortlichen Referenten und letztendlich die Kabinettsmitglieder in die Lage versetzt, eine bevorstehende negative Stellungnahme des NKR zu verhindern. Dies stärkt die Arbeit des NKR, denn nur so können die Ressorts kabinettsinterne, parlamentarische oder öffentliche Kritik abwenden.


-2015 wurde ergänzend zu den bisherigen Regelungen als weiterer Schritt das Prinzip „One-in – one-out“ etabliert. Es soll dafür sorgen, dass Belastungen durch neue Gesetzesvorhaben durch Entlastungen in gleicher Höhe kompensiert werden müssen. Durch den „One-in – one-out“-Monitor soll versucht werden, dass ein Mehr an jährlichem Erfüllungsaufwand transparent und spätestens bis zum Ende einer Legislaturperiode durch eine Entlastung in gleicher Höhe ausgeglichen wird. Trotz positiver „One in – one out“- Bilanz sind nach Ansicht des NKR die Unternehmen unzufrieden, da fast die Hälfte des Erfüllungsaufwands aus Umsetzung von EU-Recht resultiert

-Insgesamt kann die Etablierung des NKR und ihre zunehmende Aufgabenanreicherung durchaus als „Erfolgsgeschichte“ gewertet werden. Hinzu kommt, dass der NKR seine Beratungskapazitäten auch in anderen Bereichen der besseren Rechtssetzung nutzt. So widmet er sich seit 2015 vor allem dem Bürokratieabbau durch ein wirksames E-Government. Zweifellos ist das Bewusstsein über Normensetzung und seine Folgen in der Bundesverwaltung durch den Zwang, diesen Aufwand zu ermitteln und zumindest gegenüber dem NKR zu rechtfertigen, deutlich verstärkt worden. Dennoch hat der NKR kein Vetorecht.

—>Wenn Gesetzesvorlagen politisch erwünscht sind und zudem häufig nach Kompromissen in Koalitionsrunden oder im Vermittlungsausschuss entstehen (wie zuletzt die Klimaschutzgesetze), werden Fristen so stark verkürzt, dass komplexe Regelungen nicht mehr geprüft werden können,. Politische Verhandlungspakete haben zudem die Besonderheit, dass sie im Nachhinein kaum noch verändert werden, auch wenn die bürokratischen Kosten hoch sind.

-Während auf dem Feld der ex ante Erfassung des Erfüllungsaufwandes und durch die „One-in – one-out“ Regelung deutliche Fortschritte erzielt wurden, verläuft die Identifizierung von Bürokratieabbaumaßnahmen in bereits bestehenden Rechtsvorschriften nach wie vor schleppend, Konkrete Abbaumaßnahmen stoßen immer auf den Widerstand derjenigen Akteure, die von den betreffenden Regulierungen profitieren, so dass nur wenig neue Abbaumaßnahmen tatsächlich durchgesetzt werden

Grundkonflikt Spezialisten vs Generalisten


-Um dies zu erklären, kommen wir wieder auf einen Grundkonflikt zurück, die Konkurrenz zwischen sektor-spezifischen Interessen und Befürwortern bestimmter Regulierungen, und den eher allgemeinen, generellen Interessen und Befürwortern von weniger Staat und weniger Regulierung

-Dieser Gegensatz zwischen „Spezialisten“ und „Generalisten“ ist bekannt aus der Debatte über Haushaltskonsolidierung und Subventionsabbau (weniger Staat), wo bekanntlich Haushalts- und Subventionskürzungen sich generell großer Beliebtheit erfreuen, allerdings erbittert bekämpft werden, wenn konkrete Besitzstände angegriffen werden.




Spezialisten

Generalisten

Gesellschaftliche Akteure:

• Produzenten

• Konsumenten

• Klienten

• Adressaten

Vertreter spezieller

• Interessen

• Sektoren

• Regionen

Vertreter

• „allgemeiner Interessen“

• „Beraterinteressen“ (z.B. Forschungsinstitute, Beratungsfirmen, Wissenschaft

Administrative Akteure:

• Regulatoren,

• Kontrolleure,

• Implementeure

• Fachbehörden • Agencies

•Querschnittsbehörden (Regierungszentralen, Finanzministerien)

Politische Akteure:

• Promotoren

• Interessenvertreter

• Politische Entrepeneure

• Fachpolitiker

•Fachausschüsse

Querschnittspolitiker

• Haushaltsausschuss

Unterstützung durch Interessen-

• -artikulation

• -mobilisierung und

• -vertretung

• Konzentiert

• Organisiert

• Mobilisiert

• Geringe Transaktionskosten

• Geringe Kollektivgutprobleme

Diffus

• Kaum-organisiert

• Schwer zu mobilisieren

• Hohe Transaktionskosten

•Kollektivgutproblematik

Expertise

• Hoch

• Detailliert

•politikfeldspezifisch

• Breit

• Allgemein

•politikfeldübergreifend

-davon auszugehen, dass sich bestehende Regulierungen in politischen Entscheidungsprozess durchgesetzt haben, weil Handlungsdruck auf das politisch-administrative Entscheidungssystem ausgeübt wurde, insbesondere durch Akteure mit spezifischen und substantiellen Interessen im jeweiligen Bereich (die „Spezialisten“). Entsprechende Akteure finden sich auf gesellschaftlicher Ebene (Interessengruppen), aber auch auf administrativer (Fachbehörden) und politischer Ebene (Fachpolitiker).

—>Diese Fachkoalitionen lassen sich im Fall eines drohendes „Verlustes“ von Regulierungen, Aufgaben oder Organisationen relativ leicht zu „Anti-Terminierungskoalitionen“ mobilisieren, Demgegenüber ist Unterstützung für generelle Anliegen wie Bürokratieabbau oder Haushaltskonsolidierung diffus, kaum organisiert

-und schwer zu mobilisieren. Bürokratiekritische „Generalisten“ (etwa im Finanzministerium oder der Regierungszentrale) sind den sektorspezifischen „Spezialisten“ (in den Fachressorts, Fachausschüssen und Interessengruppen) in der Definition und Veränderung staatlicher Policies und Regulierungen daher systematisch unterlegen

Neue Verwaltungsstrukturreformen


-Unter einer Verwaltungsstrukturreform im engeren Sinne versteht man Reformansätze, die eine Neuordnung des Verwaltungsaufbaus selbst, d.h. die physische Auflösung, Zusammenlegung oder Neuschaffung von Verwaltungseinheiten vorsehen. Als Territorialreform (Gebietsreform) wird schließlich eine Veränderung des territorialen Zuschnitts von gebietsbezogenen Verwaltungseinheiten wie Gebietskörperschaften (Gemeinden und Kreise) oder staatlichen Regierungsbezirken bezeichnet.


-Seit der Nachkriegszeit gab es immer wieder Ansätze und Vorstöße, den hergebrachten Verwaltungsaufbau zu ändern, zu optimieren und effizienter zu gestalten, allerdings, mit Ausnahme der kommunalen Gebietsreform in den sechziger und siebziger Jahren so gut wie nie mit durchgreifendem Erfolg, Deshalb überraschen die seit Anfang des 21. Jahrhunderts tatsächlich realisierten Reformmaßnahmen mit ihrem Ausmaß und der Intensität der Veränderungen. Alle Länder bemühen sich – wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Instrumenten – zu einer Konzentration und Straffung der unmittelbaren staatlichen Verwaltung zu kommen. Ansätze sind der Abbau von Doppelstrukturen aus Sonderbehörden und Mittelinstanz, Kommunalisierungen, Privatisierungen und der Abbau bürokratischer Normen.


-Analytisch muss zwischen drei Reformansätzen unterschieden werden:

Der Funktionalreform, der eigentlichen Verwaltungsstrukturreform und der Territorialreform.

- Als Funktionalreform (Zuständigkeitsreform) wird die Neuzuordnung von Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen den bestehenden Verwaltungseinheiten bezeichnet. Findet hierbei eine vertikale Aufgabenübertragung auf eine andere Verwaltungsebene, d.h. zwischen Bund, Ländern und Kommunen statt, spricht man von einer Zentralisierung respektive Dezentralisierung. Werden Zuständigkeiten innerhalb einer Verwaltungsebene, d.h. horizontal, verschoben, so liegt eine Konzentration oder Dekonzentration vor.


-Der Grund für diese intensive Reformtätigkeit liegt zumindest den Verlautbarungen der Regierungen nach in der prekären Situation der Länderhaushalte. Der hohe Druck durch explodierende Pensionslasten, demographische Entwicklung, Schuldenbremse und Auslaufen des Solidarpakts II (in Ostdeutschland) eröffnet den Regierungen ein Möglichkeitsfenster, um Reformen ihrer Apparate durchzusetzen. Weitere Gründe sind ideologischer oder politischer Natur und zielen auf die Schwächung oder Auflösung als schlecht zu steuernd angesehener Verwaltungseinheiten oder Ebenen, insb. nach Regierungswechseln. Darüber hinaus erwiesen sich Verwaltungsreformen als verhältnismäßig dankbares Feld, um dem Wahlvolk Tatkraft und Durchsetzungsfähigkeit zu demonstrieren, In dieser Fokussierung liegt ein gravierender Unterschied zu den früheren Reformprojekten: Es wird nicht mehr die Optimierung in funktionaler, sondern vor allem jene in fiskalischer oder machtpolitischer Hinsicht angestrebt


-Bei aller föderaler Unübersichtlichkeit lassen sich in den 13 Flächenländern zwei Reformmodelle unterscheiden, die Konsequente Zweistufigkeit und die Konzentrierte Dreistufigkeit, Die Bundesländer unterscheiden sich jedoch nicht nur hinsichtlich ihrer Ausgangslage, insb. bezüglich des Konsolidierungsgrades der Gemeinde- und Kreisebene, sondern orientieren sich auch in unterschiedlich starkem Ausmaß an den Modellen.


• Die Länder mit einer zweistufigen Verwaltung ohne allgemeine Mittelinstanz versuchen die durch das Fehlen der Mittelinstanzen in stärkerem Ausmaß vorhandenen Sonderbehörden durch Zusammenführung (Konzentration) oder Umwandlung in Landesbetriebe zu reduzieren. Zudem wird eine Rückführung des Umfangs der unteren Landesverwaltung angestrebt. Dies geschieht durch ihre Integration in obere Landesbehörden oder indem Aufgaben auf Kommunen und Kreise verlagert werden. Im Bereich der Gebietsstrukturen hat Mecklenburg-Vorpommern zudem ein Modell von großflächigen Kreisen eingeführt.

• In den Bundesländern mit einer dreistufigen Verwaltung wird versucht eine weitgehende Konzentration staatlicher Aufgabenwahrnehmung auf der Mittelebene (staatliche Bündelung) vorzunehmen, indem insbesondere die Aufgaben der unteren Landesbehörden hierhin verlagert – oder (auch in Abhängigkeit von den Gebietsstrukturen) kommunalisiert werden. Durch diese Integration ist häufig sogar ein Aufgabenzuwachs auf der Mittelebene zu beobachten (z.B. in Baden-Württemberg)

-„Verwaltungspolitik mit unechter Aufgabenkritik“ setzt auf eine Verbindung von politischen Strukturentscheidungen mit massiver (Personal-)Kostenreduktion ohne echte Aufgabenkritik. Dabei eignet sich die Politik die Entscheidung über die Grobkonzeption der Reformen wieder an und überlässt diese nicht mehr wie jahrzehntelang üblich der Ministerialbürokratie selbst. Die außerhalb der Verwaltung in politischen Gremien erstellte Blaupause der Reform wird mit festen Einsparzielen verbunden und dann unter hohem Druck umgesetzt.

-Die politisch vorgegebenen Eckpunkte der Reform werden als monolithische, nicht zu diskutierende Reformpakete dargestellt und entsprechend vermarktet. Mit dem Argument, dass die Reform nur als ganze umgesetzt und Ausnahmen nicht gemacht werden können, entziehen sich die Regierungen der bei inkrementalistischen Reformen üblichen, aufreibenden Kompromisssuche auf fachlicher Ebene


-Nach den politischen Grundsatzentscheidungen werden die betroffenen Verwaltungseinrichtungen jeweils selbst beauftragt, zeitnah Vorschläge für die Umsetzung dieser Maßnahmen vorzulegen. Dies beinhaltet, dass die Ressorts dann eine Aufgabenkritik vornehmen und ein Konzept zur Implementierung der politischen Leitlinien entwickeln müssen. Hierbei muss die Verwaltung dafür sorgen, dass in den neuen, oft wenig adäquaten Strukturen ein zumindest halbwegs funktionaler Vollzug möglich wird. Dieses politische Vorgehen wird als „unechte Aufgabenkritik“ bezeichnet, da der Prozess nicht offen, sondern bereits vorab sowohl die zukünftigen Verwaltungsstrukturen als auch die zu erwirtschaftenden Einsparungen vorgibt

Wirkungen der Reformmaßnahmen


-Die Abschaffung der staatlichen Mittelinstanzen in einem Flächenland wie Niedersachsen führt zumindest bei Beibehaltung der bestehenden kleingliedrigen Kreisstruktur zu beträchtlichen Problemlagen, Prinzipiell gibt es zwar immer mehrere Möglichkeiten der Organisation von Verwaltungsstrukturen.

—>Nach den bisher vorliegenden Erfahrungen gab es in Wissenschaft und Praxis eine große Übereinstimmung, dass sich für die großen Flächenländer das Prinzip der konzentrierten Dreistufigkeit als die angemessene Organisationsform bewährt habe. Im Rahmen der konzentrierten Dreistufigkeit wird mehr Wert auf Bündelung von Fachsträngen und Zuständigkeiten sowie auf die Einräumigkeit und Einheit der Verwaltung gelegt (horizontale Konzentration). Die ebenfalls notwendige Verringerung von Instanzen und Verflechtungen (vertikale Konzentration) steht etwas hinter diesen Zielen zurück


-Zwar konnten vertikale „Doppelstrukturen“ mit der Auflösung der Mittelinstanz abgebaut werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nun weniger Behörden an einem einzelnen Verfahren beteiligt wären. So zeigt das Beispiel der Gewässerverwaltung, dass eine fast identische Zahl an Behörden und Verwaltungseinheiten mit den Verfahren befasst sind und faktisch die Dreistufigkeit weiterhin besteht. Für Bürger und Unternehmen ist mit der Fragmentierung der Zuständigkeiten auf zahlreiche Institutionen (Sonderbehörden, Landesbetriebe, Kommunen bzw. kommunale Spitzenverbände, Banken, Kammern, Private) die Nachvollziehbarkeit der Zuständigkeiten jedoch eher gesunken


-Durch die fehlende Bündelungs- und Koordinationsfunktion der Mittelbehörden wird eine deutliche Fragmentierung des Verwaltungshandelns nach Ressortegoismen und in staatliche und kommunale Verwaltung sichtbar. Mit Wegfall der Bezirksregierungen wuchs die Bedeutung staatlicher Sonderverwaltungen. Für das Funktionieren der Verwaltung war der weitgehende Verzicht auf eine Bündelungs- und Koordinierungsinstanz sicherlich abträglich. Die Ressorts haben nun über die ‚Fachschiene‘ zwar unmittelbaren Zugriff auf ihre Sonderverwaltungen, die ‚Gesamtschau‘ über alle Ressorts hinweg und regionales Denken wurden jedoch nicht mehr gefordert, womit die Kompromissfähigkeit stark litt


-Ein weiteres wesentliches Merkmal der jüngsten Funktionalreformen ist die Übertragung von staatlichen Aufgaben auf die Kommunen, die sog. Kommunalisierung von Landesaufgaben. Aufgabenübertragungen auf die kommunalen Gebietskörperschaften können rechtlich unterschiedlich ausgestaltet werden: als pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben, als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung, als Auftragsangelegenheit oder als staatliche Aufgabe in Form der Organleihe. Die Kommunalisierung von Zuständigkeiten wird aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes grundsätzlich positiv bewertet.

—>Allerdings ist immer die Leistungsfähigkeit der Kommunen, die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung und das auf der kommunalen Ebene besonders ausgeprägte Spannungsverhältnis zwischen fachlichen und politischen Zielsetzungen zu beachten, Die Uneinheitlichkeit sowohl der Territorial- als auch der Funktionalreformen hat insgesamt zu einer starken Varianz hinsichtlich der Strukturen, der Einwohnerzahlen und auch der Aufgabenportfolien in den Kommunen geführt


-Empirische Untersuchungen zeigen, dass die Auswirkungen der Kommunalisierungen stark sowohl zwischen einzelnen Kommunen als auch zwischen Aufgabenfeldern variieren. So scheinen regulative und technische Aufgaben wie der gesamte Umweltbereich eher schlecht für eine Kommunalisierung geeignet, während distributive und stark auf lokale Vernetzungen angewiesene Aufgaben insb. im sozialen Bereich unter den richtigen Rahmenbedingungen von der höheren Ortsnähe profitieren können,

-Als Ursache für diese sehr heterogene Entwicklung kann die unterschiedliche Verbreitung von drei Problemlagen identifiziert werden: ungelöste Schnittstellenproblematiken, die größen- und ressourcenabhängige Leistungsfähigkeit der kommunalen Ebene und eine unterschiedlich stark praktizierte Politisierung von Verwaltungshandeln durch die fachfremde Einflussnahme von politischen Entscheidern


-Die Schnittstellenproblematik entsteht dadurch, dass durch die Verlagerung von Aufgaben auf die kommunale Ebene zwar durchaus Verfahrensabläufe durch eine Zusammenfassung ähnlicher Aufgaben optimiert werden können, gleichzeitig jedoch wiederum neue Schnittstellen und Koordinierungsbedarfe entstehen. Wenn aufgrund des Fehlens einer echten Aufgabenkritik die weiterhin oder verstärkt notwendigen vertikalen und horizontalen Koordinierungsnotwendigkeiten beim Design der Reformen ebenso wenig berücksichtigt wurden wie die Erträge der bisherigen Aufgabenbündelung, kann entgegen der Erwartungen der Politik ein administrativer Mehraufwand anfallen


-Die Problematik der Leistungsfähigkeit der kommunalen Ebene – insbesondere der Kreisebene, welche den stärksten Aufgabenzuwachs durch den derzeitigen Kommunalisierungstrend erlebt – ist offensichtlich: Für eine effiziente und effektive Aufgabenwahrnehmung ist eine möglichst optimale Ausschöpfung von Skalen- und Verbunderträgen notwendig. Dies geschieht durch die Senkung der „Stückkosten“ eines Verwaltungsvorgangs durch Routinen, Spezialisierung der Mitarbeiter und die kontinuierliche Nutzung der Sachmittelausstattung sowie durch die Möglichkeit zur mehrfachen Nutzung der vorhandenen Ressourcen für verschiedene Aufgaben.

—>Das für viele der neuen Aufgaben notwendige Expertenwissen wie auch die notwendigen teuren Arbeitsmittel (bspw. Software, Datenbanken und Messinstrumente) können nur bei einer entsprechend großen Fallzahl wirtschaftlich vorgehalten werden. Diese Voraussetzung ist bei vielen, gerade kleineren kommunalen Gebietskörperschaften nicht gegeben, sie erfüllen die Voraussetzungen für einen effizienten Vollzug nicht. Die wenigen Mitarbeiter stoßen bei einem zu breit gefächerten Aufgabenspektrum und zu geringer Ausstattung an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, die Qualität der Verwaltungsleistung droht zu sinken.

-Die Problematisierung der Politisierung von Verwaltungsentscheidungen zielt auf politische Eingriffe in solche Verwaltungsentscheidungen, die auf fachlicher Rechtsanwendung basieren sollten. Am Beispiel der Umweltverwaltung lässt sich diese Problematik besonders gut darstellen. Hier stellen sich Maßnahmen der Kommunalisierung aus der Sicht des Umweltschutzes vielfach als problematisch dar. Die Konzentration der Kompetenzen für übergreifende Umweltbelange einerseits und lokale Wirtschaftsförderung andererseits beinhaltet zwangsläufig Konfliktpotenzial

-Territorialreformen sind tiefgreifende und fast immer umstrittene Umstrukturierungen subnationaler Verwaltungen. Während es in Westdeutschland seit den großen Reformen der 1970er Jahre nur noch sehr vereinzelt und praktisch nur auf freiwilliger Basis zu Territorialreformen auf der kommunalen Ebene kam , war in einigen der ostdeutschen Bundesländer seit den frühen neunziger Jahren eine Kaskade von Gebietsreformen zu beobachten. Nach einer ersten Konsolidierungswelle Mitte der 1990er Jahre verschärfte die anhaltende Strukturschwäche und die EU-induzierte Schuldenbremse die schwierige Lage vieler öffentlicher Haushalte.

-Zusammenfassend hat sich die Verwaltungslandschaft in einigen Ländern 15 Jahre nach dem Inkrafttreten der großen Reformvorhaben auf Landesebene grundlegend verändert. Inhaltlich zeigt sich, dass die Bündelung von Zuständigkeiten, der Abbau von Doppelverwaltungen, Kommunalisierungen und Gebietsreformen Schritte in die richtige Richtung zur Modernisierung und Leistungssteigerung der öffentlichen Verwaltung sind. Damit diese Maßnahmen ihre Ziele erreichen können, muss jedoch sichergestellt sein, dass sie mit Bedacht und Aufgabenbezug und nicht lediglich aus machtpolitischen Kalkülen oder zur Flankierung von Sparvorgaben eingesetzt

-Inhaltlich ist es durch die Welle von Verwaltungsstrukturreformen trotz weitgehend identischer Reformziele zu einer Heterogenisierung der Verwaltungsstrukturen in den Bundesländern gekommen, So haben sich mittlerweile verschiedenste Typen von Regierungspräsidien und Sonderbehörden, unterschiedlichste Zuschnitte von Verwaltungseinheiten in substanziell ähnlichen Aufgabenfeldern und variierende Trägerformen von Verwaltungsfunktionen herausgebildet.

Digitalisierung der Verwaltung


-Ab Mitte der 2000er Jahre gewinnt die Digitalisierung der Verwaltung nach und nach an Bedeutung und wird ab Mitte der 2010er Jahre zu einem neuen Verwaltungsreformstrang in Deutschland. Damit wird auch in diesem Bereich eine internationale Reformdebatte nachvollzogen.

- Erste Initiativen sind die Initiative „Bund Online 2005“ unter Bundeskanzler Gerhard Schröder und ein eigenes Programm der Bundesregierung (E-Government 2.0) im ersten Kabinett von Angela Merkel. Dieses beschäftigte sich primär mit Fragen der Nutzung IT-gestützter Verfahren in der Verwaltung und dem Ebenen übergreifenden Aufbau der einheitlichen Behördenrufnummer D115.

-In der Legislaturperiode zwischen 2009 und 2013 wurden E-Government-Themen in das allgemeine Verwaltungsreformprogramm der Regierung („Vernetzte und transparente Verwaltung“) integriert. Dabei wurden im Wesentlichen bestehende Projekte fortgeschrieben und man begann mit ersten Pilotprojekten.

-Mit dem Regierungsprogramm „Digitale Verwaltung 2020“ in der Legislaturperiode ab 2013 geriet dann Digitalisierung ins Zentrum der Verwaltungsreform. Das Programm „Digitale Verwaltung 2020“ sah 33 Maßnahmen zur Modernisierung der Verwaltung und zur Umsetzung des E-Government-Gesetzes vor, darunter die flächendeckende Einführung der elektronischen Aktenführung, ein elektronisches Gesetzgebungsverfahren, die elektronische Beschaffung, elektronische Rechnungen, ein Normenscreening, in welchen Fällen die eigenhändige Unterschrift und das persönliche Erscheinen bei Behördengängen entbehrlich sein könnten, sowie einige Aktivitäten, die sich dem Stichwort Open Government zuordnen lassen


-Um die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen zu verbessern, war bereits im Jahr 2009 Art. 91c in das Grundgesetz aufgenommen worden. Dieser besagt insbesondere, dass Bund und Länder bei der Planung, Errichtung und dem Betrieb der für ihre Aufgabenerfüllung benötigten informationstechnischen Systeme zusammenwirken können und der Bund ein Verbindungsnetz errichtet. Eine zentrale organisatorische Maßnahme zur Umsetzung von Art. 91c war zudem die Gründung des IT-Planungsrates (ITPLR) als Bund-Länder-Gremium im Jahr 2010. Nachdem die IT-Koordinierung im deutschen Föderalismus lange Zeit auf informellem Wege erfolgte, soll mit dem IT-Planungsrat eine klare Kooperations-, Gremien- und Verantwortungsstruktur errichtet werden . Zentrale Aufgabe ist die Entwicklung einer nationalen IT-Strategie sowie die Etablierung einer föderalen IT-Infrastruktur.


-Als weiterer wichtiger Meilenstein gilt das im Jahr 2013 verabschiedete E-Government-Gesetz (EGovG). Das Gesetz zielt auf die Beseitigung unterschiedlicher (rechtlicher) Hindernisse für E-Government ab und legt u.a. die Grundlage für die Verpflichtung zur elektronischen Aktenführung in Behörden.

-Nach der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen im Jahr 2009 erhielt der Bund mit dem neuen Artikel 91c Absatz 5 GG zudem eine an die Zustimmung des Bundesrates gebundene ausschließliche Gesetzgebungskompetenz, den übergreifenden informations-technischen Zugang zu den Verwaltungsleistungen von Bund und Ländern einschließlich der Kommunen zu regeln.

-Der Nationale Normenkontrollrat, der den Digitalisierungsprozess kritisch begleitet, weist darauf hin, dass sich nicht alle Bundesländer in gleichen Maße an der OZG-Umsetzung beteiligen und mahnt an, die OZG-Umsetzung als prioritäre politische Aufgabe zu sehen. Von den identifizierten Leistungen waren Ende 2018 erst 29 bundesweit verfügbar, wie beispielsweise die Einkommensteuer (ELSTER), die Ausbildungsförderung (BAföG) und der Rundfunkbeitrag.

-Ebenfalls 2017 formulierte die Bundesregierung „Grundsätze unserer Digitalpolitik“, zu denen eine Ausrichtung des IT-Gipfels auf die Digitale Agenda und die Einrichtung eines Steuerungskreises von Staatssekretären innerhalb der Regierung gehörten. Inzwischen gibt es ein Staatsminister für Digitalisierung im Kanzleramt mit einer entsprechenden neuen Abteilung

-In Bayern und Hessen gibt es auf Landesebene mittlerweile eigene Digitalisierungsressorts. Die Bundesregierung hat außerdem die Einrichtung eines Kabinettsausschusses Digitalisierung beschlossen, der sich unter Leitung des Chefs des Kanzleramtes ständig mit diesem Thema befassen soll. Zu seinen ersten Aufträgen gehört, Strategien für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz, Blockchain und ähnlichen Themen zu entwickeln. Bei öffentlichen Aufträgen ist eine elektronische Rechnungsstellung ab November 2020 für alle Auftragnehmer verpflichtend. Außerdem ist der Bund dabei, aufgrund einer Vorgabe des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages seine Rechenzentren zu konsolidieren

-. Problematisch ist allerdings nach wie vor die überaus vielfältige Zuständigkeitslandschaft im Bereich der Digitalisierung der Verwaltung.

—>Angesichts der Vielzahl von Akteuren sind Koordinationsprobleme nicht zu vermeiden.

-Digitalisierung ist ein als multidimensionales „Gemeinschaftswerk“, das nicht von einer Ebene bearbeitet werden kann, so dass die Umsetzung in verwaltungsverflochtenen Strukturen erfolgen muss. Es sind also vertikale und intergouvernementale Abstimmungsprozesse über alle Ebenen nötig. Insgesamt verstärken sich daher die Versuche, durch intergouvernementale Gremien (z.B. der IT-Planungsrat und das neue Gremium der FITKO) die Koordinationsprobleme besser zu bearbeiten

-Zudem ist Digitalisierungspolitik auch horizontal ein Querschnittsthema und benötigt fachübergreifende Abstimmung. Deutlich wird dies zunächst an der Zuständigkeit von fünf Ministerien, die im Digitalkabinett auf Bundesebene vertreten sind. Notwendig sind in solchen Fällen Federführungen. Allerdings ist etwas unklar, wer die übernehmen soll. Traditionell ist das BMI für die Digitalisierung der Verwaltung zuständig, welches auch über die Abteilung Digitale Gesellschaft und einen zuständigen Staatssekretär verfügt.

—>Es gibt aber auch noch ein Staatsminister für Digitalisierung ohne Kabinettsrang und für ein nicht näher definiertes Aufgabenspektrum mit einer eigenen Abteilung im Kanzleramt. Für die Digitalisierung der Wirtschaft ist wiederum das BMWi und für die Digitalisierung der Bundesverwaltung der Chef des Kanzleramtes zuständig. Jenseits der (ungeklärten) Frage der Federführung, die wahrscheinlich je nach Themenbereich variiert, wird es angesichts der Vielzahl von Beteiligten eher zu einer meist „negativen Koordination“ der Maßnahmen kommen .

- Im IT-Rat der Bundesregierung treffen sich zudem die jeweils zuständigen parlamentarischen Staatssekretäre für Verwaltungsdigitalisierung der einzelnen Bundesministerien dreimal im Jahr mit dem Chef des Bundeskanzleramtes, dem zuständigen Staatssekretär aus dem BMI und weiteren Akteuren aus der Bundesverwaltung. Dieser ist nicht zu verwechseln mit dem Digitalrat, ein Gremium aus beratenden Experten

-Eine wirklich große Baustelle aus Nutzersicht besteht zudem im Bereich der Digitalisierung von Bürgeramtsleistungen. Wo, wenn nicht im Bürgeramt, wäre ein Ausbau digitaler Angebote gerechtfertigt und notwendig? Der hier dargestellte Digitalisierungsstand hinkt jedoch den Erwartungen der Bürger deutlich hinterher

-Wesentliche Engpässe der Digitalisierung liegen in den Authentifizierungs-, Anwesenheits- und Schriftformerfordernissen, Dokumentationspflichten, Datenschutzbestimmungen (z.B. Zweckbindungsgebot), Aufbewahrungspflichten, Dysfunktionalitäten bei Basisdiensten (z.B. elektronische Bezahlfunktion) und in generellen technischen Problemen (z.B. Interoperabilität). Hier gibt es einiges zu tun. Wichtig wären vor allem weitere Reformanstrengungen in Richtung einer größeren Nutzerfreundlichkeit von Online-Angeboten, was teilweise gesetzliche Änderungen erfordert

-Die Vorzüge der Digitalisierung für Bürger und Verwaltung werden nur dann spürbar zur Geltung kommen, wenn es einheitliche Standards gibt, auf die sich Bund, Länder und Kommunen einigen müssen und die auch in anderen europäischen Ländern üblich sind. Andernfalls besteht die Gefahr der Fragmentierung, Unübersichtlichkeit und Inkompatibilität von zahlreichen Einzellösungen, die dann eher einem Flickenteppich als einem nutzerfreundlichen digitalen Serviceangebot aus einem Guss entsprechen

-Als weiteres Zukunftsthema der Verwaltungsdigitalisierung ist die Registermodernisierung zu nennen, die laut Nationalem Normenkontrollrat stärker in den Mittelpunkt der Digitalisierungspolitik auf Bundes- und Länderebene rücken sollte. Viele Verwaltungsleistungen basieren auf öffentlichen Registern, wie z.B. den Melde- oder den Gewerberegistern. Diese sind aber bislang kaum auf digitale Prozesse ausgelegt und zudem, den fachlichen und territorialen Zuständigkeiten folgend, oft genauso dezentral und heterogen organisiert wie andere öffentliche IT-Komponenten.

Erfolgsfaktoren für Verwaltungsreformen


• Verwaltungsreformen werden immer nicht unerheblich durch die relative Autonomie der Durchsetzungsinstanzen beeinflusst, Neben der Festlegung der Ziele einer Verwaltungsreform ist daher die Festlegung der Umsetzungsprozesse von gleicher Bedeutung. Institutionelle Reformen beginnen erst nach der politischen Durchsetzung und benötigen daher einen langen Atem.

• Aufgaben- und institutionenspezifische Differenzierungen erscheinen erfolgreicher durchsetzbar als Globalkonzepte. Dies liegt vor allem an der Vielgestaltigkeit öffentlicher Verwaltung, die sich eines generellen Zugriffs weitgehend versperrt. Es macht einen Unterschied, ob man eine Ordnungsverwaltung, eine Dienstleistungsverwaltung oder eine politische Verwaltung verändern will. Besonders deutlich wurde diese Problemlage beim Versuch, das NSM als Globalkonzept in der Kommunalverwaltung zu implementieren. Auch die Digitalisierung der Verwaltung leidet an diesem Problem.

• Bei umfassenden Veränderungsprozessen in Organisationen muss immer ein vorübergehender Funktionsverlust in Kauf genommen werden, eine wesentliche Reformsperre für solche Veränderungskonzepte gerade in öffentlichen Verwaltungen. Umfassende Reformprozesse (große Entwürfe) tendieren dazu, die Organisation zu überfordern, mit dem Ergebnis, dass sie selten die gewünschten Ergebnisse zeitigen.

• Am reformfähigsten ist generell die kommunale Ebene, da sie am stärksten unter Öffentlichkeitsdruck steht und am wenigsten autonom ist. Je autonomer eine Verwaltung, desto reformresistenter ist sie, wie sich am Beispiel der Ministerialverwaltungen zeigt.

• Verwaltungsreformen scheitern nicht so sehr an fehlenden Konzepten, sondern vor allem an starken Beharrungskräften in den Organisationen. Ohne externen Druck reicht die Innovationsfähigkeit der Verwaltung nicht aus, zu strukturellen Veränderungen zu kommen. Dabei steigen die Erfolgschancen, wenn es einen breiten politischen Grundkonsens gibt, wenn es gelingt, die wichtigsten Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung auf gemeinsame Ziele zu verpflichten.

—> Gelingt dies nicht oder unzureichend, ist ein Scheitern wahrscheinlich. Allerdings muss der Reformprozess auch in der Organisation selbst stattfinden. Er muss zwar von außen unterstützt werden, lässt sich aber kaum von außen erzwingen oder steuern. Dazu ist der Aufbau einer Führungskoalition, die den Veränderungsprozess anleitet und unterstützt, wichtig.

• Es bedarf immer der Schaffung eines institutionellen und auch individuellen Eigennutzes und einer aktiven Gestaltung von Konfigurationsprozessen in umzugestaltenden Organisationen. Nur so ist es möglich, die zum Organisationsalltag gehörenden, aber oftmals wenig thematisierten mikropolitischen Prozesse so zu „steuern“, dass sie im Sinne der Reformmaßnahmen eingesetzt werden können.

—> Immer dann, wenn ein Reformprozess Gewinner und Verlierer innerhalb einer Organisation produziert, was die Regel und nicht die Ausnahme ist, verschärfen sich die mikropolitischen Auseinandersetzungen. Angesichts der institutionellen Rahmenbedingungen im öffentlichen Dienst, die vielen Akteuren erhebliche Machtpotenziale zuweisen, ist gerade hier die Beachtung der Machtspiele in Reformprozessen unerlässlich. Die mikropolitische Analyse hilft, die Funktionsweise von Organisation besser zu verstehen und zu erklären. Mitunter wird dies von den Akteuren genutzt, wie z.B. bei der Verwaltungsstrukturreform in Baden-Württemberg ,Allerdings hat dies nicht flächendeckend zu nachhaltigen Veränderungen in der Organisationspraxis geführt.

• Die Erfolgsaussichten einer Reform sind auch von deren Passfähigkeit zur Rechtstradition und zur Verwaltungskultur abhängig. Insofern könnten Verwaltungsreformen auch am ungeeigneten Reformkonzept scheitern, wie man dies beim NSM hinsichtlich der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Politik und Verwaltung gesehen hat


-Die Politik entwarf umfassende ressortübergreifende Reformkonzepte ohne Einbeziehung der zu Blockaden neigenden (Ministerial-)Verwaltungen, aber unter Ausnutzung der vorhandenen Macht-konstellationen im Land. Mittels stark strukturierter und kontrollierter Umsetzungsprozesse und externem Druck über Einsparvorgaben wird die Erreichung der formalen Reformziele sichergestellt. Da man gelernt hatte, dass durchgreifende Reformen mit der Verwaltung kaum zu machen sind, macht man diese gegen Teile der Verwaltung

-Diese Stimmung des everything goes währte allerdings nur kurz, Grund für ihr Ende waren nicht die vielfältigen funktionalen Probleme der im Eiltempo entwickelt und umgesetzten Reformen. So machte das Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern von 2007, welches das Gesetz über die Funktional- und Kreis-strukturreform des Landes Mecklenburg-Vorpommern als verfassungswidrig erklärte, deutlich, dass nicht lediglich ökonomische Kriterien, sondern auch die Sicherstellung demokratischer Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger in den Abwägungsprozess einer Verwaltungsreform einfließen müssen (vgl. BVerfGE 79, 127, 153; Bull 2008). Dies gilt nicht nur für Territorialreformen, sondern auch für alle sonstigen Reformmaßnahmen, die einen Eingriff in die kommunalen Selbstverwaltungsrechte darstellen könnten.

-Diese Veränderung der Rahmenbedingungen führte dazu, dass die Landesregierungen ihre Strategie an die neuen Gegebenheiten anpassten. Um verfassungsrechtliche Gefahren zu minimieren, sind die Länder gut beraten, sich streng an eine schrittweise Vorgehensweise zu halten, die auch sichtbar und gerichtlich nachvollziehbar für alternative Modelle offen ist.

—>Entsprechend werden Reformpläne nicht mehr in kleinen Hinterzimmerkreisen entwickelt oder in Wahlprogrammen festgeschrieben. Die jüngeren Reforminitiativen zeichnen sich durch offenere, strukturierte Verfahren aus, die von einem fraktionsübergreifenden Konsens getragen sind und teils auch frühzeitig Elemente der Bürgerbeteiligung integrieren (z.B. in Rheinland-Pfalz 2008, Mecklenburg-Vorpommern 2011, Brandenburg 2011)

-Die Erfolgsquote ist allerdings überschaubar. Während die Landkreisreform in Mecklenburg-Vorpommern im zweiten Anlauf durchgesetzt werden konnte, scheiterten in Rheinland-Pfalz und Brandenburg die stärker partizipativ ausgerichteten Strategien

Institutionenübertragung und -abwicklung


Mit der deutschen Vereinigung stand auch die öffentliche Verwaltung vor großen Herausforderungen. Insgesamt ist der deutsche Vereinigungsprozess im Vergleich zu den übrigen Systemtransformationen in Mittel- und Osteuropa ein Sonderfall, der durch drei Faktoren und Transfers gekennzeichnet ist:

• „Institutionentransfer“ durch Ausdehnung der Verfassungs-, Rechts- und Institutionenordnung der „alten“ Bundesrepublik auf Ostdeutschland,

• „Personaltransfer“ durch Zehntausende westdeutsche Beamte und Experten, die vorübergehend oder dauerhaft nach Ostdeutschland gingen, um den Transformationsprozess zu unterstützen, und

• „Finanztransfers“ im erheblichen Ausmaß aus den öffentlichen Haushalten und Sozialversicherungskassen Westdeutschlands nach Ostdeutschland (seit Anfang der neunziger Jahre jährlich ca. 75 Milliarden Euro)


-Gerade der Bereich der politisch-administrativen Organisationen im engeren Sinne ist durch den Institutionentransfer gekennzeichnet. Anders als in allen anderen Staaten des ehemaligen realen Sozialismus mussten die Institutionen einer pluralistischen Gesellschaft, einer sozialen Marktwirtschaft und einer föderalen Demokratie in der DDR nicht quasi aus dem Nichts neu geschaffen werden, oder es musste auch nicht, wie in anderen Ländern, an halbvergessene und verschüttete Traditionen angeknüpft werden, sondern die in der Bundesrepublik vorhandenen und „bewährten“ Institutionen wurden durch den Beitritt der DDR auf das „Beitrittsgebiet“ ausgedehnt: Sie wurden sozusagen exportiert. Durch den Vertrag zur Wirtschafts- und Währungsunion und insbesondere durch den Einigungsvertrag wurde in einer „logischen Sekunde“ das gesamte Verfassungs- und Rechtssystem der alten Bundesrepublik auf die neuen Länder übertragen


-Als Institutionen, die in diesem Sinne transferiert und transformiert wurden, kann man Institutionen der Marktwirtschaft (Eigentumsordnung, Bankensystem, Währung etc.), des Sozialstaats (Sozial-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung, Gesundheits- und Bildungssystem, Dritter Sektor, z.B. Caritas, Diakonie, AWO), der Interessenvermittlung (Pluralismus, Korporatismus, Pressefreiheit) sowie politische Institutionen im engeren Sinne (etwa Wahlen, Parteien, parlamentarisches Regierungssystem, Föderalismus, kommunale Selbstverwaltung) und schließlich die administrativen Institutionen des engeren Regierungs- und Verwaltungssystems unterscheiden.


-Insgesamt sind dabei drei Phasen der Transformation eines real-sozialistischen in ein demokratisch-kapitalistisches Regierungssystem zu beobachten:

• Übertragung: Diese erste Phase war durch die Einigungsgesetzgebung und eine Fülle westlicher Berater („Verwaltungsmissionare“) gekennzeichnet. Zentrales Ziel war, möglichst schnell vergleichbare Strukturen und Ansprechpartner zu schaffen; diese Phase war in den neuen Bundesländern weitgehend 1991 abgeschlossen.

• Konsolidierung: In der zweiten Phase wurden die wichtigsten eigenen institutionellen Grundlagen geschaffen, insbesondere durch Landesverfassungen, Kommunalverfassungen, durch eigenes Landesrecht und den Aufbau eigenständiger Landesverwaltungen. Diese Phase war weitgehend nach der ersten Legislaturperiode der Landtage 1994 beendet.

• Entwicklung: In der dritten Phase geht es schließlich darum, die etablierten Rahmenbedingungen mit eigenständigem Leben zu erfüllen, sie an die vorhandenen Umweltbedingungen und nicht-institutionellen Voraussetzungen anzupassen und aus den inzwischen gemachten Erfahrungen eigene Lehren zu ziehen. Da es hier auch um die kulturellen Grundlagen institutionellen Wandels geht (politische Kultur, Verwaltungskultur), die sich erheblich langsamer ändern als einfache Organisationsformen, ist schwer abzuschätzen, wann dieser Prozess endgültig als abgeschlossen betrachtet werden kann. Noch heute, über 30 Jahre nach der Vereinigung, sind die Diskussionen über die Besonderheiten der Neuen Länder nicht abgeschlossen, sondern flackern teilweise verschärft wieder auf, z.B. in der Frage der vermeintlichen Dominanz „westlicher Eliten“


-Chronologisch kann man in der ersten Phase folgende Transformationsfelder unterscheiden:

• die Übertragung des westlichen Wahl- und Parteiensystems beginnend mit der letzten Volkskammerwahl am 18. März 1990,

• die Wiederbelebung einer kommunalen Selbstverwaltung beginnend mit der DDR-Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990,

• die Wiedereinführung der Länder in der Folge des Ländereinführungsgesetzes vom 15. Juli 1990

• und schließlich der gesamte Aufbau eines liberal-demokratischen Verwaltungssystems in der Folge der Vereinigung vom 3. Oktober 1990.


-Wiederbelebung der kommunalen Selbstverwaltung:

Die zweite Institution, die direkt nach der Wende noch von der DDR wieder ins Leben gerufen wurde, war nach den Parteien die kommunale Selbstverwaltung, die es in der DDR aufgrund der Doktrin des demokratischen Zentralismus im eigentlichen Sinne nicht gab. Gemeinden und Kreise waren lokale Organe des Staates und wurden im Rahmen der Doppelhierarchie von zentralistischem Staatsaufbau und Staatspartei SED zentral gesteuert, während von lokaler Demokratie ohnehin nicht geredet werden konnte. Der erste Schritt der Wiederbegründung der kommunalen Selbstverwaltung waren die demokratischen Kommunalwahlen am 6. Mai 1990, denen am 17. Mai 1990 die Verabschiedung des „Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise der DDR (Kommunalverfassung)“ durch die demokratische Volkskammer folgte

-Praktisch parallel mit der ersten demokratischen Kommunalwahl wurde eine neue, zunächst für die gesamte DDR geltende Kommunalverfassung eingeführt (die neuen Bundesländer gab es ja noch nicht), die den rechtlichen Rahmen für die Gründungsphase der kommunalen Selbstverwaltung lieferte. Diese orientierte sich in ihren Grundzügen an dem Kommunalmodell der alten Bundesrepublik, knüpfte allerdings auch explizit durch ausgeprägte basisdemokratische und partizipative Elemente (z.B. Bürgerantrag, Bürgerentscheid, Bürgerbegehren) an die „friedliche Revolution“ des Oktober 1989 an. Diese direkt-demokratischen Elemente wurden in den meisten alten Bundesländern erst in den folgenden Jahren eingeführt, die DDR-Kommunalverfassung war also in diesem Punkt der westdeutschen Entwicklung voraus


-Im Ergebnis weisen die mit der 2. Kommunalwahl in Kraft getretenen eigenen Kommunalverfassungen der neuen Länder erhebliche Unterschiede auf, bestätigen und verfestigen damit also das etablierte bundesdeutsche Modell keinesfalls einheitlicher, sondern in aller Regel unterschiedlicher institutioneller Lösungen

-In diesem Zeitraum bewältigen die Kommunen einen erheblichen Neu- und Umbau der kommunalen Strukturen. Auf der einen Seite verloren sie umfangreiche Zuständigkeiten und Verwaltungsteile, die sich aus der Einbindung in die zentralistische Kommandowirtschaft der DDR ergeben hatten (insbesondere im Bereich der Produktion und Versorgung), auf der anderen Seite kamen umfangreiche neue Aufgaben hinzu (z.B. im Bereich der Sozial-, Liegen-schafts- oder Bauverwaltung), nicht selten auch enorme Personalkörper (z.B. wenn bisher von den Betrieben vorgehaltene Kindergärten und Betreuungseinrichtungen übernommen wurden)

-Wie erwähnt war die alte DDR durch eine viel zu kleinteilige Kreis- und Gemeindegebietsstruktur gekennzeichnet, die die Leistungs- und Verwaltungskraft der Gebietskörperschaften erheblich einschränkte


Aufbau der neuen Bundesländer:

Auch die Länder als Basisstruktur des bundesdeutschen föderalen Regierungssystems wurden noch von der DDR-Volkskammer wieder eingerichtet, und zwar mit dem Ländereinführungsgesetz vom 15. Juli 1990. Die Wiedereinführung der Länder war bereits seit 1989 politische Forderung eines Teils der Opposition. Mit dem Beitritt am 3. Oktober 1990 wurden die neuen Länder dann Gliedstaaten der Bundesrepublik Deutschland.

-Das Ländereinführungsgesetz hatte die am 14. Oktober neu gewählten ersten Landtage als verfassungsgebende Versammlungen bestimmt. Sämtliche Landtage waren daher in der ersten Zeit neben dem Aufbau von Gesetzgebung und Regierung auch mit der Formulierung eigener Landesverfassungen beschäftigt. Dies gelang in bemerkenswert kurzer Zeit, so dass zwischen Mai 1992 und Oktober 1993 in allen neuen Bundesländern Verfassungen verabschiedet wurden, die in drei Ländern zusätzlich durch Volksabstimmungen gebilligt wurden

-Der Aufbau der Ministerialverwaltung, der praktisch „bei Null“ anfing, orientierte sich an den Organisationsmustern der alten Bundesländer, d.h. es wurden zunächst Staatskanzleien als Behörden des Ministerpräsidenten und zwischen acht und elf Fachressorts geschaffen, die sich auch in ihrem internen Aufbau an den westdeutschen Vorbildern ausrichteten. Das größte Problem war von Beginn an ein Defizit an qualifiziertem Personal sowohl bezüglich der Besetzung der Spitzenpositionen als auch hinsichtlich der juristischen und verwaltungsmäßigen Eignung und Erfahrung der Mitarbeiter

-In den ersten Landesregierungen waren ca. 1/3 der Führungspositionen (Ministerpräsidenten und Minister) mit sog. „Westimporten“ besetzt, i.d.R. Politiker, die im Westen ähnliche Positionen oder Abgeordnetenmandate innehatten.


Umbau des Verwaltungssystems in DDR


-In der DDR war es wegen der legendären Geheimniskrämerei, aber auch aufgrund systematischer Unterschiede schwer, einen ähnlichen Überblick über die öffentliche Verwaltung bzw. den Staatsapparat zu erlangen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass Ende 1989 ca. 2,1 Millionen Personen im Staatsapparat der DDR beschäftigt waren, davon ca. 1 Mio. auf der Ebene der Kommunen und Kreis

-Systematisch handelt es sich bei der Verwaltung der alten Bundesrepublik um eine klassische, kontinentaleuropäische Verwaltung, gekennzeichnet durch die von Max Weber benannten idealtypischen Merkmale einer Bürokratie, also rechtlich festgelegte behördliche Kompetenzen, Amtshierarchie, aktenmäßige Verwaltung, regelgebundene Amtsführung und Berufsbeamtentum. Demgegenüber war der Staatsapparat der alten DDR gekennzeichnet durch Etatismus, Kaderverwaltung und Nomenklatur, demokratischen Zentralismus und Doppelunterstellung unter Partei und Staatsapparat. Im Prozess der Vereinigung waren daher umfangreiche und unvorhergesehene Probleme der Transformation einer realsozialistischen Verwaltung in eine klassisch-europäische Verwaltung zu bewältigen

-In der Bundesrepublik ist durch die politische Identifikation eines Problems als öffentliche Aufgabe noch nicht über die Art und Weise der Wahrnehmung entschieden. Gewährleistung, Finanzierung und Durchführung öffentlicher Leistungen werden getrennt betrachtet, z.B. ist Kindergartenbetreuung eine öffentliche Aufgabe, die politisch geregelt, aber weitgehend Trägern des Dritten Sektors überlassen und zumindest zum Teil privat finanziert wird. In der DDR gab es diese Unterscheidungen nicht, dort war der Staat entsprechend der marxistisch-leninistischen Doktrin Hauptinstrument der Realisierung des Sozialismus. Gesellschaftliche Selbstorganisation fand außerhalb des staatlichen Bereichs und insbesondere außerhalb staatlicher Kontrolle nicht statt

-Auch in der alten Bundesrepublik ist die Verwaltung über die Eigenproduktion öffentlicher Leistungen, die Regulierung von Unternehmen und Märkten bis zur Erstellung von Infrastruktur vielfältig mit der Wirtschaft verflochten. Aber in der DDR gab es etwas prinzipiell anderes, nämlich eine Verwaltungswirtschaft, in der die Wirtschaft nicht ein sich weitgehend selbst steuerndes Teilsystem der Gesellschaft war, sondern im Rahmen einer umfangreichen Verwaltung, ausgehend von Industrieministerien und staatlicher Plankommission, hierarchisch über verschiedene staatliche Ebenen politisch-administrativ gesteuert wurde.

-Die öffentliche Verwaltung der DDR war weiter gekennzeichnet durch das Prinzip der Gewalteneinheit, d.h. dem Grundsatz der Einheit von Beschlussfassung und Durchführung, sowie durch „bürokratischen Zentralismus“ als Ausfluss des demokratietheoretischen Ideals des „demokratischen Zentralismus“. Im Gegensatz zur Bundesrepublik gab es in der DDR keinen Föderalismus und keine kommunale Selbstverwaltung, sondern nur „örtliche Organe der Staatsmacht“. Es gab zwar Bezirke, Stadtkreise und Landkreise sowie in diesen ca. 7.600 kreisangehörige Städte und Gemeinden, aber keine Selbstverwaltung und praktisch nur sehr geringe Entscheidungsspielräume. Demgegenüber steht das extrem vertikal und vor allem horizontal differenzierte Verwaltungssystem der Bundesrepublik, das nicht nur durch das Prinzip der Gewaltenteilung und der kommunalen Selbstverwaltung, sondern auch durch eine starke professionelle und sektorale Differenzierung gekennzeichnet ist.


-Die Verwaltung der DDR war weiter gekennzeichnet durch die Begriffe Kader und Nomenklatur.

Kader waren nach DDR-Definition Personen, die „aufgrund ihrer politischen und fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten geeignet und beauftragt waren, Kollektive von Werktätigen zur Realisierung gesellschaftlicher Prozesse und Aufgaben zu leiten oder als wissenschaftlich ausgebildete Spezialisten an der Realisierung mitzuwirken“. An der Spitze der Kader stand die Nomenklatur, benannt nach den Verzeichnissen von Positionen und Funktionen auf allen gesellschaftlichen Gebieten, über deren Besetzung die Partei entweder direkt entschied oder für die sie verbindliche Festlegungen traf und sich eine Kontrolle vorbehielt. Grundqualifikation der Verwaltungskader war ihre politisch-ideologische Eignung. Zwar spielte auch die fachliche Qualifikation eine Rolle, aber sie war nachrangig. Eine Folge dieser Besetzung insbesondere von Führungspositionen war, dass die fachliche, horizontale Differenzierung eher geringer und die vertikale, hierarchische Unterstellung sehr deutlich ausgeprägt war. Auch hier also eher autoritäre, hierarchische und zentralistische als professionelle dezentrale Strukturen.


-Insgesamt wurde die real-sozialistische Verwaltung der DDR innerhalb kürzester Zeit zumindest in ihren formalen Strukturen in eine „klassisch-europäische Verwaltung“ überführt (König 1991). Ausgangspunkt für den Umbau der grundlegenden Prinzipien des DDR-Verwaltungssystems war

der Einigungsvertrag, der vorsah, dass das gesamte Bundesrecht einschließlich des Verwaltungsrechts mit dem Beitritt in den fünf neuen Ländern in Kraft trat. Weiter dehnte der Einigungsvertrag das Modell des Berufsbeamtentums mit seinen hergebrachten Grundsätzen auf die neuen Länder aus und legte fest, dass die Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben so bald wie möglich Beamten übertragen werden solle

-Schlüsselbegriffe der Neuorganisation waren „Überführung“ und „Abwicklung“, über die spätestens drei Monate nach dem Beitritt, also bereits Ende 1990 zu entscheiden war. Die sog. Abwicklung – insbesondere dort, wo der Staat und seine Bediensteten im planwirtschaftlichen System der DDR Aufgaben wahrnahmen, die in der Bundesrepublik außerhalb des öffentlichen Sektors wahrgenommen werden – führte zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses, der grundsätzliche Anspruch auf Weiterbeschäftigung erlosch

-Im Bereich der Überführung orientierte sich der Aufbau dieser neuen, demokratischen Verwaltung notgedrungen – mangels realistischer Alternativen – an den Organisationsmustern der alten Bundesländer, die vor allem von den jeweiligen westdeutschen Partnerländern und -kommunen übernommen wurden. Das westdeutsche Verwaltungssystem wurde einschließlich aller bekannten Schwächen (Überregelung, Bürokratisierung, Kameralistik, Haushaltsrecht, Dienstrecht) innerhalb kürzester Zeit auf die neuen Länder übertragen, verkündet und umgesetzt von der großen Schar westlicher Verwaltungshelfer. Diese Vorgehensweise ist gelegentlich als ein unterkomplexer „Blaupausenansatz“ kritisiert worden


Probleme der Verwaltugstransformation:

-Das entscheidende Problem, darin sind sich alle Beobachter einig, lag allerdings auf der Ebene des Personals. Die Erwartung, Mitarbeiter in der ostdeutschen Verwaltung würden sich sofort „wie im Westen“ verhalten, war unrealistisch, wenn nicht naiv. Es bestanden erhebliche Divergenzen in den grundlegenden Wertmustern und Einstellungen, in der „Verwaltungskultur“. Diese kulturellen Orientierungen ändern sich viel langsamer als Organisationsstrukturen. Unterschiede im Rollen- und Einstellungsprofil wurden durch Untersuchungen der jeweiligen Fremdbilder deutlich: Während westliche Mitarbeiter Mangel an Eigeninitiative, Entscheidungsfreudigkeit, Konfliktfähigkeit und Risikobereitschaft sowie vorgaben- und autoritätsorientierte Verhaltensmuster beklagten, sahen ostdeutsche Mitarbeiter bei ihren westlichen Kollegen überhebliches und arrogantes Auftreten, fehlende Kooperationsbereitschaft und Kollegialität sowie eine strikte Orientierung an formal-rechtlichen Prozeduren, eine mangelnde Sensibilität für die besonderen ostdeutschen Probleme und fühlten sich insgesamt nicht hinreichend als gleichberechtigte Partner akzeptiert


-Auf der Ebene der Programme kämpfte die Verwaltung im Osten noch mehr wie die im Westen mit Überregelung und Verwirrung – sie hatte oft nur noch nicht so gut gelernt, wie eine „pragmatische Vorschriftenreduzierung im Vollzug“ (Frido Wagener) gehandhabt wird. Der abrupte und vollständige Transfer des westlichen Rechtsstaats hatte allerdings in bestimmten Bereichen in der Anfangsphase zu einem „rechtsfreien Raum“ geführt, in dem die bekannten Aufbausünden begangen wurden (Bau- und Planungsrecht, Wirtschaftsförderung).

• Bezüglich der Organisation orientierte man sich an der im Westen entwickelten hochgradigen Arbeitsteilung und horizontaler wie vertikaler Differenzierung – mit allen bekannten Auswüchsen und Problemen. Hier lag die Gefahr darin, dass übertriebene und veraltete Zuständigkeits- und Kontrollregelungen übernommen wurden, die auch im Westen längst revisionsbedürftig waren.

• Auch bei den Verfahren hatte man zunächst die westlichen bürokratischen Steuerungsinstrumente übernommen. Im Westen wurde in den neunziger Jahren zwar intensiv über neue Steuerungsinstrumente diskutiert, aber übertragbare belastbare Erfahrungen gab es zumindest nicht. Hier ist zu beobachten, dass in manchen Bereichen noch immer ein staatszentriertes Verständnis öffentlicher Aufgaben vorherrscht, d.h. der möglichst präzise Vollzug zentraler Handlungsanweisungen ist das zu wenig hinterfragte Leitbild. Aber auch im Westen sind bürokratische Merkmale im Rahmen des „Neo-Weberianischen Staates“ wieder stärker Teil der aktuellen Diskussion

Europäisierung der öffentlichen Verwaltung


-Europäisierung der öffentlichen Verwaltung wird in diesem Zusammenhang so verstanden, dass es um „Effekte auf der mitgliedschaftlichen Ebene (geht), die sich unmittelbar oder mit einiger Plausibilität mittelbar auf den EU-Integrationsprozess zurückführen lassen. Solche Effekte finden sich auch in Staaten, die der EU (noch) nicht angehören“ (Goetz 2006, S. 473).

-Auf der einen Seite wird argumentiert, dass es eine wachsende Konvergenz zwischen den Rechts- und Verwaltungssystemen in der EU gibt und ein Europäischer Verwaltungsraum durch akteurszentrierte Einflüsse entsteht. Zu nennen wären hier die Forderung europäischer Wirtschaftskonkurrenten nach einheitlichen Wettbewerbsbedingungen, die administrative Kooperation von Beamten-Netzwerken und die vereinheitlichende Rechtsprechung des GEU. Auf der anderen Seite wird bezweifelt, dass europäisierende Einflüsse stark genug sind, um ein einheitliches Modell öffentlicher Verwaltung hervorzubringen. Angeführt wird hier, dass es sehr unterschiedliche nationale Traditionen gibt und innerstaatliche Gründe nach wie vor die wesentlichen Erklärungsfaktoren für Verwaltungshandeln sind. Zwar werden Konvergenzen zwischen den mitgliedstaatlichen Verwaltungssystemen nicht geleugnet (z.B. Flexibilisierung von Arbeitszeiten, Annäherung öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Beschäftigungsverhältnisse), aber Europäisierung als Erklärungsfaktor negiert, da es sich hier um allgemeine Modernisierungstendenzen handle


-Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Themen hat sich im Zusammenhang mit der Osterweiterung intensiviert. Waren in den vorhergehenden Beitrittsrunden Fragen der Verwaltungskapazitäten kein besonderer Gegenstand von Verhandlungen, da man offenbar davon ausging, dass es hinreichende Übereinstimmungen bezüglich des Typs einer westlichen modernen Verwaltung gab, änderte sich dies jetzt vor dem Hintergrund, dass Staaten in die EU aufgenommen wurden, deren Verwaltungen vormals zum Typ der Kaderverwaltungen zu zählen waren (vgl. König 1992). Ein Kriterium bei den Beitrittsverhandlungen im Rahmen der Osterweiterung war daher die Gewähr, dass die „aus der Mitgliedschaft erwachsenen Verpflichtungen“ übernommen werden. Dabei geht es aber nicht nur um die formale Übernahme der Gemeinschaftsrechtes in die nationale Rechtsordnung, sondern die EU überprüft nun auch die Fähigkeiten der öffentlichen Verwaltung und des Justizapparates, das Gemeinschaftsrecht in der Praxis effektiv anwenden zu können. So enthielten die Stellungnahmen zu den Beitrittsanträgen, die 1997 für jedes Land die Fähigkeiten der Verwaltungsstrukturen zur Umsetzung des EU-Rechtes überprüften, neben der Bewertung des Istzustandes auch Reformvorschläge und Maßnahmenkataloge.

-Allerdings wird das „EU-Modell öffentlicher Verwaltung“ jenseits allgemeiner Prinzipien – wie eines im Sinne der Gewaltenteilung professionellen öffentlichen Dienstes bzw. dem Vorhandensein spezifischer Regulierungs- und Zertifizierungsbehörden im Bereich des Warenverkehrs und des Wettbewerbes bzw. sektoralen Verwaltungsorganisationen in den Bereichen Landwirtschaft, Arbeits-, Verbraucher- und Umweltschutz sowie Finanz-, Grenz- und Zollbehörden – als Prüfungsmaßstab nicht hinreichend deutlich. Die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen machen in allen Mitgliedstaaten Anpassungen erforderlich. Seit den Verträgen von Amsterdam müssen Beitrittskandidaten über eine verfassungsmäßige Ordnung verfügen, demokratische Freiheiten, politischen Pluralismus, freie Wahlen, Rechtsstaatlichkeit und eine funktionierende Gewaltenteilung mit einer unabhängigen Justiz garantieren. Neben diesen allgemeinen Merkmalen des Modells westlicher Staatlichkeit wird der Alltag der Verwaltungen in den EU Staaten durch zahlreiche gemeinschafts-rechtliche Anforderungen im Besonderen Verwaltungsrecht geprägt, die z.B. Umweltverträglichkeitsprüfungen und Informationsverpflichtungen gegenüber der Kommission vorschreiben.


-Unter funktionellen Anforderungen einer EU-Mitgliedschaft sind solche Voraussetzungen zu verstehen, die ein Verwaltungssystem beachten muss, um im europäischen Mehrebenensystem erfolgreich agieren zu können (ebd., S. 320). Diese sind nicht normiert und unterliegen ganz der Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten. Zu nennen ist hier zunächst eine Verwaltungsorganisation, die eine effiziente Behandlung europäischer Angelegenheiten gewährleistet. Hier deutet sich an, dass man von der Einrichtung eines allgemeinen Europaministeriums absieht und stattdessen in den Ministerien spezielle Europaabteilungen einrichtet. In bestimmten Ländern ist es zudem europainduziert zur Einrichtung von Umweltministerien gekommen.


- Nach der „Anpassungslogik“ führen Unvereinbarkeiten zwischen EU und nationalen Politiken oder institutionellen Arrangements zu Anpassungsdruck auf der Ebene der Mitgliedstaaten, nach der Gebrauchslogik machen nationale Akteure strategischen, kognitiven und legitimierenden „Gebrauch“ von Elementen der Integration. Am Beispiel von Ost- und Mitteleuropa zeigt sich nun, dass zwar ein großer materieller Anpassungsdruck besteht, dass aber in den Fällen, wo sich keine nationalen Akteure finden, die willens und in der Lage sind, Gebrauch von Europa zu machen, den Effekten einer top-down Anpassung an Tiefe und Nachhaltigkeit fehlt


Herausforderungen des modernen Staates:

-Das Territorialprinzip, also die ausschließliche Zuständigkeit des Staates für ein bestimmtes Gebiet, wird durch die Globalisierung von Wirtschaftsbeziehungen, die Globalisierung von ökologischen und sozialen Problemen sowie durch neue gebietsunabhängige Organisationsstrukturen immer mehr untergraben. Standorte verlieren nicht nur in der Wirtschaft an Bedeutung. Diese Deterritorialisierung ist eine Folge davon, dass viele gesellschaftliche Aktivitäten und Beziehungen nicht mehr an bestimmte Räume gebunden sind oder jedenfalls in Räumen stattfinden, die sich nicht mit den durch die Staatsorganisation festgelegten Grenzen decken.

-Das Nationalprinzip, also die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation, gerät durch weltweite Wanderungsprozesse und wachsende Anteile von Einwohnern mit fremder Staatsangehörigkeit im Staatsgebiet ebenfalls ins Wanken. Die Folge ist, dass immer mehr Menschen als „Ausländer“ in einem für sie „fremden“ Staat leben. Sie besitzen zwar meistens die Staatsangehörigkeit in einem Staat, leben aber über eine längere Zeit oder auf Dauer in einem anderen Staat.

-Die Institutionen demokratischer Entscheidungsfindung wie z.B. nationale Parlamente verlieren durch wichtige – kaum oder nicht beinflussbare – Entscheidungen auf anderen Ebenen (z.B. in der EU-Kommission) an Legitimationskraft. Es entsteht ein Bereich von Politik, der nicht den Regeln des Verfassungsrechts unterliegt, so dass die Ausübung von Staatsgewalt sich damit aus dem Geltungsbereich der Verfassung von Staaten in nicht-verfasste Formen von Herrschaftsausübung verlagert.


—>Diese Institutionen und Verfahren einer Politik jenseits des Nationalstaats bringen eine Form von Herrschaftsausübung mit sich, die sich vom modernen Staat grundsätzlich unterscheidet. Zudem scheinen die Probleme der Internationalisierung und der Globalisierung nicht in der bestehenden Form des modernen Staates bewältigbar zu sein. Beides spricht dafür, dass es zu einem Strukturwandel von Staatlichkeit kommt

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Maya G.

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