Was sind “klinisch psychologische Interventionsverfahren?”
umfassen alle wissenschaftlichen begründbaren und empirisch als wirksam nachgewiesenen psychologischen Interventionen, die bei psychischen Störungen und Problemen (u.a. auch im Rahmen körperlicher Erkrankungen und deren Prävention wie auch im pädagogischen Bereich) zum Einsatz kommen können
Psychotherapie ist dabei eine wichtige und zentrale Komponente, aber nicht deckungsgleich mit dem Gesamtangebot klinisch psychologischer Interventionen
Was ist “Psychotherapie?”
bewusster und geplanter interaktionaler Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen,
die in einem Konsensus (möglichst zw. Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden,
mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal, aber auch nonverbal,
in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit)
mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens
in der Regel ist dazu eine tragfähige emotionale Bindung notwendig
Was heißt “Wissenschaftlich begründet und empirisch geprüft?”
methodologisches Regelwerk muss vorliegen, in welches Verfahren einzuordnen ist
Methodologie ist zentraler Bereich der Wissenschaftstheorie; befasst sich mit Fragen der Forschungslogik
Theoretische oder praktische Fundierung in wissenschaftlicher Psychologie
Empirische Überprüfung in kontrollierten Studien mit Wirksamkeitsmaßen
Überprüfung in randomisierten klinischen Vergleichsstudien
§1 (3) Psychotherapeutengesetz
“…jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert”
Änderungen des Psychotherapeutengesetztes 01. April 2017
psychoth. Praxen müssen min. 200 Min./Woche telefonisch erreichbar sein (Einheiten ≥25 Min.)
psychoth. Sprechstunde als Pflichtleistung (≥100 Min. Sprechstunde/Woche, Einheiten 25 Min)
Patient: 50 Min. Sprechstundenzeit als Voraussetzung für weitere psychoth. Behandlung
Akutbehandlung durch Psychotherapeuten möglich (bis zu 24 Gesprächseinheiten à 25 Min., Anzeige nicht antragspflichtig)
Entscheidungsgremien
Berufsrecht:
Ist ein Verfahren wissenschaftl. anerkannt/bewährt?
-> Prüfung durch Wisscenschaftl. Beirat Psychotherapie (WBP) -> paritätisch besetzt durch ärztliche und psyhologische Psychotherapeuten
Sozialrecht:
Verbessert ein Verfahren die Versorgung der Versicherten? Kostenübernahme der Kasse?
-> Prüfung durch den gemeinsamen Bundesausschuss (GBA)
-> Unterausschuss Psychotherapie veröffentlicht Psychotherapierichtlinien
Typische nicht psychotherapeutische Interventionen
Ernährungsberatung
autogenes Training
Elterntrainings
Gedächtnistraining bei Älteren
Krisenintervention
betriebliches Konfliktmanagement
neuropsychologisches Training bei Schlaganfall
Rückfallprophylaxe bei Abhängigen
Familienbetreuung bei Schizophrenie
Beratung
Paartherapie
Systematik der psychotherapeutischen Behandlungsformen
Einteilung nach formalen Merkmalen
Anzahl der therapeutischen Interaktionspartner: 1 vs. mehrere
Zeitfaktor: Kurz- vs. Langzeittherapie
Ort der therapeutischen Macht: direkte, intermediäre, Selbsthilfemethoden
Einteilung nach Therapiezielen
einsichts- vs. verhaltensorientiert
Einteilung nach theoretischen Ansätzen (Schulen)
tiefenpsychologisch, verhaltenstherapeutisch, existenziell-humanistisch, kumminkationsorientiert
integrativ/ekletizistisch
Grenzen der Psychotherapie
“Psychotherapierichtlinien” definieren bestimmte “Anwendungsbereiche” (Indikation besteht)
werden gemäß dem Stand der Wissenschaft angepasst
Umkehrschluss: Bereiche, für die Psychotherapie nicht wirksam ist (z.B. Merkmal nicht veränderlich)
also: Psychotherapie ist an erhebliche Voraussetzungen auf Seiten des Patienten geknüpft (Sprache!, Finanzierung!, Bereitschaft zur Selbstöffnung und aktiven Mitarbeit!)
Therapiestunden der verschiedenen Schulen
Naturwissenschaftliches Erkenntnismodell
Empirisch analytische Methode
Beobachterunabhängige Objektivität/Reliabilität
Quantifizierbarkeit, Validität, Wiederholbarkeit
Falsifikationsprinzip
Evolutionäre Entwicklung wissenschaftlicher Theorien
Experiment als Goldstandard zur Falsifikation
kritischer Rationalismus
Erkenntnismodell der “vorurteilsfreien Anschauung”
Phänomenologische Methode
Annäherung an die Dinge, wie sie sind (nicht: das Ding “an sich”)
Eidetische Reduktion -> Verzicht auf theoretisches, hypothetisches, deduktives
Ausschaltung tradierten Wissens übder den Erkenntnisgegenstand
eine dem Objekt zugewandte Haltung unter Ausschaltung subjektiver Einflüsse
intersubjektive Wissenschaftskriterien von Plausibilität, Nachvollziehbarkeit, Evidenz
Praxismethode: klinische Beobachtung, Einfühlung
Erkenntnismodell des Verstehens, der Auslegung, des Erklärens
Hermeneutische Methode
möglichst adequate zutreffende und eindeutige Auslegung von Sachverhalten durch:
Verstehen des Gemeinten
Auslegung des Sachverhalts unter Einbezug der verschiedenen, auch abweichenden Möglichkeiten
Interpretation des bislang “Verstandenen” -> Ziel: erweiterte Verstehensmöglichkeit
Anwendung des Verstandenen auf einen Problembereich bzw. die anstehende Handlung
Praxismethode: Hermeneutischer Dialos, Diskussion
Erkenntnismodell der Klärung von Meinungen mit einer ausdrücklichen Beziehung zum Wahrheitsgehalt
Dialektische Erkenntnismethide
Erkenntnisgewinn durch den Prozess der rationalen Klärung
Praxismethoden: Rege/Gegenrede, Diskurs, Diskussion
Eklektizismus
=freie Kombination unterschiedlicher therapeutischer Interventionen ohne theoretischen Bezugsrahmen
je nachdem, welche Interventionen die Therapeuten aufgrund ihrer individuellen Erfahrungen für erfolgreich oder sinnvoll halten
oder von denen sie meinen, dass sie sie am besten beherrschen
-> ignoriert theoretische Passungsprobleme verschiedener Schulen
Wissenschaftliche und sozialrechtlich anerkannte Verfahren in Deutschland
Verhaltenstherapie:
Fokus: Betrachtung des aktuellen problematischen Verhaltens (Gedanken, Gefühle, körperliche Reaktionen) mit Entwicklung über die Lebensspanne und Zusammenhang mit Umweltreizen
Ziel: aktuelles Verhalten ändern
Tiefenpsychologische Psychotherapie:
Fokus: Einsicht in das eigene Gefühlsleben und in die Einflüsse der Vergangenheit auf die Gegenwart
Ziel: Persönlichkeit (und hierüber aktuelles Verhalten) verändern
Systemische Therapie:
Fokus: Einsicht in die Entstehung psychischer Störungen als interaktionell erzeugte Gemeinschaftsprodukte (zwischen Patient, Familie, Behandlern und Versicherungssystem)
Ziel: Problematische Beziehungsmuster eines Systems verändern
Integrationsversuche
(≠ Eklektizismus!)
Allgemeines Modell der Psychotherapie (Howard & Orlinsky)
Psychologische Psychotherapie (Grawe) integriert z.B.
Bewältigungsperspektive (unterstützende Psychotherapie; VT)
Klärungsperspektive (psychodynamische Psychotherapie, Gesprächspsychotherapie)
Systemische Überlegungen (interaktionelle Pläne)
Modulare/Prozessbezogene Psychotherapie (Bohus; Rief & Strauß; Hofmann & Hayes)
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