-D.h. wenn Menschen Situationen als real definieren, sind auch seine Konsequenzen real
-Auch wenn wir Situationen (real) falsch einschätzen, können ihre Konsequenzen zur Realität werden (negativ, wie positiv)
Eine einfache Interpretation dieses Theorems wäre: In der Soziologie kommt es auf unsere subjektiven Erwartungen an, nicht auf die objektiven Wahrscheinlichkeiten – somit sind nur die ersteren verhaltensrelevant
-Weitergehende Interpretation: Akteure verfügen über mentale Modelle der Situation, die ihr Handeln nachhaltig und vielfältig prägen – anhand bestimmter Muster in unserem Gehirn, können wir Situationen besser einschätzen und gehen mit ihnen entsprechend um (auch wenn es hier kulturelle und historische Variationen gibt) – um mit der Situation Vorlesung umzugehen, muss ich das mentale Muster „Vorlesung“ anwenden
o Weitere Beispiele: Freundschaft, Ehrverletzung – von diesen Dingen habe ich bestimmte Muster und damit einhergehende Definitionen im Kopf
o Gerade alltägliche Modelle können einfach abgerufen werden und danach kann man sein Verhalten unproblematisch nach diesen Modellen ablaufen lassen
o Mit diesen Mustern gehen auch Institutionen einher (Bsp. Uni/Vorlesung -> Klopfen)
o „gleich und gleich gesellt sich gern“ – Homophilie
o Art von kulturell impliziertem Wissen – Feld der Wissenssoziologie – jeder weiß für sich, was eine Freundschaft ist und geht damit dementsprechend um
-Kultur und Gesellschaft bildet den Filter für Reize bei uns aus – dementsprechend bilden wir auch unsere Muster
-Die mentalen Modelle stellen auch eine anthropologische Notwendigkeit dar – Menschen sind aufgrund ihrer Weltoffenheit und der daraus resultierenden Reizüberflutung auf diese Modelle angewiesen, da sie vereinfachend und reduzierend sind
o Hat reale Folgen in Form unseres Verhaltens als Konsequenz – egal ob die Definition der Situation nun falsch ist oder nicht
o diese mentalen Modelle sind immer eine (subjektive) Bewertung, bzw. Interpretation
o Schritt der Aktivierung ist eher kulturell, bzw. historisch bedingt als die signifikanten Symbole (obwohl es auch dort bestimmte kulturell geprägte Symbole gibt)
o Siehe Beispiel der gefakten Juwelendiebstähle und die aus der falschen Einschätzung der Situation resultierenden Reaktion der Verkäufer*innen
-Bsp. Corona – Politiker wollten das Muster der gesellschaftlichen Solidarität und des Durchhaltevermögens aktivieren
o USA, Frankreich, GB dagegen, nutzten viele Kriegsmetaphern – Krieg in Deutschland hier viel negativer behaftet, als in anderen Ländern (da nur Niederlagen und problematisch aufgrund der deutschen Geschichte)
==> WICHTIG STETS DIE RICHTIGEN MENTALEN MODELLE ZU AKTIVIEREN – DIE FALSCHEN ZU AKTIVIEREN KANN SCHNELL INS NEGATIVE AUSARTEN (SOWOHL IN DER MIKRO- ALS AUCH IN DER MAKROSOZIOLOGIE)
-Das Konzept der Definition der Situation geht zurück auf den Symbolischen Interaktionismus nach George H. Mead (Theoriefamilie)
o Symbole (Objekte, denen Bedeutungen zugeschrieben werden) spielen eine große Rolle im interaktiven Geschehen (sowohl zwischen einzelnen Menschen, als auch bspw. zwischen Politikern und der Gesellschaft) – Menschen handeln dann den Bedeutungen der Objekte entsprechend
-Grundannahmen (nach Herbert Blumer): Menschen handeln…
o …allen „Dingen“ gegenüber auf der Grundlage der Bedeutung, die diese Dinge für sie haben
o …die Bedeutungen entstehen in der sozialen Interaktion mit anderen Menschen – dabei spielen Symbole die zentrale Rolle in der Kommunikation
o …die Bedeutungen werden in Auseinandersetzung mit der Umwelt verändert und situationsabhängig interpretiert
-Vorteile…
o …berücksichtig die interpretative Dimension des Handelns
-und Probleme…
o …keine präzise Selektionsregel für das Handeln, kausale Gesetze des Handelns werden abgelehnt – haben ein Problem mit Handlungsgesetzmäßigkeiten
o …Brückenhypothese und Aggregation sind kaum möglich – Bezug zur MME-Ebene schwierig
-Außerdem geht das Konzept zurück auf die Phänomenologie nach E. Husserl und A. Schütz
o Erfahrung ist alles, was wir durch unseren Bewusstseinsstrom aufnehmen (z.b. denken, wahrnehmen, etc.)
o Jedes Alltagshandeln ist unproblematisch geworden
o Thematische Relevanz = Definition der Situation = Frame
-Der Grad der Reflexion bei der Selektion eines Handelns variiert stark…
o d.h. Akteure können der Selektion eines bestimmten Handelns mehr oder weniger Aufmerksamkeit zuwenden (kann mich aktiv für etwas entscheiden, Dinge hinterfragen und reflektieren, etc. oder einfach gewissen Routinen folgen)
==>…und beeinflusst, welche Determinanten die Handlungsselektion beeinflussen – wenn ich über Dinge nachdenke und neue Optionen entdecke
-Großer Vorteil
o Nimmt entgegen dem RC-Ansatz nicht an, dass Akteur*innen immer ausschließlich rational handeln – dabei gibt es auch verschiedene Stufen und Wichtigkeiten rationalen Handelns
o Beispiel für 1. = Autokauf als große Investition, Taktik bei einem Fußballspiel
o Beispiel für 2. = Halal essen, Vegetarier aus Tierschutzüberzeugung, eine Rolex, verschiedene Zeitzonen der USA – durch die ersten Staaten ist die Wahl bereits entschieden und Stimmabgabe wäre gar nicht mehr relevant – trotzdem gehen sie wählen (aus purer Gewohnheit, demokratiezelebrierend, etc.)
o Beispiel für 3. = im Affekt erfolgtes Foulspiel, ggf. ohne Eigenwert und Überdenkung der möglichen Folgen
o Beispiel für 4. = problematisches Handeln können (nur) zwei Toiletten für (nur) zwei Geschlechter sein – die Abkürzungen H und D geben an Toiletten darüber hinaus nur für Deutsche Aufschluss, nicht für Internationale Menschen, die auf die Toilette müssen
==> Grenzbereiche sind teilweise fließend – gibt immer Fälle, die zwischen den Typen zu verorten sind (aber maximal zwei Typen)
==> Probleme an Webers Handlungstypen
Frage ist, wann welche Art des Handelns zu erwarten ist? Sie geben keine Auskunft darüber, unter welchen Umständen es zu bestimmten Handlungstypen kommt
Die Handlungstheorie sollte uns auch sagen, unter welchen Bedingungen welches Handeln zu erwarten ist – so werden wir erstmal mit der Frage allein gelassen, wann wir spontan und wann auf der Basis einer Reflexion handeln
Sie sind die Ursprünge des Modells der variablen Rationalität - jedoch wird mit ihnen in ihrer Urform nicht mehr gearbeitet
-Alltagserfahrung als Kette von Selbstverständlichkeiten
o Unser Handeln im Alltag basiert auf unhinterfragtem Situations- und Handlungswissen – Rezeptwissen des Handelns
-Bei zu geringer Passung von Wissenselementen (gemessen an den Zielen des Akteurs) wird aus einer Routine-Situation eine problematische Situation
o Erst dann kommt es zu einem reflektierten Abwägen verschiedener Möglichkeiten – eben der Situationsdefinition des Handelns (erwägen Handlungsalternativen, versuchen die Situation zu analysieren)
-Ein Vorläufer heutiger Dual-Process-Theorien in der Sozialpsychologie und Soziologie
o Zwei Arten von Prozesse: Schnell, spontan und unreflektiert vs. langsam, hinterfragt, überlegt und reflektiert
-Die Theorie des Alltagshandelns von Alfred Schütz, das Modell der Frame-Selektion oder die Situational Action Theory gehören zur Familie der Dual-Processes-Theorien
==> d.h. sie arbeiten mit spontane vs. reflektierte Handlungsselektion
-System 1 und System 2 (anderes Wording für die zwei Prozesse)
o System 1: Autonome, schnelle und assoziative Prozesse der Aktivierung und Kognition
o System 2: kontrollierte, langsame und elaborierte Prozesse der Informationsverarbeitung
==> Modell berücksichtigt zusätzlich zum herkömmlichen Modell der Definition der Situation auch die Variable der Rationalität
-Alle drei Selektionen können automatisch-spontan (im Englischen „as“) oder rational-kalkulierend (im Englischen „rc“) erfolgen, d.h. es handelt sich um einen Dual-Process-Ansatz
-Vier Determinanten der Reflexion (oder eben auch nicht)
o Spontane mentale Aktivierung einer Alternative – wie stark werden die Alternativen aktiviert? Die spontane Aktivierung einer Handlungsalternative ist umso größer…
§ …je eindeutiger die Situationsdefinition ist (kenne ich die Situation, weiß ich direkt was zu tun ist)
§ …je zugänglicher ein bestimmtes Skript in der Situation ist (ich weiß, was in der Situation zu tun ist, mit fallen Assoziationen und Abläufe ein, ich kann den Ablauf abschätzen)
§ …je stärker das Skript verankert ist (wie sicher bin ich im Handlungsverlauf, wie oft habe ich das schon gemacht, wie schnell läuft dies kognitiv/automatisiert bei mir ab)
§ …je stärker es die Handlungswahl regelt (wie genau und determiniert sagt das Skript was zu tun ist?)
==> Motivation, Gelegenheiten und Aufwand einer Reflexion – was steht in der Situation auf dem Spiel?
==> VORTEIL: DAS MODELL DER FRAME-SELEKTION UND ANDERE INTEGRATIVE HANDLUNGSTHEORIEN BERÜCKSICHTIGEN SOWOHL DIE DEFINITION DER SITUATION, ALS AUCH DIE VARIABLE RATIONALITÄT DER AKTEURE
==> d.h. es kommt vor allem zu Regelverstößen, wenn die effektive Handlungsalternative eine relativ geringe Chance auf negative Konsequenzen hat
==> größter Schaden: schlechtes Gewissen – dies bedarf einer Abwägung
==> spannender Zwischenbereich: Normen der Gesellschaft vs. eigene Normen – was gewinnt? – Abhängigkeit vom moralischen Filter
==> meistens ist unsere Gesetzestreue, bzw. das schlechte Gewissen größer, um den Regenschirm wirklich mitzunehmen – ein moralischer Filter
-Mensch schwankt zwischen „Cop-in“-Handlung und "Cop-out“-Handlung
o Cop-in: aktiv sich für Handlungen entscheiden und handeln
o Cop-out: man ist ungefragt in der Handlung drin und muss sich aktiv für einen Ausgang entscheiden
-Nudging (engl. Anstoßen, Schubsen oder Stupsen) – einfache zwanglose Verhaltensmaßnahmen/-interventionen
==>
-Ermunterung eines bestimmten Verhaltens auf (mehr oder weniger) subtile Weise, ohne Wahlfreiheit zu nehmen
-Pro-Argumente
o Im Vergleich zur Verhaltenssteuerung über „harte Anreize“ (z.B. Verbote, höhere Steuern): günstiger und geringer Eingriff in das Leben der Betroffenen
o Es gibt sowieso keine neutrale Entscheidungsarchitektur, auch vom Status Quo gehen bestimmte Impulse aus – alles wird beeinflusst
o „Liberaler Paternalismus“ möchte (im Gegensatz zu den meisten privatwirtschaftlichen Akteuren) nur das Beste für die betroffenen Bürger – Wohlfahrt
-Contra-Argumente
o Sozialtechnologie vs. Ideal des mündigen Bürgers, auf dem unser demokratisches Gemeinwesen basiert
o Manipulation?
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