Ziele und Aufgaben Wissenschaftstheorie
(im Unterschied zu Wissenschaftswissenschaft und Wissenschaftsgeschichte)
Wissenschaftswissenschaften:
Wissenschaft über Wissenschaft
bspw. Wissenschaftssoziologie
Wissenschaftsgeschichte:
Entwicklung der Wissenschaften
aber was ist das explizite an Wissenschaftstheorie?
für Wissenschaftswissenschaft benötigt es einen Vorbegriff “Wissenschaft”
+ einen Methodenkanon, der Wissenschaftlichkeit sicherstellt
muss also die Kriterien der Wissenschaftlichkeit anerkennen, die sie erst untersuchen will
= Reflexion (das eigene Tun zum Bewusstsein bringen)
Kriterien müssen erfüllt sein; diese betreffen zuallerst uns selbst
explikative Aufgabe
Identifizierung des Vorbegriffs und Methodenkanons
normative Aufgabe
Beurteilung des Vorbegriffs und Methodenkanons
deskriptive Aufgabe
eher Rückgriff auf andere Wissenschaftswissenschaften
Streitig ist insbesondere die deskriptive vs. normative Wissenschaftstheorie
bzw. besser gesagt der Anteil der Aufgaben 1 und 2
Aufteilung wird also am Ziel festgemacht
Deskriptive / Explikative Wissenschaftstheorie
deskriptiv sollte eher explikativ heißen
denn Wissenschaftstheorie beschreibt nicht einfach Wissenschaften; dies ist Aufgabe der Wissenschaftswissenschaften
Historie:
Logischer Empirismus
Logische Analyse der Wissenschaftssprache - Rudolf Carnap
Analyse der Syntax (d.h. formale Struktur der Sprache)
früher Wittgenstein & Russel
Analyse der Semantik (Bedeutung der Zeichen)
= da sich analytische WiTheorie mit Sprache beschäftigt -> Metatheorie
keine Beschreibung, sondern Erläuterung der logisch-formalen Zsmhänge von Sprachstrukturen und Bedeutungsregeln
= Explikation, kein Deskription
Kritischer Rationalismus
Poppers logische Analyse
bezieht sich nicht auf Sprache, sondern auf Methode rationaler Wissenschaften
= “Wissenschaftslogik”
Erkenntnis ist ein Prozess, der durch eine Methode charakterisiert ist (=Methodenlehre)
Konstruktiv-Normative Wissenschaftstheorie
Kritik an analytischer Wissenschaftstheorie: nur Deskription des Ist-Zustandes
aber sollte: durch Wissenschafts- und Sprachkonstruktion zur Wissenschaftskritik
VSS: kritische Normen mit rationalen Begründungen
zugleich sind diese das normative Fundament der Wissenschaft
aber: vollständiger Verzicht auf Deskription würde Wissenschaftstheorie zu abstrakt machen
kritisch-hermeneutische Wissenschaftstheorie
Rationalitätsstandards liegen “dekriptiver” und konsturktiv-normativen bereits vor
untersucht den Vorbegriff “Rationalität”
was unter Rationalität verstanden wird ist abhängig von Lebenswelt und damit auch von Wissenschaft
= kein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis von Wissenschaft und Rationalität (wie normative es vertritt)
abhängig von Wissenschaftsgeschichte (sieht Kuhnsche Revolution)
= zeigte, dass wissenschaftshistorische Erkenntnisse wissenschaftstheoretische Argumente sein können
z. B.
Bild von wissenschaftlichen Fortschritt entspricht nicht der Entwicklung von Wissenschaft
Grundproblem aller wissenschaftstheoretischen Richtungen
Programm einer rationalen Theorie rationaler Wissenschaften
unterschiedlich = Bedeutung von “rational”
deskriptive
= formale Logik und Kalkülen der Entscheidungstheorie
normative
= schrittweise Begründung und der intersubjektiven Lehrbarkeit
kritisch-hermeneutische
= lebensweltlich, kultur- und sozialgeschichtlich bedingtes Vorverständnis von Vernünftigkeit
=> Was heißt wissenschaftliche Rationalität?
kann nur explikativ beantwortet werden
= Vorrang der explikativen Wissenschaftstheorie
Kriterien der Wissenschaftlichkeit - Bereich, was keine Wissenschaft ist
bei Aristoteles
außerwissenschaftlich
= das, was mit Wissenschafts nichts zu tun hat
z. B. Universitätsverwaltung
vorwissenschaftlich
= genügt dem Anspruch der Wissenschaft noch nicht
z. B. Behauptungen, Thesen ohne Beweise = also Erfahrung
unwissenschaftlich
= läuft Kriterien der Wissenschaftlichkeit zuwider
z. B. Parapsychologie, Meinungen
Kriterien der Wissenschaftlichkeit bei Aristoteles
= ontologische Beschreibung, da vom Gegenstand ausgehend
Erkenntnis des Allgemeinen
Erkenntnis der Ursachen und Prinzipien
Notwendigkeit
Lehrbarkeit, weil logisch begründbar (folgt aus oberen)
=> Allgemeingültigkeit, Begrüdnbarkeit und Notwendigkeit sind uch heute von Kriterien wissenschaftlichen Wissens
Kriterien der Wissenschaftlichkeit bei Kant
= erkenntnistheoretische Beschreibung
Erkenntnis ist:
systematische Gewissheit
= ein nach Prinzipien geordnete Ganzes der Erkenntnis
apodiktische Gewissheit
Erkenntnis, von der man weiß, dass sie nicht anders sein kann; also keine Erfahrung, da diese veränderlich ist
das Methodische
zwei Funktionen
Sicherung des ständigen Fortschritts
intersubjektive Einigung über der Verfahren
gefordert für Wissenschaften und Philosophie
diesen Anforderungen entsprechen nicht: nicht-mathematische Wissenschaften
= diese sind nicht streng wissenschaftlich
bspw. Metaphysik oder Chemie
Kriterien der Wissenschaftlichkeit bei Descartes
Regeln:
analytisch-rekompositive Methode
Systemforderung/ Vollständigkeitsforderung
jedoch genügt Vollständigkeit nicht, sondern alles Einzelne muss mit methodischen Schritten beweisbar sein
Kriterien der Wissenschaftlichkeit bei David Hume
= empiristische Beschreibung
nur die Mathematik ist apodiktischer Gewissheit fähig, da nur sie nicht auf Erfahrungen gründet
Kriterium der Wissenschaftlichkeit (abgesehen von Mathematik)= Erfahrung
= empiristische Erkenntnis- oder Wissenschaftskriterium
methodisch-systematisches Vorgehen sekundär
Verschärfung bei Wiener Kreis:
-> empiristisches Sinnkriterium
nur die Sätze sind sinnvoll, die empirisch verifizierbar sind
Kriterien der Wissenschaftlichkeit bei Popper
Kritik des empiristischen Erkenntnis- oder Sinnkriteriums
Erkenntnis wird induktiv gewonnen
jedoch: Induktion ist logisch unzulässig (=Induktionsproblem)
weil kein Schluss von Besonderen auf Allgemeines, da Gegenbeispiel möglich
Lösung: deduktive Nachprüfung
von allgemeinen Sätzen deduktiv abgeleitete Sätze können empirisch überprüft werden
= Falsifizierung möglich
Wissenschaftstypen und Leitmodelle der Wissenschaft
werden durch Leitmodell der Wissenschaft bestimmt
aristotelischen
cartesianischen
Baconschen
Popperschen
die Wahl des vernünftigsten Modells ist nicht möglich
jedes Modell orientiert sich an eigenen Zwecken und Zielen und gibt dies als “vernünftig” aus, folgt hierbei aber verschiedenen Leitmodellen von Vernunft bzw. Rationalität:
aristotelisches
Vernunft = Vermägen der geistigen Schau des ewigen, wahren Seins
cartesiantische
Vernunft = vernünftige Selbständigkeit im Erkennen und Handeln
Baconsche
Rationalität = Erkenntnis und Anwendung geeigneter Mittel für unsere Lebenszwecke
Poppersche
Rationalität = Vernunft nach der vernünftigen Wahrheitssuche durch Vermutung und Widerlegung
aristotelische Leitmodell
ontologisch
Merkmale der Wissenschaft bestimmten gleichzeitig die höchste Wissenschaft
umfassendste + schwierigste
Wissenschaft des Allgemeinsten: des Seienden als Seiendes
genaueste + am besten die Ursachen lehrende
Wissenschaft der ersten Ursachen
die allein um des Wissens willen gesuchte
also nicht wegen Nützlichkeit
= freies Wissen und deswegen göttlich
weil über Gott und weil Vollständig nur von Gott
die “gebietenste” Wissenschaft
die des höchsten Zwecks
=> die Wissenschaft des Allgemeinsten und der ersten Ursachen und Gründe: “Erste Philosophie” oder Metaphysik
da allein um des Wissen willen gesucht = theoretisches Wissen
geht einher mit Wissenschaftseinteilung: Theorie, Handeln, Herstellen
Wissenschaftstyp: kontemplatives Wissenschaftsmodell
cartesianische Modell
Merkmale der Wissenschaft nach Descartes:
analytisch-rekompositives Vorgehen
systematische Vollständigkeit
= Prinzipien der Philosophie (in Schreiben an Picot)
alles Einzelwissen ist aus unbezweifelbaren Fundamentalprinzipien deduktiv ableitbar
nicht nur formal, sonder unbezweifelbare Gewissheit
oberstes Ziel: vernünftige Selbständigkeit
Wissenschaftstyp: axiomatisch-deduktives, certistisches Wissenschaftsmodell
Baconsche Modell
Kritik der zeitgenössischen Wissenschaft, also vor allem dem aristotelischen Wissenschaftsmodell
Frage nach:
praktischen Nutzen
Gegenposition zu Aristoteles, da dieser ja sein Wissen außerhalb des Nutzens, sondern nur aufgrund des Wissens willen sucht
Fortschritt der Wissenschaft
Fortschritsidee dem Nutzen untergeordnet
Fortschritsskriterium= praktische Erleichterung des Lebens; Erkenntnis dient als Instrument der Praxis
Wissenschaftstyp: instrumentalistisches Wissenschaftsmodell
Änderung der Zielsetzung von Wissenschaft, führt zu einer Änderung der inneren Struktur hin zu einer praxisorientierten Wissenschaft
und diese benötigt Prinzipien, die eine praktische Auseinandersetzung mit der Natur sicherstellen können
= Novum Organon formuliert diese methodologischen Grundsätze
Beobachtung der Gesetzmäßigkeiten der Natur
nach diesen bestimmen sich die praktischen Regeln des Eingriffs in die Natur
Bacon spricht von: Herrschaft und Gehorsam
= Erfahrung wird zum Fundament der Wissenschaft
Erlangung: induktives Vorgehen (Experimente)
=> empirisch-wissenschaftliche Methode
Poppersche Modell
Wissenschaftstyp: fallibilistisches Wissenschaftmodell
Wahrheit ist nicht erreichbar
d. b., dass eine Theorie nicht beweisbar ist, aber sie lässt sich rechtfertigen
= Annäherung an die Wahrheit
schließt damit alle anderen Modelle aus
certische, weil von unbelegbaren Fundament ausgeht
instrumentalistisches, weil Schluss von “wahr” auf “praktisch-erfolgreich", weil diese Schlussfolgerung nicht zwingend ist
kontemplatives, weil sie von Wissen als Besitz ausgeht
Wissenschaftseinteilung bei Aristoteles
ontologische Einteilung
Einteilung anhand der verschiedenen Seinsweisen
ewige, wahre Sein + relative, vergängliche Sein
Gott + Mensch
theoretische Philosophie + praktische Philosophie
überträgt seine Teilung der Philosophie auf die Wissenschaft
theoretische Philosophie/Wissenschaft:
Gegenstand: das Unveränderliche =
Metaphysik, als Lehre des Seienden als Seiendes
Lehre des Beweglichen und Veränderlichen, sofern es das Prinzio Bewegung und Veränderung in sich trägt
praktische Philosophie/Wissenschaft:
Prkatische (menschliches Handeln: Ethik, Politik)
Poietische (Hervorbringen: technische Wissenschaften)
= Dreiteilung der Wissenschaft
Wissenschaftseinteilung bei Kant
beruft sich auf eine ontologische Einteilung der Stoiker und gibt ihr eine erkenntnistheoretische Begründung
formal
-
Logik
material
nach Gesetzen der Natur
Physik
nach Gesetzen der Freiheit
Ethik
unterscheidet keine Gegenstandsarten, sondern Gesetzmäßigkeiten
Unterschied zu Aristoteles, dass Kant Logik zur Wissenschaft zählt, während A diese als Organ der Philsophie (außerhalb stehend) betrachtet
Probleme der ontologsichen Einteilungskriterien
Einteilung muss gerechtfertigt werden
ontologische Bereichsbegriffe müssen vor der Anwendung muss gesamter Anwendungsbereich gekannt werden
= Wissenschaftseinteilung wäre erst nach Vollendung möglich
+ Orientierung am Gegenstand ist nicht immer möglich
Bsp.: Erdbeben von Lissabon
geschichtliche Betrachtung
geologische Betrachtung
=erkenntnistheoretische Problembehandlung notwendig
John Locke + John Stuart Mill Wissenschaftseinteiltung
John Locke: Versuch über den menschlichen Verstand
äußere und innere Wahrnehmung = Einteilungsprinzipien
John Stuart Mill:
führte die Locksche Tradition weiter
Unterscheidung zw. Physischen und Psychischen -> moral sciences und natural sciences
moral sciences wurde mit “Geisteswissenschaften” übersetzt
Wilhelm Diltheys Wissenschaftseinteiltung
wurde bestimmend für die Unterscheidung von Geistes- und Naturwissenschaften
bedient sich der Psychologie: Unterscheidung nach Aufmerksamkeitsbereichen “Innen” oder “Außen”
Nach-Innen-Gehen = Verstehen
= hermeneutische Begründung der Geistes- oder Kulturwissenschaften
Wilhelm Windelbrands Wissenschaftseinteiltung
Kritik an Locke + Mill
moderne, naturwissenschaftlich verfahrende Psychologie ist in jener Einteilung der Wissenschaft nicht unterzubringen
= Naturwissenschaft vom Geiste
methodologisch unter eine Kategorie; inhaltlich unter die andere
Vorschlag:
Nomothetik und Idiografie
klassifiziert die Behandlungsart von Gegenständen; nicht die Gegenstände selbst
= Gegenstand kann nomothetisch (naturwissenschaftlich) und idiografisch (geschichtlich) behandelt werden
Heinrich Rickerts Wissenschaftseinteilung: “Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung”
geht zurück auf Windelbrands
Idiografie kommt nicht ohne Begriffe aus (also nicht ohne Allgemeines)
= es kommt auf die Art der Begriffe an die in den jewiligen Wissenschaften angewandt werden
knüpft an Kants Definition der Natur an
Natur= Dasein der Dinge unter Gesetzen
Kultur= Dasein der Dinge unter Werten
stellt Natur Kultur gegenüber = Einteilung in Natur- und Kulturwissenschaften
Wissenschaftseinteilung nach Jürgen Habermas
Einteilungskriterium= Erkenntnisinteresse
praktisches, technisches und emanzipatorisches
=/ individuellen Forschungsinteressen
bauen auf: soziale Habdlungs- und Interaktionsstrukturen auf
instrumentales Handeln -> technisches
Kommunikation -> praktisches
Selbstreflexion -> emanzipatorisches
biete Antwort auf Frage:
Welchen sinnvollen Gebrauch man von den vielen Möglichkeiten, Wissenschaft zu betreiben, denn machen kann
Problem bei Reduktion der Wissenschaftstypen auf einen Typ
Problem der Einheitswissenschaft
Reduktion der historischen Wissenschaftsvielfalt
wurde von Naturalismus mit ontologischer Argumentation vertreten
heute meist methodologische Argumentation
argument: Isolierung der Wissenschaften und damit Behinderung des wissenschaftlichen Fortschritts
Gegensatz: Wissenschaftspluralismus
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