Geschichte der Ökonomie (Merkantilismus und Physiokratie)
Klassische Nationalökonomie begründete ab der Mitte des 18. Jh. die Ökonomie als eigenständige Wissenschaftsdisziplin
Anfangs weitgehend identisch mit dem wirtschaftlichen Liberalismus
Ablösung des Merkantilismus (franz. mercantile = „kaufmännisch“)
Wirtschaftspolitisch dominant im Absolutismus des 16. bis 18. Jh.
Ziel: Reichtum der Herrschenden durch positive Handelsbilanz vergrößern
Wertschöpfung durch Handel via Protektionismus und niedrigen Löhnen
…und der Physiokratie (gr. „Herrschaft der Natur“)
Gegenbewegung zum Merkantilismus --> Gegen Zölle & Staatsmonopole
Besondere Bedeutung von Landwirtschaft und Privateigentum
Wertschöpfung allein durch Landwirtschaft
Vom Merkantilismus zum Liberalismus
Eine positive Handelsbilanz führt zu mehr Edelmetallen im Inland. • Dies vergrößert die Geldmenge und die Kaufkraft.
Das wiederum bedeutet vermehrte Nachfrage nach Gütern.
Wodurch sich eine höhere Produktion und Beschäftigung ergibt.
Beginn der industriellen Revolution in Großbritannien und Transformation der traditionellen (agrarischen) Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zur industriellen (marktwirtschaftlichen) Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. →Entstehung der kapitalistischen Gesellschaft.
Starker Anstieg der Bevölkerungszahl in Großbritannien → Export industrieller Güter und Import von Nahrungsmitteln/Rohstoffen zur Deckung des ansteigenden Nahrungsmittelbedarfs.
→Dementsprechend relevant wird die Idee des Freihandels sowie der Abbau von Schutzzöllen.
Kapitalismus
Der Kapitalismus ist eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die auf Privateigentum an Produktionsmitteln und einer marktwirtschaftlichen Steuerung von Produktion und Konsum beruht. Kapital, Fabriken und Maschinen sind überwiegend in Privatbesitz und nicht mehr im Besitz der Feudalherrschenden.
Entwicklung des klassischen Wirtschaftsliberalismus bzw. der klassischen Nationalökonomie im 18 Jh. als Reaktion auf die Defizite des merkantilistischen Wirtschaftssystems das durch staatliche Regulierungen geprägt war.
Adam Smith und die Begründung der klassischen Nationalökonomie
Das Ziel: Wohlstand der gesamten Nation statt ausschließlich den Reichtum der Mächtigen mehren.
Der Weg zum Ziel: Freie Marktwirtschaft ➢ Sich selbst regulierende Wirtschaftsordnung in der alles wirtschaftliche Handeln durch die Anreize und Signale der Preise harmonisiert wird.
Die klassisch-liberale Überzeugung: ➢ Märkte tendieren zu Harmonie und Gleichgewicht und müssen nur von schlechten Einflüssen geschützt werden…„laissez faire“ (franz. „lass es geschehen“). ➢ Optimistisches & vernunftbegabtes Menschenbild
System der „natürlichen Freiheit“ als Gegenentwurf zum Merkantilismus:
Smith argumentiert, dass ein System freier Märkte nicht im Chaos endet, sondern zu einer natürlichen Ordnung gelangt, die gleichzeitig Freiheit und Wohlstand ermöglicht.
Der/die einzelne Unternehmer:in kann nach liberalem Verständnis demnach besser als der Staat beurteilen, welches Gewerbe sich für den Einsatz von Kapital eignet. Allerdings hielt bereits Smith Monopole und Kartelle (z.B. Zünfte) die den freien Wettbewerb behindern, für schädlich:
„Geschäftsleute des gleichen Gewerbes kommen selten, selbst zu Festen und zur Zerstreuung, zusammen, ohne dass das Gespräch in einer Verschwörung gegen die Öffentlichkeit endet oder irgendein Plan ausgeheckt wird, wie man die Preise erhöhen kann. Solche Zusammenkünfte kann man aber unmöglich durch irgendein Gesetz unterbinden, das durchführbar oder mit Freiheit und Gerechtigkeit vereinbar wäre, doch sollte das Gesetz keinerlei Anlass geben, solche Versammlungen zu erleichtern, und, noch weniger, sie notwendig zu machen.“
Vertreter:innen der klassischen Nationalökonomie
Wie wir in der letzten Vorlesung zur Pluralen Ökonomik besprochen haben, gibt es nicht „die eine volkswirtschaftliche Denkrichtung“. Auch Vertreter:innen der klassischen Nationalökonomie haben unterschiedliche Schwerpunkte und bestehende Theorien wurden im Laufe der Zeit weiter entwickelt. Begründer der klassischen Nationalökonomie war der schottische Philosoph und Ökonom Adam Smith.
Arbeitsteilung nach Adam Smith
Smith betonte die Vorzüge zunehmender Arbeitsteilung für die Arbeitsproduktivität. Sie ist für Smith die Ursache von steigendem Wohlstand (Stecknadelbeispiel). Dies hat für ihn vor allem drei wesentliche Gründe:
Spezialisierung und somit Förderung der „größeren Geschicklichkeit jedes einzelnen Arbeiters“,
Zeitersparnis und
Technischer Fortschritt.
Vorausgesetzt wird dabei eine menschliche Neigung zum Tausch:
“Wie das Verhandeln, Tauschen und Kaufen das Mittel ist, uns gegenseitig mit fast allen nützlichen Diensten, die wir brauchen, zu versorgen, so gibt die Neigung zum Tausch letztlich auch den Anstoß zur Arbeitsteilung. (…) Jene Eigenschaft ist allen Menschen gemeinsam, und man findet sie nirgends in der Tierwelt. (…) Niemand hat je erlebt, dass ein Hund mit einem anderen einen Knochen redlich und mit Bedacht gegen einen anderen Knochen ausgetauscht hätte“
In einer arbeitsteilig organisierten und für den Markt produzierenden Wirtschaftsordnung lautet eine zentrale Frage, welches die Bestimmungsgründe für den Wert oder Preis der Güter sind.
Das Wert-Paradoxon
Was wären Sie bereit, für einen Liter Wasser zu bezahlen?
Was wären Sie bereit, für einen Diamantring zu bezahlen?
Das Wert-Paradoxon: „Dinge mit dem größten Gebrauchswert haben vielfach nur einen geringen oder keinen Tauschwert, umgekehrt haben solche mit dem größten Tauschwert häufig wenig oder keinerlei Gebrauchswert. Nichts ist nützlicher als Wasser, und doch lässt sich damit kaum etwas kaufen oder eintauschen. Dagegen besitzt ein Diamant kaum einen Gebrauchswert, doch kann man oft im Tausch dafür eine Menge anderer Güter bekommen.“
Smith unterscheidet wie später auch Ricardo und Marx zwischen Gebrauchswert und Tauschwert eines Gutes. Dabei kann die Anzahl an eingesetzten Arbeitsstunden als Recheneinheit für den Tauschwert eines Gutes dienen.
Das Marktmodell
Das Marktmodell besteht aus dem aggregierten Angebot (S) und
der aggregierten Nachfrage (D) nach einem bestimmten Gut:
Nachfragekurve: Beziehung Preis (p) / nachgefragte Menge (q)
Angebotskurve: Beziehung Preis (p) / angebotene Menge (q)
Ein Angebotsüberschussführt zu einem Rückgang des Preises
Ein Nachfrageüberschussführt zu einem Anstieg des Preises
→ Der Markt tendiert in der (neo)klassisch-liberalen Theorie zu einem
pareto-optimalen Gleichgewicht
→ Aber: Was ist die Triebkraft des Marktes?
Beispiele, wie der Markt funktioniert
Was könnte passieren, wenn eine Bäckerei ihre Preise stark erhöht, ohne etwas am Produkt selbst zu verändern?
Aber was würde passieren, wenn es nur eine einzige Bäckerei d.h. ein Monopol gäbe?
Das nicht-intendierte (soziale) Ergebnis (individuellen) intendierten Handelns
Bei Adam Smith klingt das so:
„Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers oder Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe, und wir erwähnen nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern sprechen von ihrem Vorteil.“
Beschrieben wird: Das nicht-intendierte (soziale) Ergebnis (individuellen) intendierten Handelns
→ Eine spontane Ordnung vom individuellen Nutzenstreben zum sozialen Optimum
Smith nutzte die Metapher der „unsichtbaren Hand“ um zu erklären, wie das Zusammenspiel von
rationalen/vernünftigen Individuen Ordnung, Harmonie und Gleichgewicht auf den Märkten schafft und für eine optimale Beantwortung unserer fünf Grundfragen des Wirtschaftens sorgt (was, für wen, wie, wie viel, wo).
Was heißt das für die Ausgestaltung einer liberalen Wirtschaftsordnung?
Nach Ansicht liberaler Ökonom:innen sollte sich der Staat auf die Schaffung und Erhaltung langfristiger Rahmenbedingungen wie etwa der Gewährleistung von Wettbewerbsfreiheit, Leistungswettbewerb, privatem Eigentum und Freihandel beschränken. Ziel ist eine freie Marktwirtschaft (Extremform: „laissez-faire Liberalismus).
IGewährleistung der individuellen Freiheit des/der Einzelnen.
—> individuelle Verantwortung für den eigenen (ökonomischen) Erfolg sowie eine schlanke Ausgestaltung des Sozialstaates.
Der Preismechanismus gleicht im Zeitverlauf und ohne staatliche Interventionen kurzfristige Ungleichgewichte aus.
In wirtschaftlichen Krisenzeiten wird eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik empfohlen
= Abbau bürokratischer Hindernisse/Steuersenkungen, um unternehmerische Investitionen zu erleichtern. Konjunktursteuernde Angebotspolitik ist auf die Produktion, d. h. auf die Unternehmensseite ausgerichtet.
Problematiken der freien Marktwirtschaft
Vielen (Gleichgewichts)Modellen der (Neo)klassik liegt die Annahme eines vollkommenen Marktes zu Grunde. Es wird angenommen, dass alle Marktteilnehmer:innen nach ökonomischen Grundsätzen handeln und bestimmte
Prämissen erfüllt sind:
Viele Anbieter:innen und viele Nachfrager:innen
Rationalität der Marktteilnehmer:innen (homo oeconomicus)
Zeitlich stabile Präferenzen
Unendlich schnelle Reaktionsgeschwindigkeit
Markttransparenz
Homogene Güter
Ceteris paribus sind alle kaufentscheidenden Faktoren bis auf den Preis unwichtig (bzw. im Preis enthalten)
Das Modell des vollkommenen Marktes ist zwar praktisch, um grundlegende Ansätze des ökonomischen Denkens zu verstehen, allerdings gibt es in der Realität keine vollkommenen, sondern nur unvollkommene Märkte!
Öffentliche Güter:
Unternehmer:innen produzieren nur diejenigen Güter, mit denen sie Gewinn erzielen können. Güter, die nicht so einfach am Markt verkauft werden können, werden deshalb nicht in optimaler Menge produziert. Hierzu zählen z.B. Güter wie öffentliche Straßen, Bildung oder Schutzimpfungen für seltene Krankheiten. Bei Allmendegütern als Sonderform öffentlicher Güter mit Konsumrivalität tritt zudem das Übernutzungsproblem auf (z.B. Fische im Meer).
Wettbewerbsverzerrungen
In einer Marktwirtschaft besteht bei Unternehmen die Tendenz, über Unternehmenszusammenschlüsse den Wettbewerb einzuschränken (Monopolisierung und Kartellbildung). Zudem kann die Gewinnorientierung der
Unternehmen mit sozial- und umweltpolitischen Zielen konfligieren. Ein weiteres Problem stellen externe Effekte dar: Sie liegen z. B. vor, wenn Unternehmen Giftstoffe an die Umwelt abgeben, ohne für die Schäden aufzukommen.
Überoptimistisches Menschenbild
Die Maximierung des Individualnutzens führt häufig nicht zu einer Maximierung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt.
Instabilität
Die gesamtwirtschaftliche Lage schwankt. In einer Rezession kann es zu Deflation und Arbeitslosigkeit kommen. Andererseits besteht z. B. bei realwirtschaftlichen Preisschocks oder extremer Geldmengenausweitung die Gefahr einer Inflation. Aufgrund der starken Vermögenskonzentration, Informationsproblemen und Spekulation sind insbesondere Finanzmärkte wiederkehrend durch Instabilität geprägt.
Ungleichheit
Typisch für eine freie Marktwirtschaft ist eine ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung. Sie ist die Folge des dominierenden Leistungsprinzips. In der Realität zeigt sich, dass diejenigen Gesellschaften, die sehr effizient
wirtschaften, auch große soziale Unterschiede aufweisen
→ Einkommen: z.B. Lohn/Elterngeld vs. Vermögen: Besitztümer z.B. Immobilien, Aktien
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