Was versteht man unter der Didaktik?
Kunst und Wissenschaft des Lehrens und Lernens.
zentrale Disziplin der Pädagogik
neben der fachlichen Ausbildung zur Qualifizierung in der wissenschaftlichen Lehrerbildung
Wolfgang Klafki:
„Wissenschaft vom Lehren und Lernen in allen Formen und
auf allen Stufen. In diesem Sinne umfaßt der Begriff sowohl
systematisches als auch gelegentliches Lehren und Lernen,
bewusstes Lernen und unbewusstes Lernen, das 'Was', also den Inhalt des Lehrens und Lernens ebenso wie das 'Wie', dieVerfahrensweisen und Methoden, Organisationsformen und Hilfsmittel.“
->
Materiale Bildungsziele - konkrete stoffliche Inhalte (durch den Lehrplan vorgegeben)
Formale Bildungsziele - Entwicklung von Kindern fördern (Fertigkeiten und Fähigkeiten entwickeln)
Abbildung aus Sachunterricht (nur zur Veranschaulichung)
Was versteht man dann dann unter Mathematikdidaktik?
Die Wissenschaft vom Lernen und Lehren von Mathematik / Theorie und Praxis des Lehrens und Lernens von Mathematik
deskriptiv/empirisch/analytisch = Erfassung was ist lernförderlich, was nicht, was funktioniert schon, was nicht? / IST-Zustand
normativ oder präskriptiv (bestimmte Normen festlegend) = ZIEL-Zustand
konstruktiv = Wenn etwas zwischen dem IST- und ZIEL-Zustand steht (DISKREPANZ) / versucht die Diskrepanz aufzuheben durch zB KC
integrativ = LÖSUNGSVORSCHLAG
-> (verschiedene Dimensionen der Mathematikdidaktik)
Mathematikdidaktik (Forschungspraxis) und Unterrichtswirklichkeit (Unterrichtspraxis) stehen in permanenter Interaktion (konstruktive und analytische Dimension der MD):
interagiert mit der Schule und der gesamten Gesellschaft
Spannung zwischen der Fachwissenschaft und der Schulpraxis darf nicht als eine lineare, hierarchische Verbindungskette interpretiert werden.
Wilhelm von Humboldt (1767 - 1835)
Forderung -> Schule soll Allgemeinbildung vermitteln
Reformvorstellungen für preußisches Schulwesen
“Mathematische "Strenge” = positiver Einfluss auf moralische Entwicklung
-> strenges Vorgehen -> Notwendigkeit
Zentral: Verständnis von Zusammenhängen
ABER Unterrichten “reiner” (theoretischer) Mathematik / Anwendungen eher zweitrangig
Formale Zielsetzungen: Vermittlung mathematischer Schlussweisen, Methoden
-> siehe Theorie der methodischen Bildung
Industriealisierung (Mitte 19. Jh.; 1850 - 1900)
Ziel: Vermittlung von anwendbarer Mathematik
im Fokus des Sachrechnens
Konzepte des Sachrechnens gewinnen hier an Bedeutung für die Schulen, da
Menschen für ihren Lebensalltag im Beruf anwendbare Mathematik brauchen
UND weil Vertreter Kritik äußerten: “ Das von Zwang und Drill geprägte Rechnen im Mathematikunterricht führt dazu, dass Lernende den Sinn darin aus den Augen verlieren und es folglich im praktischen Leben nicht anwenden können.”
Felix Klein (1849 - 1925)
Reformvorschläge für den höheren mathematischen und physikalischen Unterricht (Naturforscherversammlung, Meran)
-> Meraner Beschlüsse; 3 Prinzipien
Psychologisches Prinzip (Unterricht; Anpassung an geistige Entwicklung + Vorstellungswelt der Lernenden)
Utilitaristisches Prinzip (Befähigung zur mathematischen Betrachtung der uns umgebenden Erscheinungswelt -> diese Welt zur möglichsten Entwicklung bringen / zweckorientierte Ethik + Verzicht auf praktisch bedeutungslose Spezialkenntnisse)
Didaktisches Prinzip (Konzentration des gesamten Lernstoffs um einen Gedanken, um Nebeneinander der einzelnen mathematischen Gebiete aufzuheben; “Fusion” der Mathematik + erfahrbare Bezüge)
Neben diesen Prinzipien fordert er:
Die Stärkung des räumlichen Anschauungsvermögens
Die Einführung der Differntialrechnung
Die Erziehung zum funktionalen Denken
Funktionales Denken: typisch für den Umgang mit Funktionen (1) Zusammenhänge zwischen Größen (2) Abhängigkeiten von Größen (3) Zusammenhang als Ganzes
Nationalsozialismus (1933 - 1945)
Nationalsozialisten pervertierten die Idee der Anwendungsorientierung
nach dem zweiten Weltkrieg (1939-1945) verloren materiale Zielsetzungen (Befähigung zu Umweltbewältigung, Anwendungen) an Bedeutung
-> Gesellschaft handlungsunfähig machen / außer Gefecht setzen
Neue Mathematik (60er Jahre; 1960 - 1969)
Bedeutungsverlust materialer Zielsetzungen (Befähigung zu Umweltbewältigung, Anwendungen) verstärkte sich in der Phase der “Neuen Mathematik”
starke Reformation
Orientierung an abstrakten mathematischen Begriffen (Menge, Abbildung, algebraische Struktur)
Schule sollte auf ein Leben in einer von moderner Wissenschaft geprägten Gesellschaft (und Wirtschaft) vorbereiten
“Sputnikschock” 1957 Folge: in allen Schulformen wurden Realitätsbezüge im Mathematikunterricht fast völlig gestrichen
Mathematikdidaktik (Mitte 70er Jahre; 1975 - 1979)
&
Martin Wagenschein (1896 - 1988)
Mathematikdidaktik
entwickelte Standpunkte, die dem Mathematikunterricht formale und materiale Ziele zuordnete
Martin Wagenschein
Zentral: Verstehen (nicht das Beherrschen von Fähigkeiten/Algorithmen) -> “Selber einsehen wie es kommt”
exemplarisch-genetisch-sokratischer Unterricht
exemplarisch:
besonders wichtige Einzelstoffe sollen als “Spiegel des Ganzen” behandelt werden
Stoffülle wird reduziert
Qualität vor Quantität / Tiefe statt Breite
sokratisch:
Lehrkraft unterstützt (durch geschicktes Fragen) Schüler dabei, eigene Fragen zu entwicklen und zu Antworten und Einsichten zu gelangen
genetisch:
an Prozesse der Entstehung von Mathematik (Entwicklungsprozesse) orientiert; Wege des Entdeckens und Verstehens
Der Wunsch nach Ergebnissen auf Seiten der Lernenden hält die Entwicklungsprozesse im Gang “Leistungssog statt Leistungsdruck”
Voraussetzungen:
sokratisch Def: den griechischen Philosophen Sokrates und seine Lehre betreffend, auf ihr beruhend -
"sokratische Methode (auf die Gesprächsführung des Sokrates zurückgehende Methode des Lehrenden, durch geschicktes Fragen den Schüler die Antworten und Einsichten selbst finden zu lassen)"
Entwicklungsprozesse; hier als Prozess der Entstehung von Mathematik
Hans Freudenthal (1905 - 1990)
“beziehungsvolle Mathematik” -> Mathematik als Netz von Beziehungen und Zusammenhängen
“dass es wirksam bleibt” -> nachhaltiger Zugang
zB in Verhältnissen denken (Bruchrechnen) bleibt
Zentral: Beziehungen zu Lebenswirklichkeit
mathematische Methoden und Denkweisen wichtiger als Faktenwissen
ABER im Kern ging es ihm trotzdem nicht um anwendungsbezogene Mathematik
ALLE DREI haben einen anderen Fokus, nicht auf anwendungsbezogene Mathematik
-> Wilhelm von Humboldt, Martin Wagenschein und Hans Freudenthal
betonen wesentliche formale Ziele des Mathematikunterrichts
weder der mathematische Lernstoff, noch mathematische Anwendung stehen im Mittelpunkt SONDERN der Beitrag der Mathematik zur Allgemeinbildung
Mathematik als Baustein
Hans Werner Heymann (*1956)
betrachtet Allgemeinbildung: “als zentrale Aufgabe der allgemeinbildenden Schulen” und als “verpflichtendes Angebot der Gesellschaft”
Orientierung / Überprüfung des Fachunterrichts; inwiefern hier ein Beitrag zur Allgemeinbildung geleistet wird -> Konzept mit 7 TEILAUFGABEN
Lebensvorbereitung
Basis von, im Leben benötigtem Wissen und Fähigkeiten (welche man ohne Schule nicht erreichen könnte)
Stiftung kultureller Kohärenz
innerhalb gesellschaftlichen Kulturkreisen zurechtfinden / Anerkennung / Identität
Weltorientierung
Teil eines Ganzen / Zusammenhänge / Urteilsvermögen / “epochaltypische Schlüsselprobleme”
Anleitung zum kritischen Vernunftgebrauch
eigenen Verstand nutzen / soziale Vermittlung
Entfaltung von Verantwortungsbereitschaft
Veratwortung für Verhalten & Haltung / Interaktion (im geschützten Raum Schule)
Einübung in Verständigung und Kooperation
Interaktion / Fähigkeiten (Toleranz, Kompromissbereitschaft, ..) / soziales Miteinander
Stärkung des Schüler-Ichs
Persönlichkeitsentwicklung / Stärken & Schwächen / Bedürfnisse / Selbstvertrauen
SIEHE Übung01: Mathematikunterricht auf 7 Teilaufgaben übertragen
Heinrich Winter (1928 - 2017)
“Mathematikunterricht sollte anstreben, die 3 Grunderfahrungen, die vielfältig miteinander verknüpft sind, zu ermöglichen.”
1995
(1) Mathematik als Werkzeug
um die Welt in einer spezifischen Art (hier mathematisch) wahrzunehmen - mathematische Brille / hier ist nicht gemeint, dass Mathe über anderen Fächern steht
-> zB Modellierungsaufgaben / Zusammenspiel Oberfläche & Volumen
(2) Mathematik als eigene Welt
/ deduktiv geordnete Welt: vom Allgemeinen zum Spezifischen
-> zB Beweisen von Behauptungen, Experimentieren / Geometrie: 1. deduktive Wissenschaft
(3) Mathematik als Mittelzum Erwerb von auch über die Mathematik hinausgehenden Problemlösefähigkeiten = heuristische Fähigkeiten* / durch Bearbeitung von Aufgaben Problemlösen üben
-> zB Problemlösestrategien (Zerlegung in Teilprobleme, Analogien)
* heuristische Kompetenz: Problemlösungsverfahren, mit denen neue Situationen bewältigt werden können (wo Routinewissen nicht mehr ausreicht), zB systematische Vorgehensweisen (Lernziel Aufgabe Hühner & Schweine in Übung01 - vom wahrlosen Probieren zum systematischen Probieren)
_________________
Im Matheunterricht sollten Schüler 3 Grundlegende Erfahrungen machen -> 3 Wintersche Grunderfahrungen
(keine auswendig gelernten Inhalte SONDERN Mathematik muss erlebt werden / alle Erfahrungen miteinander verknüpft)
PISA-Studie (Programme for International Student Assessment)
-> Durchführung nun alle 3 Jahre
-> Vergleich alltags- und berufsrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten Fünfzehnjähriger (Lesen, Mathe, NaWi)
Ergebnisse 1. PISA-Studie (Ende 2001)
Deutsches Schulsystem erhebliche Leistungs- und Gerechtigkeitsdefizite
unterhalb OECD-Durchschnitt
Schulerfolg stark vom Elternhaus abhängig
Schwächen dt. Schüler: Mathematik im Alltag
PISA-Schock
Forderung nach Reformen des Bildungssystems
Anwendungen wieder höheren Stellenwert
Vermittlung von nützlichen Kenntnissen anstelle von “trägem Wissen”
PISA-E (Deutsche Zusatzstudie)
Leistungsunterschiede zwischen Bundesländern “Bildungsgefälle”
Oft wird die Einführung der bundesweiten Bildungsstandards als eine Folge des PISA-Schocks genannt - STIMMT NICHT, denn
TIMSS-Studie (1995): Kritik und Forderung nach Veränderung des Mathematikunterrichts
Entwicklung der Bildungsstandards wurde 1997 beschlossen
Was verbirgt sich hinter dem Paradigmenwechsel von Inputsteuerung zur Outputsteuerung?
-> als Lehrkraft ist es wichtig, ob die Klasse die Kenntnisse und Fähigkeiten LANGFRISTIG anwenden kann
Outputsteuerung
weg von reinen Fachinhalten, Faktenwissen, Algorithmen
hin zu Kompetenzen; Fähigkeiten und Fertigkeiten
Klieme-Expertise, von E. Klieme
Output von Bildungssystemen umfasst
Aufbau von Kompetenzen, Qualifikationen, WIssenstrukturen, Einstellungen, Überzeugungen, Werthaltungen
KMK - Bildungsstandards in zentralen Fächern einführen -> Orientierung an (bei PISA erfolgreicheren) Staaten - in denen es schon länger verbindlich vorgegebene Standards für das gibt, was das Bildungssystem erreichen soll
Konzeptionelle Grundlage für den KMK-Beschluss war die Expertise „Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards“ einer zehnköpfigen Expertengruppe unter Leitung von E. KLIEME -> fachbezogenen Kompetenzen, die Schüler bis zum jeweiligen Abschluss erwerben sollen
Nationale Bildungsstandards formulieren verbindliche Anforderungen an das Lehren und Lernen in der Schule.
Bildungsstandards benennen präzise, verständlich und fokussiert die wesentlichen Ziele der pädagogischen Arbeit, ausgedrückt als erwünschte Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler. Damit konkretisieren sie den Bildungsauftrag, den Schulen zu erfüllen haben.
Franz E. Weinert (1930 - 2001)
Kompetenzen Def: kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten
-> nicht wissen, sondern etwas tun können - erfolgreich einsetzen (Problemlösefähigkeiten) und verantwortungsvoll nutzen; mathematische Arbeitsprozesse = Fähigkeit zur Anwendung
Bereitschaft:
motivationale (Motivation)
volitionale (Willenskraft, Ausdauer)
soziale (anderen Helfen)
Bildungsstandards (Fach Mathematik) benennt konkrete Kompetenzen (die vermittelt werden sollen); Unterscheidung:
inhaltsbezogene Kompetenzen
prozessbezogene bzw. allgemeine Kompetenzen
Der Bildungsbeitrag des Fachs Mathematik in den Bildungsstandards
MITEINANDER VERNETZT
Bildungsstandards der Kultisministerkonferenz (KMK) - für alle Schulformen; Unterscheidung in
Prozessebezogene bzw. allgemeine Kompetenzen
Inhaltsbezogene Kompetenzen
Schüler sollen diese Kompetenzen am Ende der Schulphase erworben haben!
Erwartet wird, dass die Schüler diese Kompetenzen in außermathematischen (Anwendungsorientierung) und in innermathematischen (Strukturorientierung) Kontexten nutzen können -> OUTPUTSTEUERUNG
erfolgreiches mathematisches Arbeiten erfordert stets das Zusammenspiel inhalts- und prozessbezogener Kompetenzen
Warum wurden Bildungsstandards eingeführt?
Entwicklung der Bildungsstandards 1997
aufgrund von TIMSS-Studie (nicht PISA-Schock)
Konzeptionelle Grundlage: KLIEME Expertise “Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards”
Expertengruppe unter Leitung E. KLIEME
Bildungsstandards - prozessbezogene bzw. allgemeine Kompetenzen
Prozessbezogene bzw. allgemeine Kompetenzen
-> beschreiben zentrale Aspekte des mathematischen Arbeitens:
6 -> mit mathematischen Objekten und Werkzeugen arbeiten
K1 - Math. argumentieren: logische Schlüsse ziehen + ausreichend begründen/beweisen
K2 - Math. Problemlösungen: kein direkter Lösungsweg verfügbar -> kognitive Hürde = Problemlösefähigkeiten werden benötigt (zB Strategien: systematisch ausprobieren / Prinzipien: Zerlegungsprinzip)
K3 - Math. Modellieren: Realität - Mathematische Modelle - Lösung - Realität (Übersetzung zw. Mathe und Realität)
K4 - Math. Darstellungen verwenden: vorhandene & selbsterstellte nutzen (es muss wirklich aktiv damit gearbeitet werden - nur abgerdrucktes Bild fördert K4 nicht)
K5 - Mit Math. symbolischen, formalen und technischen Elementen umgehen: Algorithmus (Fakten kennen und Schemata anwenden) auch Hilfsmittel (Taschenrechner)
K6 - Math. kommunizieren: math. Überlegungen formulieren (zB vor der Klasse in eigenen Worten) schriftlich und mündlich
Aufgabe können mehrere Kompetenzen fordern
! ACHTUNG kommunizieren und argumentieren unterscheiden sich !
Unterscheidung Bildungsstandards und Kerncurricula (KC)
Bildungsstandards
länderübergreifender Bildungsplan
für Grundschule, Hauptschule und mittlerer Bildungsabschluss
Orientierung für Lehrkräfte etc.
Bildungsziele; erwünschte Lernergebnisse - Kompetenzen - Testverfahren; Grundlage für die überprüfung der Ergebnisse
legen zu erwerbende 6 Kernkompetenzen fest
Kerncurricula
je Bundesland formuliert
die in den Bildungsstandards def. Kompetenzen werden durch Beschreibungen von Anforderungen konkretisiert und anhand von Lernaufgaben illustriert
Umsetzung der 5 Leitideen
Zusammenhang von allgemeinen mathematischen Kompetenzen - Leitideen - Anforderungsbereichen (3 Dimensionen):
Prozessdimension: zentrale Aspekte des mathematischen Arbeitens
*Inhaltsdimension: Phänomene (mathematische Brille) erfassen
Anforderungsdimension: kognitiver Anspruch, den kompetenzbezogene Tätigkeiten erfordern
*ACHTUNG “Leitideen und Stoffgebiete sind nicht identisch.”
Was sind Bildungsstandards?
beschreiben fachbezogene Kompetenzen
die Schüler bis zum Abschluss erwerben sollen
Bildungsziele = Leistungsstandards
fachlich
übergreifend (Werthaltungen, Einstellungen, Überzeugungen)
KEINE Unterrichtsstandards -> Freiräume zur Gestaltung des Unterrichts
Vergleich:
Lehrpläne = Inhalte vs. Bildungsstandards = Kompetenzen
Kompetenzen lassen sich aber nur anhand von konkreten Fachinhalten erwerben
-> deshalb legen Bildungsstandards auch verbindliche Inhalte fest: Kerninhalte
Was sind Kompetenzen?
erlernbare, kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten
um bestimmte Probleme zu lösen (in variablen Situationen erfolgreich anwendbar)
Bildungsstandards in der Grundschule / Primarbereich
Wozu dienen Bildungsstandards?
zwei Erwartungen
Zielklarheit -> Orientierung
empirische Überprüfung -> Leistungsüberprüfung
Bildungsstandards - inhaltsbezogene Kompetenzen
-> in 5 inhaltlich mathematische Leitideen strukturiert
keine mathematische Teilgebiete
keine Zuordnung zur Jahrgangsstufen
durchzieht das mathematische Curriculum spiralförmig (Spiralprinzip); vereinigt Sachgebiete*
vernetztes Wissen; durch Verbindung Sachgebiete
Aufbau adäquater Grundvorstellungen (vom Hofe)
Den Leitideen sind je der Schulstufe angemessene Inhalte / Bezeichnungen zugeordnet:
*Sachgebiete; hier sind Arithmetik, Gemoetrie, Größen und Sachrechnen gemeint
Anforderungsbereiche in den Bildungsstandards
Im mathematischen Arbeiten werden die prozessbezogenene bzw. allgemeinen mathematischen Kompetenzen mit unterschiedlichen kognitiven Ansprüchen benötigt
-> 3 Anforderungsbereiche:
Anspruch und kognitive Komplexität nehmen von Anforderungsbereich I bis Anforderungsbereich III zu
Die Auseinandersetzung mit Aufgabenstellungen zu allen drei Anforderungsbereichen ist für alle Schülerinnen und Schüler – unabhängig vom mathematischen Leistungsvermögen – von zentraler Bedeutung, um erfolgreich und nachhaltig prozessbezogene und inhaltsbezogene Kompetenzen auf- und auszubauen.
Der Bildungsbeitrag des Fachs Mathematik in den Kerncurricula (KC)
KC für Grundschule des Nds. Kultisministeriums (Bildungsbeitrag des Fachs Mathematik)
-> orientieren sich an den Bildungsstandards
Beispiele aus Prozess- & Inhaltsbezogenen Kompetenzen:
Probleme und Defizite des Mathematikunterrichts (Henn und Kaiser)
Bezug auf die TIMS-Studie (aber vor PISA-Studie) ->
Henn und Kaiser - Defizite des Matheunterrichts (2001):
Einseitige Orientierung an einer deduktiv aufgebauten Fachsystematik
deduktiv (vom Allgemeinen zum Spezifischen); Unterrichtsstruktur von allgemeinem Theorieverständnis zu speziellen Folgerungen -> formale Beweise, hohe Komplexität, daher lehrerzentriertes Unterrichtsgespräch (Frontalunterricht) = geringe Eigenaktivität der Lernenden
inhaltsbezogene Beweise eher selten; kein Realitätsbezug
Dominanz des Regellernens und Kalkülorientierung
Regeln in Kalkülen; Auswendiglernen-> Ersatz für tieferes Verständnis = mehrmals Verfahren anwenden, aber nicht verstehen
keine Problemlösefähigkeiten
Routinen und Interaktionsmuster im fragend-entwickelnden Unterricht
gemeinsam erarbeitender Mathematikunterricht (Lehrer und Schüler)
verdeckte Interaktionsmuster und Routinen; kleinschrittige Lehrerfragen bis zur angestrebten Lösung -> Lösungsmöglichkeiten der Schüler werden nicht einbezogen = keine Anknüpfung an Vorstellungen der Schüler
keine Individualarbeit (eigenes Tempo, eigener Lösungsweg)
Argumentationen und die Rolle von Sprache
mathematisch korrekte Fachsprache; Einschränkung von mathematischen Denken und Vorstellungen der Schüler & Schüler fühlen sich gehemmt
Unterbrechungen durch Lehrkraft = Frustration der Schüler
Zu wenig Realitätsbezüge und Vernetzungen
Realitätsbezüge und außermathematische Anwendungen - geringer Stellenwert; realitätsfern und verkleidete Aufgaben = herausfinden des versteckten Algorithmus und dann richtige Mathematikaufgabe
umfangreiche Probleme wie bei WINTER Grunderfahrung von Mathematik als Mittel zur Umweltbewältigung - kaum angeboten; keine Realprobleme - die wirkliche Modellierung, der Übergang von der Realität zur Mathematik, die mathematische Analyse und die Rückübersetzung der Ergebnisse in die reale Situation werden nur selten ernsthaft thematisiert
keine Vernetzung innerhalb der Mathematik und bei Anwendungsbeispielen
Abschließend können wir feststellen, dass die traditionelle Unterrichtspraxis der gymnasialen Oberstufe sich einseitig an der auf die Mathematik ausgerichteten WINTERschen
Grunderfahrung orientiert. Hinzu kommt die inhaltliche Überfrachtung vieler Lehrpläne, in denen ohne sachliche Notwendigkeit zu viele Details vorgeschrieben werden. Bedingt durch die Stofffülle bleibt im derzeitigen Mathematikunterricht nur wenig Zeit für Eigenaktivitäten der Lernenden. Eine aktive Sinnkonstruktion mathematischer Inhalte ist aber Grundvoraussetzung für kumulatives Lernen und für horizontale und vertikale Vernetzung der mathematischen Inhalte, worauf psychologische Studien immer wieder hinweisen (vgl. WEINERT 1999).
Kapitänsaufgaben: „Auf einem Schiff befinden sich 26 Schafe und 10 Ziegen. Wie alt ist der
Kapitän?“
Schüler verbinden wahllos mit bekannten Rechenoperatoren / verstehen die Aufgabe gar nicht
Schüler versuchen durch bereits erlangte Kenntnisse eine Aufgabe zu lösen - nicht indem sie sich in die Situation hineinversetzen
Wie können die Probleme und Defizite des Mathematikunterrichts (nach Henn und Kaiser) verbessert werden?
Einseitige Orientierung an einer deduktiv aufgebauten Fachsystematik; VERBESSERUNG:
realitätsbezug
Kinder sollen selbst aktiv werden
Exemplarisches Lernen (Wagenschein) vom Einzelfall zum Gesamtzusammenhang
zB Dreicke - Ecken abreißen - immer 180 Grad
Dominanz des Regellernens und Kalkülorientierung; VERBESSERUNG:
Vernetzung von verschiedenen Themen
Themengebiete nicht einzeln “abarbeiten”
Routinen und Interaktionsmuster im fragend-entwickelnden Unterricht; VERBESSERUNG:
Lösungsansätze weiterdenken
Fragen stellen
Offene Diskussionen
Argumentationen und die Rolle von Sprache; VERBESSERUNG:
Verstehen in eigenen Worten (Schutzraum) für freies Denken / nachträglich in Fachsprache übersetzen
nicht unterbrechen
Zu wenig Realitätsbezüge und Vernetzungen; VERBESSERUNG:
Anknüpfung an Erfahrungen & Vorstellungen der Schüler
echte Anwendungsaufgaben (keine verkleideten)
Vernetzung innerhalb der Mathematik
BEISPIEL - eventuell nicht vollstänidg
BESSER machen :)
Anregung der Schüler
Fragenimpulse zum Selbstlernen
Was will ich als Lehkraft mit meinen Fragen erreichen?
Zehn Merkmale guten Unterrichts (Hilbert Meyer)
Worum geht es beim "Mathematisches Modellieren”?
Beschreibung nach Reiss und Hammer
“Ein (reales) Problem muss in ein mathematisches Modell übersetzt werden, in diesem Modell wird gearbeitet, die Lösung muss im (realen) ursprünglichen Bereich überprüft werden.”
in der VL gehen wir immer von realen Modellieren aus
Das Modell als „isolierter Teil der Wirklichkeit“
Das Modell als Vereinfachung der Realität
Das Modell als Ausgangspunkt für die Anwendung
mathematischer Methoden
Wie wird “Mathematisches Modellieren” in den Bildungsstandards beschrieben?
Primarstufe
Gymnasium
Was sind die drei wichtigen Merkmale “Mathematischer Modelle”?
Vereinfachung (Vereinfachung der Gegebenheiten)
Entsprechung (der Wahrheit/Wirklichkeit entsprechend)
Anwendbarkeit mathematischer Methoden (zB Satz des Pythagoras)
Was muss ein “gutes” Modell sein?
wiederspruchsfrei
zweckmäßig (auf die Situation anwendbar)
die wesentlichen Beziehungen/Aspekte der realen SItuation abbildet (was möchte ich herausbekommen? Wie ist die Fragestellung?)
In welche “Mathematischen Modelle” kann unterschieden werden?
Deskriptiv:
Normativ:
Deskriptive Modelle: beschreiben etwas
rein deskriptiv: beschreiben
Form der Brücke darstellen bzw. beschreiben
deskriptiv-explikativ: erklären
Form der Brücke erklären (Wieso wird die Brücke so gebaut?)
deskriptiv-prognostisch: vorhersagen
-> Auffassung, dass alle – auch zukünftige Ereignisse durch Vorbedingungen eindeutig festgelegt sind
Schwachstellen der Brücke vorhersagen
Normative* Modelle: schreiben etwas vor
realisieren/simulieren
Bauplan der Brücke
Funktion
*normativ Def: als Richtschnur, Norm dienend; eine Regel, einen Maßstab für etwas darstellend, abgebend
Mathematisches Modellieren
Ausgangspunkt: reale Situation (Fragestellung / Problem)
Der gesamter Prozess = mathematisches Modellieren
Darstellung in Modellierungskreisläufe
idealisierte Modellvorstelung mentaler Schritte - die beim modellieren durchlaufen werden (How to)
Modellierungskreislauf nach Blum (1985)
Vierphasiger Kreislauf
Alpha: (Reale Situation -> Reales Modell)
durch Vereinfachung der Realität gelange ich zum Modell
Beta (Reales Modell -> Math. Modell)
das reale Modell mathematisiere ich zum Math. Modell
Gamma (Math. Modell -> Math. Resultate)
ich arbeite mathematisch mit dem Math. Modell und gelange zu Math. Resultaten
ggf. muss ich mir nochmal mein Realmodell anschauen
Delta (Math. Resultate -> Reale SItuation)
Rück-Interpretation bzw. Anwenden
BEISPIEL
Modellierungskreislauf im KC Niedersachsen (2017)
Modellierungskreislauf KC Grundschule
enthält zusätzlich den Teilschritt “validieren”
Vereinfachung Modellierungskreislauf nach Blum und Leiß
Modellierungskreislauf nach Blum & Leiß (2005)
Modellierungskreislauf (Blum und Leiß)
enthält zusätzlich “Situationsmodell”
beschreibt mentale Darstellung der realen Situation durch Individuum -> jeder individuelle Repräsentation der Wirklichkeit im Kopf (verschiedene Menschen = verschiedene Repräsentationen = Subjektivität)
-> gleiche Realität - unterschiedliche mentale Bilder
Das Verstehen einer Situation bzw. einer Aufgabe – also das Bilden eines adäquaten mentalen Modells – ist natürlich wesentlich, um zu sinnvollen Einordnungen und Ergebnissen zu kommen!
Realsituation
1 Verstehen: Die Schüler konstruieren ein eigenes (!!!) mentales Modell zu einer gegebenen Problemsituation und verstehen so die Fragestellung.
Situationsmodell
2 Vereinfachen/Struktuieren: Schüler machen auf die Situation bezogen Annahmen, erkennen beeinflussende Größen, stellen Beziehungen zwischen den Größen her und suchen nach relevanten Informationen (Filter nach dem Wichtigen)
Realmodell
3 Mathematisieren: Schüler übertragen die relevanten Größen und Beziehungen ggf. vereinfacht in ein mathematisches Modell und wählen dazu eine geeignete mathematische Darstellungsform.
Mathematisches Modell
4 Mathematisch arbeiten: Schüler wenden heuristische Strategien und mathematisches Wissen zur Lösung des mathematischen Problems an.
Mathematische Resultate
5 Interpretieren: Schüler übersetzen die mathematischen Resultate in außermathematische Situationen, verallgemeinern für spezielle Situationen entwickelte Lösungen und stellen Problemlösungen angemessen sprachlich dar.
Reale Resultate
6 Validieren: Schüler überprüfen und reflektieren gefundene Lösungen, revidieren ggf. Teile des Modells, falls Lösungen der Situationen nicht angemessen sind und überlegen, ob andere Lösungen oder Modelle möglich sind
7 Vermitteln: Die Schüler beziehen die im Situationsmodell gefundenen Antworten auf die Realsituation und beantworten so die Fragestellung.
Warum sind Modellierungsaufgaben sinnvoll (ZIELE)? Auch Teil im Kompetenzmodell der Bildungsstandards
Modellierungsaufgaben fördern ...
Pragmatische Sicht:
Schüler sollen sich mit ihrer Umwelt beschäftigen
befähigt werden, sich die Umwelt mit mathematischen Mitteln zu erschließen (Mathematik als Werkzeug - 1. WINTERsche Grunderfahrung)
-> Ziel: Befähigung zur Wahrnehmung zum Verstehen von Erscheinungen unserer Welt
Prozessbezogene Ziele:
Problemlösefähigkeiten, insb. heuristische Strategien (Mathematik als Mittel - 3. WINTERsche Grunderfahrung)
das Kommunzieren und Argumentieren
ALLGEMEINE ZIELE (Modellierungsaufgaben im Unterricht können)
ein ausgewogenes Bild der Mathematik, insb. der Bedeutung für die Gesellschaft, vermitteln;
dazu beitragen, dass Schüler in der Realität verwandte Modelle kritisch beurteilen können - Beitrag zur Mündigkeit;
durch das gemeinsame Erarbeiten auch soziale Kompetenzen fördern
Untersuchungsergebnisse nach Borromeo Ferri
Beliefs von Lernenden:
Schüler mit schama- oder formalismusorientierung Weltbild lehnen Modellierungsbeispiele ab
durchgeführte Modellierungen verändern die Meinung zur Mathematik deutlich positiv
Beliefs von Lehrenden/LK:
Mehrzahl der LK sieht Mathematik als Wissenschaft mit großem Anwendungsbezug
Aber: LK an Hauptschulen schätzen den Anwendungsbezug höher als Realschul- & Gymnasialkräfte -> Alltagsbezug als Motivationsfaktor
*Beliefs Def: überdauernde, stabile Überzeugungen
Weitere Ergebnisse:
Jeder Teilschritt des Modellierens kann für Lernende eine kognitive Hürde darstellen
Insb. der erste Schritt (Verstehen der Realsituation; Bilden eines mentalen Modells) bereitet häufig Schwierigkeiten
Problem: Lernende haben oft die “Strategie” entwickelt, diesen Schritt bei Textaufgaben zu umgehen - siehe Kapitänsaufgaben / Schule trainiert an, das Ergebniss schnell vorzeigen zu sollen -> schnell überfliegen, dann thematisch mathematisch anwenden
Auch das validieren stellt ein Problem dar - oft scheint sich eingebürgert zu haben, dass dies Aufgabe der LK ist / LK stell Ergebnis am Ende eh dar & ob Ergebnis valide ist wird nicht überprüft
es gibt unterschiedliche Denkstile von Schülern, welche das Modellieren beeinflussen
Lernende mit “visuellem” Denkstil beziehen sich nur kurz auf das reale Problem und argumentieren eher aus dem mathematischen Modell heraus
Lernende mit “analytischem” Denkstil beziehen sich nur kurz auf das reale Problem und argumentieren eher aus dem mathematischen Modell heraus
-> auf BEIDE DENKSTILE sollte man im Unterricht eingehen, ebenso auf unterschiedlcihe inhaltliche Interessen
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