Buffl

Grundfragen der Mathematikdidaktik

LJ
by Liedtke J.

Probleme und Defizite des Mathematikunterrichts (Henn und Kaiser)

Bezug auf die TIMS-Studie (aber vor PISA-Studie) ->

Henn und Kaiser - Defizite des Matheunterrichts (2001):

  1. Einseitige Orientierung an einer deduktiv aufgebauten Fachsystematik

    • deduktiv (vom Allgemeinen zum Spezifischen); Unterrichtsstruktur von allgemeinem Theorieverständnis zu speziellen Folgerungen -> formale Beweise, hohe Komplexität, daher lehrerzentriertes Unterrichtsgespräch (Frontalunterricht) = geringe Eigenaktivität der Lernenden

    • inhaltsbezogene Beweise eher selten; kein Realitätsbezug

  2. Dominanz des Regellernens und Kalkülorientierung

    • Regeln in Kalkülen; Auswendiglernen-> Ersatz für tieferes Verständnis = mehrmals Verfahren anwenden, aber nicht verstehen

    • keine Problemlösefähigkeiten

  3. Routinen und Interaktionsmuster im fragend-entwickelnden Unterricht

    • gemeinsam erarbeitender Mathematikunterricht (Lehrer und Schüler)

    • verdeckte Interaktionsmuster und Routinen; kleinschrittige Lehrerfragen bis zur angestrebten Lösung -> Lösungsmöglichkeiten der Schüler werden nicht einbezogen = keine Anknüpfung an Vorstellungen der Schüler

    • keine Individualarbeit (eigenes Tempo, eigener Lösungsweg)

  4. Argumentationen und die Rolle von Sprache

    • mathematisch korrekte Fachsprache; Einschränkung von mathematischen Denken und Vorstellungen der Schüler & Schüler fühlen sich gehemmt

    • Unterbrechungen durch Lehrkraft = Frustration der Schüler

  5. Zu wenig Realitätsbezüge und Vernetzungen

    • Realitätsbezüge und außermathematische Anwendungen - geringer Stellenwert; realitätsfern und verkleidete Aufgaben = herausfinden des versteckten Algorithmus und dann richtige Mathematikaufgabe

    • umfangreiche Probleme wie bei WINTER Grunderfahrung von Mathematik als Mittel zur Umweltbewältigung - kaum angeboten; keine Realprobleme - die wirkliche Modellierung, der Übergang von der Realität zur Mathematik, die mathematische Analyse und die Rückübersetzung der Ergebnisse in die reale Situation werden nur selten ernsthaft thematisiert

    • keine Vernetzung innerhalb der Mathematik und bei Anwendungsbeispielen

Abschließend können wir feststellen, dass die traditionelle Unterrichtspraxis der gymnasialen Oberstufe sich einseitig an der auf die Mathematik ausgerichteten WINTERschen

Grunderfahrung orientiert. Hinzu kommt die inhaltliche Überfrachtung vieler Lehrpläne, in denen ohne sachliche Notwendigkeit zu viele Details vorgeschrieben werden. Bedingt durch die Stofffülle bleibt im derzeitigen Mathematikunterricht nur wenig Zeit für Eigenaktivitäten der Lernenden. Eine aktive Sinnkonstruktion mathematischer Inhalte ist aber Grundvoraussetzung für kumulatives Lernen und für horizontale und vertikale Vernetzung der mathematischen Inhalte, worauf psychologische Studien immer wieder hinweisen (vgl. WEINERT 1999).


Kapitänsaufgaben: „Auf einem Schiff befinden sich 26 Schafe und 10 Ziegen. Wie alt ist der

Kapitän?“

  • Schüler verbinden wahllos mit bekannten Rechenoperatoren / verstehen die Aufgabe gar nicht

  • Schüler versuchen durch bereits erlangte Kenntnisse eine Aufgabe zu lösen - nicht indem sie sich in die Situation hineinversetzen



Untersuchungsergebnisse nach Borromeo Ferri

Beliefs von Lernenden:

  • Schüler mit schama- oder formalismusorientierung Weltbild lehnen Modellierungsbeispiele ab

  • durchgeführte Modellierungen verändern die Meinung zur Mathematik deutlich positiv

Beliefs von Lehrenden/LK:

  • Mehrzahl der LK sieht Mathematik als Wissenschaft mit großem Anwendungsbezug

  • Aber: LK an Hauptschulen schätzen den Anwendungsbezug höher als Realschul- & Gymnasialkräfte -> Alltagsbezug als Motivationsfaktor

*Beliefs Def: überdauernde, stabile Überzeugungen


Weitere Ergebnisse:

  • Jeder Teilschritt des Modellierens kann für Lernende eine kognitive Hürde darstellen

  • Insb. der erste Schritt (Verstehen der Realsituation; Bilden eines mentalen Modells) bereitet häufig Schwierigkeiten

    • Problem: Lernende haben oft die “Strategie” entwickelt, diesen Schritt bei Textaufgaben zu umgehen - siehe Kapitänsaufgaben / Schule trainiert an, das Ergebniss schnell vorzeigen zu sollen -> schnell überfliegen, dann thematisch mathematisch anwenden

    • Auch das validieren stellt ein Problem dar - oft scheint sich eingebürgert zu haben, dass dies Aufgabe der LK ist / LK stell Ergebnis am Ende eh dar & ob Ergebnis valide ist wird nicht überprüft

    • es gibt unterschiedliche Denkstile von Schülern, welche das Modellieren beeinflussen

    • Lernende mit “visuellem” Denkstil beziehen sich nur kurz auf das reale Problem und argumentieren eher aus dem mathematischen Modell heraus

    • Lernende mit “analytischem” Denkstil beziehen sich nur kurz auf das reale Problem und argumentieren eher aus dem mathematischen Modell heraus

      -> auf BEIDE DENKSTILE sollte man im Unterricht eingehen, ebenso auf unterschiedlcihe inhaltliche Interessen


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Liedtke J.

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