Aufschwung der Weltwirtschaft nach dem Ende des 1. Weltkrieges
Wirtschaftlicher Boom insbesondere in den USA in den „goldenen“ 1920er Jahren
Wachstum der Konsumgüterindustrie → Hohe Kreditvergabe für Konsumzwecke
Kredite der USA finanzierten primär den deutschen Wirtschaftsaufschwung
Allgemeiner Wirtschaftsoptimismus und stark steigende Aktienkurse → Bildung von Spekulationsblasen
„Spekulanten mögen als Luftblasen auf einem steten Strom des Unternehmertums keinen Schaden anrichten. Aber die Lage wird ernst, wenn das Unternehmertum die Luftblase auf einem Strudel der Spekulation wird.
Wenn die Kapitalentwicklung eines Landes das Nebenerzeugnis der Tätigkeiten eines Spielkasinos wird, wird die Arbeit voraussichtlich schlecht getan werden.”
Folgen der Weltwirtschaftskrise für die Welt
schwarzer Donnerstag“ (USA) bzw. „schwarzer Freitag“ (Deutschland)
Verlust der Aktienwerte um bis zu 90%
Abzug der Kreditgewährung seitens der USA u.a. gegenüber Deutschland
• Zusammenbruch der Banken
→ Verheerende wirtschaftliche und politische Folgen
Langfristige Konsequenzen (1929 bis in die späten 30er)
Von 1929 bis 1932 brach insbesondere die industrielle Produktion weltweit massiv ein.
Anstieg der Arbeitslosenquoten: Weimarer Republik 33 %, USA 25 %
Kreditknappheit durch Bankeninsolvenzen und Golddevisenstandard →
Realwirtschaftliche Masseninsolvenzen →
Hohe Arbeitslosigkeit und Überlastung der sozialen Sicherungssysteme
Arbeitslosigkeit nach der klassischen Nationalökonomie: Das Say´sche Theorem
Die Wirkungslogik:
↓ Güter (z.B. Arbeit) werden nur angeboten, weil die Anbieter:innen mit dem
Erlös andere Güter (z.B. Konsumgüter) nachfragen wollen.
↓ Jede Angebotsentscheidung ist mit einer komplementären Nachfrageentscheidung verbunden.
→ Die Produktion von Gütern schafft somit zugleich ein Angebot, als auch die entsprechende Nachfrage.
Jedes Angebot schafft sich eine eigene Nachfrage.
Erhöhen Unternehmen die Produktion, so steigt das Einkommen der Haushalte automatisch immer um den Betrag des Wertes der erhöhten Produktion an. Einen dauerhaften Ausfall von Nachfrage kann es in diesem Kreislauf nicht geben.
Aus diesem Prinzip folgt für Say, dass nur die Produktion Wert schafft.
Zugrunde liegende Annahme: Ersparnisse & Gewinne werden zu 100% wieder für Konsum bzw. Investitionen verwendet (S = I). Das gesamtwirtschaftliche Angebot und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage haben eine Gleichgewichtstendenz. Märkte sind vollkommen.
→ Ersparnis wird nach Say immer in Investitionen umgesetzt (keine Kassenhaltung/Geldhortung). Einkommen ergibt sich aus Investitionen und Konsum. Folglich kann es im Modell auf dem Gütermarkt langfristig keinen Angebots- oder Nachfrageüberhang geben.
Ersparnis nach Say
Das Angebot (Produktion) entspricht dem Einkommen Y und - wenn die Volkswirtschaft im Gleichgewicht ist - der aggregierten Nachfrage Z (Konsum C und Investitionen I) → Y = Z = C + I
→Damit herrscht Vollbeschäftigung
Say wandte sich somit gegen die von einigen Ökonomen vertretene Befürchtung, dass es mit dem technischen Fortschritt zu Überproduktionskrisen kommen könnte. Die Produktion von Gütern war demnach notwendig, um das erforderliche Kapital/Einkommen für Güterkäufe bereitzustellen. → J. B. Say: A treatise on political economy: or The production distribution and consumption of wealth (1803).
Das Say‘sche Theorem: Die angebotsorientiere Wirtschaftspolitik
Wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen sollen über die Verbesserung der Bedingungen auf der Angebotsseite erreicht werden.
„Trickle-down“ Effekt: These, dass der Einkommenszuwachs, der Reichsten einer Gesellschaft durch Konsum und Investitionen auch zu den Mittelschichten und den Ärmeren einer Gesellschaft durchsickert.
Angebotspolitik ist auf die Produktion, d. h. auf die Unternehmen, gerichtet. Höhere Gewinne sollen dabei die finanziellen Voraussetzungen für Investitionen der Unternehmen verbessern.
Instrumente der Angebotspolitik sind z. B. Senkung von Unternehmenssteuern, Förderung von Forschung und Entwicklung, Förderung von Existenzgründungen und Maßnahmen der Deregulierung.
Arbeitslosigkeit nach der klassischen Nationalökonomie: Das Say‘sche Theorem
Nach Say kann es langfristig keine Überproduktion geben, denn Produktion schafft Einkommen das zur Nachfrage in gleicher Höhe verwendet wird. Eine partielle Überproduktion ist kurzfristig möglich, entspricht aber einer Unterproduktion an anderer Stelle.
→Im Zeitverlauf gleicht der Preismechanismus Ungleichgewichte am Markt aus.
Schlussfolgerung: Nach Say kann es keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit geben.
Wer seine Arbeitskraft anbietet, hat Konsumwünsche, die mit dem verdienten Arbeitseinkommen realisiert werden wollen. Wer seine Arbeit zum angebotenen Lohn nicht anbietet, ist… freiwillig arbeitslos?!
John Maynard Keynes
Keynes (1883) war ein britischer Wirtschaftswissenschaftler. Sein Vater war selbst Professor für Politische Ökonomie und legte großen Wert auf Bildung.
Von 1920 bis 1946 Professor in Cambridge, Publizist und Wirtschaftspolitiker
Keynes leitete eine britische Delegation der Friedenskonferenz von Versailles
→ Rücktritt, da er die Reparationsforderungen für wirtschaftlich nicht sinnvoll hielt
1942 wurde er geadelt und trug den offiziellen Titel „Baron Keynes of Tilton“
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise gelangte Keynes zu der Auffassung, dass die Grundlagen der bisherigen „klassischen“ ökonomischen Theorien (v. a. des wirtschaftlichen Laissez-faire) infrage gestellt werden mussten.
In den 1920er und frühen 1930er Jahren entwickelte Keynes eine neue makroökonomische Theorie.
Hauptwerk: „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“
Wesentliche Arbeiten zu den Ursachen von Konjunkturzyklen.
Keynes widerspricht dem Say‘schen Theorem und der Klassik, z.B. darin, dass immer alle produzierten Güter mit dem in der gleichen Produktion verdienten Einkommen konsumiert bzw. nachgefragt würden.
Vielmehr geht er davon aus, dass Unternehmen nicht mehr Arbeitskräfte beschäftigen als sie für die Produktion benötigen. Wie viel Unternehmen anbieten, hängt davon ab, wie hoch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist.
(Erwartete) Nachfrage X → Produktionsmenge X → Arbeitsnachfrage X → Einkommen X
Wie setzt sich die gesamtgesellschaftliche ,,effektive” Nachfrage zusammen?
Es gilt: Z = Konsum C + Investitionen I (+G)
Konsum ©
Haushalte beziehen Einkommen und geben dieses entsprechend ihrer Präferenzen aus (Konsumneigung). Steigt das Einkommen, geben die Haushalte mehr aus, aber nicht den vollen Betrag des Einkommenszuwachs. Das übrige Einkommen sparen die Haushalte.
Die Höhe der Konsumneigung (c1) bzw. der Sparneigung (s) der Haushalte hängt nach Keynes nicht primär von den Zinsen (i) ab, sondern vor allem auch…
… vom Wohlstand der Haushalte.
… von den (Zukunfts-)Erwartungen der Haushalt.
Bei gegebener Konsumneigung hängt der Konsum (C) positiv vom verfügbaren Einkommen ab.
Konsumquote
Gibt an, wie groß der Anteil des Einkommens ist, der für Konsum aufgewendet wird.
Konsumquote + Sparquote = 100% (des verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte)
Mit zunehmendem Einkommen sinkt die Konsum- bzw. steigt die Sparquote
Sparparadoxon
Für Einzelne (mikroökonomisch) ist Sparen in wirtschaftlichen Krisensituationen sinnvoll.
Ist dies auch in der Gesamtwirtschaft (makroökonomisch) der Fall? → Nein!
Denn: Konsumverzicht der Haushalte bedeutet für die Unternehmen einen Rückgang der Nachfrage. Sie reduzieren die Produktion und lösen einen negativen Multiplikatorprozess aus.
Sparquote
(Ersparnis/verfügbares Gesamteinkommen) * 100
In einem Haushalt sind beide Partner berufstätig. Tim verdient 2.800 € netto und Tom 2.200 € netto. Von dem verfügbaren Einkommen gehen monatlich 500 € auf ein gemeinsames Sparbuch.
Frage: Wie hoch ist die Sparquote und die Konsumquote des Haushaltes?
→ Sparquote: (500/5000)*100 = 10%
Konsumquote: 90%
Die volkswirtschaftliche Sparquote umfasst die Ersparnisse aller Wirtschaftssubjekte einer Volkswirtschaft.
Hierzu zählen neben den privaten Haushalten auch die privaten Unternehmen. Die gesamten ersparten Beträge der Volkswirtschaft werden in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesetzt.
Die Zahlen aus den Ersparnissen und das Bruttoinlandsprodukt liefert das Statistische Bundesamt
Investition (I)
Unternehmen investieren, um in Zukunft (mehr) produzieren zu können. Die Höhe der Investitionen hängt zwar auch laut Keynes von den Zinsen (i) ab, in einer wirtschaftlich schlechten Phase (oder in Erwartung einer solchen), reichen niedrige Zinsen als Grundlage von Mehrinvestitionen nicht aus.
→ Unternehmen berücksichtigen bei ihren Investitionsplanung u.a. auch…
… ihre (optimistischen / pessimistischen) Erwartungen über die aktuelle wirtschaftliche Lage und die zukünftige Entwicklung
… den Auslastungsgrad ihrer bereits bestehenden Produktionsfaktoren (Realkapital, Humankapital).
Besonders in Wirtschaftskrisen gilt: S > I … nicht I = S
U.a. durch die Verunsicherung der Menschen ist der „Abfluss“ des Einkommens (ins Sparen) größer als der „Zufluss“ (aus Investitionen).
Die Investitionsnachfrage hängt nicht nur von den Kosten der Finanzierung (dem Zinssatz) ab, sondern auch vom erwarteten Gewinn der Investition! Bei sehr schlechten Gewinnerwartungen investieren Unternehmen auch zu einem sehr niedrigen Zinssatz nicht (Investitionsfalle).
Billige Kredite und billige Arbeitnehmer:innen sind für Unternehmen in einer Wirtschaftskrise nicht hinreichend, um zu investieren (≠ Preismechanismus).
Erwartungsbildung und unfreiwillige Arbeitslosigkeit
Wenn in einer Volkswirtschaft pessimistische (Gewinn)Erwartungen verbreitet sind, führt das zu sinkenden Investitionen der Unternehmen.
Ist die volkswirtschaftliche Produktion nicht groß genug, um alle Menschen zu beschäftigen, entsteht unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Obwohl Arbeitnehmer:innen bereit sind, zum herrschenden Nominallohn zu arbeiten, finden sie keinen Arbeitsplatz.
Wenn die Gütermärkte einer Volkswirtschaft geräumt sind (Marktgleichgewicht), da sich eine Produktionsausweitung für Unternehmen aufgrund mangelnder Nachfrage nicht lohnen würde, aber dennoch Arbeitslosigkeit besteht, existiert ein Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung.
→ Die Möglichkeit einer solchen Situation wurde und wird von der (Neo)Klassik bestritten.
Homo Oeconomicus vs. „Animal Spirits“
„Animal Spirits“: Irrrationale Elemente im Wirtschaftsgeschehen, wie Instinkte,
Emotionen und Herdenverhalten, welche gemäß Keynes zu konjunkturellen
Schwankungen und unfreiwilliger/struktureller Arbeitslosigkeit führen können.
„Abgesehen von der Instabilität, die aufgrund von Spekulation entsteht, ergibt sich Instabilität auch aus der menschlichen Natur, aufgrund der ein großer Teil unserer positiven Aktivitäten, seien sie moralischer oder hedonistischer oder wirtschaftlicher Art, eher von spontanem Optimismus als von mathematischen
Kalkulationen abhängt.
Wahrscheinlich können die meisten Entschlüsse etwas Positives zu tun, dessen volle Wirkungen sich über viele zukünftige Tage ausdehnen werden, nur auf Lebensgeister (engl. Animal Spirits) zurückgeführt werden – auf einen plötzlichen Anstoß zur Tätigkeit, statt Untätigkeit und nicht auf den gewogenen Durchschnitt quantitativer Vorteile, multipliziert mit quantitativen Wahrscheinlichkeiten.“
In the long run we are all dead!
Nach Keynes gibt es keinen automatischen Mechanismus, der die Wirtschaft zurück in ein Gleichgewicht mit Vollbeschäftigung (Y*) führt! Ein solches Gleichgewicht ist zwar möglich, aber nur eines von vielen verschiedenen; eben auch möglich z.B. gleichgewichtige unfreiwillige Arbeitslosigkeit.
Der Fokus auf die „langfristige Sicht“ in welcher sich der Markt wieder von selbst erholen könnte, ist daher falsch. → „In the long run we are all dead!“
Der Staat muss die aggregierte Nachfrage um das Maß erhöhen, welches das optimale Produktionsniveau (Y*) und somit Vollbeschäftigung wiederherstellt… → expansive Fiskalpolitik
Die aggregierte Nachfrage wird um die Ausgaben des Staates (G) ergänzt!
Z = C + I + G
"Auf lange Sicht sind wir alle tot. Die Ökonomik macht es sich zu leicht und
macht ihre Aufgabe zu wertlos, wenn sie in stürmischen Zeiten uns nur sagen kann,
dass, nachdem der Sturm lang vorüber ist, der Ozean wieder ruhig sein wird."
Fiskalpolitische Grundrichtungen: Wer sagt was?
Kreislaufzusammenhänge spielen eine zentrale Rolle.
Jemand kann nur dann Einnahmen erzielen, wenn ein Anderer Ausgaben tätigt.
Unternehmen haben in aller Regel Marktmacht und können Preise setzen. Vollständige Konkurrenz auf vollkommenen Märkten sind Fiktionen.
Arbeitsnachfrage wird nicht auf dem Arbeitsmarkt bestimmt. Sie ergibt sich aus der Höhe der erwarteten Güternachfrage und der entsprechend geplanten Güterproduktion. Unfreiwillige Arbeitslosigkeit ist möglich.
Die Produktion wird nicht (nur) durch die Ausstattung mit Ressourcen begrenzt, sondern durch die effektive gesamtwirtschaftliche Nachfrage „Z“. Damit widerspricht Keynes dem Say´schen Theorem.
Implikation: Aktive Rolle des Staates in ökonomischen Krisenzeiten. Erhöhung der staatlichen Nachfrage „G“ (expansive Fiskalpolitik), um die Gesamtnachfrage wieder auf Vollbeschäftigungsniveau zu bringen.
Wirtschaftsströmungen
Wirtschaftspolitische Grundrichtungen
Die Höhe der Nachfrage (C bzw. I) hängt nach Keynes weniger von den Zinsen, als vielmehr von den Erwartungen („animal spirits“) ab.
Dass Sparen und Investitionen bei gleichzeitiger Vollbeschäftigung (Y*) gleich groß sind, ist die Ausnahme - nicht die Regel.
Typisches Szenario für eine Wirtschaftskrise:
Unternehmen investieren z.B. aufgrund der Coronakrise weniger (I↓).
„Abfluss“ größer als „Zufluss“, was dazu führt, dass die (effektive) Nachfrage (Z) kleiner ist als die Produktion (Y*).
Die Produktion bzw. das Einkommen (Y) sinkt solange, bis Sparen und Investitionen wieder ausgeglichen sind: → Y↓= c1Y↓ + sY↓ …bis S = I
unfreiwillige Arbeitslosigkeit!
Nach Keynes gibt es keinen automatischen Mechanismus, der die Wirtschaft in ein Gleichgewicht mit Vollbeschäftigung (Y*) zurückführt!
Ein solches Gleichgewicht ist zwar möglich, aber nur eines von vielen verschiedenen; möglich ist z.B. auch gleichgewichtige unfreiwillige Arbeitslosigkeit!
Keynes Lösung:
Der Staat muss die aggregierte Nachfrage um das Maß erhöhen, welches das optimale Produktionsniveau (Y*) wiederherstellt → Fiskalpolitik
Die (effektive) aggregierte Nachfrage wird um die Ausgaben des Staates ergänzt!
→ Z = C + I + G
→ Die effektive gesamtwirtschaftliche Güternachfrage (Z) spielt also eine wichtige Rolle in unseren Überlegungen
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