Buffl

Hypothesen zum Zweitspracherwerb

AM
by Alicia M.

Kontrastivhypothese (Übersicht)

Vertreter: Watson und Skinner

Grundannahmen:

  • Behaviorismus: Sprache ist eine Verhaltensweise

  • Lernen ist ein mechanischer Prozess der Verhaltensänderung.

  • Lernen erfolgt durch Imitation und Wiederholung und kann durch Verstärkung gefördert werden

Zweitspracherwerb

  • L1 beeinflusst den Erwerb der L2: Erstsprachliche Gewohnheiten auf die Zweitsprache übertragen (Fokus: Aussprache und Satzbau)

  • Strukturunterschiede zwischen L1 und L2 führen automatisch zu Lernschwierigkeiten oder Fehlern (False Friends) -> Negativer Transfer

  • identische Elemente und Regeln sind leicht und fehlerfrei zu erlernen -> Positiver Transfer

Didaktische Konsequenzen

  • Ein bestimmter Reiz (etwa eine Vokabel) darf ausschließlich mit der richtigen Reaktion verbunden werden. → falscher Output muss vermieden werden

  • ausschließlich korrekter Input

  • Belohnungen und „Bestrafungen“ sollen den Lernerfolg sicherstellen.

    • Die Audiolinguale Methode, die in Sprachlaboren durchgeführt wurde. Schüler*innen mussten eine fremdsprachliche Aufnahme nachsprechen, erhielte vom Lehrer*innenpult direktes Feedback zur Aussprache.

    • Sprachlernapps, die mit Belohnungssystemen für korrekte Reproduktion arbeiten.

  • pattern-drill

Kritik

  • DaZ-Lerner mit unterschiedlicher L1 machen die gleichen Fehler im Deutschen

  • Fehler können sich auch aus der Eigenheit der Zielsprache ergeben (Fehler bei der deutschen Pluralbildung).

  • Strukturelle Ähnlichkeiten zwischen L1 und L2 können den Lernprozess auch erschweren = Homogene Hemmung: Trotz Strukturgleichheit überträgt der Lerner die ihm bekannte L1-Struktur nicht auf die L2, da er davon ausgeht, dass es in diesem Bereich Unterschiede geben müsse

Konsequenzen

  • Starke Version der KH: Strukturunterschiede zw. L1 und L2 = Lernschwierigkeiten gilt als wiederlegt

  • Alternativ wird eine schwache Kontrastivhypothese postuliert: L1 kann sich positiv oder negativ auf die L2 auswirken und Abweichungen erklären


Identitätshypothese (Übersicht)

Vertreter: Chomsky, Noam

Konzeptionelle Basis: Nativismus → Lernen ist ein konstruktiver Prozess (kognitiver Ansatz)

Grundannahmen:

  • Input wird mithilfe eines impliziten angeborenen Wissens über basale Prinzipien von Sprache (Universal Grammar) strukturiert

  • Evidenz:

    • Trotz unterschiedlichen Inputs wird Sprache in ähnlichen Erwerbsfolgen erworben

    • Poverty of stimulus Argument: trotz ungenügenden/fehlerhaften Inputs formulieren Kinder korrekte Sätze

    • Die Zielsprache und nicht die Erstsprache übt den entscheidenden Einfluss aus

Mechanismen:

  • Zweitspracherwerb basiert auf den gleichen Prozessen wie der L1-Erwerb: Lerner entwickeln aufgrund ihrer UG mithilfe des L2-Inputs Hypothesen über die Struktur der L2, die permanent modifiziert werden (creative construction)

    • Übergeneralisierung (eine internalisierte Regel wird fälschlich auf Fälle angewandt) (Ich gebe den Mann …)

    • Simplifizierung: fehlende/falsche Verbflexion (Ich schreibte ein Brief)

Didaktische Konsequenzen

  • L2 wird in Erwerbssequenzen erworben: Einfachere Formen werden vor komplexeren Formen erworben (Hauptsätze → Haupt- und Nebensätze)

    • Abfolge der Erwerbssequenzen kann nicht verändert

    • Einzelne Erwerbssequenzen können nicht übersprungen werden

  • Die konkrete didaktische Ausrichtung des Unterrichts ist wenig relevant ist – Grammatik und Co müssen schließlich nicht neu erworben. Das vorhandene Sprachwissen muss lediglich aktiviert werden.

Kritik

  • Existenz des Universal Grammar ist nicht bewiesen

  • Misserfolg in L1 nicht vorstellbar, wohl aber in L2 (Das wäre nicht möglich, wenn Erwerb identisch ist)

  • L1-Wissen wird nicht berücksichtigt: Es ist zudem unklar, was im Rahmen der L1 und L2 Erwerbsprozesse identisch sein soll.

  • Nicht alle Fehler sind (allein) durch die Spezifik der Zielsprache erklärbar

  • Strikte Ablehnung von Transfer erscheint nicht haltbar.

Konsequenzen

  • Starke Version der IH: Prozesse und Produkte hinsichtlich der Reihenfolgen von Erwerbssequenzen sind im L1- und L2 Erwerb identisch ist nicht haltbar

  • Schwache Version: abweichende Erwerbssequenzen → Prozesse und Produkte sind ähnlich wird favorisiert


Interlanguagehypothese (Übersicht)

Verterter: Larry Selinker

Konzeptionelle Basis: Konstruktivismus

„Beim Erwerb einer zweiten Sprache bildet der Lerner ein spezifisches Sprachsystem (Interlanguage) heraus, das Züge von Erst- und Zweitsprache sowie eigenständige, von Grund und Zweitsprache unabhängige sprachliche Merkmale aufweist.“

  • L2-Erwerb erfolgt über den systematischen Aufbau von Lernersprachen

  • eine Abfolge solcher Sprachsysteme wird gebildet, bis das zielsprachliche System erreicht ist bzw. bis zu einem Niveau, auf dem der Lerner fossiliert

Mechanismen:

  • Übertragung von der Erst- auf die Zweitsprache (Language transfer)

  • Anwendung bestimmter Strukturmuster, die aufgrund des benutzten Übungsmaterials erworben worden sind (Transfer of training)

  • Charakteristische Fehlertypen: Interferenzen, Vereinfachungen, Übergeneralisierungen

  • Die Interlanguage wird beständig modifiziert.

Lernersprachen

  • sind das Ergebnis kognitiver Eigenaktivität

  • entstehen durch Vereinfachungen, Übergeneralisierungen etc.)

    • Merkmale: fehlende Flexionen → Verben in der Grundform, resistent gegen Beeinflussung von außen

  • abhängig vom sprachlichen Vorwissen

Fossilisierung

  • tritt auf,

    • wenn sprachliche Einheiten der Interlanguage beibehalten werden oder

    • wenn bereits überwunden geglaubte Zwischenstadien unter extremer Belastung wieder auftreten.

  • ist eine mögliche Erklärung für unterschiedliche L2-Erwerbsverläufe

Verdienste

  • vermag unterschiedliche Erwerbsverläufe zu erklären.

  • begründet das Verständnis der Lernersprachen (Interlanguage) als instabile Äußerungen von Lernern, die sich allmählich der L2- annähern

Didaktische Konsequenzen

  • Qualitativ und quantitativ angemessenen L2-Input, damit die Gesetzmäßigkeiten der L2 auch erkannt werden können - zunächst vorwiegend Regelhaftes dann regelhafte Ausnahmen


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Alicia M.

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