-Welches Verhältnis haben Bürger*innen zu ihren politischen Systemen? Wie nehmen Bürger das politische System, seine Elemente und ihre eigene Rolle darin wahr?
-Verteilung individueller Orientierungen auf politische Objekte unter den Mitgliedern eines Kollektivs, bzw. einer Gesellschaft
o Subjektive Dimension des politischen Systems
o „Legitimationseinverständnis“ des Bürgers mit seinem politischen System
o Zentraler Text: Gabriel Almond/Sidney Verba, The Civic Culture, 1963.
-Parochialkultur
o Weitgehendes Fehlen von Orientierung jeglicher Art gegenüber allen Objekten des politischen Systems
o Die Bevölkerung ist sich kaum dessen bewusst, dass sie selbst eine Rolle in der Politik spielen könnte
o Stellt keine Ansprüche an die Politik
o Interessiert sich wenig für Herrschaftsstrukturen und bewertet sie auch nicht
-Untertanenkultur
o Ein umfangreiches Wissen über Politik und die Existenz von (überwiegend positiven) Gefühlen gegenüber dem Regime sowie des Outputs
o Jedoch fehlende Wahrnehmung von Inputstrukturen
o Keine, bzw. negative Orientierung gegenüber der eigenen Rolle als politischer Akteur
-Partizipations-/Teilhabekultur
o Die Bürger haben Kenntnisse von Politik
o Zeigen positive Gefühle und Bewertungen gegenüber all diesen Objekten
o Sind sich ihrer Möglichkeiten als politischer Akteur bewusst
o Sind jederzeit zur politischen Aktivität bereit
-System: fühlen sich dem politischen System zugehörig? Haben Sie Interesse oder Wissen über dieses? / Inputs: wollen etwas ins politische System investieren (in Form des Wahlgangs)? Wie sehen die Bürger die Institutionen, haben sie das Gefühl an ihnen teilzunehmen? / Outputs: Wollen sie etwas aus dem politischen System erhalten? Wie bewerten sie seine Folgen? / Ego: Sind sie bereit aktiv in der Politik zu werden und Kritik oder Forderungen aktiv umzusetzen?
-Laut Almond/Verba ist für die Stabilität der Demokratie eine erfolgreiche Kombination dieser drei Grundtypen (Civic Culture) günstig – ein Mix aus Modernität und Traditionsbewusstsein, von politischem Engagement und politischer Indifferenz
o Enthält alle Elemente der Partizipationskultur, wird aber gleichzeitig durch Elemente der Untertanen- und Parochialkultur moderiert
-Studie in den 60er Jahren über die Länder Italien, Deutschland (beide langsam aufkeimende Partizipation), Mexiko (parochiale Stimmung), USA (sehr viel Partizipation – siehe Bürgerrechtsbewegung) und GB (einem günstigen Mix am Nächsten) – 20 Jahre später war Deutschland an der britischen Position
==> Deutschland eher CivicCulture (vorher Untertanenkulture) – USA und GB eher Partizipationskultur (vorher CivicCulture)
-Zentrale Studie: Ronald Inglehart, Silent Revolution von 1971
o Ausgangsfrage: Wie ist die Zunahme politischer Unzufriedenheit seit den sechziger Jahren zu erklären? (damals große politische Unzufriedenheit, die sich bspw. in der Bürgerrechts-, Frauen- und Studentenbewegung äußerte)
o Antwort: Ursachen liegen in fundamentalem Wertewandel in westlichen Industriegesellschaften mit damit einhergehenden gestiegenen Ansprüchen an politische Partizipation
-Zwei Annahmen
o Mangelhypothese: Menschen organisieren ihre Bedürfnisse hierarchisch. Erst fundamentale (Essen, Grundversorgung, etc.), dann materielle (Komfort, Urlaub, Luxus), dann postmaterielle (Selbstverwirklichung, Freiheit, Gleichheit, etc.) Bedürfnisse
o Sozialisationshypothese: Grundorientierungen von Menschen werden durch die politischen Bedingungen und Erfahrungen der Jugendzeit geprägt und dienen dann später als Maßstab zur Beurteilung politischer Entwicklungen – Wertewandel als das aggregierte Resultat einer Generationenabfolge unter bestimmten sozioökonomischen Bedingungen mit Zeitverzögerung
-Messung über Repräsentativbefragungen auf der Grundlage von verschiedenen Items, die materialistische und postmaterialistische Werte repräsentieren sollen
-Höchster Anteil der Postmaterialisten in den Niederlanden und Deutschland, etwas geringerer Anteil in Großbritannien
-Nirgendwo höherer Anteil als 25%
-Überall mehrheitlich der „Mischtypus“ vertreten
==> mit dem Wertewandel ist oftmals auch der Aufstieg neuer Parteien verbunden
-Politische Partizipation ist definiert als zielgerichtetes Handeln von Bürgern um politische Sachentscheidungen und die Auswahl von politischen Repräsentanten zu beeinflussen
-Unterscheidung von konventionellen (verfassten, legalen, vorgesehen) und unkonventionellen (möglicherweise legalen – evtl. aber auch illegal , aber unverfassten und nicht vorgesehenen) Partizipationsformen
o Beispiele für legale/verfasste/konventionelle Partizipation
§ Kommunikation/Interaktion mit Politikern
§ Mitgliedschaft in politischen Vereinigungen
§ Aktivität in politischen Veranstaltungen
§ Wählen
§ Teilnahme an legalen Protestaktionen (siehe Protestrecht im GG)
o Beispiele für illegale/Nichtverfasste/unkonventionelle Partizipation
§ Teilnahme an illegalen Protestaktionen
§ Gewaltsame politische Aktionen
-Zentrale empirische Untersuchung war die Political-Actions-Studie von Barnes und Kaase (1979)
o Fragt danach wer, wie und wie häufig politische Partizipation ausübt (nur in westlichen Ländern)
o Keine großen Unterschiede zwischen den Ländern feststellbar, dafür aber innerhalb ihrer Gesellschaften – je gebildeter, je finanziell besser und je jünger die Teilnehmer waren desto höher war ihre (unkonventionelle) Teilhabe
§ Bsp. Wahlbeteiligung in Chorweiler: 25% - Wahlbeteiligung in Marienburg/Hahnwald: knapp 90%
==> Ungleiche Politische Partizipation ist aber ein großes Problem für Demokratien
o Politiker kümmern sich viel um Probleme von Menschen, die sich auch politisch beteiligen und wählen gehen – führende Politikwissenschaftler fordern darum immer lauter eine Wahlpflicht, bevor sich dien Ungleichheit noch mehr vergrößert
-Entwickelt von Paul Lazarsfeld und seinen Mitarbeitern in den 1950er Jahren, die aus Wien vor den Nazis an die Columbia-Universität flohen – Ansatz ist sehr europäisch geprägt
-Geht davon aus, dass Individuen sich einer Gruppe zugehörig fühlen – Indikatoren für Gruppenbindung: bspw. Beruf, Bildung, Einkommen
-Wähler ist durch Umwelteinflüsse und soziale Merkmale geprägt – diese Prägungen sind tief verankert und vergleichsweise konstant (außerdem durch soziales Umfeld und Gruppen)
-Wählerverhalten entspricht somit dem zugehörigen Gruppeverhalten
o Beruht auf Stereotypen und sozialen Merkmalen – als Erklärungsmodell aber sehr erfolgreich
o Indikatoren für die sozialen Gruppen sind bspw. Beruf, Einkommen, etc.
-Problem: keine Erklärungsmöglichkeiten für kurzfristige Veränderungen des Wahlverhaltens und Tendenz zur Erosion der Gruppenbindung in vielen Demokratien (Gewerkschaftsmitgliedschaft ist kein Garant mehr für eine SPD-Wahl, Kirchgang keiner mehr für eine CDU-Wahl)
-Gegenmodell von Campbell und anderen amerikanischen Wissenschaftlern – soziale Merkmale sind weitaus weniger entscheidend für das Wahlverhalten
-Geht davon aus, dass die spätere emotionale Bindung an Parteien bereits in früher Kindheit festgelegt wird – frühe politische Sozialisation
-Wähler handeln vorwiegend aus einem umweltunabhängigen individuellen Entscheidungsmodus heraus – dieser ist tief verankert und vergleichsweise konstant
-Kern des Konzepts: langfristige emotionale Bindung des Wählers an eine Partei, Parteiidentifikation wird frühzeitig im Prozess der politischen Sozialisation erworben
-Zwei weitere kurzfristige Einflussgrößen: Orientierung an Issues (politischen Zielen) und subjektive Bewertung der Kandidaten
-Problem: Erosion der Parteibindung in vielen Demokratien seit den 60er Jahren
-Hintergrund für dieses und das folgende Modell: Gruppe an Wechselwählern wächst – sie sind eher kurzfristig orientiert und lassen sich keinem Lager fest zuordnen – ihre Entscheidungen und diese allgemeine Veränderung entscheidet mitunter Wahlen
-Wähler handeln vorwiegend nach einem individuellen Entscheidungsmodus, der auf einer utilitaristischen Nutzenkalkulation beruht
-Konzept basiert auf der ökonomischen Demokratietheorie von Downs – rationale Wähler, treffen auf rationale Parteien
-Nutzenkalkulation findet über issue voting statt (Welche politischen Ziele sind mir wichtig?)
-Problem: liegt in der Logik des Modells – es ist auch nur dann rational überhaupt zur Wahl zu gehen, wenn genau meine Stimme darüber entscheidet wer die Wahl gewinnt (so macht bspw. Splitterparteien wählen überhaupt keinen Sinn) – es gibt bei einem RC-Ansatz keine Erklärung dafür, weshalb Wähler Parteien ohne Chancen auf Regierungsbeteiligung überhaupt unterstützen (Warum gehe ich überhaupt zur Wahl? // Kosten des zur Wahlgehens übersteigen Nutzen)
-Reaktion auf soziale Erosion und Schwäche des soziologischen Ansatzes
-Wähler sind geprägt durch wandelnde Umwelteinflüsse, diese sind stetigem Wandel unterworfen (die nicht immer etwas mit der Thematik zu tun haben müssen, um dies geht) – außerdem durch die Zuordnung zu einem Milieu
-Ansatz = explizite Reaktion auf Tatsache, dass Gruppenbindungen erodieren
-Anstelle von Gruppenbindungen: persönliche, selbst gewählte Lebensstile (Parteien versuchen passend zu diesen Lebensstilen zu agieren, bzw. ihre PR darauf auszurichten // Welche Partei passt zu mir und meinem Lifestyle?)
-Zur Kritik
o Milieus werden nach außen getragen, Wählen ist aber Privatsache
o Milieu schwer zu bestimmen – sie sind außerdem sehr zahlreich – Frage danach, welches Milieu zu welchem Wahlverhalten führt ist sehr schwer
-Mit dem Ansatz können extrem volantile Wählersegmente ausfindig gemacht werden (d.h. Gruppe die sich wirklich kurzfristig entscheidet)
-Empirisch ist der Ansatz kaum haltbar – trotzdem richten immer mehr Parteien (aufgrund ihrer Berater) ihre PR und Strategien auf diesen Ansatz aus
o Wahlentscheidung steht im Spannungsverhältnis zwischen Kurz- und Langzeiteinflüssen
o Wahlentscheidung fällt im Zusammenspiel mit individuellen und gruppenspezifischen Bedürfnissen
-Definition: Institutionelles Arrangement, das aus einer Reihe von Elementen besteht, die dafür sorgen, dass Wählerpräferenzen in Wählerstimmen und schließlich in Sitze für Repräsentanten transformiert werden
o 1. Transformation: Präferenzen in Stimmen
o 2. Transformation: Stimmen in Sitze (PoWi legt ihren Fokus auf diese Transformation, obwohl die erste eigentlich genauso wichtig ist, hier aber kaum Berücksichtigung)
o (3. Transformation in parlamentarischen Systemen: Mandate in Regierungsmehrheit)
-Wichtigste Elemente der zweiten Trasnformation
o Selektionsregel bei der Transformation von Stimmen in Sitze (Verhältnis- oder Mehrheitswahlrecht)
o Wahlkreiseinteilung/ Selektionsregel (ein Wahlkreis entspricht einem Sitz – oder ein Wahlkreis aber mehrere Sitze (bspw. in den Niederlanden – 1 Wahlkreis und 115 Sitze))
o Stimmgebungsverfahren (wie viele Stimmen pro Wähler (bspw. in Hamburg bei der Bürgerschaftswahl – 18 Stimmen pro Wähler))
o Form der Wahlbewerbung (wie sind die Wahllisten geregelt – Kandidatenlisten oder Partei-/Landeslisten (bspw. Irland – Kandidaten gleicher Parteien konkurrieren miteinander))
o Stimmverrechnungsverfahren (welche mathematische Formel wandelt die Stimmen in Sitzverteilung um)
-Aufgrund der Selektionsregel Einteilung in:
o Mehrheitswahlsysteme
o Verhältniswahlsysteme
o Sonstige (Mischwahlsysteme) – Großteil der Demokratien, auch Deutschland
-Selektionsregel: in Direktwahlkreisen relative Mehrheitswahl – bei den Listen Verhältniswahl
-Wahlkreiseinteilung: Einerwahlkreis und unterschiedlich große Wahlkreise der Bundesländer
-Stimmgebung: 2 Stimmen
-Wahlbewerbung: Kandidaten- und Listenwahl
-Stimmverrechnung: Höchstzahl, bzw. Divisorverfahren einerseits, Wahlzahlverfahren andererseits. Seit 2009 Sainte-Lague
-Besonderheiten
o Legale 5%-Stimmhürde
o Grundmandatsregelung (drei Direktmandate, wandeln wenn unter 5% insgesamt die restlichen Prozente trotzdem in Sitze um)
o Überhangs- und Ausgleichmandate – die aber zur Folge haben, dass der BT seit der letzten Wahl 130 Mandate mehr hat, als eigentlich maximal vorgesehen
-Das Bundeswahlgesetzt wurde kürzlich geändert – ob Bestand muss Karlsruhe noch entscheiden
-Reformelemente
o Vergrößerung des Bundestags auf dauerhaft 630 Mandate
o Wegfall der Grundmandatsklausel (Protest gegen diese Regelung: bspw. könnte die CSU in Bayern zwar stärkste Kraft werden und sämtliche Direkt-Mandate holen – die 5%-Hürde aber trotzdem verpassen und damit aus dem Parlament fliegen)
o Wegfall der Überhang- und Ausgleichsmandate
o Wahlbewerber in Direktwahlkreisen erhalten ein Mandat, wenn sie eine relative Mehrheit erreicht haben und wenn dieses Mandat durch das Zweitstimmenergebnis ihrer Partei gedeckt ist. Die Zuteilung an Direktwahlkreisbewerber erfolgt nach Stimmergebnis.
-Relative Mehrheitswahl – mindestens eine Stimme mehr nötig als der nächste Kandidat
-In Großbritannien Reformdebatte daher: bei Wahlen zu Regionalparlamenten und zum Europaparlament nun Varianten der Verhältniswahl
o Schottland und Wales haben ein dem Deutschen sehr ähnliches Wahlsystem (mit Variationen)
o Referendum zum Übergang zum Verhältniswahlrecht scheiterte in der Vergangenheit
-Vorteile
o Gouvernementale Orientierung
§ D.h. es soll so schnell wie möglich eine stabile Regierung gebildet werden
§ Am besten mit Unterstützung in der Legislative
§ Verhältnissysteme brauchen für eine Regierungsbildung meist länger – den Rekord hält Belgien mit 440 Tagen
o Mehrheitsbildender Effekt
o Einparteienregierung und Zweiparteiensystem
o Klare Rollenzuweisung in der parlamentarischen Demokratie von Regierungs- und Oppositionsfunktion – damit entsteht eine klare Verteilung von politischer Verantwortlichkeit
o Stabile Regierungsbildung einerseits, erhöhte Chance auf Regierungswechsel infolge von Wahlen andererseits (gilt nicht zwingend)
-Nachteile
o Benachteiligung kleinerer Parteien – ist jedoch auch Sinn des Systems, da eine Fragmentierung des Parteiensystems hier nicht erwünscht ist
o Zuweisung sicherer Wahlkreise mit entsprechender Einschränkung des Wettbewerbscharakters von Wahlen
§ GB besaß mal bis zu 80% sichere Wahlkreise
§ Für Wahlkampf nicht gut, da er so lediglich in Wechselwahlkreisen stattfindet
o Strategische Bedeutung der Wahlkreiseinteilung (Gefahr des Gerrymanderings)
==> Absichtliche dem Stimmengewinn dienende Manipulation der Grenzen von Wahlkreisen bei einem Mehrheitswahlsystem – dann als sichere Garantie für Sitze
o Chance (oder Gefahr) auf Policy-Wechsel
§ Regierungswechsel kann zu einer völlig neuen Politikrichtung führen – Entscheidung hierüber liegt jedoch bei den Wählern
§ Muss jedoch nicht immer gut sein – Bsp. der Stahlindustrie in GB – wurde von 1945 bis 1997 bei jedem Regierungswechsel entweder verstaatlicht (Labour) oder privatisiert (Torys) – Stahlindustrie in GB ging zugrunde
o Parteiführungen haben nur eingeschränkte Möglichkeiten die Rekrutierung ihres Führungspersonals abzusichern – teilweise droht das Szenario, dass völlig unerfahrene Politiker in die Parlamente kommen
-Repräsentationsorientierung – bildet den Wählerwillen ab
o Gesellschaftsabbildend
o Minderheitenrepräsentation
-Machtteilend durch Koalitionsbildung und Verhandlungsdruck sowie Mehrparteiensystem
-Unklare Rollenzuweisung in der parlamentarischen Demokratie mit entsprechenden Einschränkungen der Zuweisung politischer Verantwortlichkeit
-Instabile Regierungsbildung einerseits, geringe Chancen auf Regierungswechsel durch Wahlen andererseits
o Die FDP war in der BRD jahrelang der Königsmacher – saß lange in der Regierung und konnte die Politik so entscheidend prägen – der Wählerwille wurde somit jedoch zunehmend zweitrangig
-Chance auf Policy-Kontinuität
-Parteiführungen haben gute Möglichkeiten die Rekrutierung ihres Führungspersonals abzusichern
==> WÄHLER UNTERSTÜTZEN MEHRHEITLICH STETS DAS IHNEN BEKANNTE WAHLSYSTEM / DIESE DURCH DEN WÄHLERWILLEN ZU ÄNDERN IST ALSO MEHR ALS SCHWIERIG
-Institutionalistischer Ansatz
o Geht davon aus, dass Institutionen – v.a. das Wahlsystem – dafür verantwortlich sind, wie viele und welche Parteien wichtig sind und in welcher Weise ihre Interaktionsmuster strukturiert sind
-Soziologischer Ansatz
o Geht davon aus, dass Parteien als „Aktionsausschüsse“ gesellschaftlicher Gruppen wirken – Parteiensysteme bilden demnach die zentralen gesellschaftlichen Konfliktstrukturen ab
o Eine zentrale Studie unter Stein-Rokkan brachte dabei das Cleavage-Konzept – vier grundlegende Gemeinsamkeiten in der Struktur westeuropäischer Parteiensysteme – hervor, welches von vier grundsätzlichen Konfliktstrukturen innerhalb einer Gesellschaft ausgeht (auf westliche/europäische Industrienationen ausgelegt)
§ Kath. Kirche vs. weltliche Macht ( CDU / in GB dagegen gab es durch die frühe Etablierung der Anglikanischen Kirche kaum religiöse Konflikte und somit auch keine christliche Partei)
§ (Macht-)Zentrum vs. Peripherie Regionalparteien, die regionale Interessen durchsetzen (regional vs. national)
§ Stadt vs. Land ( Bauernparteien / primärer vs. sekundärer Sektor)
§ Kapital vs. Arbeiter ( bringt sozialistische Parteien und Unternehmer-Parteien (SPD und FDP) hevor)
o Stein-Rokkan meinte diese Prozessentwicklung habe sich in den 1960er Jahren eingestellt – die Grünen in den 1980ern haben dies aber schon wiederlegt – evtl. Hinweis auf neue Konflikte
§ Postmaterialisten vs. Materialisten (Parteien wie die Grünen)
§ Globalisierungsgewinner vs. Globalisierungsverlierer, bzw. des Pluralisierungsprozess (Parteien wie die AfD oder andere populistische Parteien)
-Untersucht nur kompetitive Parteien
-Strikte Unterscheidung zwischen kompetitiven und nichtkompetitiven Parteiensystemen
-Für die kompetitiven gilt
o Zunächst ein numerisches Kriterium in klassischer Weise
§ Einparteiensystem – nicht kompetitiv – keine Demokratie und wird hier auch nicht untersucht
§ Zweiparteiensystem
§ Mehrparteiensystem
==> ob Zwei- oder Mehrparteiensystem macht für Sartori eigentlich keinen großen Unterschied
o Zum zweiten ein Fragmentierungskriterium – bei diesen Parteiensystemen ergibt es kaum Sinn sie zu untersuchen
§ Fragmentierung entweder durch ideologische Polarisierung oder durch soziale und ethnische Segmentierung verursacht
§ Bsp. Belgien – es gibt kaum eine Partei die in ganz Belgien zur Wahl antritt
§ Parteien wollen nicht die Wahl gewinnen um ihr Programm durchzusetzen – sondern sie schreiben ihr Programm um Wahlen zu gewinne
==> Frage: ab wann zählt eine Partei? – Sartoris Zählregel
o Partei muss Sitze in der entsprechenden Legislative gewonnen haben und
o Koalitions- und Drohpotential (Verweigerung kann Regierungsbildung verhindern)
==> in GB sind damit nur zwei Parteien relevant
==> in Dt. dagegen sehr viele
-Ergebnis:
o Prädominantes Parteiensystem (eine Partei gewinnt immer – es gibt jedoch trotzdem kompetitive Wahlen und ein Parteiensystem – Beispiele: Bayern, Japan)
o Zweiparteiensystem
o Begrenzter Pluralismus (< 5 Parteien) – Deutschland noch da, steuert aber hinzu auf einen…
o Extremer Pluralismus (> 5 Parteien)
-These: 3-5 Parteien führt zur zentripetalem Wettbewerb (geht darum die Mitte zu erreichen und dort eine Basis zu bilden – Positionen, die zwar unterschiedlich sind, wo aber Kompromisse gebildet werden können) – 6 und mehr zu zentrifugalem Wettbewerb (vermehrt werden extreme / Rand- / Nischengruppen versucht zu erreichen, was zu Polarisierung, Spannungen, Konflikten und Intensitäten führt)
==> Unterscheidung vom bipolaren (stabilen / klassiches Links-Rechts-Schema) und multipolaren (instabilen) Parteiensystemen
-Fragmentierungsindices als feste Größe, d.h. so gibt es in Dt. langfristig etwas weniger als drei relevante Parteien / GB und USA als Zweiparteiensystem weist eine geringere Aufsplitterung auf
==> Gibt Aufschluss darüber, wie aufgesplittert das Parteiensystem ist
höchster Wert in Dt. war die erste Bundestagswahl (fast wie in der Weimarer Republik) – fast alle bürgerlichen, konservative oder christlichen Parteien wurden aber von der CDU/CSU absorbiert und vereinnahmt
Parteiensystem in DE
· Verhältniswahl, Mehrparteiensystem – kaum einer erringt die absolute Mehrheit
· Koalitionen
· Moderat bis extrem pluralistisch
· Multipolar
· Zentrifugaler Wettbewerb
Parteiensystem in UK
· Relatives Mehrheitswahlrecht
· Zwei-Parteiensystem mit kleineren Parteien die, meistens kein Koalitions- oder Drohpotential besitzen
· Bipolar
· Eher zentripetaler Wettbewerb
Parteiensystem in den USA
· Zwei große Parteien mit klar dominierender Stellung
· Potential für dritte Kräfte ist jedoch da
· Bipolares System
· Zentripetaler Wettbewerb
-Funktionen von Interessengruppen (ähnlich denen von Parteien) – der Unterschied zwischen diesen beiden ist gar nicht sehr groß
o Aggregation und Vermittlung gesellschaftlicher Interessen im politischen Entscheidungsprozess
o Informationsvermittlung
o Legitimation politischer Entscheidungen
-Unterschiede zu Parteien
o Bilden kein übergreifendes „System“ mit spezifischen Interaktionsmustern, d.h. es ist auch schwer zu sagen, welche Interessensgruppen relevant oder nicht-relevant sind
o Ihre Aufgaben im politischen System sind auch kaum institutionell gefasst – trotzdem können sie einen enormen Einfluss auf das politische Geschehen haben
o Erfüllen eine ganze Reihe von Funktionen, die für die vergleichenden Politikwissenschaften uninteressant sind
-Pluralismustheorie
o Betrachtet insbesondere die Rolle von Interessengruppen auf der Input-Seite des politischen Systems, d.h. „Wie werden Interessen in den politischen Prozess hinein vermittelt?“ (weniger daran interessiert, was die Konsequenzen sind)
o Entweder deskriptiv-empirisches Erkenntnisinteresse – dann liegt die amerikanische Pluralismustheorie (Arthur Bentley, David Truman) vor - Was genau machen Interessensgruppen?
§ Entwicklung eines konzeptionellen Gerüsts für die empirische Forschung – untersuchen die Beziehung zwischen Verbänden und Staat // die Beziehung zwischen Verbänden untereinander // die Beziehung zwischen Verbänden den als Organisationen und ihren Mitgliedern
§ Unterschiedliche Ansätze seine Interessen gegenüber der Politik auszudrücken – in den USA wenden sich die Gruppen an ihren Repräsentanten oder Senatoren – in den europäischen parlamentarischen Demokratien wird sich an die Ministerien gewandt – hängt immer damit zusammen, wo Gesetze entstehen
o Oder das Interesse liegt bei der demokratietheoretischen Bedeutung von Verbändeeinfluss unter normativen Vorzeichen – dann entweder die frühe englische (Harold Laski, G.D.H. Cole) oder deutsche Pluralismustheorie (nach Ernst Fraenkel) – versuchen herauszufinden, wie Interessensgruppen am besten ansetzen um ihre Interessen durchzusetzen
§ frühe englische Pluralismustheorie – Infragestellung der staatlichen Verfügungsgewalt über die Menschen – diese interessieren sich zwar für die Politik und ihre Interessensvertretung, nicht aber für den Staat an sich
§ deutsche Pluralismustheorie – Verbraucherherrschaft oder Pluralismus von Interessen, welcher die Demokratie stabilisiert
o Gerüst und wichtigste Variablen der Pluralismustheorie
§ Politischer Zugangsmöglichkeiten (points of access)
§ Druck (pressure) – wie viel Druck kann eine Gruppe auf den politischen Prozess ausüben?
§ Gegenmachttheorem (countervailing power) – wenn Interessen nur einem Teil der Gesellschaft dienen, entsteht automatisch eine Gegenbewegung, die gegensätzliche Interessen vertritt – dies macht eine Demokratie aus und bringt sie voran, da sonst die Interessengruppen durchregieren würden
§ Lösung politischer Probleme durch regelgeleitete Handlungen (bargaining, rules of the game)
§ Politische Entscheidungen als labile Interessensgleichgewichte
§ Konfliktdämpfende Wirkung von Mehrfachmitgliedschaften (overlapping membership) – mehrfach gelagerte, gegeneinanderlaufende Interessen der Gruppenmitglieder, d.h. die Gruppen müssen sich stets anpassen, da sie sonst nicht mehr getragen werden
-Korporatismustheorie
o Alternatives analytisches Konzept zur Klärung von Staat-Verbände-Beziehungen, v.a. in der idealtypischen Gegenüberstellung von Philippe Schmitter („Still the Century of Corporatism?“, 1974 – der Fokus dieses Aufsatzes liegt jedoch in Lateinamerika und beim Peronismus)
o Geht nicht von einem Wettbewerb aus, da alle die gleichen Zugangschancen hätten
o Kernargument der Koporatismustheorie: Staat und Verbände begründen ein Tauschverhältnis
§ Staat erwartet von Verbänden, dass sie notwendige Informationen für politische Steuerung, bzw. Problemlösung liefern und bei der Implementation politischer Entscheidungen mitwirken (Unterstützung)
§ Verbände erwarten vom Staat, dass sie im Austausch dafür privilegierten Einfluss auf politische Entscheidungen haben und Selbstregulierungskompetenzen eingeräumt bekommen
o Kritik an der Pluralismustheorie
§ C. Wright Mills spricht in seiner Elitentheorie von einer „power elite“ – diese Elite würde grundsätzlich dominieren und ihre Interessen stets durchsetzen – klingt zwar hier und da schlüssig, hält aber einer empirischen Überprüfung kaum stand
==> zweifelt den gleichberechtigten Zugang der Interessensgruppen zu den Zugangsmöglichkeiten an – Eliten hätten hier Vorteile
§ Mancur Olson spricht in „The Logic of Collective Action” davon, dass Kollektive und Gruppen nur funktionieren würden, wenn alle stets am gleichen Strang ziehen – nun gibt es aber in einer Gruppe stets, solche, die zwar die Vorteile aus der Gruppe mitnehmen, sich aber nicht engagieren. Die Kontrolle um solche Mitglieder herauszufiltern, wird umso schwieriger, je größer die Gruppe wird
==> Heute werden oft beide Theorien miteinander kombiniert
==>für genaueres Verständnis muss man die Werte aber sektoral aufschlüsseln
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