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Bevölkerungsstruktur und Bevölkerungsdynamik

TS
by Tim S.

Erläutern Sie den zweiten demographischen Übergang und seine Gründe.


-Folgt unmittelbar auf den ersten demographischen Übergang – Geburtenrückgang ab Mitte der 1960er Jahre unter Reproduktionsniveau (wobei es umstritten ist ob hier ein wirklicher demographischer Übergang vorliegt)

o   Tatsächlich ist nur die Geburtenrate stark gesunken, die Sterberate ist nicht radikal zurückgegangen – d.h. wirklich ein demographischer Übergang aufgrund der Industrialisierung oder nur ein starker Geburtenrückgang?

-Nach dem geburtenstärksten Jahrgang in Dt. 1964 liegt die Geburtenrate dauerhaft unter der Sterberate (sogenannter „Pillenknick“ – Ursachen sind aber komplexer)

-Gründe für den zweiten demographischen Übergang ab Mitte der 1960er Jahre bis in die 1970er Jahre hinein

o   Karriereziele von Männern UND Frauen werden durch hohe Opportunitätskosten der Elternschaft behindert

§  Hohe Vereinbarkeitsproblematiken von Elternschaft (insb. Frauen) und Beruf – Strukturen laufen hier zuwider

o   Instrumentelle und finanzielle Vorteile von Kindern gehen weiter zurück, emotionaler Gewinn von Kindern ist mit einem oder zwei Kindern realisierbar

§  Familie als „Betrieb“ ist aufgrund der Fürsorgeleistungen durch gesellschaftliche und staatliche Einrichtungen nicht mehr nötig

§  Kinder werden so etwas rein Emotionales, Sinnstiftendes und Erfahrungsbereicherndes

§  Gestiegener Kosten- und Erziehungsaufwand für Kinder

o   Wertewandel, d.h. Postmaterialismus, Selbstverwirklichung und nichteheliche Lebensgemeinschaften

o   Individualisierung und Pluralisierung von Lebensformen spielt eine immer größere Rolle, dazu kommen Rationalisierung und Spezialisierung

-Weitere Entwicklung ab Mitte der 1960er Jahre

o   Entkoppelung von Sexualität, Ehe und Fortpflanzung – was lange Zeit ein fester Verbund gewesen ist

o   Zunehmende Verbreitung von Kontrazeptiva (vom „ungeplanten“ zum „geplanten“ Kind)

o   Anstieg der Ehescheidungsrate und der nichtehelichen Lebensgemeinschaften

 

==> Erster und zweiter demographischer Übergang weisen zwar unterschiedliche Verläufe, z.T. aber ähnliche Bedingungen auf

Was ist der Altenquotient und welche Auswirkungen hat die Alterung der Bevölkerung, u.a. auf die Soziale Sicherung? Was sind Gegenmaßnahmen?


o   Altenquotient: Verhältnis der Über-60- oder Über-65-Jährigen zu den 20 bis 60- bzw. 64-Jährigen

-Alterung der Bevölkerung

-Zunahme des Anteils älterer Menschen im Vergleich zum Anteil der jüngeren Menschen – wichtiger Aspekt des demographischen Wandels

o   Bevölkerungsrückgang hat wahrscheinlich weniger gravierende Konsequenzen als die Veränderung der Altersstruktur

o   Tritt im Zuge sinkender Geburtenraten bei gleichbleibenden, bzw. sinkenden Sterberaten ein

o   Universalität in allen Weltregionen – außer in vielen Entwicklungsländern, dort geht sie schneller voran

o   Alterung wird sich in den nächsten Jahrzehnten beschleunigen, die Zahl der ganz Alten nimmt somit rasch zu

o   Die Alterungsbewegung weist eine kurzfristige Form der Unumkehrbarkeit auf

-Soziale Sicherung

o   Dem Generationenvertrag (d.h. dem Umlageverfahren im Rentensystem) fehlt zunehmend die demographische Basis, weil immer weniger Erwerbstätige immer mehr Rentner finanzieren müssen

§  Rentenbezugsdauer hat sich in den letzten 50 Jahren von knapp 10 auf 18.5 Jahre (2010) fast verdoppelt

§  Zuwachs an Pflegefällen

§  Prekäre Beschäftigungsverhältnisse resultieren in Altersarmut

o   Mögliche Maßnahmen

§  Private Altersvorsorge

§  Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit

§  Förderung der Arbeitsmigration

§  Verkürzung der Schul- und Studienzeit

§  Anhebung der Regelaltersgrenze

Definieren Sie die Zusammengefasste Geburtenziffer. Wie wird diese vom Tempoeffekt beeinflusst?


-Zusammengefasste Geburtenziffer (total fertility rate, TRF) – Schätzwert der durchschnittlichen Anzahl der Kinder, die eine Frau im Laufe ihres Lebens zur Welt bringt

o   Ist die Summe der altersspezifischen Geburtenziffern innerhalb eines Kalenderjahres

o   Betrachtet werden alle Frauen im Alter zwischen 15 und 49 (manchmal 45) – dabei werden alle Frauen in einem hypothetischen Jahrgang (Kohorte) zusammengefasst, d.h. die TFR ist eine Querschnittsanalyse, bzw. eine Altersbetrachtung

o   Sagt aus, wie viele Kinder eine Frau durchschnittlich im Laufe des Lebens hätte, wenn die zu einem einheitlichen Zeitpunkt ermittelten altersspezifischen Geburtenziffern für den gesamten Zeitraum ihrer fruchtbaren Lebensphase gelten würden.

o   Tempoeffekt: Aufschub des Gebärens ändert die TFR zeitweise, weil sich das Alter der Gebärenden, nicht aber die Kinderzahl verändert

§  Da das Alter bei Geburt in Westdeutschland seit den 1970er Jahren und in Ostdeutschland seit 1990 kontinuierlich gestiegen ist, muss man davon ausgehen, dass die jährliche Geburtenziffer als Indikator für die tatsächliche Kinderzahl pro Frau verzerrt ist

o   Bsp.: Die TFR 2007 wird wie folgt interpretiert: Wenn das Geburtenverhalten der Frauen zwischen ihrem 15. und 50. Geburtstag so wäre wie das durchschnittliche Geburtenverhalten aller 15- bis 49-jährigen Frauen im Jahr 2007, würden sie im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 1,37 Kinder bekommen.



Skizzieren Sie die Geburtenentwicklung in Deutschland - gehen Sie dabei auch auf Begriffe wie Babyboom, Pillenknick und zunehmende Kinderlosigkeit ein.


-Starker Rückgang zu Beginn des 20. Jahrhunderts

-Dann Babyboom in den 1960er Jahren

o   „Nachgeholte Geburten“ nach dem 2. WK

o   Nachfolgende Kohorten begannen immer früher mit Familiengründung, Heiraten – sog. „Golden Age of Marriage“

o   Endgültige Kinderzahl der Frauen stieg geringfügig an

o   Materielle Sicherheit durch das Wirtschaftswunder

-Anschließender Abschwung zum Ende der 1960er Jahre (siehe letzte Woche)

o   Geburtenniveau fällt unter das Reproduktionsniveau

o   "Pillenknick" (für den die Pille jedoch nicht allein verantwortlich ist): Mit Anti-Baby-Pille war bessere Planung der Familiengründung möglich

o   Emanzipation und Wandels des Rollenbildes: Aufschub der Familiengründung durch längere Bildungszeiten und Erwerbstätigkeit der Frauen

o   Neue Lebensformen und sexuelle Liberalisierung

o   Bildung und Familie ist noch unvereinbarer als Arbeit und Familie

o   Immer mehr Frauen bleiben kinderlos

o   Geburtenniveau fällt unter das Reproduktionsniveau

·      Kinderlosigkeit in Deutschland

o   Höhere Kinderlosigkeit in jüngeren Geburtsjahrgängen, besonders in Westdeutschland

o   Unterschiede zwischen Ost-West heute noch erkennbar (Gründe: im Osten bessere Unterstützung von Schwangeren, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Betreuungsangebot, etc.)

o   Drastischer Geburtenrückgang in Ostdeutschland im Zuge der Wende

o   Weitere entscheidende und bestimmende Determinante: Bildungsniveau, d.h. je höher das Bildungsniveau der Frau, desto eher bleibt sie kinderlos – dies gilt jedoch nur für Westdeutschland, nicht für Ostdeutschland

Skizzieren Sie die Migrationsbewegungen in Deutschland.


 -Migration in der Nachkriegszeit – BRD als Einwanderungsland

o   1944-50: Aufnahme von 8 Mill. (BRD) bzw. 4 Mill. (DDR) Vertriebenen und Flüchtlingen

o   1945-61: BRD nimmt 3,1 Mill. Flüchtlinge und Übersiedler aus DDR auf

o   1955-74: Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte (ca. 3,5 Mill.): Italien, Spanien, Griechenland, Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien, Jugoslawien (1973 Anwerbestopp und Zuwanderungsgesetz)

o   ab 1980: Zunehmende Einwanderung von Asylsuchenden aus Staaten des Globalen Südens

o   ab 1987: Verstärkte Einwanderung von (Spät-)Aussiedlern („Deutschstämmige“ aus Ost- und Südosteuropa, frühere Sowjetunion)

o   ab 1988: Zusammenbruch sozialistischer Staaten, Ausreisewelle aus der DDR

o   ab 2015: starke Migrationsbewegungen aus dem Nahen Osten (Syrien, Irak), Afghanistan, verschiedene afrikanische Länder (Gründe: Bürgerkrieg, Terrorismus, Armut)

o   Im zweiten Corona-Jahr 2021 sind rund 329 000 Personen mehr nach Deutschland zugezogen als aus Deutschland fortgezogen.

o   2022: Von Februar bis August 952 000 Zuzüge aus der Ukraine

==> (West-)Deutschland als Einwanderungsland auf internationaler Spitzenposition (vor allem Ende der 1980er Jahre) - „Auf 100.000 Einwohner bezogen, betrug die Zahl der Zuwanderer in den 1980er Jahren in den USA 245, in Kanada 479, in Australien 694 und in Westdeutschland 1022“ // starker Einfluss von politischen Entscheidungen

o   Bevölkerungswachstum seit den 1990er Jahren geht ausschließlich auf Nettozuwanderung zurück – ohne Zuwanderung überhaupt nicht möglich

·      DDR als Auswanderungsland

o   DDR war neben Irland das einzige Land in Westeuropa, aus dem bis in die 1980er Jahre hinein durchgehend mehr Menschen fortzogen als zuwanderten – 1989 lebten in der DDR weniger als 200.000 Ausländer (insb. Aus Vietnam und Mosambik)


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Tim S.

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