Bestimmte und unbestimmte Rechtsbegriffe
1 Ordnungsrecht
Herstellen und Schützen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§ 1 HSOG) in Form von Abwehr von Gefahren als Verhinderung eines Schadeneintritts
1.1 Öffentliche Sicherheit
Definition
Umfasst alle geschützen Rechtsgüter:
Schutz der Unversehrtheit,
Schutz des Bestands und
Veranstaltung des Staats,
deren Verletzung mit Straf- oder Bußgeldvorschriften geahndet werden würden.
1.2 Öffentliche Ordnung
Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung für ein geordnetes und gedeihliches Zusammenleben innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird.
1.3 Schaden
Schaden ist die erhebliche Minderung eines Schutzgutes.
Ist der Schaden eingetreten, muss die Gefahrenabwehrbehörde i.d.R. nicht mehr handeln.
1.4 Gefahr
Eine Gefahr besteht, wenn bei ungehindertem Ablauf ein Schaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten wird.
(Wahrscheinlichkeit, dass Schaden eintritt.)
1.4.1 Abstrakte Gefahr
Bestehen einer potenziellen Bedrohung ohne konkreten Umständen oder Handlungen.
Es handelt sich um eine theoretische Möglichkeit, dass Schaden eintreten könnte, ohne dass konkrete Anhaltspunkte oder Beweise dafür vorliegen.
1.4.2 konkrete Gefahr
Mit dem Eintritt des Schadens ist im Einzelfall in Kürze mit hinreichender wahrscheinlich zu rechnen bzw. für Jedermann offenkundig unausweichlich
1.4.3 Anscheinsgefahr
Wie konkrete oder abstrakte Gefahr, jedoch wird im Laufe des Verfahrens festgestellt, dass kein Schaden eintreten wird. Die Maßnahmen sind sofort abzubrechen. Bis zum Bekanntwerden des Anscheins sind alle Maßnahmen rechtmäßig, danach sind sie rechtswidrig.
1.4.4 Putativgefahr
Wie Anscheinsgefahr, jedoch ausgelöst durch einen Fehler der Verwaltung, zum Beispiel lückenhafte Ermittlungen. Alle Maßnahmen sind rechtswidrig.
1.4.5 Gefahrenverdacht
Es ist noch nicht bekannt, ob tatsächlich eine Gefahr besteht. Ermittlungen sind zulässig, ggf. auch niederschwellige Verfügungen.
1.4.6 Gefahrenabwehr
Verhinderung des Schadeneintrittes oder bei Fortdauer der Gefahr trotz Schadeneintritt die Beseitigung des Schadens / der Gefahr.
1.5 Gefahrenabwehrbehörde
Alle Behörden außer der Landespolizei. Theoretisch kann jede Behörde einer Gebietskörperschaft und teilweise auch der Anstalten Gefahrenabwehrbehörde sein, da (alle) Verwaltungsbehörden Aufgaben für ihren Bereich übernehmen und sich gegenseitig unterstützen sollen (vergl. § 1 HSOG).
1.6 Verwaltungsbehörde
Die Verwaltungsbehörde ist der Oberbegriff für die klassische Gemeinde- oder Kreisverwaltung, wenn sie hoheitlich tätig wird, auf Grundlage eines Gesetzes
Gemeindevorstand oder Kreisausschuss
1.7 Ordnungsbehörde
Die Kommunalverwaltung führt polizei-ähnliche Aufgaben als Weisungsaufgabe aus Rechtsvorschriften aus, welche konkret zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erlassen sind (HSOG, StVO).
= Bürgermeister oder Landrat
2. Ermessen
Möglichkeit zur Entscheidung, ob Verfahren einzuleiten (Entschließungsermessen)
Welche Mittel eingesetzt werden sollen und gegen wen (Auswahlermessen)
Mit welcher Entscheidung das Verfahren abgeschlossen werden soll (Entscheidungsermessen)
Die Behörde kann hier Fehler machen. Sie hat daher pflichtgemäß, d.h. objektiv und sachlich ihre Möglichkeiten zu prüfen und zu begründen. Das Ermessen nicht zu erkennen oder Ermessen auszuüben, ohne dafür einen rechtliche Grundlage zu haben, sind ebenso ein Fehler, wie den Ermessensrahmen zu über- oder unterschreiten.
Je Größer die Gefahr, desto weniger Spielraum ist beim Ermessen möglich.
(Ermessen gegen Null)
3. Verhältnismäßigkeit
Die ausgewählten Maßnahmen müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Geeignet ist jede Maßnahme, die den gewünschten Erfolg bringt
Was will ich erreichen? Hilft mir die Maßnahme weiter?
Erforderlich ist eine Maßnahme dann, wenn es kein milderes Mittel gibt, welches zum gewünschten Erfolg führt.
Angemessen ist eine Maßnahme, wenn der angestrebte Erfolg / das Ziel, zu keinem übermäßigen Nachteil für den Beschwerten oder Dritte führt. D.h. Erfolg und Nachteile müssen im Verhältnis zueinander stehen.
Insbesondere darf die Allgemeinheit keinen (besonderen) Schaden durch die Maßnahme nehmen. (Angemessenheit = Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne).
Vorsicht: Bereits die Festlegung des gewünschten Erfolges muss verhältnismäßig sein. Der Erfolg darf nicht an den zur Verfügung stehenden Mitteln ausgerichtet werden
4. Störer
Störerarten
Sie sind diejenigen, welche eine Gefahr verursachen und / oder diese beseitigen können.
Fähigkeit zur Beseitigung der Gefahr.
Störerarten:
Verhaltensstörer nach § 6 HSOG
er selbst und persönlich verursacht die Gefahr
Zustandsstörer nach § 7 HSOG
er ist Eigentümer oder Besitzer der gefährlichen Sache, zum Beispiel Fahrzeug- oder Hundehalter.
unbeteiligte, aber fähige Person nach § 9 HSOG
Die Nicht-Verantwortliche Person wird gezwungen, die Gefahr zu beseitigen. Dies ist in der Regel nur bei Nothilfe notwendig. Ohne Vergütung
Zuständigkeit
5.1 Zuständigkeitsarten
drei Arten:
Örtliche,
Sachliche und
instanzielle Zuständigkeiten
5.2 Örtliche Zuständigkeit
Ausnahmen
Örtliche Zuständigkeit ist beschränkt auf Amtsbereich.
Dieser erstreckt sich bei:
Gemeinden auf die Gemarkung
Landkreisen auf das Kreisgebiet
Zuständig ist die Behörde, in deren Amtsbereich eine Aufgabe der Gefahrenabwehr wahrzunehmen ist.
Behörde kann auch Maßnahmen außerhalb des eigenen Amtsbereiches treffen:
1. Sofortmaßnahmen: bei Gefahr im Verzug oder zur Fortsetzung einer in ihrem Amtsbereich begonnenen Maßnahme.
2. Geplante Maßnahmen: Mit Zustimmung der für den anderen Amtsbereich zuständigen Behörde, wenn die Wahrnehmung von Aufgaben die Maßnahme in dem anderen Amtsbereich erfordert. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der kurzfristigen Zusammenarbeit von Gefahrenabwehrbehörden.
Soll eine Aufgabe dauerhaft gemeinsam durchgeführt werden, schließen sich die Behörden zu sogenannten „Gemeinsamen Ordnungsbehördenbezirken“ zusammen und werden einer Behörde unterstellt. Die Polizei ist in ganz Hessen zuständig, jedoch regional organisiert (§ 101 HSOG).
5.3 Sachliche Zuständigkeit
Prüfung
= Sachlich sind die Zuständigkeiten grundsätzlich auf vier Behörden verteilt:
1. Polizei => Landespolizei
2. Ordnungsbehörde
3. Sonderordnungsbehörde => Gefahrenabwehrbehörden
4. Verwaltungsbehörde
Generell ist die Verwaltungsbehörde zuständig.
Sollte dies nicht der Fall sein, prüft man nach folgender Reihnfolge:
„kein Verwaltungshandeln ohne Ermächtigungsgrundlage“, aus der Ermächtigungsgrundlage lässt sich meistens die zuständige Behörde ablesen.
sollte nicht in der Ermächtigungsgrundlage die sachlich zuständige Behörde gennant werden, wird allgemein im Gesetz nachgeschaut
Ist auch dies nicht der Fall, wurde eine Durchführungsverordnung erlassen. (Bei Weisungsaufgaben auf Bundesrecht, z.B. VwGO, StVO, HSOG)
Achten auf Begrifflichkeiten = Wenn im Gesetz nur die Polizeibehörden oder nur die Ordnungsbehörden genannt, sind auch nur diese zuständig.
Polizeibehörden meint hier die Landespolizei, wohin gegen der Begriff Gefahrenabwehrbehörden auch die Ordnungspolizei und Hilfspolizei einschließt.
5.3.1 Prüfungsschema sachliche Zuständigkeit Gefahrenabwehr
Eilfall = Polizei- oder Ordnungsbehörde ist zuständig, wenn die eigentlich zuständige Behörde nicht oder nicht rechtzeitig tätig werden kann.
Sonst Sonderordnungsbehörde zuständig?
Sonst Zuweisung aus der HSOG-DVO an allgemeine Ordnungsbehörde?
Sonst Spezielle Zuweisung an die Polizeibehörde ?(Vollzugshilfe mit Spezialregelungen)
Generell zuständig ist die Verwaltungsbehörde
Zur Wahrung der formellen Rechtmäßigkeiten ihres Handelns muss die zuständige Behörde handeln.
5.3.2 Sachliche Zuständigkeit in der Praxis
(Briefkopf)
In der Regel sind die Verwaltungsbehörde und die allgemeine bzw. Sonderordnungsbehörde weder räumlich noch personell getrennt, so dass Sie im Ordnungsamt häufig Diener zweier Herren sind.
Wegen der Wahrung der formellen Rechtmäßigkeiten müssen in der Praxis:
richtiger Briefkopf:
„Der Bürgermeister / Der Landrat“ = Ordnungsamt = Weisungsaufgaben
„Der Gemeindevorstand / der Kreisausschuss“ = Verwaltungsbehörden = Pflichtaufgaben
richtige Schreibweise:
„Der Bürgermeister / Der Landrat“ = Ich-Perspektive
„Der Gemeindevorstand / der Kreisausschuss“ = Wir-Perspektive
Aufgaben Behörde
6.1 Welche Aufgabenarten gibt es?
Weisungsaufgaben
Pflichaufgaben
Freiwillige Aufgaben
6.2 Was sind Weisungsaufgaben?
Beispiele
Durch wen erhält man diese Aufgaben?
Wer erhält die Aufgabe?
Aufgaben, die eigentlich im Rahmen der vertikalen Aufgabenteilung einer höheren Instanz zugeordnet sind, aber den Kommunen zur Ausführung zugewiesen wurden, zum Beispiel die Ausführung
der Straßenverkehrsordnung
des Hessischen Gesetz über die Sicherheit und Ordnung
der Kommunalaufsicht
von Pass- und Meldeangelegenheiten
Die Zuweisung erfolgt durch Gesetz oder sog. Durchführungsverordnungen (z.B. HSOG-DVO)
Wer? Der Bürgermeister/Der Landrat
6.3 Was sind Pflichtaufgaben?
Welchen Zweck?
Aufgaben, die den Kommunen per Gesetz direkt auferlegt sind
Aufgaben der Daseinsvorsorge und der kommunalen Selbstverwaltung, u.a.
Kommunale Finanzwirtschaft
Brandschutz
Kinderbetreuung
Bauen, Planen, Infrastruktur
=> Finanzierung über allgemeine Finanzerträge: Steuern und Abgaben
Wer? Der Gemeindevorstand/Der Kreisausschuss
6.4 Was sind Freiwillige Aufgaben?
ebenfalls Teil der kommunalen Selbstverwaltung, dienen aber nicht der Daseinsvorsorge
die Kommune muss für die Finanzierung i.d.R. allein sorgen und bei defizitärer Haushaltslage diese möglichst einsparen
Schwimmbäder
Bürgerhäuser
Kulturveranstaltungen
Vereinsförderung
dienen der Steigerung des Gemeinwohls und der Identifikation mit der Gemeinde
Beginn eines Verfahrens
7.1 Beginn
Wann? Arten?
Was ist das Opportunitätsprinzip?
Der Verfahrensbeginn ist geregelt in § 22 HVwVfG
Das Verwaltungsverfahren beginnt:
nach pflichtgemäßem Ermessen
von Amtswegen auf Grund einer Rechtsvorschrift
auf Antrag bzw. ausschließlich auf Antrag, wenn so vorgeschrieben
Opportunitätsprinzip = Entscheiden über die Aufnahme des Verfahrens bei Vorliegen einer Gefahrenlage (im § 22 HVwVfG)
7.2 Pflichtgemäßes Ermessen
Was muss beachtet werden
sog. Entschließungsermessen
Behörde kann selber entscheiden, ob sie ein Verfahren einleitet. (Bekannt durch Zufall oder Anzeige)
(Im Gesetz gekennzeichnet durch "kann" und "soll")
Dabei ist zu beachten, dass „soll“ eigentlich als „muss“ gilt, wenn keine Ausnahmen definiert sind.
Die Behörde entscheidet somit nach pflichtgemäßem Ermessen, ob sie aktiv wird, unter Berücksichtigung der möglichen Folgen einer Untätigkeit und der Wahrscheinlichkeit eines Schadens.
Jedoch muss die Behörde beachten:
Was geschieht bei Untätigkeit?
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts?
Welche Folgen hat mein Handeln und für wen?
Begehe ich Ermessensfehler?
Hierbei, kann die Behörde bereits einen Ermessensfehler begehen. Somit muss immer abgewägt werden, warum die Behörde aktiv werden sollte.
Das Ermessen geht gegen Null, wenn Leib, Leben und Gesundheit von Mensch oder Tier oder Sachgüter in Gefahr sind
7.3 von Amtswegen
Von Amtswegen wird die Behörde tätig, wenn die Rechtsgrundlage ihr kein Ermessen einräumt, d.h. der Tatbestand zieht automatisch eine Rechtsfolge nach sich.
Wird tätig durch Zufall o. Anzeige, ist jedoch verpflichtet ein Verfahren einzuleiten.
Ggf. wird sich im Laufe des Verfahrens herausstellen, dass die Sache Gegenstandslos ist. Das darf aber der Einleitung des Verfahrens keine Rolle spielen.
Ansonsten begeht sie Behörde hier wiederum einen Ermessenfehler (Ermessensfehlgebrauch).
7.4 auf Antrag
Handelt es sich bei dem Antrag um eine öffentlich-rechtliche Sache im Sinne des § 9 HVwVfG, ist das Verfahren zwingend einzuleiten und mit einer Entscheidung gemäß § 35 HVwVfG zu beenden.
Es besteht kein Entschließungsermessen. Es wird vorgegangen wie bei einem Verfahren von Amtswegen.
7.5 Unterschied zwischen Hinweis/Anzeige udn Antrag?
Der Antrag soll Antragsteller begünstigen (i.d.R. Genehmigung). Ein Hinweis / eine Anzeige beschwert i.d.R. einen Dritten. Auf Grund einer Anzeige ist ggf. ein Verfahren einzuleiten, im Gegensatz zum Antragsteller ist der Anzeigende jedoch nicht Beteiligter i.S. § 13 ff HVwVfG im Verfahren.
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