Kann im Rahmen einer Nichtigkeitsklage die Verletzung von EU-
Grundrechten ein Klagegrund sein?
Ja, die Nichtigkeitsgründe nach Art. 263 II AEUV werden so weit ausgelegt, dass sich die Rüge auf das gesamte gegenüber dem angegriffenen Rechtsakt höherrangige EU-Recht erstreckt.
Aus welchen Rechtserkenntnisquellen leitet der EuGH allg. Rechtsgrundsätze zur Grundrechtsgewährleistung auf EU-Ebene ab?
Aus gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der MS, aus völkerrechtlichen Menschenrechtsgewährleistungen (insbes. EMRK) - heute in Art. 6 III EUV anerkannt.
Aus welcher Vorschrift der Verträge lässt sich der Rang der EU-
Grundrechte ablesen?
Aus Art. 6 I und III EUV.
Gesetzesvorbehalt, Bestimmtheitsgrundsatz, Verhältnismäßigkeit, Wesensgehalt, Vertrauensgrund-satz, vgl. insoweit auch Art. 52 I GRCh.
Welche Schrankenanforderungen (Schranken-Schranken) gelten für EU-Grundrechte?
Warum spielen Wesensgehalt und Vertrauensgrundsatz als eigenständige Schrankenanforderungen keine Rolle.
Beide Aspekte werden regelmäßig bereits im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksich-tigt.
Kann eine Richtlinie zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde gemacht werden?
Grundsätzlich können nur Akte deutscher öffentlicher Gewalt durch das BVerfG überprüft werden.
Eine Ausnahme gilt für die sog. Ultra-vires-Kontrolle" durch das BVerfG.
Warum kann die Rechtmäßigkeit eines deutschen Rechtsakts, nicht ohne weiteres an deutschen Grundrechten gemessen werden, wenn und soweit dieser EU-Recht umsetzt?
Durch den Anwendungsvorrang des EU-Rechts ist auch nationales Verfassungsrecht grds. unan-wendbar.
Wie begründet der EuGH den generellen Anwendungsvorrang des EU-Rechts ggü. nationalem Recht?
1. Eigenständigkeit der EU-Rechtsordnung (anders als ein ,,normaler" völkerrechtlicher Vertrag).
2. Verpflichtung der MS aus Art. 4 III EUV.
3. Einheit der Rechtsordnung.
Inwieweit wird der EuGH heute in seiner Auffassung durch Vertragsrecht bestätigt?
Durch die Erklärung Nr. 17 zum Vertrag von Lissabon wird primärrechtlich - ausdrücklich im Einklang mit der Rspr. des EuGH - der Anwendungsvorrang des Unionsrechts bestätigt.
Welche Kontrolle behält sich das BVerfG in Bezug auf unionsrechtliche Vorgaben gleichwohl vor?
Das BVerfG verneint den Vorrang von Unionsrecht, soweit keine deutschen Hoheitsrechte auf die EU übertragen wurden oder übertragen werden durften.
Wie erklärt das BVerfG die Vereinbarkeit dieses Kontrollrechts mit der Erklärung Nr. 17 zum Vertrag von Lissabon?
Auch insoweit gilt, dass der Anwendungsvorrang für die in Deutschland ausgeübte Hoheitsgewalt nur soweit reicht, wie Deutschland dieser Kollisionsregel zugestimmt hat und zustimmen durfte.
Welche inhaltlichen Anforderungen ergeben sich aus dem Ziel der Euro-parechtstreundlichkeit des GG für die Ausübung des Kontrollrechts?
Nur bei hinreichend qualifizierter Kompetenzüberschreitung kann das Bundesverfassungsgericht Unionsrecht für in Deutschland nicht anwendbar erklären.
Können Grundrechte des GG zum Maßstab für Unionsrechtsakte gemacht werden?
Grundsätzlich Nein! Im Extremfall wohl aber schon - Stichwort: Verletzung des unabdingbaren Grundrechtsstandards als „hinreichend qualifizierte Kompetenzüberschreitung" der EU
In welchem Zusammenhang prüft das BVerfG auch die Verletzung von Unionsgrundrechten?
Bei nationalen Rechtsakten im Anwendungsbereich des Unionsrechts, das keinen nationalen Gestaltungsspielraum lässt.
Inwieweit bleiben bei nationalen Rechtsakten im Anwendungsbereich des Unionsrechts nationale Grundreche Prüfungsmaßstab?
Soweit der nationale Gesetzgeber unionrechtlich nicht determiniert ist.
Anschlussfrage: Warum prüft das BVerfG in diesem Zusammenhang regelmäßig keine Unionsgrundrecht?
Das BVerfG hält in seinem Vergessen I-Beschluss vom 6.11.201948 insoweit primär (!) nationale Grundrechte für anwendbar.
Welches Grundrecht kann ein Bürger im Zweifel geltend machen, wenn er einen „Ultra-vires-Akt" der EU im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde rügen möchte.
Art. 38 I 1 GG
Warum sind GR-Eingriffe durch EU-Rechtsakte nach Art. 114 AEUV in der Regel nicht durch die verfolgten Binnenmarktziele gerechtfertigt?
Maßnahme nach Art. 114 AEUV sind regelmäßig durch ihre doppelte Zielverfolgung gekennzeich-net. Art. 114 III AEUV führt dazu, dass die für den Binnenmarkt erforderlich Maßnahme zur Rechtsangleichung gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für andere Allgemeininteressen (Gesund-heit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz) sicherstellen soll. Für den Binnenmarkt „erforderlich" ist aber regelmäßig nur die Rechtsangleichung als solche. Die Maßnahme kann sich freilich im Lichte der weiteren Allgemeininteressen (Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz) als geeignet, erforderlich und angemessen erweisen.
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