Eine 37-jährige Patientin erscheint nach einem Schädel-Hirn-Trauma mit Schädigungen im Bereich des Neokor-tex und tieferliegenden Hirnstrukturen in ihrer Persönlichkeit verändert. Sie reagiert auf Situationen stark ängstlich und weist im Vergleich zu früher ein ausgeprägtes Rückzugsverhalten auf.
4.1 Erklären Sie, wie die aufgetretenen Veränderungen bei der Patientin neuroanatomisch
10 Punkte
erklärbar sind. Beziehen Sie sich in der Beantwortung auf spezifische Areale des Gehirns und deren Funktionsweise.
Schädigungen können sich auf das limbische System bezogen haben (hier Amygdala, Hippocampus, Gyrus cinguli ("Gürtelwindung"), Thalamus, Hypotha-lamus), welches für die Emotionsverarbeitung zuständig ist. (5P)
Schädigungen können sich auf den Frontallappen des Gehirns - hier speziell der präfrontale Bereich - bezogen haben, der insbesondere für die Steuerung des Sozi-alverhaltens und der Kontrolle von Emotionen zuständig ist.
Unterscheiden Sie die beiden Wege der Entstehung von Angstgefühlen nach LeDoux.
LeDoux unterscheidet zwei Wege der Angstentstehung, einen schnellen Weg und einen langsamen Weg. Der schnelle Weg („Low Road") läuft relativ bewusstseinsfern ab, indem über Verschaltungen zwischen Amygdala und Thalamus schnelle Kategorisierungen ablaufen, die eine Festlegung bezüglich gefährlich und ungefährlich beinhalten. Bei der langsamen Route Hiah Road") wird stets der Neokortex (sensorische Kortexbereiche z. B. für visuelle/audi-tive/olfaktorische Informationen) einbezogen, weshalb auch eine gedankliche Beeinflussung möglich ist, womit zwar eine bessere bewusste Kontrolle der Emotionsverarbeitung möglich ist, aber auch eine größere zeitliche Latenz resultiert.
Erläutern Sie die Begriffe: Toleranz, schädlicher Gebrauch und Abhängigkeit.
Toleranz: die Abnahme der ursprünglichen Wirkungen einer Substanz nach wiederholter Ein-Schädlicher Gebrauch: Konsum, der zu Gesundheitsschädigung führt (körperlich oder psy-chisch).
(Psychische) Abhängigkeit: ein starkes Verlangen nach einer Substan (Craving) oder eine Art Zwang, die Substanz zu konsumieren. Einhergehend mit einer verminderten Kontrolle über den Gebrauch, körperlichen Entzugssymptomen, wenn die Substanz reduziert oder abgesetzt wird, Toleranzentwicklung, Einengung auf den Substanzgebrauch und anhaltenden Konsum trotz negativen Folgen die bewusst sind.
Unterscheiden Sie homöostatische Triebe von nichthomöostatischen Trieben und nennen Sie
Beispiele.
1.2)
Homöostatische Triebe sind von der körpereigenen Homöostase abhängig. Sie werden kaum bis gar nicht durch Umweltbedingungen und Lerngeschichte des Individuums beeinflusst. Es bestehen feste Soll-Werte, und bei Abweichungen davon nach oben oder unten leitet der Körper bestimmte Verhaltensweisen ein, bis dieser Soll-Wert wieder erreicht ist (z. B. Schlaf oder die Regulation der Körpertemperatur).
Nichthomöostatische Triebe werden stark von Lemprozessen und Umgebungsbedingungen beeinflusst (z.B. Anreiz und Verfügbarkeit) und weisen eher schwankende Soll-Werte auf (z. B.
Sexualtrieb Emotionen).
Unterscheiden Sie die zwei Wege der Furchtentstehung nach LeDoux.
2.1)
Der „schnelle" Weg: führt direkt vom Thalamus zur Amygdala. Hier geht es um die rasche Kategorisierung des Reizes als gefährlich oder ungefährlich und dient somit zur Vorbereitung einer schnellen, reflektorischen Angstreaktion, auch beim Menschen. Dazu gehören das Erstarren oder andere typische vegetative Reaktionen wie z. B. Blutdruckanstieg. Nach LeDoux ist diese Route relativ anfällig für Fehler.
Der „langsame" Weg: beginnt auch am Thalamus, führt dann über den Neokortex (z.B. akustischer Kortex) zur Amygdala und ist somit dem Bewusstsein zugänglich.
Geben Sie eine Übersicht über die psychophysiologischen Messvariablen der Emotionsfor-schung.
Herz-Kreislauf-Aktivität (Herzschlagfrequenz, Blutdruck, Temperatur),
elektrodermale Aktivität (Hautfeuchte, Hautleitfähigkeit),
elektrische Muskelaktivität (Muskelspannung),
elektrische Hirnaktivität (spontane Aktivität im EEG).
Beschreiben Sie das Diathese-Stress-Modell.
Das Diathese-Stress-Modell wird auch Vulnerabilitäts-Stress-Modell genannt und beschreibt die Wechselwirkung zwischen der Anfälligkeit für Krankheiten (Vulnerabilität) und Stress. Es geht davon aus, dass für die Entstehung von (psychischer) Krankheit beide Faktoren, also eine Disposition für eine bestimmte Krankheit und Stressoren, in einer Wechselwirkung stehen. Dabei ist die Diathese zwar eine notwendige oder beitragende Bedingung, jedoch im Allgemeinen allein nicht ausreichend für die Entstehung einer Störung. Hierzu ist ein aktueller Auslo-ser/Stressor nötig.
Das Diathese-Stress-Modell besagt, dass psychische Störungen durch die Kombination von angeborenen Anfälligkeiten und belastenden Lebenssituationen entstehen. Es betont die Wechselwirkung zwischen genetischen Faktoren und Lebenserfahrungen.
Geben Sie eine Definition des Begriffs protektiver Faktor mit einigen Beispielen.
Als protektiver Faktor werden Einflüsse bezeichnet, die die Reaktion einer Person auf umweltbedingte Stressoren so beeinflussen, dass das Auftreten der negativen Folgen von Stress unwahrscheinlicher wird.
Beispiele:
• stabile emotionale Beziehungen in Familie und unter Gleichaltrigen,
soziale Unterstützung,
Modelle positiver Stressbewältigung.
Beschreiben Sie das Konzept der erlernten Hilflosigkeit in Bezug auf die Depression.
Erlernte Hilflosigkeit bezieht sich auf die Tendenz, dass Menschen, nach wiederholten negativen Erfahrungen oder Misserfolgen, glauben, sie hätten keine Kontrolle über ihre Situation. Dieses Konzept wurde in der Psychologie untersucht, insbesondere im Kontext von Depressionen, und bezeichnet eine erlernte Überzeugung der Ohnmacht, selbst wenn Möglichkeiten zur Kontrolle bestehen.
Das Konzept der erlernten Hilflosigkeit beschreibt einen psychischen Zustand nach wiederholt erfolgloser Stressbewältigung. Dieser Zustand ist Folge der Erwartung, dass zukünftig positive Ereignisse nicht durch eigenes Handeln herbeigeführt werden können, und beruht auf der wiederholten Erfahrung, Ereignisse, die man erlebt, nicht beeinflussen zu können. In zahlreichen Versuchen konnte gezeigt werden, dass Personen, die die Erfahrung machten, einen aversiven Reiz unabhängig von ihrem Verhalten nicht beeinflussen zu können (Erleben von Unkontrol-lierbarkeit), in ihrem Verhalten gehemmt und depressiv wurden. Daher vermutete man lange, dass Depressionen durch den Glauben hervorgerufen werden, wenig oder gar keine persönliche Kontrolle über bedeutsame Lebensereignisse zu haben. Das scheint auch so zu sein, jedoch liegt der Fokus mittlerweile eher auf der Berücksichtigung attributionstheoretischer Aspekte, d.h., welche Ursachen der Unkontrollierbarkeit zugeschrieben werden.
Welche Funktion haben Glukokortikoide und welche Rolle spielen sie bei der Stressreaktion?
Glukokortikoide gehören zu den Steroidhormonen und werden von der Nebennierenrinde ge-bildet. Sie erfüllen wichtige Aufgaben für die Energiebereitstellung (z.B. morgendliche Aktivierung nach dem Aufwachen). Sie vermitteln zwischen der HPA-Achse und dem Immunsystem (wirken immunsuppressiv) und haben auch direkte Wirkungen im Gehirn, wo sie u.a. an der Modulation von Angst und depressiver Verstimmung oder kognitiven Prozessen wie Lernen und Gedächtnis beteiligt sind. Bei Stress spielt das Glukokortikoid Cortisol eine entscheidende Rolle. Der Glukokortikoidspiegel im Blut ist das am häufigsten verwendete Maß, um Stress zumessen.
Last changed2 months ago