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Strafprozessrecht

DF
by David F.

Die Strafkammer führt im Urteil zu Lasten des Angeklagten A folgendes aus: „Die Einlassung des Angeklagten, er sei am Tattag nicht in Nürnberg, sondern in Coburg auf dem Stiftungsfest der Veste gewesen, ist widerlegt. Dem Vorsitzenden der Strafkammer ist aus eigener Sachkunde bekannt, dass es ein solches Stiftungsfest in Coburg nicht gibt.“ Aus dem Protokoll der Hauptverhandlung ergibt sich hierzu nichts.

Stellt dies einen mit der Revision rügbaren Verfahrensfehler dar?

Die zur Grundlage der Verurteilung gemachte Tatsache war nicht gerichtskundig, da privates Wissen eines Gerichtsmitgliedes nicht ausreicht, um die Tatsache »gerichtskundig« zu machen. Nur Wissen, das der Richter im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit zuverlässig erfahren hat, kann als gerichtskundiges Wissen in die Hauptverhandlung ohne weitere Beweisaufnahme eingeführt werden.[1]

 

(2) Die Kenntnis des Vorsitzenden hätte, auch wenn sie gerichtskundig gewesen wäre, ordnungsgemäß in die Verhandlung eingeführt werden müssen, z. B. durch förmliche Erklärung. § 261 StPO als Ausdruck des Unmittelbarkeitsgrundsatzes verlangt, dass nur die (zulässigerweise) zum Inbegriff der Hauptverhandlung gemachten Tatsachen der Verurteilung zugrunde gelegt werden dürfen. Weiter ist durch die Verfahrensweise der Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör verletzt, Art. 103 GG.[2]

 

(3) Umstritten ist, ob sich aus dem Schweigen des Protokolls unwiderleglich ergibt, dass der Vorsitzende die Tatsache nicht in die Verhandlung eingeführt hat. Der BGH hat ausgeführt, dass § 274 StPO eng auszulegen sei, da der Grundsatz der formalen Wahrheit der Verfahrensvereinfachung diene und der materiellen Gerechtigkeit widersprechen könne.[3] Da im Zweifel das Protokoll somit keine Beweiskraft entfaltet, muss A in der Revisionsschrift Beweis anbieten zu dieser Tatsache. Das Revisionsgericht wird die Frage im Freibeweisverfahren klären, z. B. durch Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden oder des Sitzungsstaatsanwaltes.




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David F.

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