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(2) Basiswissen zum Schriftspracherwerb & den Schwierigkeiten der Lernaufgabe

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by Felix B.

Schwierigkeiten auf der ersten Ebene des Lesseprozesses

  • bereits hier Differenzen zw. guten und schwachen Lesern

  • schwache: Lernentwicklung langsamer & Vollzug des basalen Erlesens langsamern, brauchen mehr Zeit, um GPK zu leisten oder Silben zu einem Wort zusammenzufügen und sinnerfassend zu lesen; legen Aufmerksamkeit auf einzelne Buchstaben anstatt auf Wort als Ganzes

  • nicht alle Kinder, die zu Beginn Probleme mit dem Lesen haben, werden auch längerfristig zu schwachen Lesern!

Richtwert: Die Drei-Monats-Marke (vgl. Klicpera/Gasteiger-Klicpera, 1995)

Leseanfänger, die innerhalb der ersten 2-3 Monate Leseunterricht, die Lesesynthese verstehen, nehmen i.d.R. eine problemlose weitere Lernentwicklung.

Leseanfänger, die auch am Ende des Schuljahres unbekannte Wörter noch nicht ohne fremde Hilfestellung erlesen können, sind in ihrer weiteren Leseentwicklung gefährdet. Bei diesen SuS werden in den ersten Monaten schon Behaltensprobleme deutlich, d.h. sie können sich die ersten 6-8 Buchstaben nicht merken und speichern auch die im Unterricht häufig gelesenen Wörter nicht fehlerfrei ab.

  • lautes Lesen (Vorlesen) für Leseanfäger wichtig -> Artikulation abhören und zu Sinnhypothesen über das erlesene Wort kommen

  • leises Lesen erst dann möglich wenn Leser ein inneres Sprechen (Lippenbewegungen) vollziehen kann

    => Lesen gelingt nicht auf Anhieb richtig, sondern braucht ein artikulatorisches und gedankliches Probierverhalten

  • schwache: produzieren Wortvorformen, die häufig weniger Ähnlichkeit mit dem Zielwort haben + ihr Korrekturverhalten zeigt insbesondere Probleme der Vernetzung von Rekodier- und Dekodierstrategien (Verbindung von wortanalytischen Prozessen zu semantisch-syntaktischen Informationen ist erschwert); Sinnentnahme wird dadurch verhindert, dass die Aufmerksamkeit fehlt

  • Lesen verlangt nicht nur Aufmerksamkeit sondern ein verbales KZG, um die visuellen und phonologischen Infos während des Erlesens zwischenspeichern zu können

  • gute Leser gehen produktiv mit ihren Lesefehlern um (Modifikation der Wortvorform führt zu einer schrittweisen Annäherung an das Zielwort)

  • schwache Leser entfernen sich mit ihrem Korrekturverhalten weiter von ihrem Ziel bzw. machen weite Umwege

May (1986): Lesesituation entwickelt sich für schwache Leseanfäger zu Problemsituation (negative Emotionen wie Ärger, Angst, Depressionen) => 3 Reaktionsmuster:

  1. Resignation (Stille, Abwarten)

  2. Ausweichmanöver (Raten)

  3. Kompensationsstrategien (Schmarn machen, Erzählen von anderen Dingen)


Schwierigkeiten auf der zweiten Ebene des Leseprozesses

  • Zugriff auf inneres Lexikon entscheidend

  • Aufbau eines Sichtwortschatzes für schwache SuS langsam; diese lassen sich auch durch leichte Veränderungen der Wortegestalt irritieren

  • gute Leser: achten während des Aufbaus ihres inneren Lexikons auf orthographische Regularitäten

  • schwache konzentrieren sich eher auf irrelevante Oberflächeninformationen

=> Anstatt einem visuellen Wahrnehmungsdefizit liegt kognitives Strategiedefizit vor (Redundanzen unserer Sprache wie Morpheme, Silben werden nicht als Organisationsprinzip der Codierung aufgegriffen)

-> fehlende Sensitivität von Wortbildungsregeln

  • Lesestrategie schwacher Leser ist meist an der Ausnützung eines direkten Zugriffs auf das “innere Lexikon” orientiert

  • Leseleistung zw. schwachen und starken unterscheidet sich weniger wenn es sich um häufige Wörter handelt

    -> Schwache Leser sind mehr angewiesen auf Vertrautheit mit den zu lesenden Wörtern als gute Leser

  • solange SuS nur einzelne Buchstaben unverbunden nebeneinander sieht und nicht mental verbinden kann, können die Wörter nicht im inneren Lexikon gespeichert werden

  • keinen Sinn weitere Buchstaben anzubieten, solange SuS nicht sinnerfassend liest

  • erst wenn kognitive Klammer (Wortbedeutung), parallel abspeicherbar ist, kann das erlesene Wort zum Aufbau des inneren Lexikons beitragen (in Fibeln: Schlüsselwortverfahren)

    -> an Schlüsselwörtern wird zuerst das Leseprinzip erlernt, bevor weitere Buchstaben eingeführt werden


Entwicklungsstufen des Schriftspracherwerbs: Basismodell (Frith, 1985)



  • 3 Stufen: Lernprozess der Kinder in qualitativ unterschiedlichen Zugriffsweisen

  • jede Phase wird sowohl beim Lesen als auch beim Schreiben durchlaufen, wobei der Eintritt in die nächste Stufe im Verlauf wechselt

  • Lesen und Rechtschreiblernen sind sich gegenseitig unterstützende Prozesse


Logografische Stufe

  • Buchstaben haben nur Signalcharakter (cues) für die Worterkennung

  • werden nicht in ihrem Lautcharakter entschlüsselt

  • K erkennen Wörter wieder, die in ihrem Umfeld häufig vorkommen und emotional bedeutsam sind (K erkennt zB M für McDonalds)

  • Naiv-ganzheitliche Worterfassung anhand einiger optisch herausstechender Gestaltungsmerkmale (Coca-Cola)

  • Visuelle Gedächtnisstützen (Wasser erinnert an Wellen, aber auch in Tasse -> fehlerträchtig) -> look-and-say-strategy

  • nicht buchstabenorientierte Relation zw. dem ganzheitlichen Schriftzeichen und seiner Bedeutung

  • Buchstaben abgemalt, keine Buchstabenkenntnis

=> Schriftkultur beginnt nicht erst in der Schule, sondern schon davor


Alphabetische Stufe

  • eignen sich GPK und GPK der Wortschreibung an

  • können weitestgehend lautgetreue Wörter “erlesen” und lautorientiert schreiben

  • nicht mehr nur Wahrnehmung als Logo sondern die bis dahin wahrgenommenen Schriftbilder werden als Aneinanderreihung einzelner Buchstaben wahrgenommen, denen jeweils verschiedene lautliche Repräsentationen entsprechen

  • eigene Artikulation abhörbar (Welche Laute höre ich?)

  • besonders auffällige werden verschriftlicht:


MZ für Maus (Skelettschreibweise)

FT für Pferd (Skelettschreibweise)

FATA für Vater (phonologisch vollständig)

  • Lesen noch mühsam, Kinder lesen Buchstabe für Buchstabe -> auflautierend

  • Rekodieren von links nach rechts, Pobleme, das ganze Wort zu sagen

  • neue Wörter erlesbar, aber langsam und einzellautgetreu -> Wortsinn schwer erkennbar


Orthographische Stufe

  • Kinder entwickeln größere Verarbeitungseinheiten der Worterfassung und lösen sich von sequentiellem Vorgehen

  • können direkt auf ein inneres Lexikon der Worterfassung zugreifen und schreiben orthographisch korrekt

  • keine Orientierung mehr an einzelnen Buchstaben sondern an immer wiederkehrenden Buchstabenkombinationen

  • auf einen Blick erfasst und mit entsprechenden Lautkombinationen wiedergegeben

  • simultane Erfassung größerer Struktureinheiten

  • Ausbau, Automatisierung und Integration der Strategien und Verarbeitungsmechanismen der ersten zwei Stufen

  • Wörter auf einen Blick erkannt und semantisch entschlüsselt -> Lexikalische Lesestrategie

  • Sinnentnahme einfacher, da Vergrößerung des inneren Lexikons

  • Schwelle für normgerechte Rechtschreibung, Überwindung des “Schreiben wie du sprichst” durch Erarbeitung grundlegend orthographischer Regelmäßigkeiten



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Felix B.

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