Buffl

Urteilsklausur

SP
by Sebastian P.

Parteibezogene Sachurteilsvoraussetzung: Prozessstandschaft


Welchen Fall regelt § 265 ZPO? Wie grenzt man § 265 ZPO von der gewillkürten Prozessstandschaft ab?

§ 265 ZPO betrifft nur Fälle der Abtretung des geltend gemachten Anspruchs oder der Veräußerung der streitbefangenen Sache nach Rechtshängigkeit. Regelmäßig wird der in gesetzlicher Prozessstandschaft auftretende Kläger die Leistung an den materiellen Rechtsinhaber umstellen; sofern ihm der materielle Rechtsinhaber eine Einziehungsermächtigung erteilt hat, kann er auch Zahlung an sich selbst verlangen. Die Pfändung und Überweisung der eingeklagten Forderung führt ebenfalls zur gesetzlichen Prozessstandschaft gem. § 265 Abs. 1 ZPO (letztlich wie eine Abtretung). Der Kläger muss dann den Antrag auf Zahlung an den vollstreckenden Gläubiger umstellen.

Klausurtaktik: Das Auftreten in gesetzlicher Prozessstandschaft wird stets zulässig sein.


Die Abgrenzung von § 265 ZPO erfolgt zuvörderst nach dem Zeitpunkt der Abtretung bzw. der Veräußerung der Sache. Liegt dieser Zeitpunkt nach Rechtshängigkeit, handelt es sich um eine gesetzliche Prozessstandschaft, vor Rechtshängigkeit um eine gewillkürte Prozessstandschaft. Nach Rechtshängigkeit liegt nur dann eine gewillkürte Prozessstandschaft vor, wenn der Einwand des Beklagten nach § 265 Abs. 3 ZPO greift, der Rechtsnachfolger also im Zeitpunkt der Abtretung gutgläubig war. Dann darf der bisherige Kläger mit Ermächtigung des Rechtsnachfolgers den Rechtsstreit als gewillkürter Prozessstandschafter fortführen.

Parteibezogene Sachurteilsvoraussetzung: Prozessstandschaft


Fall I: K veräußert die Sache, deren Herausgabe er vom Beklagten verlangt, nach Rechtshängigkeit an einen Dritten. Er stellt den Antrag auf Herausgabe an den Dritten um. Der Beklagte macht von seinem Rügerecht nach § 265 Abs. 3 ZPO keinen Gebrauch.

Nach § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO berührt die Veräußerung der streitbefangenen Sache am […], mithin nach der durch Zustellung am […] eingetretenen Rechtshängigkeit der Klage, die Prozessführungsbefugnis des Klägers nicht. Der Kläger tritt in sog. gesetzlicher Prozessstandschaft auf.

Die Umstellung des Antrags aus Herausgabe an den Dritten stellt eine qualitative Modifizierung dar, die nach § 264 Nr. 2 ZPO eine stets zulässige Form der Klageänderung ist.

Auf die Klärung der Frage, ob das Urteil nach § 325 ZPO auch gegenüber dem Dritten wirksam ist, kommt es vorliegend nicht an, da der Beklagte von seinem Rügerecht nach § 265 Abs. 3 ZPO keinen Gebrauch gemacht hat und der Vortrag des Klägers zu einer Prüfung seiner Prozessführungsbefugnis von Amts wegen keinen Anlass gibt.

Hinweis: Ansonsten müsste über § 325 Abs. 2 BGB die Gutgläubigkeit des Dritten geprüft werden (§ 932 Abs. 2 BGB); Gutgläubigkeit bezieht sich hier auch auf die fehlende Rechtshängigkeit. Falls diese vorläge, läge keine subjektive Rechtskraftwirkung vor und die Voraussetzungen von § 265 Abs. 3 ZPO wären erfüllt. Sofern Gutgläubigkeit vorliegt, kann Kläger nicht in gesetzlicher Prozessstandschaft klagen, sehr wohl aber mit Ermächtigung des Dritten in gewillkürter Prozessstandschaft.

Sachbezogene Sachurteilsvoraussetzung: Entgegenstehende Rechtskraft


Fall I: „Gegenforderung bestehe nicht“

Gegen eine Klageforderung von 5.000 € hat der Beklagte mit einer Forderung von 10.000 € hilfsweise aufgerechnet. Das Gericht hat die Klage voll zugesprochen und ausgeführt, dass die Gegenforderung insgesamt nicht bestehe. In einem nachfolgenden Prozess macht der Beklagte den 5.000 € übersteigenden Rest seiner Forderung geltend.

Die Tatsache, dass die in diesem Prozess geltend gemachte Darlehensforderung in dem früheren Verfahren […] als nicht besteht zurückgewiesen worden ist, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Gem. § 322 Abs. 2 ZPO ist bei einer Aufrechnung in einem früheren Rechtsstreit über die Gegenforderung nur bis zur Höhe des Betrages rechtskräftig entschieden worden, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist. Dies war seinerzeit die Klageforderung von 5.000 €. Die Tatsache, dass in jenem Urteil die gesamte Darlehensforderung als nicht bestehend angesehen worden ist, führt nur in Höhe des Betrages von 5.000 € zu einer rechtskraftfähigen Entscheidung.

[Begründetheit:] Es ist nunmehr Sache des erkennenden Gerichts, über das Bestehen der restlichen Forderung zu entscheiden. Die oben dargestellten Grenzen der Rechtskraft führen dazu, dass das erkennende Gericht an die Rechtsauffassung des Gerichts, das zuvor über die Aufrechnung entschieden hat, hinsichtlich des nicht erloschenen Teils der Gegenforderung nicht gebunden ist.

Sachbezogene Sachurteilsvoraussetzung: Entgegenstehende Rechtskraft


Fall II: Die „präkludierte Gegenforderung“

Der damalige Beklagte hat in einem früheren Prozess mit einer Forderung gegen den damaligen Kläger die Aufrechnung erklärt. Das Gericht hat den Aufrechnungseinwand wegen Verspätung nicht berücksichtigt. In einem nachfolgenden Prozess macht der damalige Beklagte als Kläger dieselbe Forderung geltend.

„Der Kläger ist durch die Erklärung der Aufrechnung in dem früheren Verfahren nicht daran gehindert, die Forderung erneut einzuklagen. Dies folgt aus § 322 Abs. 2 ZPO, wonach […]. Eine rechtskraftfähige Entscheidung über die Gegenforderung ist nicht erfolgt, weil der Aufrechnungseinwand als verspätet bei der damaligen Entscheidung nicht berücksichtigt worden ist.

[Begründetheit:] Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Anspruch des Klägers nicht gem. §§ 389 ff. BGB durch die erklärte Aufrechnung in dem Rechtsstreit […] erloschen. Die Erklärung der Aufrechnung in einem Rechtsstreit besteht aus einem prozessualen und einem materiellen Teil. Da sich die Aufrechnung in jenem Verfahren aus prozessualen Gründen nicht ausgewirkt hat, führt die teilweise Unwirksamkeit der prozessualen Geltendmachung aus zur Unwirksamkeit der materiellrechtlichen Folgen der Aufrechnungserklärung. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 139 BGB. Nach dieser Vorschrift ist ein Rechtsgeschäft insgesamt nichtig, wenn […]. Das ist hier der Fall, weil […].“

Rechtsschutzbedürfnis und Feststellungsinteresse


Fall: Der Kläger verlangt vom Beklagten nach erfolgtem Rücktritt von einem Kaufvertrag über eine Schrankwand, die der Beklagte vertragsgemäß beim Kläger aufgestellt hat,

1. Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückübereignung der Schrankwand,

2. Feststellung des Annahmeverzuges bezüglich der Rücknahme der Schrankwand,

3. Verurteilung zur Abholung der Schrankwand.

Dem Kläger steht auch das gem. § 256 Abs. 1 ZPO für FK erforderliche Feststellungsinteresse hinsichtlich des Antrags zu 2) zu. Dieses folgt aus § 756 Abs. 1, § 765 ZPO. Danach kann bei Zug-um-Zug-Verurteilung der Gläubiger nur ohne tatsächliches Angebot der dem Schuldner gebührenden Leistung vollstrecken, wenn dessen Annahmeverzug durch eine ihm zugestellte öffentliche Urkunde, hier also das Urteil, nachgewiesen ist.

Auch der Antrag zu 3 ist zulässig. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis liegt vor, da dieses nur fehlt, wenn der Rechtsstreit sinnlos ist oder der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Das ist hier nicht der Fall, weil der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Entfernung der Schrankwand aus seiner Wohnung hat und er diesen Anspruch ohne Verurteilung des Beklagten im Wege der Zwangsvollstreckung nicht durchsetzen kann. Der Antrag ist auch nicht von dem Antrag zu 1) mitumfasst. Die Verurteilung des Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückübereignung der Schrankwand gibt dem Kläger keinen Anspruch auf die beantragte Rücknahme durch Abbau und Abtransport seitens des Beklagten.

[Darstellung § 260 ZPO]

Klageänderung: Klageumstellung (§ 264 Nr. 3 ZPO)


Zulässige Klageänderung nach § 264 Nr. 3 ZPO bei nachträglicher Kenntnis?


Fall: Kläger will Herausgabe. Er erfährt erst während Rechtsstreit, dass die Sache bereits vor Rechtshängigkeit von einem Dritten gutgläubig erworben worden ist. Er verlangt daraufhin Schadensersatz. Der Beklagte widerspricht der Änderung.

Dem Kläger steht es gem. § 264 Nr. 3 ZPO frei, die ursprünglich auf Herausgabe seines PKW gerichtete Klage auf Zahlung von Schadensersatz umzustellen, nachdem er erfahren hat, dass dem Erfolg der Herausgabeklage der gutgläubige Eigentumserwerb eines Dritten entgegensteht. Dem steht es auch nicht entgegen, dass es sich nach dem Wortlaut dieser Vorschrift um eine „später eingetretene Veränderung“ handeln muss, da der Eigentumsverlust des Klägers durch den gutgläubigen Erwerber bereits vor Rechtshängigkeit eingetreten ist. Nach stRspr. Ist § 264 Nr. 3 ZPO auch auf Fälle anwendbar, in denen die veränderten Umstände dem Kläger erst nach Rechtshängigkeit bekannt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – den Kläger kein Verschulden an der mangelnden Kenntnis trifft.

Die Umstellung der Klage hing auch nicht von der Zustimmung des Beklagten ab. Dies ist in Fällen des § 264 Nr. 3 ZPO nur dann der Fall, wenn die Änderung gleichzeitig eine Beschränkung i. S. v. § 264 Nr. 2 ZPO darstellt, die als teilweise Klagerücknahme zu werten ist. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall, weil der begehrte Schadensersatz an die Stelle der Herausgabe tritt und gleichwertig ist.

Klageänderung: Klageumstellung (§ 264 Nr. 3 ZPO)


§ 264 Nr. 3 ZPO, Beschränkung und Erledigung


Fall: Der Kläger begehrt die Übereignung eines 10.000 € teuren Pkw, der bislang noch nicht bezahlt ist. Laut Vertrag ist der Beklagte vorleistungspflichtig. Nach Zustellung der Klage wird der Pkw gestohlen. Der Kläger verlangt nunmehr 1.000 € Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns, da er den Wagen bereits für 11.000 € weiterverkauft hat. Im Übrigen erklärt er die Hauptsache für erledigt. Der Beklagte widerspricht der Erledigung und der Umstellung der Klage.

Dem Kläger steht es gem. § 264 Nr. 3 ZPO frei, die ursprünglich auf Übereignung gerichtete Klage auf Zahlung von Schadensersatz umzustellen.

Die Anpassung der Klage an die geänderte Sachlage stellt sich als zulässige Beschränkung des Klageantrages i. S. v. § 264 Nr. 2 ZPO dar. Die Zustimmung ist entbehrlich, wenn der Kläger – wie hier – hinsichtlich des ursprünglich geforderten Mehrbetrages den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt.

Die durch die Teilerledigungserklärung entstandene nachträgliche, objektive Klagehäufung ist gem. § 261 Abs. 2, § 260 ZPO zulässig. Aus § 261 Abs. 2 ZPO folgt die grundsätzliche Zulässigkeit der nachträglichen Klagehäufung. Die darin liegende Klageänderung ist gem. § 263 Alt. 2 ZPO sachdienlich, denn das bisherige Prozessergebnis ist verwertbar und durch die Entscheidung auf der geänderten Grundlage wird ein weiterer Rechtsstreit vermieden.

Es steht dem Kläger auch frei, mehrere Klageanträge in einer Klage zu verbinden. Dies ist gem. § 260 ZPO immer dann möglich, wenn […].

[Feststellungsinteresse § 256 ZPO für Erledigungserklärung]

[Reduzierung des Streitwerts unter 5.000 € führt wegen § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zu keiner Veränderung der Zuständigkeit]“

Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO


Fall: K verlangt vom Beklagten Zahlung von 10.000 €. Nach Einreichung aber vor Zustellung der Klage zahlt der Beklagte 5.000 €. Der Kläger nimmt daraufhin die Klage in Höhe des gezahlten Betrages zurück, verlangt die restlichen 5.000 € und beantragt, dem Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die Klage ist und war voll begründet.

„[Begründung verbleibender Anspruch über 5.000 €]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1, § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.

Soweit der Kläger die Klage teilweise zurückgenommen hat, waren dem Beklagten auch die auf diesen Teil der Klage entfallenen Kosten aufzuerlegen. Dies folgt aus § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich die Kostentragungspflicht bei Wegfall des Klageanlasses vor Rechtshängigkeit und anschließender Klagerücknahme hinsichtlich des auf den zurückgenommenen Teils der Klage entfallenden Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Danach hat der Beklagte auch den auf die teilweise Klagerücknahme entfallenden Teil der Kosten zu tragen. Durch die Zahlung von 5.000 € am […], also vor Zustellung der Klage am […], ist der Anlass zur Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen. Die Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes ergibt, dass […]“


Hinweis: Anstelle der Klagerücknahme kann der Kläger in diesem Fall auch die Klage umstellen und neben dem restlichen Zahlungsantrag einen Antrag auf Feststellung der Kostentragungspflicht des Beklagten aus Verzug stellen. Es liegt dann eine nachträgliche, objektive Klagehäufung gem. § 261 Abs. 2, § 160 ZPO, verbunden mit einer zulässigen Klageänderung nach § 263 Alt. 2 ZPO vor. Das RSB liegt trotz § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO vor, wie Wortlaut dort Wahlrecht einräumt. Feststellungsinteresse folgt aus Kosteninteresse.

Erledigung: Einseitige Teilerledigungserklärung


Fall: K klagt 10.000 € ein. Der Beklagte zahlt nach Rechtshängigkeit 3.000 €. Der Kläger erklärt die Hauptsache i. H. v. 3.000 € für erledigt und beantragt, den Beklagten zur Zahlung weiterer 7.000 € zu verurteilen. Der Beklagte widerspricht der Erledigungserklärung und beantragt Klageabweisung.

I. Zulässigkeit der Klage

[…]

2. Zulässigkeit der Antragsumstellung nach § 264 Nr. 2 ZPO

„Es steht dem Kläger frei, seine ursprünglich auf Zahlung von 10.000 € gerichtete Klage teilweise in der Hauptsache für erledigt zu erklären, nachdem der Beklagte [erledigendes Ereignis]. Durch die teilweise Erledigungserklärung hat der Kläger einen Teil seiner ursprünglichen Leistungsklage in eine Feststellungsklage geändert. Die Umstellung des Antrags, mit der der Kläger bei verständiger Auslegung analog §§ 133, 157 BGB die Feststellung begehrt, dass der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt ist, stellt sich als zulässige Beschränkung des früheren Antrags nach § 264 Nr. 2 ZPO dar, die der Zustimmung des Beklagten nach § 269 ZPO nicht bedarf.

3. Zulässigkeit der nachträglichen, kumulativen Klagehäufung

„Die in der Antragsänderung liegende nachträgliche, objektive, kumulative Klagehäufung gem. § 260 ZPO ist ebenfalls ohne Zustimmung des Beklagten zulässig. Aus § 261 Abs. 2 ZPO folgt die grundsätzliche Zulässigkeit der nachträglichen Klagehäufung. Die darin liegende Klageänderung ist nach § 263 Alt. 2 ZPO sachdienlich, denn das bisherige Prozessergebnis ist verwertbar, und durch die Entscheidung auf der geänderten Grundlage wird ein weiterer Rechtsstreit vermieden.“ [Anm.: Nochmalige Klageänderung erscheint dogmatisch durchaus schlüssig, wird aber in keiner Weise irgendwo erwähnt; vielleicht besser weglassen]

4. Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO)

→ abschließende Entscheidung über die gesamten Kosten

 

Begründung Kosten und Vollstreckung

→ Hier keine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO (kein Teil einer übereinstimmenden Erledigungserklärung), daher kann insgesamt nach den herkömmlichen Regeln die Kosten verteilt werden

Klagehäufung: Unechte Eventualklagehäufung


Der Drei-Stufen-Antrag: Leistung – Fristsetzung durch Gericht – Verurteilung bezüglich Sekundäranspruch bei Fristablauf


Allgemeines


Fall: K verlangt Herausgabe einer Möhre (Klageantrag zu 1) und Schadensersatz nebst Zinsen (Klageantrag zu 2), wenn der Beklagte nicht innerhalb einer vom Gericht zu setzenden Frist (Klageantrag zu 3) die Sache Herausgibt.

Bedingung Klageantrag zu 2: Erfolg Klageantrag zu 1 (Herausgabe) (unechter Hilfsantrag)

Bedingung Klageantrag zu 2: Nichtleistung durch Beklagte innerhalb Frist: Zulässige Potestativbedingung (abhängig vom Verhalten des Gegners)

Grundlage: Der Kläger kann die o. g. Verbindung unter den Voraussetzungen der §§ 255, 259 ZPO stellen. Es handelt sich um einen unechten Hilfsantrag, der nur bei Erfolg des Hauptantrages zugesprochen wird. Die Besonderheit liegt darin, dass die Ansprüche im Erfolgsfall kumulativ zuerkannt, aber nur alternativ vollstreckt werden („Ersatzverurteilung“).


Hinweis: BGH hat klargestellt, dass ein Kläger, der in seiner Klage mit Antrag auf Ersatzverurteilung nicht deutlich macht, dass er sein Wahlrecht auf Vollstreckung der HGA oder des Schadensersatzes erst künftig ausüben will, mit der alternativen Antragsstellung sein Wahlrecht gem. § 281 Abs. 4 BGB ausgeübt hat (so bei Alpmann, Fall 8, Materielles Recht). Dort verbunden mit der Frage, ob der Kläger noch einen Anspruch auf Herausgabe hat, wenn Beklagter dem Herausgabeverlangen bis zur Frist nicht nachkommt und nach Fristablauf das Geld aus dem Schadensersatzanspruch überweise. Hier ist die Bedingung eingetreten, so dass das Wahlrecht aus § 281 Abs. 4 BGB ausgeübt wurde und der Antrag auf Herausgabe erloschen ist.

Klagehäufung: Unechte Eventualklagehäufung


Der Drei-Stufen-Antrag: Leistung – Fristsetzung durch Gericht – Verurteilung bezüglich Sekundäranspruch bei Fristablauf


Formulierung


Fall: K verlangt Herausgabe einer Möhre (Klageantrag zu 1) und Schadensersatz nebst Zinsen (Klageantrag zu 2), wenn der Beklagte nicht innerhalb einer vom Gericht zu setzenden Frist (Klageantrag zu 3) die Sache Herausgibt.

„Der Zulässigkeit des Klageantrag zu 2) steht es nicht entgegen, dass er unter der Bedingung des Erfolgs des Hauptantrages steht. Es handelt sich um einen zulässigen unechten Hilfsantrag, weil [s. o.].

„Nach § 255 Abs. 1 ZPO ist der Kläger befugt, im Urteil eine Frist bestimmen zu lassen, weil er nach seinem schlüssigen Vortrag nach fruchtlosem Fristablauf gem. § [….] i. V. m. §§ 281 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 BGB Schadensersatz verlangen kann.

Der Zulässigkeit steht es nicht entgegen, dass es sich um einen unechten Hilfsantrag handelt. Es handelt sich um einen Antrag, der in der Vollstreckung unter der Bedingung steht, dass der HGA innerhalb der gesetzten Frist nicht erfüllt ist. Dies stellt eine Potestativbedingung dar, die nicht im Widerspruch zu § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO steht, weil sein keine Rechtsunsicherheit bewirkt, weil sie nicht den Antrag selbst, sondern nur die Vollstreckung betrifft.

Der Zulässigkeit steht es auch nicht entgegen, dass es sich um eine künftige Leistung handelt. Dies ist gem. § 259 ZPO zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werden. Dies der Fall, weil der Beklagte durch sein bisheriges Verhalten die Vermutung begründet hat, er werde sich bei Fälligkeit des Schadensersatzanspruches auch dessen Erfüllung entziehen.

Klagehäufung § 260 ZPO (+)


Hinweis zur Frist: Angemessen = ein Monat, Beginn mit Rechtskraft des Urteils. Soweit Kläger Frist selbst bestimmt und zu kurz, wird sie vom Gericht unter Abweisung der Klage im Übrigen angemessen verlängert.


Hinweis: Rechtsschutzbedürfnis (+), auch wenn bereits außerprozessual eine Frist zur Primärleistung gesetzt wurde, weil durch erneute gerichtliche Fristsetzung Druck auf Beklagten ausgeübt werden kann (Interesse an Primärleistung)

Aufrechnung


Wie ist die Aufrechnung im Kostentenor zu berücksichtigen?


Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 20.000 €.


Beispiel: Hauptforderung 10.000 €, begründet aber nur 5.000 €; Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 7.500 €.


Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit drei Forderungen von je 10.000 €. Forderung 1 (­­–), Forderung 2 (–), Forderung 3 (+)


Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 15.000 €, die aber nicht besteht


Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 15.000 €, die aber nur in Höhe von 5.000 € begründet ist

Streitwert erhöht sich um den Teil der Gegenforderung, über den rechtskraftfähig entschieden wird (§ 45 Abs. 3 GKG). Sofern Klage bereits scheitert, greift § 45 GKG nicht. Es bleibt dann beim Streitwert der Klage. § 45 Abs. 3 GKG findet also nur Anwendung, wenn das Gericht entscheidet, dass die streitige Gegenforderung des Beklagten nicht besteht, die Aufrechnung daran scheitert, dass die der Gegenforderung zugrunde liegenden Tatsachen verspätet sind oder die Gegenforderung bestand und die Klageforderung zum Erlöschen gebracht hat.

Rechtskraftfähig entschieden ist immer nur über den Teil, den das Gericht als nicht bestehend oder als durch Aufrechnung erloschen ansieht. Das bedeutet, dass die Forderung des Beklagten maximal in Höhe der Klageforderung erloschen sein kann.


Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 20.000 €.

→ Streitwert: 20.000 € (nicht 30.000 €, weil Gericht über Gegenforderung nur in Höhe von 10.000 € entscheidet)


Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 7.500 €.

→ Streitwert: 17.500 €


Beispiel: Hauptforderung 10.000 €, begründet aber nur 5.000 €; Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 7.500 €.

→ Streitwert: 15.000 € (10.000 € Hauptforderung + 5.000 € Gegenforderung; nicht aber Gegenforderung in Höhe von 7.500 €, weil wenn über die Aufrechnung nur insoweit entschieden wird, wie überhaupt eine Klageforderung besteht)


Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit drei Forderungen von je 10.000 €. Forderung 1 (­­–), Forderung 2 (–), Forderung 3 (+)

→ Streitwert 40.000 €, weil auch über Forderungen, die nicht bestehen, rechtskraftfähig entschieden wurde

→ Kläger verliert in diesem Fall zu ¼, Beklagter zu ¾


Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 15.000 €, die aber nicht besteht

→ Streitwert 20.000 €, „Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.“


Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 15.000 €, die aber nur in Höhe von 5.000 € begründet ist

→ Streitwert 20.000 € (Gericht hat über Gegenforderung zwei mal in Höhe von 5.000 € entschieden, nämlich i. H. v. 5.000 € (Nichtbestehen der Gegenforderung) und nochmal i. H. v. 5.000 € (Bestehen der Gegenforderung)

→ Beklagter hat in Höhe von 15.000 € verloren (3/4), Kläger in Höhe von 5.000 € (1/4)

Widerklage: Drittwiderklage


Wann ist eine Drittwiderklage zulässig? Wobei handelt es sich dabei rechtlich betrachtet?


Beispiel: K verklagt B auf Schadensersatz aus Verkehrsunfall vor dem Gericht, in dessen Bezirk der Unfall stattgefunden hat. B erhebt Widerklage auf Ersatz Schaden gegen K und dessen Haftpflichtversicherung D, die ihren Wohnsitz in einem anderen Bezirk haben.

Zulässigkeit

→ (+), wenn Widerklage vom Beklagten erhoben und sich zumindest auch gegen den Kläger richtet

→ Einbeziehung des Dritten ist dann eine nachträglich begründete Streitgenossenschaft und eine gewillkürte Parteierweiterung, also eine Klageänderung

→ Voraussetzungen einer nachträglichen Parteierweiterung müssen vorliegen → §§ 263 ff. ZPO analog


Aufbau in den Entscheidungsgründen

I. Klage

II. Widerklage gegen K

III. Streitgenössische Widerklage gegen D (Einwilligung des D oder sachdienlich)

Es handelt sich streng genommen nicht um eine Widerklage: § 33 ZPO ist nicht anwendbar, örtliche Zuständigkeit nach §§ 12 ff. ZPO oder infolge rügeloser Einlassung (§ 39 ZPO)

 

Hinweis: Wegen subjektiver Klagehäufung muss auch kurz § 260 ZPO analog angesprochen werden.


Musterformulierung:

Der Beklagte kann auch die Haftpflichtversicherung des Klägers als weitere Widerbeklagte in den Prozess einbeziehen. Der für Widerklagen geltende Grundsatz der Parteiidentität gilt bei streitgenössischen Drittwiderklagen nur mit der Einschränkung, dass sich die Widerklage auch gegen den Kläger richten muss. Denn es handelt sich um eine nachträglich begründete Streitgenossenschaft und eine gewillkürte Parteierweiterung, so dass nur die Voraussetzungen der §§ 59, 60 ZPO und die Voraussetzungen einer Klageänderung vorliegen müssen. Dies ist hier auch ohne Einwilligung des streitgenössischen Widerbeklagten der Fall, weil die Einbeziehung des Drittwiderbeklagten in den Rechtsstreit sachdienlich i. S. v. § 263 Alt. 2 ZPO, da der bisherige Prozessstoff verwertbar ist. Denn […].

Die Zulässigkeit der durch die Einbeziehung entstandenen nachträglichen, subjektiven Klagehäufung folgt aus § 260 ZPO.

Widerklage: Isolierte Drittwiderklage

Fall: Der Hund des B hat den K gebissen. Der Vater des K hat den Hund mit einem Stock vertrieben und ihn dabei verletzt. Der Beklagte – vom Kläger auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt – verlangt widerklagend Ersatz der Tierarztkosten vom Vater das Klägers, der in einem anderen Gerichtsstand wohnt.

„Die örtliche Zuständigkeit  des Gerichts folgt aus § 33 ZPO, der analog auf Drittwiderbeklagte Anwendung findet.

Der Zulässigkeit steht auch nicht das grundsätzlich Verbot entgegen, im Wege der Widerklage ausschließlich einen bislang nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten zu verklagen. Zwar grundsätzlich Parteiidentität (–). Unter Berücksichtigung des prozessökonomischen Zwecks der Widerklage, eine Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen über einen einheitlichen Lebenssachverhalt und die damit einhergehende Gefahr widersprechender Entscheidungen über zusammengehörende Ansprüche zu ermöglich, hat der BGH jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen. Die Zulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage ist in der Rechtsprechung dann bejaht worden, wenn eine enge Verknüpfung der Streitgegenstände besteht, keine schutzwürdigen Interessen des Drittwiderbeklagten durch dessen Einbeziehung in den Rechtsstreit verletzt werden und die Voraussetzungen der der nachträglichen Parteierweiterung (Klageänderung) vorliegen. Vorliegend sind die Streitfragen derart miteinander verknüpft, dass durch eine Konzentration der Rechtsfragen bei einem Gericht divergierende Entscheidungen vermieden werden können. Eine Verletzung schutzwürdiger Interessen des Drittwiderbeklagten ist nicht ersichtlich. Ferner ist die nachträgliche Parteierweiterung auch sachdienlich gem. § 263 Alt. 2 ZPO, denn […].“

Widerklage: Isolierte Drittwiderklage


Kläger tritt in gewillkürter Prozessstandschaft auf


Fall: K macht gegen B eine Werklohnforderung geltend, die er zuvor zur Sicherheit an die Bank abgetreten hat. Diese hat ihn, nach dem der Beklagte die Zahlung verweigert hat, zur Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen ermächtigt. Der Beklagte erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit berechtigten Schadensersatzersatzansprüchen aus einem eigenen Vertragsverhältnis mit der Bank, die den eingeklagten Betrag übersteigen. Wegen des übersteigenden Betrages erhebt er Widerklage gegen die Bank, die der Einbeziehung in den Rechtsstreit widerspricht.

Wenn der Kläger in Prozessstandschaft klagt und der Beklagte einen Anspruch gegen den materiellen Rechtsinhaber hat, kommt eine Widerklage gegen den Kläger wegen dieses Anspruchs nicht in Betracht, da sich der Anspruch nicht gegen ihn richtet (keine passive Prozessstandschaft). Der Beklagte kann aber mit diesem Anspruch aufrechnen oder gegen den materiellen Rechtsinhaber eine isolierte Drittwiderklage erheben. Bei gewillkürter Prozessstandschaft kann aber die erforderliche Konnexität zweifelhaft sein, weil mögliche Ansprüche gegen den materiellen Rechtsinhaber (z. B. die Bank) in der Regel nicht mit dem klageweisen geltend gemachten Anspruch (z. B. einer Werklohnforderung) zusammenhängen dürften. Die Konnexität kann aber in diesen Fällen durch eine gegen den Kläger primär oder hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einer Forderung gegen den materiellen Rechtsinhaber hergestellt.


I. Zulässigkeit der Klage (+)

II. Begründetheit der Klage (–), weil erloschen durch Aufrechnung [Zulässigkeit der Hilfsaufrechnung ansprechen, § 253 Abs.2 Nr. 2 ZPO]

III. Zulässigkeit der Widerklage

Die Widerklage in Gestalt der sog. isolierten Drittwiderklage ist ebenfalls zulässig.

Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 33 ZPO analog.

[Darstellung allg. Voraussetzung der isolierten Drittwiderklagen siehe oben]. Der innere Zusammenhang zwischen Klage und Widerklage liegt darin, dass die von dem Beklagten geltend gemachte Gegenforderung sowohl den eingeklagten Teil als auch deren restlichen widerklageweise geltend gemachten Teil betrifft. Das angerufene Gericht muss den Bestand der Gegenforderung im Rahmen der Aufrechnung ohnehin prüfen, so dass es sachdienlich ist, die Widerklage zuzulassen.

Ferner ist die nachträgliche Parteierweiterung auch sachdienlich gem. § 263 Alt. 2 ZPO, denn […].“

Widerklage: Hilfswiderklage und Hilfsaufrechnung


Fall: Hilfsaufrechnung und Hilfswiderklage (Grundfall)

Der Beklagte macht dieselbe Forderung, mit der er bereits hilfsweise die Aufrechnung erklärt hat, in demselben Rechtsstreit hilfsweise widerklagend geltend. Die Klageforderung scheitert bereits an den primär vorgebrachten Einwendungen des Beklagten.

I. Zulässigkeit der Klage (+)

II. Begründetheit der Klage (–) (Hilfsaufrechnung kommt nicht zum Tragen)

III. Zulässigkeit der Widerklage

[Örtliche Zuständigkeit]

„Der Umstand, dass die Widerklage unter der Bedingung erhoben ist, stellt kein Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dar. Die Bedingung ist ein innerprozessuales Ereignis, da die Erfolglosigkeit der Klage allein von der Entscheidung des erkennenden Gerichts abhängt und keine Rechtsunsicherheit bewirkt, wie sie § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verhindern soll.

Der Erhebung steht nicht entgegen, dass der Beklagte den hilfsweise widerklagend erhobenen Anspruch gleichzeitig hilfsweise im Wege der Aufrechnung erklärt hat. Die im Prozess erklärte hilfsweise Aufrechnung führt nicht zu einer anderweitigen Rechtshängigkeit i. S. v. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO.

Da die Widerklage durch die Hilfsaufrechnung Teil des Rechtsstreits und damit konnex ist, kann es dahinstehen, ob Konnexität grundsätzlich eine besondere Sachurteilsvoraussetzung von Widerklage ist oder ob § 33 ZPO lediglich die besondere örtliche Zuständigkeit von konnexen Widerklagen regelt.

Auch Parteiidentität und das allg. RSB für eine Widerklage liegen vor.

Widerklage: Hilfswiderklage und Hilfsaufrechnung


Fall III: Klageforderung nur teilweise begründet, Gegenforderung übersteigt sie

Der Beklagte macht dieselbe Forderung, mit der er bereits hilfsweise die Aufrechnung erklärt hat, in demselben Rechtsstreit hilfsweise widerklagend geltend. Die Klage ist isoliert betrachtet nur zur Hälfte und die gleich hohe Gegenforderung in vollem Umfang begründet.

I. Zulässigkeit der Klage (+)

II. Begründetheit der Klage: i. H. v. 50 %, aber insoweit auch erloschen durch Aufrechnung

[Kein Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 und § 388 S. 2 BGB]

[Bestehen der Gegenforderung, Wirkung der Aufrechnung gem. § 389 BGB]

III. Zulässigkeit Widerklage mit restlichem Teil

[örtliche Zuständigkeit]

[Keine entgegenstehende Rechtskraft nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO wegen Hilfsaufrechnung]

[Konnexität als besondere Sachurteilsvoraussetzung kann dahinstehen]

[Parteiidentität und RSB]

Die Voraussetzung für die Entscheidungsbefugnis des Gerichts über die Hilfswiderklage ist auch gegeben, weil die von dem Beklagten gesetzte Bedingung eingetreten ist. Dem Antrag des Beklagten, der auf Zuerkennung der gesamten Forderung lautet, ist bei verständiger Würdigung zu entnehmen, dass die Bedingung nur bei einer völlig unbegründeten Klage eingetreten ist. Anträge sind analog §§ 133, 157 BGB im licht des vermutlich wirkenden Willens des Antragsstellers auszulegen. Die hilfsweise Verurteilung zur gesamten geltend gemachten Gegenforderung ist im Rahmen einer Hilfswiderklage als Minus i. S. v. § 308 Abs. 2 ZPO unausgesprochen enthalten, dass der Beklagte jedenfalls soviel verlangt, wie ihm auch bei einem Teilerfolg der Klage von seiner Gegenforderung noch zusteht.

Wiederklage: Petitorische Widerklage


Fall: Beklagter hat dem Kläger eine Sache verkauft und geliefert. Wegen Zahlungsverzugs erklärt der Beklagte den Rücktritt und verlangt die Sache heraus. Der Kläger weigert sich. Der Beklagte nimmt die Sache dem Kläger gegen dessen Willen weg. Der Kläger beruft sich auf § 861 Abs. 1 BGB und verlangt Herausgabe. Er bestreitet den vom Beklagten behaupteten Eigentumsvorbehalts und beruft sich auf sein Besitzrecht. Der Beklagte beantragt widerklagend sein Eigentum und das fehlende Besitzrecht festzustellen. Der Beklagte hat Recht.

1. Ergebnis von Klage und Widerklage voranstellen

2. Zulässigkeit der Klage

3. Erläuterung des Einfluss von § 864 Abs. 2 BGB analog auf die Begründet der Klage (bei Begründetheit der Widerklage erlischt der Klageanspruch)

4. Zulässigkeit der Widerklage (zusätzlich § 863 BGB ansprechen)

5. Begründetheit der Widerklage

6. Unbegründetheit der Klage (ein Satz, folgt aus erfolgreicher Widerklage)

7. Prozessuale Nebenentscheidungen und ggf. Rechtsbehelfsbelehrung


Formulierungsvorschlag zu 3.

Da Klage und Widerklage zur Entscheidung reif sind, folgt aus der Begründetheit der Widerklage die Unbegründetheit der Klage. Dies ergibt sich bei sog. petitorischen Widerklagen, mit denen der Beklagte sein Eigentumsrecht geltend macht, aus der analogen Anwendung von § 864 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift regelt, dass […]. Wenn sich aber – wie vorliegend – der Beklagte noch nicht auf ein rechtskräftiges Urteil berufen kann, seine entscheidungsreife Widerklage aber begründet ist, müsste der Kläger bei Erfolg von Klage und Widerklage, sobald er seinen titulierten Anspruch aus § 861 Abs. 1 BGB durchsetzen wollte, die Sache sofort wieder an den Beklagten herausgeben. → planwidrige Regelungslücke, daher § 864 Abs. 2 BGB analog.


§ 863 BGB unter 4.

§ 863 BGB steht der Zulässigkeit der Widerklage nicht entgegen. Der Sinn und Zweck dieser Vorschrift, dem Kläger eine möglichst zügige Durchsetzung seines auf verbotene Eigenmacht gestützten Anspruchs zu ermöglichen, wird grundsätzlich nicht durch eine petitorische Widerklage vereitelt. Ist diese entscheidungsreif, gebietet der Rechtsgedanke von § 864 Abs. 2 BGB ihre Zulässigkeit, andernfalls ist dem Kläger mit einem klagezusprechenden Urteil geholfen.

Widerklage: Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO)


Fall: K macht Ansprüche aus Vertrag geltend und kündigt weitere Ansprüche an. Der Beklagte beantragt widerklagend festzustellen, dass kein Vertrag zustande gekommen ist.

Eine zusätzliche besondere Prozessvoraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Widerklage ist die sog. „Vorgreiflichkeit“, die ein gesondertes Feststellungsinteresse entbehrlich macht

Vorgreiflichkeit → Hauptklage kann nicht ohne Klärung des Rechtsverhältnisses entschieden werden

Feststellungsbegehren muss über Ergebnisse der Hauptklage hinausgehen → Kläger oder Gegner berufen sich noch auf weitere, noch nicht eingeklagte Rechtsfolgen (z. B. Klage auf Reparaturkosten, zusätzlich aber auch noch Arzt- und Schmerzensgeldkosten denkbar)


Muster:

Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann der Beklagte widerklagend die Feststellung eines im Laufe des Verfahrens streitig gewordenen Rechtsverhältnisses beantragen, von dessen Bestehen die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt. Eine derartige Zwischenfeststellungswiderklage ist immer dann zulässig, wenn das Rechtsverhältnis, dessen Klärung der Beklagte begehrt, vorgreiflich für die Hauptklage ist und in seiner Bedeutung über deren Ergebnis hinausgeht. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Das Bestehen des Vertrages ist für die Klage von Bedeutung. Das Begehren des Beklagten, festzustellen, dass kein Vertrag zustande gekommen, geht über das des Klägers, der noch weitere Ansprüche aus dem streitigen Vertrag angekündigt hat, hinaus.

Beteiligung Dritter am Rechtsstreit: Nebenintervention und Streitverkündung

Grundlagen

Beispiel: K klagt im Vorprozess gegen V auf Kaufpreisrückgewähr wegen mangelhafter Sache. Sofern K Recht hat, hat V Gewährleistungsrechte gegenüber seinem Lieferanten L. V verkündet L dem Streit (§ 72 ZPO). L tritt dem V bei, weil er die drohende Interventionswirkung des § 68 ZPO im Folgeprozess fürchtet und die Gefahr besteht, dass V den Rechtsstreit mit wenig Engagement führen könnte, da es letztlich für ihn gut ausgehen dürfte (Klageabweisung im Vorprozess oder [bei Verurteilung im Vorprozess] Gewährleistungsrechte gegenüber L).

Die Nebenintervention ist die Beteiligung eines Dritten an einem fremdem Rechtsstreit im eigenen Namen (≠ Vertreter), jedoch nicht als Partei (≠ Streitgenossenschaft). Ein derartiges Vorgehen ist zulässig bei einem rechtlichen Interesse des Nebenintervenienten am Sieg der unterstützten Partei.

Die Streitverkündung ist die förmliche Benachrichtigung eines Dritten von einem anhängigen Prozess (Vorprozess) durch eine Partei. Sie dient der Herbeiführung der Interventionswirkung (§ 68, § 74 Abs. 3 ZPO). Der Streitverkünder bezweckt, dass die tragenden Feststellungen, die laufenden Prozess getroffen werden (z. B. Mangel eines PKW), auch in einem Folgeprozess gegenüber einem Dritten (z. B. dem Hersteller) gelten, er im ungünstigen Fall demnach einen Regressanspruch hat. Auch die Streitverkündung führt aber nicht zu einer Erweiterung der Parteistellung (kein Parteibeitritt)!

Im Beispiel hat L ein Interesse daran, dass V gewinnt (kein Mangel), weil anderenfalls V → L Regressansprüche hat.

Beteiligung Dritter am Rechtsstreit: Nebenintervention


Was ist im Rubrum und bei der Tenorierung zu beachten?

Rubrum: Nebenintervenient nicht selbst Partei, aber als Prozessbeteiligter mit eigenen Befugnisse unmittelbar nach der unterstützen Partei aufzuführen (wie Kläger mit Namen, Adresse, und Prozessbevollmächtigten, als Rolle „Nebenintervenient“ nennen)

 

Hauptsachetenor: Nebenintervenient wird nicht erwähnt, ihm kann nicht zu- oder abgesprochen werden

 

Kostentenor (Kostenentscheidung) (Kaiserverweis, Rn. 209)

Aussonderung der Kosten der Nebenintervention nach § 101 ZPO; richtet sich infolge der Verweisung auf die §§ 91–98 ZPO nach dem Erfolg der Hauptpartei (Kostenparallelität)

→ Kosten der NI trägt dieser selbst, wenn und soweit die vom ihm unterstütze Hauptpartei unterliegt, anderenfalls der unterliegende Gegner, nie aber die unterstütze Hauptpartei


Beispiel I: Einem Rechtsstreit zwischen K und B tritt S auf Seiten des B als Streithelfer bei. K verliert.

„Die Kosten des Rechtsstreits und die außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten trägt der Kläger.“

Beispiel II: Wie Beispiel I. B verliert.

„Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Nebenintervenient trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.“

Beispiel III: Wie Beispiel I. B verliert zu 25 %.

„Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 75 % und der Beklagte zu 25 %. In diesem Umfang trägt der Kläger auch die Kosten des Nebenintervenienten. Im Übrigen trägt der Nebenintervenient seine außergerichtlichen kosten selbst.“


Tenorierung der vorläufigen Vollstreckbarkeit

→ Nebenintervenient kann einen Kostenanspruch haben, dann ist auch eine vorläufige Vollstreckbarkeit zu tenorieren

Beteiligung Dritter am Rechtsstreit: Streitverkündung (§§ 72–77 ZPO)


Was ist im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen im Folgeprozess zu beachten?


Fall I:

K nimmt den Beklagten, den er im Vorprozess den Streit verkündet hat, in einem Folgeprozess in Regress. Der Kläger ist im Vorprozess zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden und meint, der Beklagte müsse ihm dem Schaden ersetzen. Er stützt sich auf die Interventionswirkung, macht aber auch noch andere Ansprüche geltend.

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten unter anderem wegen […] in Regress.

Durch Urteil des AG […], Az. […], wurde der Kläger verurteilt, […] zu zahlen. Das Amtsgericht kam in jenem Verfahren zu folgenden Feststellungen: [Darstellung der tragenden Feststellungen des Tatbestandes des Urteils im Vorprozess]

Auf der Grundlage dieser Feststellungen begründete das Amtsgericht seine Entscheidung wie folgt: [zusammengefasste Entscheidungsgründe Vorprozess]

In jenem Rechtsstreit verkündete der Kläger dem Beklagten mit Schriftsatz vom […] den Streit und forderte ihn auf, dem Rechtsstreit auf seiner Seite beizutreten. Dem Streitverkündungsschriftsatz waren die Klageschrift, die Klageerwiderungsschrift und die Anordnung des Gerichts bezüglich des schriftlichen Vorverfahrens gem. § 276 ZPO unter Angabe der gesetzten Fristen beigefügt. Der Beklagte trat dem Rechtsstreit nicht bei.

Der Kläger ist der Auffassung, dass das Urteil des AG […] vom […], Az. […], gegenüber dem Beklagten Interventionswirkung entfalte. Daher stehe fest, dass der Beklagte ihm eine mangelhafte Sache geliefert habe, was ihn nunmehr zum Schadensersatz verpflichte [weiterer Vortrag des Klägers]

[Anträge Kläger]

Der Beklagte hält die Streitverkündung für unwirksam, weil sie weder zulässig noch formwirksam erhoben worden sei. [Ausführung Kritikpunkte Beklagter]. Deshalb ist er der Auffassung, dass die Interventionswirkung nicht eingetreten sei. Er behauptet, die von ihm gelieferte Sache sei in einem vertragsgemäßen Zustand gewesen, als der Kläger sie von ihm erhalten haben.


Entscheidungsgründe

[Zulässigkeit der Klage]

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch zu 1) aus § […] zu. Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage liegen vor.

[Einstieg mit Interventionswirkung beim einschlägigen TBM:]

Der Beklagte wird in diesem Prozess nicht mit dem Einwand gehört, dass […]. Denn aufgrund der Interventionswirkung entfaltenden Entscheidung des AG […], Az.[…], steht fest, dass der Beklagte dem Kläger eine mangelhafte Sache geliefert hat. Die Interventionswirkung hat zur Folge, dass die tragenden Feststellungen jener Entscheidung im Verhältnis zwischen Kläger und dem Beklagten dieses Rechtsstreits gem. § 68 ZPO bindend sind, weil der Kläger dem Beklagten wirksam und formgerecht den Streit verkündet hat.

[Ausführungen zu § 72 und § 73 ZPO]

Streitgenossenschaft (§§ 62 ff. ZPO)


Wie unterscheiden sich die einfache und die notwendige Streitgenossenschaft?

Die einfache Streitgenossenschaft ist eine äußere Zusammenfassung mehrerer an sich selbständig möglicher Klagen (Prozessrechtsverhältnisse). Beispiele: GbR/OHG und Gesellschafter; Hauptschuldner und Bürge; Schuldner und dinglicher Sicherungsgeber; Versicherungsnehmer und Pflichtversicherer; Gesamtschuldner; Gesamtgläubiger; Miterben bei § 2039 BGB; Bruchteilseigentümer im Aktivprozess. Selbständigkeit der Prozessrechtsverhältnisse; Prozesshandlungen eines Streitgenossen wirken nicht gegenüber anderen Streitgenossen

→ Sachentscheidung muss nicht notwendig einheitlich ergehen

→ Säumnis des SG1 führt zu VU; keine Vertretung durch SG2 (nur bei nSG nach § 62 ZPO)

 

Eine notwendige Streitgenossenschaft liegt vor, wenn aus Rechtsgründen die Sachentscheidung nur einheitlich ergehen kann. Diese Notwendigkeit kann sich aus zwei Gründen ergeben:

1. Prozessuale notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO)

2. Materiellrechtlich notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO)

Säumige Partei gilt als vertreten (§ 62 Abs. 1 ZPO); kein Säumnistermin, es wird voll verhandelt mit Wirkung für alle

Zulässigkeit ist für jeden nSG gesondert zu prüfen

Jeder nSG kann (auch im Widerspruch zu anderen) für sein Prozessrechtsverhältnis bestreiten, Beweisanträge stellen oder Tatsachen unstreitig stellen; aber: Am Ende muss einheitlich entschieden werden (daher nicht möglich, dass ein Streitgenosse anerkennt)


Problem im Tatbestand: Widersprechender Vortrag (nach einer Partei unstreitig, einer Partei streitig)

Den Vortrag nehmen, der für Partei am günstigsten ist: Wenn ein Beklagter Vortrag bestreitet, dann reicht das aus, um von einem streitigen Vortrag auszugehen

Streitgenossenschaft (§§ 62 ff. ZPO): Prozessual notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Var. 1 StPO)


Welche Wirkung hat die prozessual notwendige Streitgenossenschaft? Was sind Hauptfälle? Wovon sind sie abzugrenzen?

Wirkung

→ Es muss nicht Streitgenossenschaft bestehen (Einzelklagen sind zulässig), wenn sie aber besteht, dann muss die Sachentscheidung einheitlich sein

→ nur Sachentscheidung muss einheitlich sein (Prozessurteil gegen B1 und Sachentscheidung gegen B2 zulässig); Achtung: Das ist bei materiellrechtlicher nSG anders!

→ Klagerücknahme/Erledigungserklärung durch nur einen nSG ist zulässig, denn die einheitliche Sachentscheidung ist gegenüber den im Prozess verbleibenden nSG möglich


Hauptfälle der prozessualen notwendigen Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Var. 1 ZPO)

Passivprozess über Nachlassverbindlichkeiten (§ 327 ZPO)

Klage Insolvenzgläubiger auf Feststellung bestrittener Forderung (§§ 179, 183 ZPO)

Klage auf Aufhebung einer Gütergemeinschaft (§§ 1495, 1496 ZPO)

Anfechtung gegen Erben wegen Erbunwürdigkeit (§§ 2342, 2344 BGB)


Abgrenzung: Keine Rechtskrafterstreckung (= keine nSG)

Gesamtschuld (§§ 421, 840, 2058 BGB): Keine Rechtskrafterstreckung (§ 425 Abs. 2 BGB) (auch keine einfache SG)

Klage gegen PersG und Gesellschafter: Gesellschafter haften zwar nach § 128 HGB, aber persönliche Einwendungen bleiben (nur einfache SG)

Klage gegen Hauptschuldner und Bürgen: keine notwendige einheitliche Sachentscheidung, da sich Bürge mit persönlichen Einwendungen verteidigen kann

Klage gegen Versicherungsgesellschaft und Versicherungsnehmer (§§ 115 ff. VVG): Trotz Rechtskraft­erstreckung in § 124 VVG kein Fall der nSG, weil Sachentscheidung nicht notwendig einheitlich ergehen muss (Versicherung kann sich im Gegensatz zum Versicherungsnehmer auch noch aus anderen Gründen entlasten)

Versäumnisurteil: Einspruch


Was ist in der Zulässigkeit des Einspruchs anzusprechen?

1. Statthaftigkeit (§ 338 ZPO)

·         ob alle Voraussetzungen für den Erlass eines VU vorlagen, wird nicht geprüft → nur relevant für Kosten (§ 344 ZPO)

2. Frist (§ 339 ZPO)

·         Berechnung: § 222 ZPO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB

·         Fristdauer grundsätzlich zwei Wochen (§ 339 Abs. 1 ZPO); Notfrist → Wiedereinsetzung möglich (s. u.)

·         Fristbeginn erst mit Zustellung VU bei der säumigen Partei (nicht mit Verkündung); aber: bei VU im schriftlichen Vorverfahren Fristbeginn erst bei Zustellung an beide Parteien (§ 310 Abs. 3 S. 1 ZPO)

·         Fristende (§ 222 ZPO i. V. m. § 188 BGB)

·         Zeitlich maßgebend: Eingang Einspruch bei Gericht

3. Form (§ 340 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO)

·         Begründung nicht erforderlich (anders bei Berufung)

·         § 340 Abs. 3 ZPO enthält keine Zulässigkeitsvoraussetzung


„Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom […] ist zulässig (§ 341 Abs. 1 S. 1 ZPO [bei Amtsgericht mit § 495 ZPO]). Der Einspruch ist der statthafte Rechtsbehelf (§ 338 ZPO) und er wurde form- und fristgerecht eingelegt (§ 339 Abs. 1, § 340 Abs. 1, 2 ZPO). Die Einspruchsfrist begann mit Zustellung des Versäumnisurteils am […] zu laufen (§ 222 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB) und endete am [….] (§ 222 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 188 Abs. 1 BGB). Der Einspruch vom 20.12.2021, eingegangen am 21.12.2021, war fristgerecht. Durch den Einspruch wird der Prozess in die Lage vor Eintritt der Säumnis zurückversetzt (§ 342 ZPO).



Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


Wann ist ein Wiedereinsetzungsantrag zulässig und begründet?

I. Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags

Antrag

Zuständigkeit des Gerichts (§ 237 ZPO)

Statthaftigkeit → Versäumen einer genannten Frist (§ 233 S. 1 ZPO), insbesondere Notfrist gem. § 339 ZPO

Form des Antrags (§ 236 Abs. 1 ZPO → insbesondere mit § 340 Abs. 2 ZPO)

Prozesshandlung nachgeholt (§ 236 Abs. 2 S. 2 ZPO)

Frist (§ 234 Abs. 1 ZPO) → Fristbeginn = Wegfall Hindernis[1] (§ 234 Abs. 2 ZPO)


II. Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrags

Fristversäumnis ohne Verschulden der Partei → Glaubhaftmachung (§ 236 Abs 1 S. 1 Hs. 2, § 294 ZPO)

Zurechnung des Verhaltens des gesetzlichen Vertreters (§ 51 Abs. 2 ZPO) und des Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO)

[1] Behoben ist das Hindernis, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder das Fortbestehen des Hindernisses von der Partei oder von ihrem Vertreter verschuldet ist.


Formulierungsmuster in Kombination mit Einspruch

Der Einspruch des […] gegen das VU vom […] hat Erfolg. Er ist statthaft, denn er richtet sich gegen ein sog. echtes VU. Er ist auch zulässig, obwohl der Beklagte ihn nicht in der gem. § 339 Abs. 1 ZPO vorgeschriebenen zweiwöchigen Frist nach Zustellung des VU eingelegt hat. Dem Beklagten ist nämlich nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden verhindert war, die Einspruchsfrist – eine Notfrist – einzuhalten. Sein Antrag ist zulässig, denn er ist gem. § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO frist- und gem. § 236 ZPO formgerecht bei dem gem. § 237 ZPO zuständigen Gericht eingelegt. Er ist auch begründet, weil der Beklagte […] und dadurch daran gehindert war, den Einspruch rechtzeitig einzulegen, was er durch […] glaubhaft gemacht hat (§ 236 Abs 1 S. 1 Hs. 2 ZPO).

Der Einspruch hat den Prozess gem. § 342 ZPO in die Lage zurückversetzt, in der er vor der Säumnis des Beklagten war.

Mahnverfahren: Klausurkonstellation Einspruch gegen Vollstreckungsbescheid


Worauf ist in den Entscheidungsgründen zu achten?

Wie beim Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ist vor der Zulässigkeit der Klage die Zulässigkeit des Einspruchs darzustellen. Dazu gehört Statthaftigkeit des Einspruchs (§ 700 Abs. 1, § 338 ZPO), Einspruchsfrist (§ 700 Abs. 1, § 339 ZPO), Form (§ 700 Abs. 1, § 340 Abs. 1 ZPO), Inhalt (§ 700 Abs. 1, § 340 Abs. 2 S. 1 ZPO) und Rechtsfolge des zulässigen Einspruchs (§ 700 Abs. 1, 3, § 342 ZPO).


„Die Klage ist zulässig und begründet. Der Rechtsstreit ist infolge des Einspruchs des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts […] nach §§ 700 Abs. 1, 342 ZPO in die Lage vor Säumnis zurückversetzen, d. h. bei Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid ist daher gemäß § 700 Abs. 3, 4 ZPO im streitigen Verfahren fortzusetzen. Der Einspruch ist gemäß §§ 700 Abs. 1, 338 ZPO statthafter Rechtsbehelf gegen den Vollstreckungsbescheid. Die Einspruchsfrist gemäß §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO wurde eingehalten. Danach ist der Einspruch binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Vollstreckungsbescheides zu erheben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Auf Grund der Zustellung des Vollstreckungsbescheides am […] lief die Einspruchsfrist gemäß §§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 ff. BGB am […] ab, so dass die Frist bei Eingang des Einspruchs am 25.01.2020 noch nicht abgelaufen war. Der Einspruch erfüllt auch die formalen und inhaltlichen Anforderungen gemäß §§ 700 Abs. 1, 340 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO. Die Klage ist zulässig.“

Beweisrecht: Beweiswürdigung beim Zeugenbeweis


Wie ist die Situation aufzulösen, dass zwei neutrale Zeugen unterschiedlich aussagen?

Sofern nichts für die größere Glaubwürdigkeit eines Zeugen spricht: Beweisführung gescheitert


„Dem Kläger ist die Beweisführung nicht gelungen. Als derjenige, der sich auf eine ihm günstige Behauptung beruft, trägt der Kläger nach den allgemeinen Regeln die Beweislast. Aufgrund der Beweisaufnahme vermochte das Gericht im Rahmen der ihm nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung nicht zu der Überzeugung zu gelangen, dass die streitige Behauptung als bewiesen anzusehen ist. Danach ist ein Beweis erst dann erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist und alle vernünftigen Zweifel ausgeräumt sind. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Der Zeuge A hat bekundet, […]. Demgegenüber hat der Zeuge B bekundet, […]. Das Gericht vermochte nicht zu entscheiden, welche der beiden sich widersprechenden Aussagen zutrifft. Beide sind gleichermaßen lebensnah, sie decken sich jeweils mit dem Vortrag der Partei, die den Zeugen benannt hat [Plausibilität]. Objektive Kriterien, an denen der Wahrheitsgehalt der Aussagen gemessen werden könnte, bestehen nicht. Der Vorfall kann sich ebenso gut so zugetragen haben, wie ihn der Zeuge A oder wie ihn der Zeuge B geschildert hat. „

Präklusion: Flucht in die Säumnis


Fall: Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von 10.000,00 Euro in Anspruch. Das Landgericht ordnet das schriftliche Vorverfahren an. Eine Verteidigungsanzeige der Beklagten geht fristgerecht ein, eine Klageerwiderung dagegen nicht. In der Güteverhandlung erklärt die Beklagte u.a. die Hilfsaufrechnung mit einer Gegenforderung über 10.000,00 Euro. Die Klägervertreterin ruft: „Präklusion!“ Das Gericht weist die Beklagte darauf hin, dass ihre sonstigen Verteidigungsmittel nicht durchgreifen und die Hilfsaufrechnung präkludiert sein dürfte. Wie sollte die Beklagte hierauf reagieren?

„Flucht in die Säumnis“: Angriffs- und Verteidigungsmittel werden erstmals im Einspruch vorgetragen. Sofern Einspruch fristgemäß: Präklusion nach § 340 Abs. 3, § 296 Abs., 1 ZPO (–).

Aber Präklusion (direkt) nach § 296 Abs. 1 ZPO möglich: Rückversetzung nach § 342 ZPO hilft nicht, wenn schon am Säumnistag das Vorbringen verspätet gewesen wäre (z. B. Klageerwiderungsfrist schon abgelaufen wäre)


Zum Fall:

I. Präklusion § 296 Abs. 1 ZPO (+)

Der Vortrag ist verspätet, wenn er erst nach Ablauf einer vom Gericht gesetzten und in § 296 Abs. 1 ZPO (abschließend) aufgeführten Frist in den Prozess eingeführt wurde. Vorliegend ist die Klageerwiderungsfrist des § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO berührt, die zum Zeitpunkt der Hilfsaufrechnung der Beklagten bereits abgelaufen war. Gemäß § 277 Abs. 1 Satz 1 ZPO war die Beklagte gehalten, in der Klageerwiderung sämtliche Verteidigungsmittel vorzubringen.

Die Beklagte hat die Verspätung nicht entschuldigt.

Verzögerung (+) (jedenfalls, sofern Gegenforderung bestritten wird)

II. Folge

Gegenforderung kann nach § 531 Abs. 1 ZPO nicht im Berufungsverfahren geltend gemacht werden. Auch im Rahmen einer VAK wäre sie nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert. Auch im Aktivprozess könnte die Beklagte die Forderung nicht mehr verfolgen: Nach Auffassung des BGH erfasst § 322 Abs. 2 ZPO auch die Zurückweisung der Gegenforderung wegen Präklusion

III. Lösung 1

Flucht in die Säumnis: Die Beklagte lässt ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lässt, dagegen (zulässig!) Einspruch einlegt (§ 338 ZPO) und in dem nach § 341a ZPO anzuberaumenden Einspruchstermin die Beweisaufnahme stattfindet. Die Flucht in die Säumnis erfolgt dergestalt, dass die Beklagte keinen Sachantrag stellt, denn dann gilt sie gemäß § 333 ZPO als nicht erschienen.

Dieses Vorgehen ist zum einen mit dem Vollstreckungsrisiko behaftet, denn das Versäumnisurteil ist unabhängig von der Höhe der Verurteilung ohne Sicherheitsleistung und ohne Abwendungsbefugnis vorläufig vollstreckbar (§§ 708 Nr. 2, 711 ZPO). Auch wenn die Beklagte im Falle des Obsiegens mit dem Einspruch einen Anspruch auf Erstattung des Vollstreckten hätte (§ 717 Abs. 2 ZPO), trägt sie insoweit das Insolvenzrisiko der Klägerin. Sie sollte deshalb mit dem Einspruch zugleich die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragen (§ 719 Abs. 1 ZPO). Zum anderen muss sie auch im Erfolgsfall die Kosten ihrer Säumnis tragen (§ 344 ZPO).

III. Lösung 2

Flucht in die Widerklage: Die Beklagte würde in der mündlichen Verhandlung Widerklage erheben, was gemäß § 261 Abs. 2 ZPO zulässig ist. Begründen würde sie diese mit (einem Teil) ihrer Gegenforderung. Präklusion droht ihr dabei nicht, weil die Widerklage kein Angriffs- und Verteidigungsmittel ist.

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Sebastian P.

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