Rubrum: Einleitender Satz
Merkformel: „hat […] durch […] auf […] für […]“
- Amtsgericht: […] hat das Amtsgericht [….] durch Richter/in am Amtsgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom […]
- Landgericht: hat die [….] Zivilkammer des Landgerichts durch Richter/in am Landgericht […] als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom [….] für Recht erkannt:
Zuständigkeit: Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO)
Fall: Der Kläger macht einen Kaufpreisanspruch geltend. Der Beklagte wohnte bei Vertragsschluss in Berlin. Er ist vor der Zustellung der Klage nach Bonn gezogen. Der Kläger klagt in Berlin.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Gericht gem. § 29 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig. Nach dieser Vorschrift ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis eine örtliche Zuständigkeit bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Dies bestimmt sich nach § 269 Abs. 1 BGB danach, wo der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, wenn ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus sonstigen Umständen zu entnehmen ist. Dies ist hier Berlin, wo der Beklagte zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses, dem Abschluss des Kaufvertrages, wohnte. Berlin war Erfüllungsort für die Kaufpreisforderung, die als sog. qualifizierte Schickschuld i. S. v. §§ 270 Abs. 4, 269 Abs. 1 BGB am Wohnsitz des Schuldners zu erfüllen ist.
Hinweis: § 29 ZPO greift nicht nur bei vertraglichen Erfüllungsansprüchen, sondern auch Gewährleistungsansprüche und Ansprüche nach Rücktritt sind dort zu erfüllen, wo sich die mangelhafte Sache befindet (Belegenheitsort).
Wo ist der Erfüllungsort beim Nacherfüllungsanspruch?
Bei Nacherfüllung stellt BFH aber grundsätzlich auf § 269 BGB und landet daher im Zweifel an dem Ort, an welchem der Schuldner (Verkäufer) seinen Wohnsitz hat. Maßgebend Parteivereinbarung, Fehlen solche, ist auf die Natur des Schuldverhältnisses abzustellen. Im Zweifel Bringschuld .Str. beim Verbrauchsgüterkauf, da Nachbesserung nach bisheriger Rechtsprechung „ohne erhebliche Unannehmlichkeiten“ zu erfolgen hat. EuGH differenziert wie folgt: Kompakte Sachen = Nacherfüllungsort beim Verkäufer; Schwere, sperrige Sachen = Nacherfüllungsort beim Verbraucher. Dazu Kaiser, Mat. ZR, Rn. 25a und Skript „Ausgewählte Probleme des mat. Rechts“.
Zuständigkeit: Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO)
Was sind “doppelt relevante Tatsachen”? Inwiefern spielen sie bei § 32 ZPO eine Rolle?
Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich aus § 32 ZPO. Danach ist für Klagen aus unerlaubter Handlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Dazu reicht es aus, dass der Kläger, wie geschehen, die Voraussetzungen der unerlaubten Handlung schlüssig vorträgt. Dies folgt aus der Lehre der sog. qualifizierten Prozessvoraussetzungen. Das sind solche, bei denen Tatsachen sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit einer Klage vorliegen müssen, sog. doppelt relevante Tatsachen. In derartigen Fällen wird der Vorrang der Zulässigkeit vor der Begründetheit aus Gründen der Prozessökonomie und der Rechtssicherheit durchbrochen, damit die umfassendere Rechtskraft des Sachurteils den gesamten Anspruch erfasst. Wenn das ausschließlich gem. § 32 ZPO zuständige Gericht das Vorliegen einer unerlaubten Handlung in der Sache verneint und dann nur ein Prozessurteil wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit erlassen dürfte, könnte der Kläger den Beklagten erneut mit demselben Sachvortrag vor einem anderen Gericht verklagen.
Zuständigkeit: Rügeloses Verhandeln (§ 39 ZPO)
Kann eine Zuständigkeit infolge rügelosen Verhandelns begründet werden, wenn die Parteien einen ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart haben?
Ja, § 40 Abs. 2 S. 2 ZPO gilt nur für gesetzlich geregelte ausschließlich Gerichtsstände, nicht für Gerichtsstandsvereinbarungen!
Zuständigkeit: Haupt- und Hilfsanträge
Wie bestimmt sich der Streitwert zur Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit des AG oder des LG?
Bei einer Klage vor dem LG auf Zahlung, hilfsweise auf Rückgabe der Sache, beträgt der Streitwert des Hauptantrages 5.000 €, der des Hilfsantrages 10.000 €.
Grundlagen: Nicht § 5 ZPO. Höherer Wert nach herrschender Auffassung maßgebend (Arg.: Beide Ansprüche sind rechtshängig, dann kann der Hilfsantrag auch zur Streitwertermittlung herangezogen werden [auch wenn Rechtshängigkeit möglicherweise rückwirkend entfällt]; Prozessökonomie [Rechtsstreit müsste abgegeben werden, wenn über Hilfsantrag entschieden wird, der alleinig > 5.000 €]).
Zum Fall: LG zuständig, weil höherer Wert (10.000 €) maßgebend ist.
Zuständigkeit: Klagehäufung (§ 260 ZPO)
Zuständigkeitsstreitwert ist die Summe der Streitwerte der einzelnen Anträge (§ 5 ZPO). Sofern die Zuständigkeit des LG durch einen zweiten Antrag nachträglich begründet wird – Klageänderung –, steht § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO dem nicht entgegen: § 506 ZPO schränkt diesen Grundsatz ein.
Ordnungsgemäße Klageerhebung
Allgemeines zur Zulässigkeit von Bedingungen und Gestaltungsrechten
Grundsatz: Bedingungsfeindlich
Ausnahmen:
1. Rechtsbedingung (keine Beeinträchtigung der Rechtssicherheit), z. B. außerordentliche Kündigung und hilfsweise ordentliche Kündigung; Anfechtung und hilfsweise Rücktritt
2. Potestativbedingung (abhängig vom Verhalten des Gegners)
3. Innerprozessuale Bedingung
Problem: Unbezifferte Klageanträge
Fall: Kläger begehrt Zahlung eines nicht bezifferten Betrages wegen entgangenen Gewinns unter Darlegung Ermittlungsgrundlagen und Angabe seiner Größenvorstellung.
§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO fordert eigentlich bestimmten Klageantrag. Ausnahme bei gerichtlicher Schätzung nach § 287 ZPO, denn Kläger trüge sonst Kostenrisiko oder verlangte zu wenig (§ 308 S. 1 ZPO). Ausreichend ist es, wenn
der Kläger die zur Bestimmung der Höhe seiner Forderung erforderlichen Umstände und Tatsachen vorträgt und er eine Größenordnung seiner Vorstellung vom zuzuerkennenden Betrag mitteilt. Daher zulässig z. B. unbezifferter Antrag wegen entgangenen Gewinns, unbezifferter Antrag auf Schmerzensgeld
Parteibezogene Sachurteilsvoraussetzung
Partei- und Prozessfähigkeit von GbR, GmbH und AG
Die GbR ist parteifähig gem. § 50 ZPO, weil sie nach § 705 Abs. 2 BGB rechtsfähig ist. Die Rechtsfähigkeit folgt aus der Vermutung zur Teilnahme am Rechtsverkehr nach § 705 Abs. 3 BGB, weil Gegenstand der GbR der Betrieb eines Unternehmens ist.
Bei juristischen Personen (GmbH): „Der Kläger/die Beklagte ist nach § 13 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 50 ZPO parteifähig und wird durch ihren Geschäftsführer vertreten (§ 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG i. V. m. § 52 ZPO). AG: § 1 (Rechtsfähigkeit) und § 78 Abs. 1 S. 1 AktG (Vorstand)
Kann ein Inhaber unter seiner Firma verklagt werden? Bleibt er nach einem Inhaberwechsel Partei oder wird der neue Inhaber Partei des Prozesses?
Inhaber einer Firma kann nach § 17 Abs. 2 HGB unter seiner Firma verklagt werden, Partei ist aber Inhaber selbst. Es muss sich um einen Anspruch handeln, der ein Handelsgeschäft i. S. v. §§ 343 ff. HGB darstellt.
Inhaberwechsel nach Rechtshängigkeit hat keinen Einfluss auf den Rechtsstreit (lediglich Rubrumsberichtigung).
Wer ist der Klagegegner bei einer Erbengemeinschaft?
→ Klage gegen Erbengemeinschaft (–), weil ≠ rechtsfähig
→ sofern materiellrechtlich Gesamtschuldnerschaft: Voraussetzungen der §§ 59, 60 ZPO (+); Wahlrecht des Klägers, mehrere oder alle Beteiligten als einfache Streitgenossen zu verklagen
→ sofern „Auflassungsanspruch“: Gesellschafter können nach § 2040 Abs. 1 BGB nur gemeinschaftlich verfügen: Gesamthandklage → notwendige Streitgenossenschaft nach § 62 Abs. 1 Var. 2 ZPO
Prozessführungsbefugnis
Prozessführungsbefugt ist derjenige, der schlüssig vorträgt, Rechts- oder Anspruchsinhaber zu sein. (Alternativ: „wer ein eigenes Recht oder fremdes Recht im eigenen Namen geltend macht“)
Parteibezogene Sachurteilsvoraussetzung: Prozessstandschaft
Was sind wichtige gesetzliche Prozessstandschaften?
§ 80 Abs. 1 InsO: Insolvenzverwalter
§§ 1984, 1985 BGB: Nachlassverwalter
§§ 2205, 2212 BGB: Testamentsvollstrecker
§ 152 ZVG: Zwangsvollstreckung bei Grundstücken
§ 265 ZPO
(Aufzählung ausführlich im Skript)
Was sind die Voraussetzungen für eine gewillkürte Prozessstandschaft?
(1) Kein höchstpersönliches Recht (Abtretbarkeit)
(2) Ermächtigung des Berechtigten (§ 185 BGB analog)
(3) eigenes rechtschutzwürdiges Interesse (Einfluss auf eigene Rechtslage)
(4) Kein Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) (unzumutbare Benachteiligung Beklagter)
Welchen Fall regelt § 265 ZPO? Wie grenzt man § 265 ZPO von der gewillkürten Prozessstandschaft ab?
§ 265 ZPO betrifft nur Fälle der Abtretung des geltend gemachten Anspruchs oder der Veräußerung der streitbefangenen Sache nach Rechtshängigkeit. Regelmäßig wird der in gesetzlicher Prozessstandschaft auftretende Kläger die Leistung an den materiellen Rechtsinhaber umstellen; sofern ihm der materielle Rechtsinhaber eine Einziehungsermächtigung erteilt hat, kann er auch Zahlung an sich selbst verlangen. Die Pfändung und Überweisung der eingeklagten Forderung führt ebenfalls zur gesetzlichen Prozessstandschaft gem. § 265 Abs. 1 ZPO (letztlich wie eine Abtretung). Der Kläger muss dann den Antrag auf Zahlung an den vollstreckenden Gläubiger umstellen.
Klausurtaktik: Das Auftreten in gesetzlicher Prozessstandschaft wird stets zulässig sein.
Die Abgrenzung von § 265 ZPO erfolgt zuvörderst nach dem Zeitpunkt der Abtretung bzw. der Veräußerung der Sache. Liegt dieser Zeitpunkt nach Rechtshängigkeit, handelt es sich um eine gesetzliche Prozessstandschaft, vor Rechtshängigkeit um eine gewillkürte Prozessstandschaft. Nach Rechtshängigkeit liegt nur dann eine gewillkürte Prozessstandschaft vor, wenn der Einwand des Beklagten nach § 265 Abs. 3 ZPO greift, der Rechtsnachfolger also im Zeitpunkt der Abtretung gutgläubig war. Dann darf der bisherige Kläger mit Ermächtigung des Rechtsnachfolgers den Rechtsstreit als gewillkürter Prozessstandschafter fortführen.
Fall I: K veräußert die Sache, deren Herausgabe er vom Beklagten verlangt, nach Rechtshängigkeit an einen Dritten. Er stellt den Antrag auf Herausgabe an den Dritten um. Der Beklagte macht von seinem Rügerecht nach § 265 Abs. 3 ZPO keinen Gebrauch.
Nach § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO berührt die Veräußerung der streitbefangenen Sache am […], mithin nach der durch Zustellung am […] eingetretenen Rechtshängigkeit der Klage, die Prozessführungsbefugnis des Klägers nicht. Der Kläger tritt in sog. gesetzlicher Prozessstandschaft auf.
Die Umstellung des Antrags aus Herausgabe an den Dritten stellt eine qualitative Modifizierung dar, die nach § 264 Nr. 2 ZPO eine stets zulässige Form der Klageänderung ist.
Auf die Klärung der Frage, ob das Urteil nach § 325 ZPO auch gegenüber dem Dritten wirksam ist, kommt es vorliegend nicht an, da der Beklagte von seinem Rügerecht nach § 265 Abs. 3 ZPO keinen Gebrauch gemacht hat und der Vortrag des Klägers zu einer Prüfung seiner Prozessführungsbefugnis von Amts wegen keinen Anlass gibt.
Hinweis: Ansonsten müsste über § 325 Abs. 2 BGB die Gutgläubigkeit des Dritten geprüft werden (§ 932 Abs. 2 BGB); Gutgläubigkeit bezieht sich hier auch auf die fehlende Rechtshängigkeit. Falls diese vorläge, läge keine subjektive Rechtskraftwirkung vor und die Voraussetzungen von § 265 Abs. 3 ZPO wären erfüllt. Sofern Gutgläubigkeit vorliegt, kann Kläger nicht in gesetzlicher Prozessstandschaft klagen, sehr wohl aber mit Ermächtigung des Dritten in gewillkürter Prozessstandschaft.
Ist eine Prozessführungsbefugnis im Wege der Prozessstandschaft zulässig, damit ursprünglicher Kläger als Zeuge aussagen kann?
Prüfungsstandort in den Voraussetzungen unter „4. Kein Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB)“
zulässiges prozesstaktisches Vorgehen; Beweiswert kann aber gemindert sein
Sachbezogene Sachurteilsvoraussetzung: Entgegenstehende Rechtskraft
Fall I: „Gegenforderung bestehe nicht“
Gegen eine Klageforderung von 5.000 € hat der Beklagte mit einer Forderung von 10.000 € hilfsweise aufgerechnet. Das Gericht hat die Klage voll zugesprochen und ausgeführt, dass die Gegenforderung insgesamt nicht bestehe. In einem nachfolgenden Prozess macht der Beklagte den 5.000 € übersteigenden Rest seiner Forderung geltend.
Die Tatsache, dass die in diesem Prozess geltend gemachte Darlehensforderung in dem früheren Verfahren […] als nicht besteht zurückgewiesen worden ist, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Gem. § 322 Abs. 2 ZPO ist bei einer Aufrechnung in einem früheren Rechtsstreit über die Gegenforderung nur bis zur Höhe des Betrages rechtskräftig entschieden worden, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist. Dies war seinerzeit die Klageforderung von 5.000 €. Die Tatsache, dass in jenem Urteil die gesamte Darlehensforderung als nicht bestehend angesehen worden ist, führt nur in Höhe des Betrages von 5.000 € zu einer rechtskraftfähigen Entscheidung.
[Begründetheit:] Es ist nunmehr Sache des erkennenden Gerichts, über das Bestehen der restlichen Forderung zu entscheiden. Die oben dargestellten Grenzen der Rechtskraft führen dazu, dass das erkennende Gericht an die Rechtsauffassung des Gerichts, das zuvor über die Aufrechnung entschieden hat, hinsichtlich des nicht erloschenen Teils der Gegenforderung nicht gebunden ist.
Fall II: Die „präkludierte Gegenforderung“
Der damalige Beklagte hat in einem früheren Prozess mit einer Forderung gegen den damaligen Kläger die Aufrechnung erklärt. Das Gericht hat den Aufrechnungseinwand wegen Verspätung nicht berücksichtigt. In einem nachfolgenden Prozess macht der damalige Beklagte als Kläger dieselbe Forderung geltend.
„Der Kläger ist durch die Erklärung der Aufrechnung in dem früheren Verfahren nicht daran gehindert, die Forderung erneut einzuklagen. Dies folgt aus § 322 Abs. 2 ZPO, wonach […]. Eine rechtskraftfähige Entscheidung über die Gegenforderung ist nicht erfolgt, weil der Aufrechnungseinwand als verspätet bei der damaligen Entscheidung nicht berücksichtigt worden ist.
[Begründetheit:] Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Anspruch des Klägers nicht gem. §§ 389 ff. BGB durch die erklärte Aufrechnung in dem Rechtsstreit […] erloschen. Die Erklärung der Aufrechnung in einem Rechtsstreit besteht aus einem prozessualen und einem materiellen Teil. Da sich die Aufrechnung in jenem Verfahren aus prozessualen Gründen nicht ausgewirkt hat, führt die teilweise Unwirksamkeit der prozessualen Geltendmachung aus zur Unwirksamkeit der materiellrechtlichen Folgen der Aufrechnungserklärung. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 139 BGB. Nach dieser Vorschrift ist ein Rechtsgeschäft insgesamt nichtig, wenn […]. Das ist hier der Fall, weil […].“
Sind verdeckte Teilklagen – Geltendmachung nur eines Teils eines Anspruchs – zulässig? Liegt darin ein Verzicht auf den nicht geltend gemachten Teil?
Nach ständiger Rspr. braucht der Kläger bei Teilklagen keinen Vorbehalt für weitergehende Ansprüche machen, weil das Urteil nach § 308 Abs. 1 ZPO nur über den gestellten Antrag entscheidet. Der Rest des Anspruchs ist grundsätzlich von der Rechtskraft nicht erfasst (§ 322 ZPO). Einschränkung in Fällen von Rückabwicklungs- oder Abrechnungsverhältnissen möglich (Saldotheorie).
Bei nachfolgenden Klagen ist darzulegen, ob nicht in der früheren „wortlosen“ Geltendmachung eines Teils zugleich ein „Verzicht“ auf den Rest des Anspruchs oder ein Erlassangebot (§ 397 Abs. 2 ZPO) zu sein könnte oder ob ggf. Verwirkung eingetreten ist. Nach hM sind strenge Anforderungen anzulegen, im Zweifel weder Verzicht noch Verwirkung. Die Problematik kommt in der Regel bei Aufrechnung vor.
Kann eine entgegenstehende Rechtskraft aus einem vorheringen Urteil nach §§ 767, 771 ZPO folgen?
Ein Urteil über eine VAK oder eine DWK erwächst nur insoweit an Rechtskraft, als es um die Unzulässigkeit der ZV in dem konkreten Verfahren geht. Über das materielle Recht wird nicht entschieden.
Kann eine entgegenstehende Rechtskraft aus einem Prozessurteil folgen?
Der erneuten Geltendmachung des Anspruchs steht nicht die Rechtskraft des Urteils vom […] entgegen. Dieser Rechtsstreit endete durch ein Prozessurteil, weil […]. Damit ist lediglich rechtskräftig geworden, dass die Klage seinerzeit unter den damals gegebenen Umständen unzulässig war. Die Umständen haben sich aber geändert, da […].
Sachbezogene Sachurteilsvoraussetzung: Anderweitige Rechtshängigkeit
Klage trotz Hilfsaufrechnung in einem anderen, anhängigen Rechtsstreit zulässig?
Fall: Der Kläger klagt einen Anspruch ein, den er in einem anderen, noch anhängigen Rechtsstreit – dort als Beklagter – bereits hilfsweise zur Aufrechnung gestellt hat.
„Der Kläger ist dadurch, dass er die eingeklagte Forderung bereits im Wege der hilfsweisen Aufrechnung in dem anhängigen Verfahren vor dem AG […], Az. […], geltend gemacht hat, nicht an einer Durchsetzung seines Anspruchs im Klagewege gehindert. Die hilfsweise Aufrechnung begründet keine anderweitige Rechtshängigkeit der Gegenforderung. Dies folgt daraus, dass die Aufrechnung keine Klage i. S. v. § 261 ZPO ist. Sie stellt lediglich ein Verteidigungsmittel dar, nämlich das Berufen auf das Erlöschen der Klageforderung aufgrund materiellen Rechts.
Dem Kläger fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die aktive Verfolgung seines Anspruchs. Soweit behauptet wird, dass im Erfolgsfall die Aufrechnung dem Kläger eine bessere Rechtsposition als eine Klage verschaffe – nämlich die sofortige Befriedigung und nicht lediglich einen vollstreckbaren Titel –, überzeugt dies nicht. Es ist dem Kläger nicht zuzumuten, auf den Ausgang des anderen Rechtsstreits zu warten, um Gewissheit zu erlangen, ob seine Hilfsaufrechnung überhaupt zum Tragen kommt. Es gibt insoweit keine Verpflichtung zur vorrangigen Aufrechnung.“
Fehlt die anderweitige Rechtshängigkeit, weil derselbe Anspruch bereits im einstweiligen Rechtsschutz geltend gemacht wird?
Keine anderweitige Rechtshängigkeit, weil unterschiedliche Streitgegenstände im prozessualen Sinne, auch wenn es in der Sache um denselben Streit geht, denn im einstweiligen Verfügungsverfahren wird der Streit nur „einstweilen“ geregelt.
Rechtsschutzbedürfnis
Fehlt ein RSB bei einer Klage auf eine unmögliche Leistung, wenn demnach eine Herausgabe verlangt wird, der Beklagte aber einwendet, er sei nicht mehr im Besitz der Sache?
Der Umstand, dass der Beklagte nach seiner Behauptung zu einer unmöglichen Leistung verurteilt wird, berührt die Zulässigkeit der Klage nicht. Es reicht aus, dass der Kläger, wie geschehen, die Voraussetzungen für einen HGA schlüssig vorträgt. Dies folgt aus der Lehre der qualifizierten Prozessvoraussetzungen. Bei doppelt relevanten Tatsachen wird der Vorrang der Zulässigkeit vor der Begründetheit aus Gründen der Prozessökonomie und der Rechtssicherheit durchbrochen.
Rechtsschutzbedürfnis und Feststellungsinteresse
Fall: Der Kläger verlangt vom Beklagten nach erfolgtem Rücktritt von einem Kaufvertrag über eine Schrankwand, die der Beklagte vertragsgemäß beim Kläger aufgestellt hat,
1. Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückübereignung der Schrankwand,
2. Feststellung des Annahmeverzuges bezüglich der Rücknahme der Schrankwand,
3. Verurteilung zur Abholung der Schrankwand.
Dem Kläger steht auch das gem. § 256 Abs. 1 ZPO für FK erforderliche Feststellungsinteresse hinsichtlich des Antrags zu 2) zu. Dieses folgt aus § 756 Abs. 1, § 765 ZPO. Danach kann bei Zug-um-Zug-Verurteilung der Gläubiger nur ohne tatsächliches Angebot der dem Schuldner gebührenden Leistung vollstrecken, wenn dessen Annahmeverzug durch eine ihm zugestellte öffentliche Urkunde, hier also das Urteil, nachgewiesen ist.
Auch der Antrag zu 3 ist zulässig. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis liegt vor, da dieses nur fehlt, wenn der Rechtsstreit sinnlos ist oder der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Das ist hier nicht der Fall, weil der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Entfernung der Schrankwand aus seiner Wohnung hat und er diesen Anspruch ohne Verurteilung des Beklagten im Wege der Zwangsvollstreckung nicht durchsetzen kann. Der Antrag ist auch nicht von dem Antrag zu 1) mitumfasst. Die Verurteilung des Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückübereignung der Schrankwand gibt dem Kläger keinen Anspruch auf die beantragte Rücknahme durch Abbau und Abtransport seitens des Beklagten.
[Darstellung § 260 ZPO]
Feststellungklage: Feststellungsinteresse
Ist eine Feststellungsklage auf Ersatz weiterer immaterieller und materieller Schäden zulässig?
Fall: K begehrt Feststellung, dass Beklagter verpflichtet ist, ihm den Schaden aus einem Verkehrsunfall zu ersetzen. Die Parteien streit nur um die Schadenshöhe Der genaue Umfang des Schadens ist noch nicht feststellbar.
Grundsatz: Feststellungsklage gegenüber der rechtsschutzintensiveren Leistungsklage subsidiär
→ Kläger kann aber Folgeschäden noch nicht einschätzen; Leistungsklage fordert aber bestimmten Klageantrag
→ die ausnahmsweise zulässige Darlegungen der Grundlagen, damit Gericht schätzen kann (§ 287 ZPO), sind auch noch nicht möglich
→ abwarten auf Eintritt Schäden nicht zumutbar; Folge wären sukzessive Leistungsklagen; Widerspruch Prozessökonomie; Verjährungsrisiko (Beginn nicht erst mit Eintritt Folgeschaden, sondern mit Eintritt Schadensereignis)
→ Folge: Leistungsklage (–), RSB (+)
Besteht eine Feststellungsinteresse für die Feststellung, dass Forderung aus vorsätzlicher, unerlaubter Handlung stammt?
Feststellungsinteresse folgt aus Aufrechnungsverbot (§§ 393, 394 Abs. 1 BGB) sowie aus § 174 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 302 Nr. 1 InsO. Danach sind Forderung, die bei Insolvenz als solche aus „vorsätzlicher, unerlaubter Handlung“ angemeldet werden, von der Restschuldbefreiung ausgenommen.
Feststellungsklage: Streitwert
Positive Feststellungsklage 80 % des Leistungsinteresse
Negative Feststellungsklage 100 %
Klageänderung: Allgemeines
Klageänderung ist eine Änderung des Streitgegenstands. Sie liegt nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff vor, wenn der Klageantrag (der prozessuale Anspruch) und/oder der vorgetragene Lebenssachverhalt geändert wird.
Die Zulässigkeit der Klageänderung ist eine besondere Prozessvoraussetzung für den neu erhobenen Anspruch (bei Unzulässigkeit → Prozessurteil).
Zum Aufbau: Ausführungen zur Klageänderung gehören an die Spitze der Prüfung. Sofern Zulässigkeit der Klageänderung (+), folgen die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen, hier insbesondere die örtliche und sachliche Zuständigkeit.
Fälle der Klageänderung
Klageauswechslung (an die Stelle des Klagebegehrens tritt ein anderes)
Nachträgliche objektive Klagehäufung (neben einem rechtshängigen prozessualen Anspruch tritt ein weiterer)
Klageerhöhung und Klageermäßigung (§ 264 Nr. 2 AO)
Änderung des Klageantrags bei unverändertem Klagegrund (§ 264 Nr. 3 AO)
Persönliche Klageänderungen (Parteiänderungen) (nach st. Rspr. sind die §§ 263 ff. analog anzuwenden)
Klageänderung: Gewillkürte Klageänderung
Wonach ist bei gewillkürten Klageänderungen zu unterscheiden? Wie kann man gedanklich prüfen, ob eine gewillkürte Änderung der Klage zulässig ist?
Bei gewillkürten Klageänderungen ist zwischen der Rechtslage vor und nach Beginn der mündlichen Verhandlung zu unterscheiden. Nach Beginn der mündlichen Verhandlung hängt die Zulässigkeit der Klageänderung – abgesehen von den gesetzlich geregelten Fällen in § 264 Nr. 2, 3 ZPO, einseitigen Erledigungserklärungen und qualifizierten Klagerücknahmen nach § 269 Abs. 3 ZPO – von der Zustimmung des Beklagten ab (§ 269 Abs. 1 ZPO).
Der Rechtsgedanke des § 269 ZPO (zur Argumentation) ist, dass der Beklagte einen unentziehbaren Anspruch auf Sachentscheidung hat.
Gedankliche Prüfung:
I. Klageänderung kraft Gesetzes zulässig (§ 264 Nr. 2, 3 ZPO)
II. Einwilligung des Beklagten (§ 263 Alt. 1 ZPO)
III. Rügelose Einlassung (§ 267 ZPO)
IV. Sachdienlichkeit (§ 263 Alt. 2 ZPO)
Klageänderung: Sachdienlichkeit (§ 263 Alt. 2 ZPO)
Sachdienlichkeit (+), wenn unter möglicher Verwendung des bisherigen Prozessstoffs der Streit endgültig behoben und ein neuer Prozess vermieden werden kann.
Klageänderung: Klageumstellung (§ 264 Nr. 3 ZPO)
Was sind typische Beispiele?
Übergang von Herausgabe auf Schadensersatz wegen Untergangs der Sache, Übergang von Erfüllung auf Schadensersatz, Übergang von Erfüllung auf Rückgewähr, Wechsel von Erfüllung auf Surrogat wegen Untergangs des Leistungsgegenstandes.
Zulässige Klageänderung nach § 264 Nr. 3 ZPO bei nachträglicher Kenntnis?
Fall: Kläger will Herausgabe. Er erfährt erst während Rechtsstreit, dass die Sache bereits vor Rechtshängigkeit von einem Dritten gutgläubig erworben worden ist. Er verlangt daraufhin Schadensersatz. Der Beklagte widerspricht der Änderung.
Dem Kläger steht es gem. § 264 Nr. 3 ZPO frei, die ursprünglich auf Herausgabe seines PKW gerichtete Klage auf Zahlung von Schadensersatz umzustellen, nachdem er erfahren hat, dass dem Erfolg der Herausgabeklage der gutgläubige Eigentumserwerb eines Dritten entgegensteht. Dem steht es auch nicht entgegen, dass es sich nach dem Wortlaut dieser Vorschrift um eine „später eingetretene Veränderung“ handeln muss, da der Eigentumsverlust des Klägers durch den gutgläubigen Erwerber bereits vor Rechtshängigkeit eingetreten ist. Nach stRspr. Ist § 264 Nr. 3 ZPO auch auf Fälle anwendbar, in denen die veränderten Umstände dem Kläger erst nach Rechtshängigkeit bekannt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – den Kläger kein Verschulden an der mangelnden Kenntnis trifft.
Die Umstellung der Klage hing auch nicht von der Zustimmung des Beklagten ab. Dies ist in Fällen des § 264 Nr. 3 ZPO nur dann der Fall, wenn die Änderung gleichzeitig eine Beschränkung i. S. v. § 264 Nr. 2 ZPO darstellt, die als teilweise Klagerücknahme zu werten ist. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall, weil der begehrte Schadensersatz an die Stelle der Herausgabe tritt und gleichwertig ist.
§ 264 Nr. 3 ZPO, Beschränkung und Erledigung
Fall: Der Kläger begehrt die Übereignung eines 10.000 € teuren Pkw, der bislang noch nicht bezahlt ist. Laut Vertrag ist der Beklagte vorleistungspflichtig. Nach Zustellung der Klage wird der Pkw gestohlen. Der Kläger verlangt nunmehr 1.000 € Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns, da er den Wagen bereits für 11.000 € weiterverkauft hat. Im Übrigen erklärt er die Hauptsache für erledigt. Der Beklagte widerspricht der Erledigung und der Umstellung der Klage.
Dem Kläger steht es gem. § 264 Nr. 3 ZPO frei, die ursprünglich auf Übereignung gerichtete Klage auf Zahlung von Schadensersatz umzustellen.
Die Anpassung der Klage an die geänderte Sachlage stellt sich als zulässige Beschränkung des Klageantrages i. S. v. § 264 Nr. 2 ZPO dar. Die Zustimmung ist entbehrlich, wenn der Kläger – wie hier – hinsichtlich des ursprünglich geforderten Mehrbetrages den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt.
Die durch die Teilerledigungserklärung entstandene nachträgliche, objektive Klagehäufung ist gem. § 261 Abs. 2, § 260 ZPO zulässig. Aus § 261 Abs. 2 ZPO folgt die grundsätzliche Zulässigkeit der nachträglichen Klagehäufung. Die darin liegende Klageänderung ist gem. § 263 Alt. 2 ZPO sachdienlich, denn das bisherige Prozessergebnis ist verwertbar und durch die Entscheidung auf der geänderten Grundlage wird ein weiterer Rechtsstreit vermieden.
Es steht dem Kläger auch frei, mehrere Klageanträge in einer Klage zu verbinden. Dies ist gem. § 260 ZPO immer dann möglich, wenn […].
[Feststellungsinteresse § 256 ZPO für Erledigungserklärung]
[Reduzierung des Streitwerts unter 5.000 € führt wegen § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zu keiner Veränderung der Zuständigkeit]“
Klageänderung: Klageerweiterung (§ 264 Nr. 2 ZPO)
Klageerweiterungen sind kraft Gesetzes zulässige Klageänderungen und gehen den übrigen Vorschriften der §§ 263 ff. ZPO – insbesondere § 269 Abs. 1 ZPO – vor. Unter § 264 Nr. 2 ZPO fallen quantitative und qualitative Erhöhungen des Antrages bei ansonsten gleichbleibendem Sachverhalt, wie der Übergang von
(1) einer Feststellungs- zur Leistungsklage (z. B. weil Kläger im Laufe des Rechtsstreits in der Lage ist, Schaden zu beziffern)
(2) einer Auskunfts- zur Zahlungsklage
(3) einer Klage auf Zahlung eines Teils zur Zahlung des gesamten Betrages,
(4) einer Klage auf künftige Leistung zur sofortigen Leistung
(5) einer Erhöhung von Nebenforderungen
Eine Klageerweiterung i. S. d. § 264 Nr. 2 ZPO liegt nicht vor, wenn ein neuer Streitgegenstand vorliegt. Dann handelt es sich um eine nachträgliche objektive Klagehäufung, deren Zulässigkeit sich nach §§ 263, 267 ZPO richtet (dazu unten)
Klageänderung: Nachträgliche, objektive Klagehäufung
Inwiefern stellt eine nachträgliche objektive Klagehäufung eine Klageänderung dar?
Eine nachträgliche, objektive Klagehäufung liegt bei Einführung eines neuen Streitgegenstandes vor. Klassische Fälle: Kläger entdeckt im Laufe eines Rechtsstreits einen weiteren Schaden oder er findet eine offene Rechnung und stellt einen neuen Antrag. Sie fallen unter § 261 Abs. 2, § 260 ZPO: Die Zulässigkeit hängt also von der Zustimmung des Beklagten, seinem rügelosen Verhandeln oder Sachdienlichkeit ab.
Hinweis: Bei einseitigen Teilerledigungserklärungen handelt es sich stets um eine nachträgliche, objektive Klagehäufung, die wegen Sachdienlichkeit gem. § 263 Alt. 2 ZPO unabhängig von der Zustimmung des Beklagten zulässig sind (dazu Skript „Erledigung“).
Ergänzender Hinweis: § 132 Abs. 1 ZPO (Einhaltung von Schriftsatzfristen) gilt analog für Antragsänderungen im Termin. Sofern sich der Beklagte nur gegen die Antragsänderung wehrt, nicht aber die fehlende Einhaltung der Frist rügt, ist der Mangel durch § 295 ZPO geheilt
Klageänderung: Klageauswechselung
Grundsatz: Fälle, worin entweder der zugrunde liegende Lebenssachverhalt und/oder das Rechtsfolgebegehren aus dem Klageantrag ausgewechselt wird. Klausurtaktisch wird eine solche zulässig sein, entweder wegen
(1) Einwilligung des Beklagten (§ 263 Alt. 1 ZPO)
(2) Rügelosem Einlassen des Beklagten auf geänderte Klage (§ 267 ZPO)
(3) Sachdienlichkeit (§ 263 Alt. 2 ZPO)
(4) Rüge greift nicht wegen vollständiger Klageauswechslung
Beispiel Auswechselung Lebenssachverhalt: Darlehen aus 2022 statt Werklohn aus 2021
Klagerücknahme (§ 269 ZPO): Allgemeines und Verhältnis zu § 264 Nr. 2 ZPO
Unter § 264 Nr. 2 ZPO fallen weiterhin quantitative oder qualitative Reduzierungen, also etwa Fälle, in denen ein Teil der Klageforderung oder einer von mehreren Anträgen nicht mehr aufrechterhalten wird. Dabei kann es sich um teilweise Klagerücknahmen oder teilweise Erledigungserklärungen handeln. Während Erledigungserklärungen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ohne Zustimmung zulässig sind, sind Klagerücknahmen nach § 269 Abs. 1, 2 ZPO ohne Zustimmung nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zulässig (Ausnahme: Qualifizierte Klagerücknahmen nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO).
Klagerücknahme (§ 269 ZPO): Reduzierung Klageforderung vor Beginn mündlicher Verhandlung
Fall: K klagt zunächst 10.000 € ein, reduziert dann vor Beginn der mündlichen Verhandlung ohne Angabe von Gründen auf 5.000 €. Der Beklagte widerspricht.
Dem Kläger steht es frei, gem. § 264 Nr. 2 ZPO seinen ursprünglichen Antrag in der Hauptsache zu beschränken. Die in der Reduzierung liegende Klagerücknahme ist vor Beginn der mündlichen Verhandlung ohne Einwilligung des Beklagten i. S. v. § 269 Abs. 1 ZPO zulässig.
Hinweis: Die Reduzierung der Klageforderung auf einen Betrag unterhalb des Zuständigkeitsstreitswerts für Landgerichte ist wegen § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO unbeachtlich.
Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO
§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO berührt die umstrittene Frage der „Erledigung“ des Rechtsstreits zwischen Anhängigkeit (Einreichung der Klage) und Rechtshängigkeit (Zustellung der Klage), Die Erledigung heißt hier „Wegfall des Klageanlasses“. Die Vorschrift eröffnet dem Kläger die Möglichkeit, durch eine Klagerücknahme im laufenden Verfahren eine Entscheidung über die Kosten des zurückgenommenen Teils oder bei einer vollständigen Rücknahme der gesamten Kosten zu erreichen.
Sofern den Kläger kein Verschulden an der fehlenden Kenntnis trifft, kann er bei fehlender Kenntnis auch dann einen Kostenbeschluss über § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO erwirken, wenn der Klageanlass bereits vor Rechtshängigkeit weggefallen ist, er aber erst nach Rechtshängigkeit Kenntnis davon erlangt.
Bei Wegfall des Klageanlasses vor Rechtshängigkeit hat der Kläger die Wahl zwischen einer Klagerücknahme mit Kostenentscheidung gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO und der Umstellung seiner Klage in eine Feststellungsklage auf Kostentragung des Beklagten.
Bei Wegfall des Klageanlasses nach Rechtshängigkeit hat der Kläger keine Wahl. Er muss den Rechtsstreit für erledigt erklären und sich bei Zustimmung des Beklagten mit der Billigkeitsentscheidung nach § 91a ZPO begnügen.
Fall: K verlangt vom Beklagten Zahlung von 10.000 €. Nach Einreichung aber vor Zustellung der Klage zahlt der Beklagte 5.000 €. Der Kläger nimmt daraufhin die Klage in Höhe des gezahlten Betrages zurück, verlangt die restlichen 5.000 € und beantragt, dem Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Die Klage ist und war voll begründet.
„[Begründung verbleibender Anspruch über 5.000 €]
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1, § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO.
Soweit der Kläger die Klage teilweise zurückgenommen hat, waren dem Beklagten auch die auf diesen Teil der Klage entfallenen Kosten aufzuerlegen. Dies folgt aus § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich die Kostentragungspflicht bei Wegfall des Klageanlasses vor Rechtshängigkeit und anschließender Klagerücknahme hinsichtlich des auf den zurückgenommenen Teils der Klage entfallenden Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Danach hat der Beklagte auch den auf die teilweise Klagerücknahme entfallenden Teil der Kosten zu tragen. Durch die Zahlung von 5.000 € am […], also vor Zustellung der Klage am […], ist der Anlass zur Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen. Die Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes ergibt, dass […]“
Hinweis: Anstelle der Klagerücknahme kann der Kläger in diesem Fall auch die Klage umstellen und neben dem restlichen Zahlungsantrag einen Antrag auf Feststellung der Kostentragungspflicht des Beklagten aus Verzug stellen. Es liegt dann eine nachträgliche, objektive Klagehäufung gem. § 261 Abs. 2, § 160 ZPO, verbunden mit einer zulässigen Klageänderung nach § 263 Alt. 2 ZPO vor. Das RSB liegt trotz § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO vor, wie Wortlaut dort Wahlrecht einräumt. Feststellungsinteresse folgt aus Kosteninteresse.
Was passiert, wenn der Klageanlass vor Rechtshängigkeit vollständig wegfällt?
Es wird gem. § 269 Abs. 4 ZPO auf Antrag durch Beschluss über die Kostentragungspflicht bezüglich der gesamten Kosten des Rechtsstreits entschieden. Aufbau und Inhalt entsprechen § 91a-Beschlüssen (siehe Skript „Erledigung“). Die Parteien heißen Kläger und Beklagter; dies gilt auch dann, wenn Klage nicht zugestellt wurde und deshalb kein Prozessrechtsverhältnis entstanden ist (§ 269 Abs. 3 S. 3 Hs. 2 ZPO).
Erledigung: Einseitige Teilerledigungserklärung
Fall: K klagt 10.000 € ein. Der Beklagte zahlt nach Rechtshängigkeit 3.000 €. Der Kläger erklärt die Hauptsache i. H. v. 3.000 € für erledigt und beantragt, den Beklagten zur Zahlung weiterer 7.000 € zu verurteilen. Der Beklagte widerspricht der Erledigungserklärung und beantragt Klageabweisung.
I. Zulässigkeit der Klage
[…]
2. Zulässigkeit der Antragsumstellung nach § 264 Nr. 2 ZPO
„Es steht dem Kläger frei, seine ursprünglich auf Zahlung von 10.000 € gerichtete Klage teilweise in der Hauptsache für erledigt zu erklären, nachdem der Beklagte [erledigendes Ereignis]. Durch die teilweise Erledigungserklärung hat der Kläger einen Teil seiner ursprünglichen Leistungsklage in eine Feststellungsklage geändert. Die Umstellung des Antrags, mit der der Kläger bei verständiger Auslegung analog §§ 133, 157 BGB die Feststellung begehrt, dass der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt ist, stellt sich als zulässige Beschränkung des früheren Antrags nach § 264 Nr. 2 ZPO dar, die der Zustimmung des Beklagten nach § 269 ZPO nicht bedarf.
3. Zulässigkeit der nachträglichen, kumulativen Klagehäufung
„Die in der Antragsänderung liegende nachträgliche, objektive, kumulative Klagehäufung gem. § 260 ZPO ist ebenfalls ohne Zustimmung des Beklagten zulässig. Aus § 261 Abs. 2 ZPO folgt die grundsätzliche Zulässigkeit der nachträglichen Klagehäufung. Die darin liegende Klageänderung ist nach § 263 Alt. 2 ZPO sachdienlich, denn das bisherige Prozessergebnis ist verwertbar, und durch die Entscheidung auf der geänderten Grundlage wird ein weiterer Rechtsstreit vermieden.“ [Anm.: Nochmalige Klageänderung erscheint dogmatisch durchaus schlüssig, wird aber in keiner Weise irgendwo erwähnt; vielleicht besser weglassen]
4. Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO)
→ abschließende Entscheidung über die gesamten Kosten
Begründung Kosten und Vollstreckung
→ Hier keine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO (kein Teil einer übereinstimmenden Erledigungserklärung), daher kann insgesamt nach den herkömmlichen Regeln die Kosten verteilt werden
Erledigung: Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung
Fall: K klagt 6.000 € vor LG ein. Der Beklagte zahlt nach Rechtshängigkeit alles, erklärt aber Vorbehalt der Rückzahlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. K erklärt den Rechtsstreit für erledigt, der Beklagte widerspricht der Erledigungserklärung und beantragt Klageabweisung.
Die Zahlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht führt grundsätzlich nicht zu einer Erfüllung und deshalb auch nicht Erledigung, es sei denn, der Beklagte will nur die Wirkung von § 814 BGB ausschließen. Soweit er aber die Forderung bestreitet und dem Kläger die Beweislast aufbürdet, liegt keine Erfüllung vor. Gleiches gilt, wenn der Beklagte zur Abwendung der Vollstreckung zahlt oder um den Kläger zur Rücknahme der Klage zu veranlassen. Soweit der Kläger aber nach der Zahlung die Erledigung erklärt, liegt darin konkludent eine Aufrechnungserklärung, die dazu führt, dass sich der Rechtsstreit doch erledigt.
Erledigung: Aufrechnung
Führt Aufrechnung dazu, dass Klage ursprünglich begründet war?
Fall: Aufrechnung wird nach Rechtshängigkeit erklärt, Aufrechnungslage bestand aber bereits vor Rechtshängigkeit.
Meinung 1: Rückwirkendes Erlöschen (§ 389 BGB), daher keine Erledigung nach Rechtshängigkeit
Meinung 2 (BGH): Aufrechnungserklärung als rechtsgestaltende Erklärung = erledigendes Ereignis.
→ materiellrechtliche Wirkung (Erlöschen) tritt erst durch Aufrechnungserklärung ein
→ Fiktion („gilt“) in § 389 BGB ändert daran nichts
→ weder die Abwägung der Interessen der Beteiligten noch sonstige Billigkeitserwägungen vermögen ein abweichendes Ergebnis zu rechtfertigen; vielmehr würde Kläger anderenfalls mit unbilligen Kosten belastet werden (vgl. §§ 91, 91a, 269 Abs. 1, Abs. 3 S. 3 ZPO)
Hinweis: Bei Vollstreckungsabwehrklage stellt BGH für Präklusion i. S. v. § 767 Abs. 2 ZPO aber auf die Aufrechnungslage ab (nicht auf die Erklärung), um die Rechtskraft des Urteils zu schützen.
Erledigung: Einseitige Erledigungserklärung vor unzuständigem Gericht
Nach neuerer BFH-Rechtsprechung ist eine Feststellung der Hauptsacheerledigung bei einer Klage vor einem unzuständigen Gericht nur dann erfolgreich, wenn der Kläger einen Verweisungsantrag vor dem erledigenden Ereignis gestellt hat. Anderenfalls ist seine Feststellungsklage unbegründet.
Arg.:
→ § 281 Abs. 3 ZPO gebietet keine andere Lösung, da der Vorschrift nicht zu entnehmen ist, dass der Kläger nur die Kosten der Anrufung eines unzuständigen Gerichts zu tragen habe
→ Wertung des § 91a ZPO: In der dort zu treffenden Entscheidung spielen grundsätzlich heilbare Zulässigkeitsmängel keine Rolle; wegen vergleichbaren Billigkeitsgedanken auf einseitige Erledigung übertragbar.
Erledigung: Übereinstimmende Erledigungserklärungen
Allgemeines
Grundlagen: Prozessuale Erklärung; bewirkt Beendigung des Prozesses unabhängig davon, ob erledigendes Ereignis vorliegt (Dispositionsmaxime). Prüfung: Nur wirksame (Erledigungs-)Prozesserklärungen, nicht ob ein erledigendes Ereignis vorliegt. Fiktion einer Erledigungserklärung des Beklagten, wenn nicht binnen Notfrist von zwei Wochen widerspricht bei Hinweis (§ 91a Abs. 1 S. 2 ZPO)
Wie ist das Urteil bei übereinstimmenden Teilerledigungserklärungen aufzubauen?
Grundlagen: Es wird ganz ein Urteil (wegen Einheit der Kostentragung!) geschrieben, aber hinsichtlich des erledigt erklärten Teils ist die Kostenentscheidung zu begründen. Dies ist erforderlich, weil der darauf entfallende Teil der Kostenentscheidung gem. § 91a Abs. 2 ZPO isoliert mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist.
Klausuraufbau: Enthält Hauptsache-, Kosten- und Vollstreckungstenor. Aber: Der übereinstimmend für erledigte Teil darf im Hauptsachetenor nicht mehr auftauchen, weil er nicht mehr rechtshängig ist. Verbleibender Teil des Rechtsstreits in der Hauptsache bleibt unverändert: Hauptentscheidung zu diesem Teil erforderlich.
Hauptsachetenor: → nur hinsichtlich verbleibenden Teils!
Kostentenor: → wie üblich
Vollstreckungstenor → wie üblich
Streitwert: Wert des Restes der Klage ohne die auf den erledigten Teil anfallenden Kosten
Wie ist der Beschluss bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen aufzubauen?
Die Erledigung tritt durch Entscheidung der Parteien, nicht durch das Gericht ein. Nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO ist nur noch über Kosten durch Beschluss zu entscheiden. Der Hauptsachetenor und der Tenor zur vorläufigen Vollstreckbarkeit entfallen also.
Aufbau Beschluss: Im Rubrum nicht „Im Namen des Volkes“ und es wird nicht „für Recht erkannt“, sondern „beschlossen“. Anschließend “Gründe” (Aufbau ähnlich wie Tatbestand, aber knapper; Schwerpunkt auf Wirksamkeit der Erledigungserkläung; anschließend summarische Prüfung für Kostenentscheidung [quasi Entscheidungsgründe])
Klagehäufung: Allgemeines
Objektive Klagehäufung liegt vor, wenn der Kläger im selben Verfahren mehrere prozessuale Ansprüche (=Streitgegenstände) geltend macht. Diese Mehrheit kann in drei Formen bestehen:
Kumulative Klagehäufung → Mehrere Streitgegenstände nebeneinander
Eventuelle Klagehäufung → Haupt- und Hilfsantrag (nacheinander)
Alternative Klagehäufung → Entweder/oder
§ 5 ZPO setzt „mehrere Ansprüche“ voraus, gilt daher nur bei kumulativer Klagehäufung! Bei eventueller und alternativer Klagehäufung will der Kläger nicht mehrere Ansprüche zugleich, sondern letztlich nur einen (Ausnahme: Unechte eventuale Klagehäufung)
Klagehäufung: Tenorierung bei Haupt- und Hilfsantrag
Fallgruppe 1: Über den Hilfsantrag ist nicht zu entscheiden
Fallgruppe 2: Es wird über Hilfsantrag entschieden und beide Anträge sind erfolglos
Fallgruppe 3: Hauptantrag erfolglos, Hilfsantrag voll erfolgreich
→ nur Tenorierung des Hauptantrags, nur Entscheidung über Kosten für Hauptantrag
→ Hilfsantrag bleibt auch für Gebühren außer Betracht
→ Hauptsachetenor: „Die Klage wird abgewiesen“ (umfasst beide Anträge)
→ Kostentenor: „Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits“ (umfasst Kosten für beide Anträge)
→ Hauptsachetenor: „Der Beklagte wird verurteilt, [Hilfsantrag]. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen [Hauptantrag].“
→ Kostentenor: Verhältnis zum Gebührenstreitwert (§ 45 GKG; regelmäßig keine Addition, sondern höherer Wert nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG)
! Ganz wichtig: Nie Klageabweisung vergessen, wenn es zur Entscheidung über Hilfsantrag kommt!
Klagehäufung: Kostenentscheidung bei Haupt- und Hilfsanträgen
Beispiel: Hauptforderung 10.000 €, hilfsweise 8.000 €. Nur Hilfsantrag (+)
Beispiel: Hauptforderung 10.000 €, hilfsweise 15.000 €. Nur Hilfsantrag (+)
Grundsatz: Höherer der beiden Einzelstreitwerte maßgebend für Streitwert (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG)
Ausnahme: Addition, wenn beide Anträge wirtschaftlich verschiedene Gegenstände betreffen (§ 45 Abs. 1 S. 2 GKG) (eher selten)
Hauptantrag bereits erfolgreich: Hilfsantrag nicht rechtshängig (Bedingung nicht eingetreten), maßgebend ist allein Streitwert des Hauptantrags
Hilfsantrag erfolgreich: Unterliegensquote abhängig davon, in welchem Umfang Streitwert des Hilfsantrags unter dem Wert des Hauptantrages liegt
→ Streitwert: 10.000 € (höherer Wert)
→ Kläger verliert Klage in Höhe von 2.000 €
→ Kläger trägt Kosten zu 20 %, Beklagter zu 80 %
→ Streitwert: 15.000 € (höherer Wert)
→ Beklagter verliert in voller Höhe
Klagehäufung: Echte Eventualklagehäufung
Wie ist ein Eventualklagehäufung im Tatbestand aufzubauen?
1. Einleitungssatz (mit Hinweis auf das Hilfsbegehren)
2. Unstreitiger Sachverhalt zum Hauptantrag
3. Streitiges Klägervorbringen zum Hauptantrag
4. Überleitung zum Hilfsbegehren
5. Unstreitiger Sachverhalt zum Hilfsantrag
6. Streitiges Klägervorbringen zum Hilfsantrag
7. Haupt- und Hilfsantrag des Klägers
8. Anträge des Beklagten
9. Streitiges Beklagtenvorbringen zum Hauptantrag
10. Streitiges Beklagtenvorbringen zum Hilfsantrag
11. Prozessgeschichte
Wie ist ein Eventualklagehäufung in den Entscheidungsgründen aufzubauen?
I. Zulässigkeit des Hauptantrags
II. Begründetheit des Hauptantrags (–)
III. Zulässigkeit der eventualen Klagehäufung
IV. Zulässigkeit Hilfsantrag
V. Begründetheit Hilfsantrag
Wie bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert?
Nicht § 5 ZPO! Höherer Wert nach herrschender Auffassung maßgebend (Arg.: Beide Ansprüche sind rechtshängig, dann kann der Hilfsantrag auch zur Streitwertermittlung herangezogen werden [auch wenn Rechtshängigkeit möglicherweise rückwirkend entfällt]; Prozessökonomie [Rechtsstreit müsste abgegeben werden, wenn über Hilfsantrag entschieden wird, der alleinig > 5.000 €]).
Ist eine Eventualklagehäufung mit Blick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig?
Auch der hilfsweise gestellte Antrag ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass dieser Antrag ein sog. echter Hilfsantrag ist, der für den Fall des Erfolgs des Hauptantrags gestellt wird. Er ist als Ausnahme von der grundsätzlichen Bedingungsfeindlichkeit von Anträgen nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil es sich bei der Bedingung um ein innerprozessuales Ereignis, die Unbegründetheit des Hauptantrags, handelt. Diese Bedingung bewirkt keine Rechtsunsicherheit wie sie § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verhindern soll, weil sie allein von der Entscheidung des erkennenden Gerichts abhängt.
Der erforderliche rechtliche oder wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Haupt- und Hilfsantrag folgt aus der Abhängigkeit des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs vom Bestehen des Hauptanspruchs.
Dem Kläger steht es auch frei, mehrere Ansprüche in einem Verfahren zu verbinden → § 260 ZPO
Bedingung eingetreten, wenn Hauptantrag teilweise erfolgreich?
Auslegung der Klageanträge danach, ob davon ausgegangen werden kann, dass Hilfsantrag noch gewünscht ist. Wenn etwa ein Hauptantrag wegen fehlerhafter Beratung gestellt wurde und ein Hilfsantrag wegen Nichteinlegung der Berufung bei fehlerfreier Beratung im Erstprozess, dann ist recht deutlich, dass über den Hilfsantrag nicht entschieden werden soll (kein Bedingungseintritt), wenn festgestellt wurde, dass fehlerhafte Beratung im Erstprozess und nur der Höhe nach ein geringerer Betrag als im Klageantrag zugesprochen wurde.
Abgrenzung zur Hilfsbegründung
Fall: Kläger begehrt Rückgabe der Kaufsache, weil er entweder wirksam zurückgetreten sei oder aus ungerechtfertigter Bereicherung, weil Vertrag unwirksam.
Die Klage ist zulässig. Der Kläger verstößt auch nicht gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 BGB, indem er eine weitere Hilfsbegründung vorträgt. Denn insoweit trägt er keinen veränderten Antrag und Lebenssachverhalt vor, sondern eine rechtliche Begründung, die allein Aufgabe des Gerichts und nicht der Parteien ist.
Abgrenzung: Alternative Häufung des Klagegrundes
Fall: Kläger stützt Klageforderung auf ein eigenes Recht aus Vertrag A oder ein abgetretenes Recht oder auf Vertrag B.
Hierbei handelt sich um Klagen mit versteckten Haupt- und Hilfsanträgen, die auf unterschiedliche Lebenssachverhalte gestützt werden. Es handelt sich um einen Hilfsantrag, weil etwa ein Berufen auf ein abgetretenes Recht nur geprüft werden soll, wenn nicht schon ein eigenes Recht besteht. Grundsätzlich dann normaler Aufbau Haupt- und Hilfsantrag.
Klagehäufung: Unechte Eventualklagehäufung
Hilfsantrag unter der Bedingung, dass Hauptantrag erfolgreich (selten), z. B. Hauptantrag auf Herausgabe PKW und Hilfsantrag auf Nutzungsentschädigung bei Erfolg Hauptantrag.
Hauptantrag nicht erfolgreich: Keine Klagehäufung (Bedingung nicht eingetreten), Klage in vollem Umfang unbegründet, Hilfsantrag wird nicht erwähnt
Wie bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert:
Zusammenrechnen (§ 5 Hs. 1 ZPO).
Der Drei-Stufen-Antrag: Leistung – Fristsetzung durch Gericht – Verurteilung bezüglich Sekundäranspruch bei Fristablauf
Fall: K verlangt Herausgabe einer Möhre (Klageantrag zu 1) und Schadensersatz nebst Zinsen (Klageantrag zu 2), wenn der Beklagte nicht innerhalb einer vom Gericht zu setzenden Frist (Klageantrag zu 3) die Sache Herausgibt.
Bedingung Klageantrag zu 2: Erfolg Klageantrag zu 1 (Herausgabe) (unechter Hilfsantrag)
Bedingung Klageantrag zu 2: Nichtleistung durch Beklagte innerhalb Frist: Zulässige Potestativbedingung (abhängig vom Verhalten des Gegners)
Grundlage: Der Kläger kann die o. g. Verbindung unter den Voraussetzungen der §§ 255, 259 ZPO stellen. Es handelt sich um einen unechten Hilfsantrag, der nur bei Erfolg des Hauptantrages zugesprochen wird. Die Besonderheit liegt darin, dass die Ansprüche im Erfolgsfall kumulativ zuerkannt, aber nur alternativ vollstreckt werden („Ersatzverurteilung“).
Hinweis: BGH hat klargestellt, dass ein Kläger, der in seiner Klage mit Antrag auf Ersatzverurteilung nicht deutlich macht, dass er sein Wahlrecht auf Vollstreckung der HGA oder des Schadensersatzes erst künftig ausüben will, mit der alternativen Antragsstellung sein Wahlrecht gem. § 281 Abs. 4 BGB ausgeübt hat (so bei Alpmann, Fall 8, Materielles Recht). Dort verbunden mit der Frage, ob der Kläger noch einen Anspruch auf Herausgabe hat, wenn Beklagter dem Herausgabeverlangen bis zur Frist nicht nachkommt und nach Fristablauf das Geld aus dem Schadensersatzanspruch überweise. Hier ist die Bedingung eingetreten, so dass das Wahlrecht aus § 281 Abs. 4 BGB ausgeübt wurde und der Antrag auf Herausgabe erloschen ist.
Formulierung
„Der Zulässigkeit des Klageantrag zu 2) steht es nicht entgegen, dass er unter der Bedingung des Erfolgs des Hauptantrages steht. Es handelt sich um einen zulässigen unechten Hilfsantrag, weil [s. o.].
„Nach § 255 Abs. 1 ZPO ist der Kläger befugt, im Urteil eine Frist bestimmen zu lassen, weil er nach seinem schlüssigen Vortrag nach fruchtlosem Fristablauf gem. § [….] i. V. m. §§ 281 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 BGB Schadensersatz verlangen kann.
Der Zulässigkeit steht es nicht entgegen, dass es sich um einen unechten Hilfsantrag handelt. Es handelt sich um einen Antrag, der in der Vollstreckung unter der Bedingung steht, dass der HGA innerhalb der gesetzten Frist nicht erfüllt ist. Dies stellt eine Potestativbedingung dar, die nicht im Widerspruch zu § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO steht, weil sein keine Rechtsunsicherheit bewirkt, weil sie nicht den Antrag selbst, sondern nur die Vollstreckung betrifft.
Der Zulässigkeit steht es auch nicht entgegen, dass es sich um eine künftige Leistung handelt. Dies ist gem. § 259 ZPO zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werden. Dies der Fall, weil der Beklagte durch sein bisheriges Verhalten die Vermutung begründet hat, er werde sich bei Fälligkeit des Schadensersatzanspruches auch dessen Erfüllung entziehen.
Klagehäufung § 260 ZPO (+)
Hinweis zur Frist: Angemessen = ein Monat, Beginn mit Rechtskraft des Urteils. Soweit Kläger Frist selbst bestimmt und zu kurz, wird sie vom Gericht unter Abweisung der Klage im Übrigen angemessen verlängert.
Hinweis: Rechtsschutzbedürfnis (+), auch wenn bereits außerprozessual eine Frist zur Primärleistung gesetzt wurde, weil durch erneute gerichtliche Fristsetzung Druck auf Beklagten ausgeübt werden kann (Interesse an Primärleistung)
Sonderfall bei § 985 BGB: Weitere Bedingung Erklärung Schadensersatzverlangen
[zunächst wie oben]
[Sonderfall zu § 985 BGB]: Der Zulässigkeit steht auch nicht § 281 Abs. 4 BGB entgegen. Es steht dem Kläger zu, die Klage unter der zulässigen Geltendmachung des Schadensersatzanspruches zu stellen, weil anderenfalls die materielle Rechtslage unterlaufen wird und das Interesse an der Primärleistung geschützt werden soll. Das Zielt der Vorschrift, den Schuldner davor zu bewahren, gleichzeitig auf Leistung und auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, ist zudem weiterhin gewahrt. Denn der Beklagte muss einen Schadensersatzanspruch erst befürchten, wenn dieser geltend gemacht wird, womit zugleich der HGA erlischt. Damit besteht nicht die Gefahr eine kumulativen Zwangsvollstreckung von HGA und Schadensersatz.
Aufrechnung
Wie ist die Aufrechnung im Hauptsachetenor zu berücksichtigen?
Kein eigener Ausspruch über die Aufrechnung, sondern nur „Rechenergebnis. Klageforderung 10.000 €, Aufrechnung 2.000 €: „K wird verurteilt, an K 8.000 € zu zahlen. Im Übrigen abgewiesen“
Wie ist die Aufrechnung im Kostentenor zu berücksichtigen?
Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 20.000 €.
Beispiel: Hauptforderung 10.000 €, begründet aber nur 5.000 €; Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 7.500 €.
Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit drei Forderungen von je 10.000 €. Forderung 1 (–), Forderung 2 (–), Forderung 3 (+)
Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 15.000 €, die aber nicht besteht
Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 15.000 €, die aber nur in Höhe von 5.000 € begründet ist
Streitwert erhöht sich um den Teil der Gegenforderung, über den rechtskraftfähig entschieden wird (§ 45 Abs. 3 GKG). Sofern Klage bereits scheitert, greift § 45 GKG nicht. Es bleibt dann beim Streitwert der Klage. § 45 Abs. 3 GKG findet also nur Anwendung, wenn das Gericht entscheidet, dass die streitige Gegenforderung des Beklagten nicht besteht, die Aufrechnung daran scheitert, dass die der Gegenforderung zugrunde liegenden Tatsachen verspätet sind oder die Gegenforderung bestand und die Klageforderung zum Erlöschen gebracht hat.
Rechtskraftfähig entschieden ist immer nur über den Teil, den das Gericht als nicht bestehend oder als durch Aufrechnung erloschen ansieht. Das bedeutet, dass die Forderung des Beklagten maximal in Höhe der Klageforderung erloschen sein kann.
→ Streitwert: 20.000 € (nicht 30.000 €, weil Gericht über Gegenforderung nur in Höhe von 10.000 € entscheidet)
Beispiel: Begründete Hauptforderung 10.000 €, Aufrechnung mit Forderung in Höhe von 7.500 €.
→ Streitwert: 17.500 €
→ Streitwert: 15.000 € (10.000 € Hauptforderung + 5.000 € Gegenforderung; nicht aber Gegenforderung in Höhe von 7.500 €, weil wenn über die Aufrechnung nur insoweit entschieden wird, wie überhaupt eine Klageforderung besteht)
→ Streitwert 40.000 €, weil auch über Forderungen, die nicht bestehen, rechtskraftfähig entschieden wurde
→ Kläger verliert in diesem Fall zu ¼, Beklagter zu ¾
→ Streitwert 20.000 €, „Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.“
→ Streitwert 20.000 € (Gericht hat über Gegenforderung zwei mal in Höhe von 5.000 € entschieden, nämlich i. H. v. 5.000 € (Nichtbestehen der Gegenforderung) und nochmal i. H. v. 5.000 € (Bestehen der Gegenforderung)
→ Beklagter hat in Höhe von 15.000 € verloren (3/4), Kläger in Höhe von 5.000 € (1/4)
Aufrechnung: Tatbestand
Wie ist der Tatbestand bei Aufrechnung aufzubauen?
1. Einleitungssatz
2. Unstreitiger Sachverhalt zu Klageforderung und Gegenforderung (sofern derselbe Sachverhalt)
3. Streitiger Klägervortrag zur Klageforderung (entfällt bei Primäraufrechnung)
4. Klageantrag (des Klägers)
5. Antrag des Beklagten zur Klage (Klageabweisung)
6. Streitiges Beklagtenvorbringen zur Klageforderung
7. Überleitung zur (Hilfs-)Aufrechnung („Hilfsweise erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit einer Forderung aus […])
8. Unstreitiger Sachverhalt zur Gegenforderung
9. Streitiges Beklagtenvorbringen zur Gegenforderung
10. Streitiges Klägervorbringen zur Gegenforderung
Wie ist der Tatbestand bei Aufrechnung aufzubauen, wenn Beklagter zugleich eine Widerklage mit der Gegenforderung erhebt?
7. Überleitung zur Hilfsaufrechnung („Hilfsweise erklärt der Beklagte die Aufrechnung mit einer Forderung aus […])
11. Überleitung zur Wiederklage(„Die Forderung, mit der der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung erklärt hat, macht er zudem hilfsweise widerklagend geltend“)
12. Anträge zur Widerklage (eingerückt)
13. Sachvortrag zur Widerklage entfällt (sofern identischer Sachverhalt; dann: „Die Parteien nehmen insoweit Bezug auf ihren Vortrag zur Hilfsaufrechnung.“)
14. Prozessgeschichte
Sonderkonstellation: Klage mit Hilfsaufrechnung, Widerklage und unbedingter Widerklage
Fall: Klageforderung 10.000 €. Beklagter will mit einen Gegenforderung von 30.000 € aufrechnen, wobei 20.000 € auf jedenfall widerklagend geltend gemacht werden sollen (unbedingt) und die verbleibenden 10.000 € sollen widerklagend geltend gemacht werden, wenn Klageforderung scheitert, ohne dass Hilfsaufrechnung zum Zuge kommt.
Überleitungssatz: „Die Forderung, mit der der Beklagten hilfsweise aufrechnet, macht er zudem in Höhe der Klageforderung hilfsweise, im übrigen unbedingt widerklagend geltend.
Anträge:
Der Beklagte beantragt, den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten 20.000 € nebst Zinsen […] zu zahlen,
hilfsweise den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten weitere 10.000 € nebst Zinsen […] zu zahlen.
Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Aufrechnung: Hilfsaufrechnung
Was ist in den Entscheidungsgründen anzusprechen?
Kein Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil innerprozessuale Bedingung.
Gegenforderungen in einem anderen Rechtsstreit rechtshängig
Einwand entgegenstehender Rechtskraft (§ 263 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) (–), weil die zur Aufrechnung gestellte Forderung nicht rechtshängig wird.
→ § 253 ZPO spricht nur von Geltendmachung einer Klageforderung, nicht allerdings von der Aufrechnung
→ Es fehlt an einer Regelung wie § 322 ZPO, die ausdrücklich die Rechtskraft bei Aufrechnung regelt, für die Rechtshängigkeit der Aufrechnung
Kann mit einer Gegenforderung aufgerechnet werden, für die ein anderes Gericht zuständig ist?
Beispiel: Aufrechnung mit einer Forderung aus Arbeitslohn (ArbG) im allg. Zivilprozess
1. Rechtskräftig festgestellte oder unstreitige Forderungen
→ anerkannt, dass diese uneingeschränkt auch im Wege einer Aufrechnung vor einem Gericht eines anderen Rechtsweges geltend gemacht werden können
2. Streitige Forderungen
→ Ansicht 1: uneingeschränkt zulässig wegen § 17 Abs. 2, § 17a Abs. 6 GVG
→ Ansicht 2 (BAG): Grundsätzlich ausgeschlossen (abzulehnen wegen fehlender Praktikabilität, Verzögerungen)
→ Ansicht 3 (BGH): restriktive Auslegung von § 17 Abs. 2 GVG, da anderenfalls verfassungswidrig wegen Entzug gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG): Forderungen vor FamG und ArbG dürfen im Zivilprozess aufgerechnet werden; andere Forderungen nicht!
Widerklage
Wie erfolgt die Kostenentscheidung bei Klage und Widerklage?
Beispiel: Streitwert Klage 10.000 €, Streitwert Widerklage 5.000 €. Erfolg Klage 5.000 €, Erfolg Widerklage 2.500 €.
Gebührenstreitwert: in der Regel Summe der Einzelstreitwertwerte (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG; anders bei Zuständigkeitsstreitwert [§ 5 Hs. 2 ZPO])
Addition nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG – derselbe Streitgegenstand – eher selten (Beispiel: Klage nach § 771 ZPO, weil Kläger behauptet, Inhaber der Forderung zu sein, und der beklagte Pfändungsgläubiger widerklagend die Freigabe des hinterlegten Betrages geltend macht).
Beachte: Beim Ausspruch über vorläufige Vollstreckbarkeit ist der Gebührenstreitwert (nicht der Zuständigkeitsstreitwert) zugrunde zu legen.
→ Streitwert: 15.000 €
→ Kläger verliert Klage in Höhe von 5.000 € und Widerklage in Höhe von 2.500 € = 7.500 €
→ Kostenaufhebung oder Quotelung zu 50 %
Widerklage: Tatbestand
Wie ist der Tatbestand bei einer Widerklage aufzubauen?
2. Unstreitiger Sachverhalt zu Klage
3. Streitiges Klägervorbringen zur Klage
4. Antragsgebundene Prozessgeschichte
5. Klageantrag (des Klägers)
6. Antrag des Beklagten zur Klage
7. Streitiges Beklagtenvorbringen zur Klage
8. Prozessuale Überleitung zur Widerklage
9. Unstreitiger Sachverhalt zur Widerklage
10. Streitiges Beklagtenvorbringen zur Widerklage
11. Widerklageantrag des Beklagten
12. Antrag des Klägers zur Widerklage
13. Streitiges Klägervorbingen zur Widerklage
14. Prozessgeschichte zu Klage und Widerklage
Hinweis: Bei sachverhaltsverwandter Widerklage kann auch gemeinsame Sachverhaltsdarstellung erfolgen (zum Aufbau siehe Skript).
Widerklage: Entscheidungsgründe (Zulässigkeit)
Wie bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit bei der Widerklage?
Grundsätzlich Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach allg. Vorschriften wie §§ 12, 13 ZPO oder § 32 ZPO, bei Verkehrsunfällen aus § 20 StVG, bei rügeloser Einlassung auch § 39 S. 1 ZPO. § 33 ZPO kann dann isoliert als ggf. zusätzliche besondere Prozessvoraussetzung angesprochen werden (s. u.).
Sofern die allg. Vorschriften nicht greifen, kann die örtliche Zuständigkeit anhand von § 33 ZPO als besonderer Gerichtsstand für konnexe Widerklagen begründet werden.
„Zusammenhang“ weit auszulegen. (+), sofern Ansprüche auf ein gemeinsames Rechtsverhältnis zurückzuführen sind → innerlich zusammengehöriges einheitliches Lebensverhältnis
→ Zusammenhang kann mit dem Streitgegenstand bestehen oder mit Verteidigungsmitteln (z. B. bei Aufrechnung mit einer Forderung, die die Klageforderung übersteigt, und Widerklage auf überschießenden Teil)
→ Sofern Voraussetzungen nach § 33 ZPO (–): Häufig rügelose Verhandlung (§ 39 ZPO)
Wie ermittelt sich der Zuständigkeitsstreitwert bei der Widerklage?
Fall: K verlangt vom Beklagte vor dem für beide Parteien als Gericht des Wohnsitzes örtlich zuständigen LG die Zahlung eines restlichen Kaufpreises von 6.000 €. Der Beklagte begehrt widerklagend die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung von 1.000 € wegen Rücktritts.
Keine Addition der Streitwerte (§ 5 Hs. 2 ZPO) (anders bei Gebührenstreitwert nach § 45 Abs. 1 S. 1 GKG). Sofern aber Hauptsachantrag bereits wegen der Höhe beim Landgericht, umfasst dies auch die Zuständigkeit des Landgerichts für die Widerklage (auch wenn Widerklage eigentlich beim AG wäre).
Zum Fall:
Das Landgericht ist für die Klage auch sachlich zuständig, obwohl deren Streitwert die Zuständigkeitsgrenze von 5.000 € gem. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG nicht erreicht. Aus der gesetzlichen Regelung in §§ 33 ZPO, wonach Klage und Widerklage miteinander verbunden werden können, und dem aus §§ 504, 506 ZPO zu entnehmenden Grundsatz, dass das angerufene Gericht für den gesamten Rechtsstreit zuständig ist, folgt, dass bei Rechtsstreitigkeiten vor dem LG die sachliche Zuständigkeit der Widerklage der sachlichen Zuständigkeit der Klageforderung folgt.
Hinweis: Sofern Klage vor AG, aber Widerklage > 5.000 €, muss der Rechtsstreit gem. § 506 ZPO an LG verwiesen werden.
Was sind die besonderen Prozessvoraussetzungen der Widerklage?
I. Rechtshängigkeit einer Hauptklage
II. Selbständiger Streitgegenstand (keine entgegenstehende Rechtshängigkeit)
III. Dieselbe Prozessart
IV. Parteiidentität
V. § 33 ZPO (str.)
Stellt die Konnextität nach § 33 ZPO eine besondere Prozessvoraussetzung dar?
Str.: Nach h. M. nein → § 33 ZPO regelt nur Gerichtsstand; Argument: Stellung des § 33 ZPO, Wortlaut.
Konnexität (+), wenn zwischen Klage und Widerklage ein innerlich zusammengehöriges, einheitliches Lebensverhältnis besteht, das es als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen ließe, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und verwirklicht werden könnte.
Streit kann ganz regelmäßig dahinstehen, weil entweder Zusammenhang ohnehin (+) oder rügelöse Einlassung des Widerbeklagten nach § 295 ZPO
„Die Frage, ob für die Widerklage als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung ein prozessualer Zusammenhang zwischen ihr und dem mit der Klage geltend gemachten Anspruch erforderlich ist, kann dahinstehen, da die in der Klage und Widerklage erhobenen Ansprüche dem gleichen Rechtsverhältnis entspringen und eine solche Konnexität daher vorliegt.“
Widerklage: Entscheidungsgründe (Begründetheit)
Wie sind die Entscheidungsgründe aufzubauen?
Ergebnis von Klage und Widerklage voranstellen
I. Die Klage
1. Zulässigkeit
2. Begründetheit (einschl. Nebenforderungen, wie z. B. Zinsen)
II. Die Widerklage
1. Zulässigkeit → „Besondere Prozessvoraussetzungen der Widerklage“ (s. u.) ansprechen
2. Begründetheit (einschl. Nebenforderungen wie z. B. Zinsen)
III. Nebenentscheidungen
1. Kosten (§§ 91 ff. ZPO)
2. Vorläufige Vollstreckbarkeit (§§ 708 ff. ZPO)
3. Ggfs. Rechtsbehelfsbelehrung (§ 232 ZPO)
Widerklage: Drittwiderklage
Wann ist eine Drittwiderklage zulässig? Wobei handelt es sich dabei rechtlich betrachtet?
Beispiel: K verklagt B auf Schadensersatz aus Verkehrsunfall vor dem Gericht, in dessen Bezirk der Unfall stattgefunden hat. B erhebt Widerklage auf Ersatz Schaden gegen K und dessen Haftpflichtversicherung D, die ihren Wohnsitz in einem anderen Bezirk haben.
Zulässigkeit
→ (+), wenn Widerklage vom Beklagten erhoben und sich zumindest auch gegen den Kläger richtet
→ Einbeziehung des Dritten ist dann eine nachträglich begründete Streitgenossenschaft und eine gewillkürte Parteierweiterung, also eine Klageänderung
→ Voraussetzungen einer nachträglichen Parteierweiterung müssen vorliegen → §§ 263 ff. ZPO analog
Aufbau in den Entscheidungsgründen
I. Klage
II. Widerklage gegen K
III. Streitgenössische Widerklage gegen D (Einwilligung des D oder sachdienlich)
Es handelt sich streng genommen nicht um eine Widerklage: § 33 ZPO ist nicht anwendbar, örtliche Zuständigkeit nach §§ 12 ff. ZPO oder infolge rügeloser Einlassung (§ 39 ZPO)
Hinweis: Wegen subjektiver Klagehäufung muss auch kurz § 260 ZPO analog angesprochen werden.
Musterformulierung:
Der Beklagte kann auch die Haftpflichtversicherung des Klägers als weitere Widerbeklagte in den Prozess einbeziehen. Der für Widerklagen geltende Grundsatz der Parteiidentität gilt bei streitgenössischen Drittwiderklagen nur mit der Einschränkung, dass sich die Widerklage auch gegen den Kläger richten muss. Denn es handelt sich um eine nachträglich begründete Streitgenossenschaft und eine gewillkürte Parteierweiterung, so dass nur die Voraussetzungen der §§ 59, 60 ZPO und die Voraussetzungen einer Klageänderung vorliegen müssen. Dies ist hier auch ohne Einwilligung des streitgenössischen Widerbeklagten der Fall, weil die Einbeziehung des Drittwiderbeklagten in den Rechtsstreit sachdienlich i. S. v. § 263 Alt. 2 ZPO, da der bisherige Prozessstoff verwertbar ist. Denn […].
Die Zulässigkeit der durch die Einbeziehung entstandenen nachträglichen, subjektiven Klagehäufung folgt aus § 260 ZPO.
Widerklage: Isolierte Drittwiderklage
Ist eine isolierte DWK zulässig, und falls ja, unter welchen Voraussetzungen?
Grundsätzlich unzulässig, weil Widerklage sich nicht auch gegen den Kläger richtet (nur das ermöglicht die Parteierweiterung). BGH hat aber Ausnahmen zugelassen und der Voraussetzungen
1. Enge Verknüpfung der Streitgegenstände (mehr als Konnextität) (Arg. identischer Sachverhalt, enge tatsächliche und rechtliche Verknüpfung)
2. Keine Beeinträchtigung schützenswerter Interessen des Dritten (Arg. Aufspaltung in zwei Prozesse keine Nachteilige, sondern führte sogar zu Mehrbelastungen und Risiko einander widersprechender Entscheidungen)
3. Voraussetzungen der Klageänderungen (Einwilligung des Dritten bzw. Sachdienlichkeit)
Fall: Der Hund des B hat den K gebissen. Der Vater des K hat den Hund mit einem Stock vertrieben und ihn dabei verletzt. Der Beklagte – vom Kläger auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt – verlangt widerklagend Ersatz der Tierarztkosten vom Vater das Klägers, der in einem anderen Gerichtsstand wohnt.
„Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts folgt aus § 33 ZPO, der analog auf Drittwiderbeklagte Anwendung findet.
Der Zulässigkeit steht auch nicht das grundsätzlich Verbot entgegen, im Wege der Widerklage ausschließlich einen bislang nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten zu verklagen. Zwar grundsätzlich Parteiidentität (–). Unter Berücksichtigung des prozessökonomischen Zwecks der Widerklage, eine Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen über einen einheitlichen Lebenssachverhalt und die damit einhergehende Gefahr widersprechender Entscheidungen über zusammengehörende Ansprüche zu ermöglich, hat der BGH jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen. Die Zulässigkeit einer isolierten Drittwiderklage ist in der Rechtsprechung dann bejaht worden, wenn eine enge Verknüpfung der Streitgegenstände besteht, keine schutzwürdigen Interessen des Drittwiderbeklagten durch dessen Einbeziehung in den Rechtsstreit verletzt werden und die Voraussetzungen der der nachträglichen Parteierweiterung (Klageänderung) vorliegen. Vorliegend sind die Streitfragen derart miteinander verknüpft, dass durch eine Konzentration der Rechtsfragen bei einem Gericht divergierende Entscheidungen vermieden werden können. Eine Verletzung schutzwürdiger Interessen des Drittwiderbeklagten ist nicht ersichtlich. Ferner ist die nachträgliche Parteierweiterung auch sachdienlich gem. § 263 Alt. 2 ZPO, denn […].“
Kläger tritt in gewillkürter Prozessstandschaft auf
Fall: K macht gegen B eine Werklohnforderung geltend, die er zuvor zur Sicherheit an die Bank abgetreten hat. Diese hat ihn, nach dem der Beklagte die Zahlung verweigert hat, zur Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen ermächtigt. Der Beklagte erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit berechtigten Schadensersatzersatzansprüchen aus einem eigenen Vertragsverhältnis mit der Bank, die den eingeklagten Betrag übersteigen. Wegen des übersteigenden Betrages erhebt er Widerklage gegen die Bank, die der Einbeziehung in den Rechtsstreit widerspricht.
Wenn der Kläger in Prozessstandschaft klagt und der Beklagte einen Anspruch gegen den materiellen Rechtsinhaber hat, kommt eine Widerklage gegen den Kläger wegen dieses Anspruchs nicht in Betracht, da sich der Anspruch nicht gegen ihn richtet (keine passive Prozessstandschaft). Der Beklagte kann aber mit diesem Anspruch aufrechnen oder gegen den materiellen Rechtsinhaber eine isolierte Drittwiderklage erheben. Bei gewillkürter Prozessstandschaft kann aber die erforderliche Konnexität zweifelhaft sein, weil mögliche Ansprüche gegen den materiellen Rechtsinhaber (z. B. die Bank) in der Regel nicht mit dem klageweisen geltend gemachten Anspruch (z. B. einer Werklohnforderung) zusammenhängen dürften. Die Konnexität kann aber in diesen Fällen durch eine gegen den Kläger primär oder hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einer Forderung gegen den materiellen Rechtsinhaber hergestellt.
I. Zulässigkeit der Klage (+)
II. Begründetheit der Klage (–), weil erloschen durch Aufrechnung [Zulässigkeit der Hilfsaufrechnung ansprechen, § 253 Abs.2 Nr. 2 ZPO]
III. Zulässigkeit der Widerklage
Die Widerklage in Gestalt der sog. isolierten Drittwiderklage ist ebenfalls zulässig.
Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 33 ZPO analog.
[Darstellung allg. Voraussetzung der isolierten Drittwiderklagen siehe oben]. Der innere Zusammenhang zwischen Klage und Widerklage liegt darin, dass die von dem Beklagten geltend gemachte Gegenforderung sowohl den eingeklagten Teil als auch deren restlichen widerklageweise geltend gemachten Teil betrifft. Das angerufene Gericht muss den Bestand der Gegenforderung im Rahmen der Aufrechnung ohnehin prüfen, so dass es sachdienlich ist, die Widerklage zuzulassen.
Ferner ist die nachträgliche Parteierweiterung auch sachdienlich gem. § 263 Alt. 2 ZPO, denn […].“
Widerklage: Hilfswiderklage
Ist eine Hilfswiderklage zulässig?
Grundlagen: Die Erhebung der Widerklage kann von verschiedenen innerprozessualen Ereignissen abhängig gemacht werden, z. B. dem Erfolg der Klage in einer bestimmten Höhe oder dem grundsätzlichem Erfolg eines Antrags. Es ist dann stets der Klassiker „Zulässigkeit bei innerprozessualer Bedingung“ i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO anzusprechen.
Eine häufige Konstellation ist eine Kombination von Hilfsaufrechnung und Hilfswiderklage.
Widerklage: Hilfswiderklage und Hilfsaufrechnung
Fall: Hilfsaufrechnung und Hilfswiderklage (Grundfall)
Der Beklagte macht dieselbe Forderung, mit der er bereits hilfsweise die Aufrechnung erklärt hat, in demselben Rechtsstreit hilfsweise widerklagend geltend. Die Klageforderung scheitert bereits an den primär vorgebrachten Einwendungen des Beklagten.
II. Begründetheit der Klage (–) (Hilfsaufrechnung kommt nicht zum Tragen)
[Örtliche Zuständigkeit]
„Der Umstand, dass die Widerklage unter der Bedingung erhoben ist, stellt kein Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dar. Die Bedingung ist ein innerprozessuales Ereignis, da die Erfolglosigkeit der Klage allein von der Entscheidung des erkennenden Gerichts abhängt und keine Rechtsunsicherheit bewirkt, wie sie § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verhindern soll.
Der Erhebung steht nicht entgegen, dass der Beklagte den hilfsweise widerklagend erhobenen Anspruch gleichzeitig hilfsweise im Wege der Aufrechnung erklärt hat. Die im Prozess erklärte hilfsweise Aufrechnung führt nicht zu einer anderweitigen Rechtshängigkeit i. S. v. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO.
Da die Widerklage durch die Hilfsaufrechnung Teil des Rechtsstreits und damit konnex ist, kann es dahinstehen, ob Konnexität grundsätzlich eine besondere Sachurteilsvoraussetzung von Widerklage ist oder ob § 33 ZPO lediglich die besondere örtliche Zuständigkeit von konnexen Widerklagen regelt.
Auch Parteiidentität und das allg. RSB für eine Widerklage liegen vor.
Fall II: Bedingung für Hilfswiderklage tritt nicht ein
Der Beklagte macht dieselbe Forderung, mit der er bereits hilfsweise die Aufrechnung erklärt hat, in demselben Rechtsstreit hilfsweise widerklagend geltend. Die Klage ist schlüssig und – isoliert betrachtet – begründet. Die Gegenforderung besteht auch.
II. Begründetheit der Klage
„Die dem Kläger ursprünglich zustehende Forderung ist durch die vom Beklagten wirksam erklärte Aufrechnung gem. § 389 BGB erloschen. [Hilfsweise Aufrechnung kein Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und § 388 S. 2 BGB, siehe Skript „Aufrechnung“]“
Wichtig: Hilfswiderklage wird mit keinem Wort erwähnt!
Fall III: Klageforderung nur teilweise begründet, Gegenforderung übersteigt sie
Der Beklagte macht dieselbe Forderung, mit der er bereits hilfsweise die Aufrechnung erklärt hat, in demselben Rechtsstreit hilfsweise widerklagend geltend. Die Klage ist isoliert betrachtet nur zur Hälfte und die gleich hohe Gegenforderung in vollem Umfang begründet.
II. Begründetheit der Klage: i. H. v. 50 %, aber insoweit auch erloschen durch Aufrechnung
[Kein Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 und § 388 S. 2 BGB]
[Bestehen der Gegenforderung, Wirkung der Aufrechnung gem. § 389 BGB]
III. Zulässigkeit Widerklage mit restlichem Teil
[örtliche Zuständigkeit]
[Keine entgegenstehende Rechtskraft nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO wegen Hilfsaufrechnung]
[Konnexität als besondere Sachurteilsvoraussetzung kann dahinstehen]
[Parteiidentität und RSB]
Die Voraussetzung für die Entscheidungsbefugnis des Gerichts über die Hilfswiderklage ist auch gegeben, weil die von dem Beklagten gesetzte Bedingung eingetreten ist. Dem Antrag des Beklagten, der auf Zuerkennung der gesamten Forderung lautet, ist bei verständiger Würdigung zu entnehmen, dass die Bedingung nur bei einer völlig unbegründeten Klage eingetreten ist. Anträge sind analog §§ 133, 157 BGB im licht des vermutlich wirkenden Willens des Antragsstellers auszulegen. Die hilfsweise Verurteilung zur gesamten geltend gemachten Gegenforderung ist im Rahmen einer Hilfswiderklage als Minus i. S. v. § 308 Abs. 2 ZPO unausgesprochen enthalten, dass der Beklagte jedenfalls soviel verlangt, wie ihm auch bei einem Teilerfolg der Klage von seiner Gegenforderung noch zusteht.
Widerklage: Unbedingte Widerklage und Hilfsaufrechnung
Fall I: Klageforderung bereits unbegründet
Der Beklagte macht dieselbe Forderung, mit der er bereits hilfsweise die Aufrechnung erklärt hat, in demselben Rechtsstreit hilfsweise widerklagend geltend. Da seine Forderung höher ist als die Klageforderung, erhebt er in Höhe der Differenz auch noch unbedingte Widerklage. Die Klageforderung besteht nicht.
Grundlagen: Der Kläger kann den übersteigenden Teil auch unbedingt geltend machen. In dieser Fällen muss immer zur Widerklage Stellung bezogen werden, denn sie wird ja „unbedingt“ erhoben. Klausurkonstellationen dargestellt bei Kaiser, Rn. 461 (eigentlich aber logisch). In den nachfolgenden Fällen liegt aber zugleich auch noch eine Hilfswiderklage vor, es wird eben nur der überschießende Teil geltend gemacht.
1. Zulässigkeit der Klage
2. Begründetheit der Klage (–)
3. Zulässigkeit der Hilfswiderklage (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 33 ZPO als Konnexitätsvoraussetzungen, Parteiidentität, RSB, keine entgegenstehende Rechtskraft nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO wegen Hilfsaufrechnung)
4. Begründetheit der Widerklage [Gegenforderung prüfen]
Anm.: Anders als in der Übersicht unten (Fall 1), wird hier noch hilfsweise die Widerklage erhoben, insofern muss wohl auch noch die ganze Problematik rund um die Hilfswiderklage angesprochen werden. Dass ein Teil der Widerklageforderung zugleich unbedingt gestellt wurde, fällt dann wohl unter den Tisch.
Fall II: Klageforderung besteht
Der Beklagte macht dieselbe Forderung, mit der er bereits hilfsweise die Aufrechnung erklärt hat, in demselben Rechtsstreit hilfsweise widerklagend geltend. Da seine Forderung höher ist als die Klageforderung, erhebt er in Höhe der Differenz auch noch unbedingte Widerklage. Die Klageforderung besteht, die Gegenforderung auch.
2. Begründetheit der Klage (+), aber (–) wegen Aufrechnung
3. Zulässigkeit der Widerklage überschießender Teil (§ 33 ZPO als Konnexitätsvoraussetzungen, Parteiidentität, RSB)
4. Begründetheit der Widerklage [Gegenforderung prüfen, aber Verweis nach oben]
Anm.: Die Bedingung für die Hilfswiderklage ist nicht eingetreten, weil über die Aufrechnung entschieden werden. Insoweit wird hier nur eine unbedingte Widerklage in Höhe des überschießenden Teils geprüft.
Wiederklage: Petitorische Widerklage
Fall: Beklagter hat dem Kläger eine Sache verkauft und geliefert. Wegen Zahlungsverzugs erklärt der Beklagte den Rücktritt und verlangt die Sache heraus. Der Kläger weigert sich. Der Beklagte nimmt die Sache dem Kläger gegen dessen Willen weg. Der Kläger beruft sich auf § 861 Abs. 1 BGB und verlangt Herausgabe. Er bestreitet den vom Beklagten behaupteten Eigentumsvorbehalts und beruft sich auf sein Besitzrecht. Der Beklagte beantragt widerklagend sein Eigentum und das fehlende Besitzrecht festzustellen. Der Beklagte hat Recht.
1. Ergebnis von Klage und Widerklage voranstellen
2. Zulässigkeit der Klage
3. Erläuterung des Einfluss von § 864 Abs. 2 BGB analog auf die Begründet der Klage (bei Begründetheit der Widerklage erlischt der Klageanspruch)
4. Zulässigkeit der Widerklage (zusätzlich § 863 BGB ansprechen)
5. Begründetheit der Widerklage
6. Unbegründetheit der Klage (ein Satz, folgt aus erfolgreicher Widerklage)
7. Prozessuale Nebenentscheidungen und ggf. Rechtsbehelfsbelehrung
Formulierungsvorschlag zu 3.
Da Klage und Widerklage zur Entscheidung reif sind, folgt aus der Begründetheit der Widerklage die Unbegründetheit der Klage. Dies ergibt sich bei sog. petitorischen Widerklagen, mit denen der Beklagte sein Eigentumsrecht geltend macht, aus der analogen Anwendung von § 864 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift regelt, dass […]. Wenn sich aber – wie vorliegend – der Beklagte noch nicht auf ein rechtskräftiges Urteil berufen kann, seine entscheidungsreife Widerklage aber begründet ist, müsste der Kläger bei Erfolg von Klage und Widerklage, sobald er seinen titulierten Anspruch aus § 861 Abs. 1 BGB durchsetzen wollte, die Sache sofort wieder an den Beklagten herausgeben. → planwidrige Regelungslücke, daher § 864 Abs. 2 BGB analog.
§ 863 BGB unter 4.
§ 863 BGB steht der Zulässigkeit der Widerklage nicht entgegen. Der Sinn und Zweck dieser Vorschrift, dem Kläger eine möglichst zügige Durchsetzung seines auf verbotene Eigenmacht gestützten Anspruchs zu ermöglichen, wird grundsätzlich nicht durch eine petitorische Widerklage vereitelt. Ist diese entscheidungsreif, gebietet der Rechtsgedanke von § 864 Abs. 2 BGB ihre Zulässigkeit, andernfalls ist dem Kläger mit einem klagezusprechenden Urteil geholfen.
Widerklage: Zwischenfeststellungsklage (§ 256 Abs. 2 ZPO)
Fall: K macht Ansprüche aus Vertrag geltend und kündigt weitere Ansprüche an. Der Beklagte beantragt widerklagend festzustellen, dass kein Vertrag zustande gekommen ist.
Eine zusätzliche besondere Prozessvoraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Widerklage ist die sog. „Vorgreiflichkeit“, die ein gesondertes Feststellungsinteresse entbehrlich macht
Vorgreiflichkeit → Hauptklage kann nicht ohne Klärung des Rechtsverhältnisses entschieden werden
Feststellungsbegehren muss über Ergebnisse der Hauptklage hinausgehen → Kläger oder Gegner berufen sich noch auf weitere, noch nicht eingeklagte Rechtsfolgen (z. B. Klage auf Reparaturkosten, zusätzlich aber auch noch Arzt- und Schmerzensgeldkosten denkbar)
Muster:
Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann der Beklagte widerklagend die Feststellung eines im Laufe des Verfahrens streitig gewordenen Rechtsverhältnisses beantragen, von dessen Bestehen die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt. Eine derartige Zwischenfeststellungswiderklage ist immer dann zulässig, wenn das Rechtsverhältnis, dessen Klärung der Beklagte begehrt, vorgreiflich für die Hauptklage ist und in seiner Bedeutung über deren Ergebnis hinausgeht. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Das Bestehen des Vertrages ist für die Klage von Bedeutung. Das Begehren des Beklagten, festzustellen, dass kein Vertrag zustande gekommen, geht über das des Klägers, der noch weitere Ansprüche aus dem streitigen Vertrag angekündigt hat, hinaus.
Widerklage: Zusammenspiel von negativer Feststellungsklage und Leistungsklage als Widerklage
Konstellation: K erhebt negative Feststellungsklage und erst danach erhebt B die Leistungsklage (als separate Klage oder als Widerklage)
I. Leistungsklage ist zulässig
II. Die negative Feststellungsklage ist zunächst zulässig → Das Feststellungsinteresse entfällt aber in dem Moment, in dem die Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann (dies ist nach § 269 ZPO der Fall, wenn über Zulässigkeit der Leistungsklage mündlich verhandelt wurde)
III. Mit Entfallen des Feststellungsinteresses wird die negative Feststellungsklage unzulässig (Kläger muss Rechtsstreit für erledigt erklären)
Widerklage: Wider-Widerklage
K startet einen neuen Angriff, der durch die Widerklage veranlasst worden ist; richtet sich nicht nach den Regeln einer Klageerweiterung (also keine objektive, kumulative Klagehäufung), sondern nach denen der Widerklage (§ 33 ZPO anwendbar). Kurzer Hinweis dazu bei Kaiser, Rn. 414.
Beteiligung Dritter am Rechtsstreit: Nebenintervention und Streitverkündung
Grundlagen
Beispiel: K klagt im Vorprozess gegen V auf Kaufpreisrückgewähr wegen mangelhafter Sache. Sofern K Recht hat, hat V Gewährleistungsrechte gegenüber seinem Lieferanten L. V verkündet L dem Streit (§ 72 ZPO). L tritt dem V bei, weil er die drohende Interventionswirkung des § 68 ZPO im Folgeprozess fürchtet und die Gefahr besteht, dass V den Rechtsstreit mit wenig Engagement führen könnte, da es letztlich für ihn gut ausgehen dürfte (Klageabweisung im Vorprozess oder [bei Verurteilung im Vorprozess] Gewährleistungsrechte gegenüber L).
Die Nebenintervention ist die Beteiligung eines Dritten an einem fremdem Rechtsstreit im eigenen Namen (≠ Vertreter), jedoch nicht als Partei (≠ Streitgenossenschaft). Ein derartiges Vorgehen ist zulässig bei einem rechtlichen Interesse des Nebenintervenienten am Sieg der unterstützten Partei.
Die Streitverkündung ist die förmliche Benachrichtigung eines Dritten von einem anhängigen Prozess (Vorprozess) durch eine Partei. Sie dient der Herbeiführung der Interventionswirkung (§ 68, § 74 Abs. 3 ZPO). Der Streitverkünder bezweckt, dass die tragenden Feststellungen, die laufenden Prozess getroffen werden (z. B. Mangel eines PKW), auch in einem Folgeprozess gegenüber einem Dritten (z. B. dem Hersteller) gelten, er im ungünstigen Fall demnach einen Regressanspruch hat. Auch die Streitverkündung führt aber nicht zu einer Erweiterung der Parteistellung (kein Parteibeitritt)!
Im Beispiel hat L ein Interesse daran, dass V gewinnt (kein Mangel), weil anderenfalls V → L Regressansprüche hat.
Beteiligung Dritter am Rechtsstreit: Nebenintervention
Was ist im Rubrum und bei der Tenorierung zu beachten?
Rubrum: Nebenintervenient nicht selbst Partei, aber als Prozessbeteiligter mit eigenen Befugnisse unmittelbar nach der unterstützen Partei aufzuführen (wie Kläger mit Namen, Adresse, und Prozessbevollmächtigten, als Rolle „Nebenintervenient“ nennen)
Hauptsachetenor: Nebenintervenient wird nicht erwähnt, ihm kann nicht zu- oder abgesprochen werden
Kostentenor (Kostenentscheidung) (Kaiserverweis, Rn. 209)
→ Aussonderung der Kosten der Nebenintervention nach § 101 ZPO; richtet sich infolge der Verweisung auf die §§ 91–98 ZPO nach dem Erfolg der Hauptpartei (Kostenparallelität)
→ Kosten der NI trägt dieser selbst, wenn und soweit die vom ihm unterstütze Hauptpartei unterliegt, anderenfalls der unterliegende Gegner, nie aber die unterstütze Hauptpartei
Beispiel I: Einem Rechtsstreit zwischen K und B tritt S auf Seiten des B als Streithelfer bei. K verliert.
„Die Kosten des Rechtsstreits und die außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten trägt der Kläger.“
Beispiel II: Wie Beispiel I. B verliert.
„Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Nebenintervenient trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.“
Beispiel III: Wie Beispiel I. B verliert zu 25 %.
„Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 75 % und der Beklagte zu 25 %. In diesem Umfang trägt der Kläger auch die Kosten des Nebenintervenienten. Im Übrigen trägt der Nebenintervenient seine außergerichtlichen kosten selbst.“
Tenorierung der vorläufigen Vollstreckbarkeit
→ Nebenintervenient kann einen Kostenanspruch haben, dann ist auch eine vorläufige Vollstreckbarkeit zu tenorieren
Was ist im Tatbestand zu beachten?
→ Nebenintervenient kann Behauptungen aufstellen und Tatsachen bestreiten, aber nicht im Widerspruch zur Partei; daraus folgt auch, dass unstreitiges nach Hauptpartei nicht mehr durch Nebenintervenient streitig gestellt werden kann. Streitverkündungen und Beitritt werden im Tatbestand nicht erwähnt!
Prozessgeschichte:
→ Beitritt in der Prozessgeschichte I vor den Anträgen zu berichten; Nebenintervenient kann Prozesshandlungen vornehmen, insbesondere Einspruch gegen ein VU einlegen, Wiedereinsetzung beantragen → darüber berichten
→ streitiger Vortrag des NI wird im Zusammenhang mit dem der von ihm unterstützten Partei berichtet (gemeinsam oder falls abweichend im Anschluss daran) („Der Beklagte behauptet, […]. Der dem Bekl. als NI beigetretene L räumt indes ein, dass […]“)
→ widersprechender Vortrag ist zwar unstatthaft (§ 67 ZPO), aber das ist im Tatbestand wertungsfrei darzustellen (§ 313 Abs. 2 ZPO) → in den Entscheidungsgründen erörtern
Was ist in den Entscheidungsgünden zu beachten, wenn der Nebenintervenient einen Einspruch erhebt?
Grundsätzlich (+) (§ 66 Abs. 2 ZPO), sofern wirksam NI. Voraussetzungen des Beitritts:
1. Anhängigkeit des Rechtsstreits zwischen anderen
2. Prozesshandlungsvoraussetzungen (Partei-, Prozess-, und beim Landgericht nach § 78 ZPO Postulationsfähigkeit)
3. Ordnungsgemäße Beitrittserklärung (§ 70 ZPO)
a) Anwaltsschriftsatz
b) Darlegung des Interventionsgrundes (folgt bei Streitverkündung daraus, dass er Anspruch i. S. d. § 72 ZPO ausgesetzt ist)
Einspruch wäre aber gem. § 67 ZPO wegen Widerspruchs zur Hauptpartei prüfen (Untätigbleiben ≠ Widerspruch)
Beteiligung Dritter am Rechtsstreit: Streitverkündung (§§ 72–77 ZPO)
Kann sich der Streitverkündungsempfänger der Interventionswirkung entziehen?
Interventionswirkung (§ 68, § 74 Abs. 3 ZPO) tritt entweder durch erfolgten Beitritt als NI ein (§ 74 Abs. 1, § 68 ZPO) oder bei Nichtbeitritt durch die Streitverkündung (§ 74 Abs. 3, § 68 ZPO). Streitverkündungsempfänger kann sich der Wirkung nicht entziehen.
Was sind die Voraussetzungen der Interventionswirkung nach § 74 Abs. 3, § 68 ZPO im Folgeprozess?
1. Rechtskräftige Entscheidung im Vorprozess
2. Zustellung Streitverkündungsschrift (§ 73 ZPO) (formelle Voraussetzungen)
3. Streitverkündungsgrund § 72 ZPO (materielle Voraussetzungen)
a) Gewährleistungsansprüche gegen Dritten bei ungünstigem Ausgangs
b) Anspruch auf Schadloshaltung gegen Dritte (Rückgriffs- und Regressansprüche, z. B. aus §§ 774, 670, 677, 683, 426 BGB)
c) Anspruch aus Alternativverhältnissen (ungeschrieben)
Was ist im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen im Ausgangsprozess zu beachten?
Zulässigkeitsvoraussetzung werden nur bei fehlendem Beitritt und erst im Folgeprozess geprüft: Erst im Folgeprozess ist im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen auf die Streitverkündung einzugehen (im Tatbestand nach dem Einleitungssatz die tragenden Feststellungen darstellen). Im Vorprozess wird auf die Streitverkündung nicht eingegangen! Sofern Dritter nach Streitverkündung aber beitritt, ist er Nebenintervenient, d. h. dann gelten die Ausführungen oben.
Auch in den Entscheidungsgründen ist die Streitverkündung nicht von Bedeutung.
Was ist im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen im Folgeprozess zu beachten?
Fall I:
K nimmt den Beklagten, den er im Vorprozess den Streit verkündet hat, in einem Folgeprozess in Regress. Der Kläger ist im Vorprozess zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt worden und meint, der Beklagte müsse ihm dem Schaden ersetzen. Er stützt sich auf die Interventionswirkung, macht aber auch noch andere Ansprüche geltend.
Tatbestand
Der Kläger nimmt den Beklagten unter anderem wegen […] in Regress.
Durch Urteil des AG […], Az. […], wurde der Kläger verurteilt, […] zu zahlen. Das Amtsgericht kam in jenem Verfahren zu folgenden Feststellungen: [Darstellung der tragenden Feststellungen des Tatbestandes des Urteils im Vorprozess]
Auf der Grundlage dieser Feststellungen begründete das Amtsgericht seine Entscheidung wie folgt: [zusammengefasste Entscheidungsgründe Vorprozess]
In jenem Rechtsstreit verkündete der Kläger dem Beklagten mit Schriftsatz vom […] den Streit und forderte ihn auf, dem Rechtsstreit auf seiner Seite beizutreten. Dem Streitverkündungsschriftsatz waren die Klageschrift, die Klageerwiderungsschrift und die Anordnung des Gerichts bezüglich des schriftlichen Vorverfahrens gem. § 276 ZPO unter Angabe der gesetzten Fristen beigefügt. Der Beklagte trat dem Rechtsstreit nicht bei.
Der Kläger ist der Auffassung, dass das Urteil des AG […] vom […], Az. […], gegenüber dem Beklagten Interventionswirkung entfalte. Daher stehe fest, dass der Beklagte ihm eine mangelhafte Sache geliefert habe, was ihn nunmehr zum Schadensersatz verpflichte [weiterer Vortrag des Klägers]
[Anträge Kläger]
Der Beklagte hält die Streitverkündung für unwirksam, weil sie weder zulässig noch formwirksam erhoben worden sei. [Ausführung Kritikpunkte Beklagter]. Deshalb ist er der Auffassung, dass die Interventionswirkung nicht eingetreten sei. Er behauptet, die von ihm gelieferte Sache sei in einem vertragsgemäßen Zustand gewesen, als der Kläger sie von ihm erhalten haben.
Entscheidungsgründe
[Zulässigkeit der Klage]
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch zu 1) aus § […] zu. Die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage liegen vor.
[Einstieg mit Interventionswirkung beim einschlägigen TBM:]
Der Beklagte wird in diesem Prozess nicht mit dem Einwand gehört, dass […]. Denn aufgrund der Interventionswirkung entfaltenden Entscheidung des AG […], Az.[…], steht fest, dass der Beklagte dem Kläger eine mangelhafte Sache geliefert hat. Die Interventionswirkung hat zur Folge, dass die tragenden Feststellungen jener Entscheidung im Verhältnis zwischen Kläger und dem Beklagten dieses Rechtsstreits gem. § 68 ZPO bindend sind, weil der Kläger dem Beklagten wirksam und formgerecht den Streit verkündet hat.
[Ausführungen zu § 72 und § 73 ZPO]
Streitgenossenschaft (§§ 62 ff. ZPO)
Zu unterscheiden ist die einfache Streitgenossenschaft (§§ 59–61, § 63 ZPO) und die notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO und die §§ 59–61, § 63 ZPO [§ 61 ZPO teilweise verdrängt]).
Die Streitgenossenschaft ist ein Sonderfall der objektiven Klagehäufung. Daher ist nach der Zulässigkeit stets §§ 59, 60 i. V. m. § 260 ZPO anzusprechen.
Die Differenzierung zwischen einfacher und notwendiger Streitgenossenschaft ist ohne Bedeutung, wenn eine einheitliche Entscheidung gegen mehrere Beklagte oder Kläger ergeht. Die Frage, um welche Streitgenossenschaft es sich handelt, wird erst relevant, wenn unterschiedlich gegenüber einzelnen Streitgenossen entschieden werden soll, weil das nur bei einfachen Streitgenossen gilt. Beachte zudem, dass jeder einfache Streitgenosse im laufenden Prozess als Zeuge bekannt werden kann, sofern das Beweisthema keine „gemeinsame“ Tatsache betrifft.
Wie unterscheiden sich die einfache und die notwendige Streitgenossenschaft?
Die einfache Streitgenossenschaft ist eine äußere Zusammenfassung mehrerer an sich selbständig möglicher Klagen (Prozessrechtsverhältnisse). Beispiele: GbR/OHG und Gesellschafter; Hauptschuldner und Bürge; Schuldner und dinglicher Sicherungsgeber; Versicherungsnehmer und Pflichtversicherer; Gesamtschuldner; Gesamtgläubiger; Miterben bei § 2039 BGB; Bruchteilseigentümer im Aktivprozess. Selbständigkeit der Prozessrechtsverhältnisse; Prozesshandlungen eines Streitgenossen wirken nicht gegenüber anderen Streitgenossen
→ Sachentscheidung muss nicht notwendig einheitlich ergehen
→ Säumnis des SG1 führt zu VU; keine Vertretung durch SG2 (nur bei nSG nach § 62 ZPO)
Eine notwendige Streitgenossenschaft liegt vor, wenn aus Rechtsgründen die Sachentscheidung nur einheitlich ergehen kann. Diese Notwendigkeit kann sich aus zwei Gründen ergeben:
1. Prozessuale notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO)
2. Materiellrechtlich notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO)
Säumige Partei gilt als vertreten (§ 62 Abs. 1 ZPO); kein Säumnistermin, es wird voll verhandelt mit Wirkung für alle
Zulässigkeit ist für jeden nSG gesondert zu prüfen
Jeder nSG kann (auch im Widerspruch zu anderen) für sein Prozessrechtsverhältnis bestreiten, Beweisanträge stellen oder Tatsachen unstreitig stellen; aber: Am Ende muss einheitlich entschieden werden (daher nicht möglich, dass ein Streitgenosse anerkennt)
Problem im Tatbestand: Widersprechender Vortrag (nach einer Partei unstreitig, einer Partei streitig)
Den Vortrag nehmen, der für Partei am günstigsten ist: Wenn ein Beklagter Vortrag bestreitet, dann reicht das aus, um von einem streitigen Vortrag auszugehen
Streitgenossenschaft (§§ 62 ff. ZPO): Einfache Streitgenossenschaft
Wie erfolgt der Aufbau in den Entscheidungsgründen?
I. Zulässigkeit
Klage gegen B1
Klage gegen B2
II. Zulässigkeit der Streitgenossenschaft (§§ 59, 60 ZPO i. V. m. § 260 ZPO analog)
III. Begründetheit
Streitgenossenschaft (§§ 62 ff. ZPO): Prozessual notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Var. 1 StPO)
Welche Wirkung hat die prozessual notwendige Streitgenossenschaft? Was sind Hauptfälle? Wovon sind sie abzugrenzen?
Wirkung
→ Es muss nicht Streitgenossenschaft bestehen (Einzelklagen sind zulässig), wenn sie aber besteht, dann muss die Sachentscheidung einheitlich sein
→ nur Sachentscheidung muss einheitlich sein (Prozessurteil gegen B1 und Sachentscheidung gegen B2 zulässig); Achtung: Das ist bei materiellrechtlicher nSG anders!
→ Klagerücknahme/Erledigungserklärung durch nur einen nSG ist zulässig, denn die einheitliche Sachentscheidung ist gegenüber den im Prozess verbleibenden nSG möglich
Hauptfälle der prozessualen notwendigen Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Var. 1 ZPO)
Passivprozess über Nachlassverbindlichkeiten (§ 327 ZPO)
Klage Insolvenzgläubiger auf Feststellung bestrittener Forderung (§§ 179, 183 ZPO)
Klage auf Aufhebung einer Gütergemeinschaft (§§ 1495, 1496 ZPO)
Anfechtung gegen Erben wegen Erbunwürdigkeit (§§ 2342, 2344 BGB)
Abgrenzung: Keine Rechtskrafterstreckung (= keine nSG)
Gesamtschuld (§§ 421, 840, 2058 BGB): Keine Rechtskrafterstreckung (§ 425 Abs. 2 BGB) (auch keine einfache SG)
Klage gegen PersG und Gesellschafter: Gesellschafter haften zwar nach § 128 HGB, aber persönliche Einwendungen bleiben (nur einfache SG)
Klage gegen Hauptschuldner und Bürgen: keine notwendige einheitliche Sachentscheidung, da sich Bürge mit persönlichen Einwendungen verteidigen kann
Klage gegen Versicherungsgesellschaft und Versicherungsnehmer (§§ 115 ff. VVG): Trotz Rechtskrafterstreckung in § 124 VVG kein Fall der nSG, weil Sachentscheidung nicht notwendig einheitlich ergehen muss (Versicherung kann sich im Gegensatz zum Versicherungsnehmer auch noch aus anderen Gründen entlasten)
Materiell notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Var. 2 ZPO)
Welche Wirkung hat die materiell notwendige Streitgenossenschaft? Was sind Hauptfälle?
→ materielles Recht kann nur von oder gegenüber allen gemeinsam ausgeübt werden
→ Einzelklagen nicht zulässig, schon Klageerhebung muss gemeinsam sein (beachte aber § 1011 BGB); auch Entscheidung kann nur allen gegenüber einheitlich sein
→ Resümee: Entweder einheitliches Sachurteil oder einheitliches Prozessurteil
→ Klagerücknahme/Erledigungserklärung durch nur einen nSG ist wirksam (h. M.), führt demnach aber zur Unzulässigkeit
Hauptfälle der materiell notwendigen Streitgenossenschaft (§ 62 Abs. 1 Var. 1 ZPO)
Gestaltungsklagen des HGB (§§ 117, 127, 133, 140 [bzw. § 116 Abs. 5, § 124 Abs. 5, § 134 HGB n. F.])
Mieterhöhungsklage (§ 558b BGB) von allen Vermietern bzw. gegenüber allen Mietern
Feststellungsklage zwischen Gesellschaftern einer PersG über Mitgliedschaft des Klägers oder des Beklagten
Klage gegen Miteigentümer, durch eine Verfügung über das ganze Grundstück erzwungen werden soll
Gesamthandklage gegen Miterbengemeinschaft (§ 2059 Abs. 2 BGB)
Streitgenossenschaft: Klausurkonstellationen
Fall: K verklagt B1. B2 rügt seine alleinige Inanspruchnahme oder das alleinige Auftreten des Klägers.
Es kann klausurtaktisch kaum eine materiell notwendige Streitgenossenschaft sein, weil dann wäre Klage zulässig.
„Dem Kläger ist es unbenommen, nur den Beklagten zu verklagen, da dieser auch alleine prozessführungsbefugt ist. Dessen Rüge, C hätte mitverklagt werden müssen, geht fehl. Als […] ist C kein materiellrechtlich notwendiger SG, der zwingend zusammen mit B hätte verklagt werden müssen. Er wäre bei Einbeziehung in den Rechtsstreit nur ein prozessrechtlich zufällig notwendiger SG, denn […]. Bei einer derartigen Fallkonstellation darf der Kläger seine Klage auch nur gegen einen von mehreren möglichen SG richten.“
Fall I: K verklagt B1 und B2 auf Zahlung von 3.000 €. B2 widerspricht der gemeinsamen Inanspruchnahme.
[Zuständigkeit LG, weil Streitwertaddition]
Dem Kläger steht es auch frei, mehrere Beklagte in einem Rechtsstreit zu verklagen. Dies ist immer dann zulässig, wenn
(1) sie in Rechtsgemeinschaft hinsichtlich des streitgegenständlichen Rechtes gem. § 59 Alt. 1 ZPO stehen (z. B. Gesamtschuldner)
(2) Gleichheit bezüglich des Verpflichtungsgrundes gem. § 59 Alt. 2 ZPO besteht (z. B. mehrere Käufer bei gemeinschaftlich geschlossenem Vertrag
(3) gleichartige Ansprüche/Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden, die auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhen (§ 60 ZPO) (z. B. Klage eines Vermieters gegen mehrere Mieter auf Räumung)
[Subjektive Klagehäufung § 260 ZPO]
Merke: Streitwert getrennt zu vollstreckender Anträge gegen einfache Streitgenossen werden gem. § 5 ZPO addiert. Bei Gesamtschuldnerschaft darf wegen der wirtschaftlichen Identität der Ansprüche nicht addiert werden.
Fall II: K verklagt B1 und B2 auf Zahlung von 3.000 €, die mit getrennten Verträgen bei ihm Ware gekauft haben. Kein Beklagter rügt.
Es steht dem Kläger frei, beide Beklagte in einem Rechtsstreit zu verklagen. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagten selbst unter Zugrundelegung der nach der Rspr. gebotenen weiten Auslegung von §§ 59, 60 ZPO einfache SG sind, weil das Vorliegen einfacher SG nach hM nur auf Rüge hin zu prüfen ist und das rügelose Verhandeln jedenfalls einen möglichen Mangel heilt, § 295 ZPO
Fall III: K verklagt mit schlüssigem Vortrag zwei Beklagte, die einfache SG sind. B1 ist säumig. Der Kläger beantragt den Erlass eines VU gegen B1. Im Übrigen wird streitig verhandelt.
„Es steht dem Kläger frei, zwei Beklagte in einem Rechtsstreit zu verklagen. Die Beklagten sind einfache SG i. S. v. §§ 59, 60 ZPO. Dies folgt aus […].
Die Zulässigkeit der in der subjektiven Klagehäufung zugleich liegende anfängliche, objektive Klagehäufung folgt aus §§ 59, 60 i. V. m. § 260 ZPO analog.“
[Begründetheit der Klage gegen B2]
[Begründung VU gegen B1]
Der Umstand, dass die beiden Beklagten nur einfache SG sind, hat zur Folge, dass gegen B1 auch im Wege eines VU entschieden werden konnte. Der einfache SG wird nicht gem. § 62 ZPO, der nur auf die notwendige SG Anwendung findet, durch den nicht säumigen SG als vertreten angesehen. Analogie (–), weil weder planwidrige Regelungslücke noch vergleichbare Interessenlage. Die einfache SG stellt nämlich lediglich die äußerliche Verbindung mehrerer Prozesse in einem Verfahren bei verbleibender Selbstständigkeit ihrer inneren Entwicklung dar. Dies bedeutet, dass gegen einzelne SG inhaltlich und formal unterschiedlich entschieden werden kann.“
Achtung: Es handelt sich in Fall III um ein „Teilversäumnis- und Endurteil“! Ferner ist die Kostenentscheidung gem. § 100 Abs. 2 ZPO getrennt zu tenorieren (s. u.,).
Fall IV: K beantragt VU gegen einen säumigen notwendigen SG.
„Die Inanspruchnahme beider SG in einem Rechtsstreit ist geboten, weil es sich bei den Beklagten um sog. notwendige SG handelt. Dies folgt aus ihrer Rechtsstellung als […].
Dem Antrag des Klägers auf Erlass eines VU gegen den nicht erschienen Beklagten zu 2) war nicht stattzugeben, weil ein Fall der Säumnis gem. § 331 ZPO nicht vorliegt. Der trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienene Beklage B2 gilt gem. § 62 Abs. 1 ZPO durch B1 als notwendige SG vertreten.
Versäumnisurteil
Was ist in der kleinen Prozessgeschichte darzustellen?
→ angekündigter Sachantrag des Klägers mit Antrag nach § 331 Abs. 3 ZPO (nicht eingerückt)
→ Datum des antragsgemäß erlassenen Versäumnisurteils
→ Datum der Zustellung an den Beklagten und an den Kläger (§ 310 Abs. 3 ZPO)
→ Daten des Einspruchs und des Eingangs bei Gericht
→ Neuer Antrag (Aufrechterhaltung VU) (eingerückt)
„Das Gericht hat Termin zur mündlichen Verhandlung auf den […] anberaumt und die Parteien mit Verfügung vom […], dem Beklagten zugestellt am […], geladen. Der Beklagte ist nicht erschienen.
Der Kläger hat beantragt,
1. [Sachantrag]
2. und hierüber durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Das Gericht hat den Beklagten mit Versäumnisurteil vom […] antragsgemäß zur Zahlung von […] nebst Zinsen in Höhe von […] verurteilt. Gegen dieses, dem Beklagten am […] zugestellten Versäumnisurteils hat der Beklagte mit Schriftsatz vom […], eingegangen bei Gericht am […], Einspruch eingelegt.“
Was ist bei Versäumnisurteil zu beachten, dass bei fehlender Anzeige nach § 331 Abs. 3 S. 1, § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO ergegeht?
Wegen Fristberechnung (§ 310 Abs. 3 ZPO) beide Zustelldaten des VU im Tatbestand zu nennen (Einspruchsfrist beginnt erst mit der letzten Zustellung zu laufen!)
Versäumnisurteil: Einspruch
Was ist in der Zulässigkeit des Einspruchs anzusprechen?
1. Statthaftigkeit (§ 338 ZPO)
· ob alle Voraussetzungen für den Erlass eines VU vorlagen, wird nicht geprüft → nur relevant für Kosten (§ 344 ZPO)
2. Frist (§ 339 ZPO)
· Berechnung: § 222 ZPO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB
· Fristdauer grundsätzlich zwei Wochen (§ 339 Abs. 1 ZPO); Notfrist → Wiedereinsetzung möglich (s. u.)
· Fristbeginn erst mit Zustellung VU bei der säumigen Partei (nicht mit Verkündung); aber: bei VU im schriftlichen Vorverfahren Fristbeginn erst bei Zustellung an beide Parteien (§ 310 Abs. 3 S. 1 ZPO)
· Fristende (§ 222 ZPO i. V. m. § 188 BGB)
· Zeitlich maßgebend: Eingang Einspruch bei Gericht
3. Form (§ 340 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO)
· Begründung nicht erforderlich (anders bei Berufung)
· § 340 Abs. 3 ZPO enthält keine Zulässigkeitsvoraussetzung
„Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom […] ist zulässig (§ 341 Abs. 1 S. 1 ZPO [bei Amtsgericht mit § 495 ZPO]). Der Einspruch ist der statthafte Rechtsbehelf (§ 338 ZPO) und er wurde form- und fristgerecht eingelegt (§ 339 Abs. 1, § 340 Abs. 1, 2 ZPO). Die Einspruchsfrist begann mit Zustellung des Versäumnisurteils am […] zu laufen (§ 222 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB) und endete am [….] (§ 222 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 188 Abs. 1 BGB). Der Einspruch vom 20.12.2021, eingegangen am 21.12.2021, war fristgerecht. Durch den Einspruch wird der Prozess in die Lage vor Eintritt der Säumnis zurückversetzt (§ 342 ZPO).
Woran könnte es liegen, wenn es so ausschaut, als sei ein Einspruch verspätet?
(1) Fristende wegen § 222 Abs. 2 ZPO verschoben
(2) bei einem VU im schriftlichen Vorverfahren Frist wegen späterer Zustellung an Kläger erst zu diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt (§ 310 Abs. 3 ZPO)
(3) die Frist nicht zu laufen begonnen hat, weil Zustellung nicht ordnungsgemäß war (z. B Verstoß gegen § 172, § 87 Abs. 1 S. 2 ZPO)
Was ist bei der Tenorierung zu beachten?
Beispiel: Versäumnisurteil gegen Beklagter, zulässiger Einspruch. Klage von 12.000 € nur i. H. v. 10.000 € begründet.
Grundsatz: Tenorierung weist die Besonderheit hat, dass bereits ein vollstreckungsfähiger Titel „in der Welt“ ist: Aufhebung oder Aufrechterhaltung dieses Titels muss mittenoriert werden! Bei der Tenorierung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist § 709 S. 3 ZPO zu beachten.
Beispiel:
1. Das Versäumnisurteil des [Gericht] vom […] wird aufrechterhalten, soweit der Beklagte verurteilt wurde, an den Kläger 10.000 € zu zahlen. Im Übrigen wird das VU aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die durch die Säumnis des Beklagten bedingten Kosten trägt der Beklagte. Im Übrigen träger der Kläger 1/6 und der Beklagte 5/6 der Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Insoweit darf die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur fortgesetzt werden, wenn diese Sicherheit geleistet ist. Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte seinerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Wann ist ein Wiedereinsetzungsantrag zulässig und begründet?
I. Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags
Antrag
Zuständigkeit des Gerichts (§ 237 ZPO)
Statthaftigkeit → Versäumen einer genannten Frist (§ 233 S. 1 ZPO), insbesondere Notfrist gem. § 339 ZPO
Form des Antrags (§ 236 Abs. 1 ZPO → insbesondere mit § 340 Abs. 2 ZPO)
Prozesshandlung nachgeholt (§ 236 Abs. 2 S. 2 ZPO)
Frist (§ 234 Abs. 1 ZPO) → Fristbeginn = Wegfall Hindernis[1] (§ 234 Abs. 2 ZPO)
II. Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrags
Fristversäumnis ohne Verschulden der Partei → Glaubhaftmachung (§ 236 Abs 1 S. 1 Hs. 2, § 294 ZPO)
Zurechnung des Verhaltens des gesetzlichen Vertreters (§ 51 Abs. 2 ZPO) und des Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO)
[1] Behoben ist das Hindernis, sobald die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt oder das Fortbestehen des Hindernisses von der Partei oder von ihrem Vertreter verschuldet ist.
Formulierungsmuster in Kombination mit Einspruch
Der Einspruch des […] gegen das VU vom […] hat Erfolg. Er ist statthaft, denn er richtet sich gegen ein sog. echtes VU. Er ist auch zulässig, obwohl der Beklagte ihn nicht in der gem. § 339 Abs. 1 ZPO vorgeschriebenen zweiwöchigen Frist nach Zustellung des VU eingelegt hat. Dem Beklagten ist nämlich nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden verhindert war, die Einspruchsfrist – eine Notfrist – einzuhalten. Sein Antrag ist zulässig, denn er ist gem. § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO frist- und gem. § 236 ZPO formgerecht bei dem gem. § 237 ZPO zuständigen Gericht eingelegt. Er ist auch begründet, weil der Beklagte […] und dadurch daran gehindert war, den Einspruch rechtzeitig einzulegen, was er durch […] glaubhaft gemacht hat (§ 236 Abs 1 S. 1 Hs. 2 ZPO).
Der Einspruch hat den Prozess gem. § 342 ZPO in die Lage zurückversetzt, in der er vor der Säumnis des Beklagten war.
Wie wirkt sich eine fehlende Rechtsbehelfsbelehrung in der Wiedereinsetzung aus?
Keine Veränderung Frist, sondern nur vermutetes Verschulden (§ 233 Abs. 1 S. 2 ZPO). Zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumung muss Kausalität bestehen.
Dem form- und fristgerecht gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Einspruchsfrist, mit dem der Einspruch am […] nachgeholt wurde, war stattzugeben, da die Rechtsbehelfsbelehrung entgegen § 232 ZPO fehlte und dies ursächlich für die Versäumung der Einspruchsfrist wurde, weil […]. Dies hat der Beklagte glaubhaft gemacht durch […]. Daher war das fehlende Verschulden kraft Gesetzes zu vermuten (§ 233 S. 2 ZPO), K hat den Beweis des Gegenteils (§ 292 S. 1 ZPO) nicht angetreten.
Kann eine Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Beklagte die Frist zur Klageerwiderung versäumt?
Wenn der Beklagte in diesem Fall Wiedereinsetzung beantragt, ist das eine „Falle“. Das Problem regelt ausschließlich § 296 ZPO. Bei schuldhafter Säumnis ist Beklagter mit Tatsachenvortrag präkludiert, wenn dessen Berücksichtigung den Rechtsstreit verzögern würde. Anderenfalls wird er berücksichtigt. So oder so, für eine Wiedereinsetzung besteht kein Raum.
Was ist innerhalb der Tenorierung zu beachten?
Aussonderung der Kosten nach § 238 Abs. 4 ZPO beachten
Wiedereinsetzung eher nicht tenorieren (regionale Gepflogenheit).
Mahnverfahren: Klausurkonstellation Einspruch gegen Vollstreckungsbescheid
Grundlagen: Klausurtaktisch wird ein Einspruch statthaft und rechtzeitig sein, ggf. wird ein begründetes Wiedereinsetzungsgesucht vorliegen. Beachte, dass ein rechtzeitiger Widerspruch analog § 694 Abs. 2 ZPO als Einspruch zu werten ist, wenn gleichwohl versehentlich ein Vollstreckungsbescheid ergangen ist.
→ Schuldner erhebt nicht oder nicht fristgerecht Widerspruch gegen Mahnbescheid, Vollstreckungsbescheid wird erlassen, dagegen erhebt Schuldner Einspruch
→ Vollstreckungsbescheid steht einem vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteil gleich!
Wie ist zu tenorieren?
„Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts […] vom […] wird aufrechterhalten.“
„Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts […] vom […] wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.“
„Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts […] vom […] wird aufrechterhalten, soweit […]. Im Übrigen wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen.“
Worauf ist im Tatbestand zu achten?
1. Kleine Prozessgeschichte
„Der Kläger hat beim Amtsgericht […] den Erlass eines Mahnbescheides gegen den Beklagten beantragt. Den Anspruch hat der Kläger mit […]€ beziffert und als Anspruchsgrund […] angegeben. Das Mahngericht hat am […] antragsgemäß einen Mahnbescheid erlassen, der dem Beklagten am […] zugestellt worden ist. Eine Reaktion der Beklagten ist nicht erfolgt. Am […] hat das Mahngericht antragsgemäß einen Vollstreckungsbescheid erlassen, der dem Beklagten am […] zugestellt worden ist. Mit Schriftsatz vom […] – Eingang beim Mahngericht am […] – hat der Beklagte Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid erhoben.“
2. Anträge
Antrag lautet nicht auf Verurteilung von Zahlung, da bereits ein auf Zahlung gerichteter Titel in der Welt ist, sondern wie beim Versäumnisurteil Antrag auf Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheides. Beklagter beantragt Aufhebung Vollstreckungsbescheid und Klageabweisung.
Formulierungsbeispiel:
„Der Kläger beantragt,
den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts […] vom […] aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte beantragt,
den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts […] vom […] aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Worauf ist in den Entscheidungsgründen zu achten?
Wie beim Einspruch gegen ein Versäumnisurteil ist vor der Zulässigkeit der Klage die Zulässigkeit des Einspruchs darzustellen. Dazu gehört Statthaftigkeit des Einspruchs (§ 700 Abs. 1, § 338 ZPO), Einspruchsfrist (§ 700 Abs. 1, § 339 ZPO), Form (§ 700 Abs. 1, § 340 Abs. 1 ZPO), Inhalt (§ 700 Abs. 1, § 340 Abs. 2 S. 1 ZPO) und Rechtsfolge des zulässigen Einspruchs (§ 700 Abs. 1, 3, § 342 ZPO).
„Die Klage ist zulässig und begründet. Der Rechtsstreit ist infolge des Einspruchs des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts […] nach §§ 700 Abs. 1, 342 ZPO in die Lage vor Säumnis zurückversetzen, d. h. bei Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid ist daher gemäß § 700 Abs. 3, 4 ZPO im streitigen Verfahren fortzusetzen. Der Einspruch ist gemäß §§ 700 Abs. 1, 338 ZPO statthafter Rechtsbehelf gegen den Vollstreckungsbescheid. Die Einspruchsfrist gemäß §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO wurde eingehalten. Danach ist der Einspruch binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Vollstreckungsbescheides zu erheben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Auf Grund der Zustellung des Vollstreckungsbescheides am […] lief die Einspruchsfrist gemäß §§ 222 Abs. 1 ZPO, 187 ff. BGB am […] ab, so dass die Frist bei Eingang des Einspruchs am 25.01.2020 noch nicht abgelaufen war. Der Einspruch erfüllt auch die formalen und inhaltlichen Anforderungen gemäß §§ 700 Abs. 1, 340 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 ZPO. Die Klage ist zulässig.“
Mahnverfahren: Klausurkonstellation Widerspruch gegen Mahnbescheid
Dann wurde Mahnverfahren vermutlich in Klausur nur eingefügt, um eine Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB; beachte auch § 167 ZPO) oder den Verzugseintritt (§ 286 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB) zu begründen. Mahnverfahren in Prozessgeschichte am Ende des Tatbestandes kurz darstellen (in Abschlussklausur AG sollte Mahnverfahren vor Einspruch genannt werden)
Beweisrecht: Klausurtaktik
Welche Schlüsse können daraus gezogen werden, dass eine Beweisaufnahme erfolgt ist? Welche daraus, dass ein Beweis angeboten, dieser aber nicht erhoben wurde?
Sofern in Klausur eine Beweisaufnahme enthalten ist, sollte man zu dem Ergebnis kommen, dass die Beweisaufnahme für die Entscheidungsreife erforderlich war und die Tatsache, über die Beweis erhoben wurde, erheblich war
II. Folgende Schlüsse könne aus einer Beweisaufnahme zu folgenden Fragen gezogen werden
Höhe einer Forderung → Anspruch dem Grunde nach gegeben
zu einer Abnahme → deutet auf Werkvertrag hin
zu rechtsvernichtender Einwendung des Beklagten → Klage ansonsten ganz oder zum Teil begründet
die nur Behauptungen eines Hilfantrags betrifft → Hauptantrag nicht begründet
auf Antrag einer Partei erfolgt ist → diese Partei trägt auch Beweislast
unergiebige Beweisaufnahme → Beweisfälligkeit der beweisbelasteten Partei
II. Folgende Schlüsse können daraus gezogen werden, wenn ein Beweis angeboten wurde, dieser aber nicht erhoben wurde
die streitige Rechtsfrage war nicht entscheidungserheblich
der Beweis wurde von der nicht beweisbelasteten Partei angeboten
das Beweisangebot ist präkludiert
die gesetzlichen Voraussetzungen für das Beweisangebot liegen nicht vor (z. B. Widerspruch des Gegners bei der Parteivernehmenung)
Beweisrecht: Beweiswürdigung (Schritt 3)
Wann ist ein Beweis erbracht?
Ein Beweis ist nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist und alle vernünftigen Zweifel ausgeräumt sind. Die danach erforderliche Überzeugung des Richters gebietet keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, es reicht vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit aus, der Zweifeln Schweigen gebietet.
Beweisrecht: Grundlagen
In welchen drei Schritten sollte eine Beweiswürdigung erfolgen?
Ermittlung des Inhalts des Beweismittels
Prüfung der Ergiebigkeit
Prüfung der Überzeugungskraft des Beweismittels (Beweiswürdigung) (Schwerpunkt)
Merke: Nur ein positiv ergiebiges Mittel (= Beweismittel bestätigt die Beweistatsache) eröffnet Beweiswürdigung!
Kriterien (Schlagwörter) beim Zeugenbweis
Plausibilität, Lebensnähe, Detailwissen, Eigene Interesse, Belastungstendenzen, Nähe zu einer Partei oder Neutralität
Übereinstimmung mit anderen Beweismitteln oder früheren Aussagen
Freimütig eingeräumte Erinnerungslücken
Wahrnehmungsmöglichkeit (äußere Umstände), Wahrnehmungsfähigkeit (persönliche Umstände), Wahrnehmungsbereitschaft (beiläufig oder Kenntnis)
Wichtige begriffliche Scheidung: Glaubwürdigkeit = personenbezogen, glaubhaft = sachbezogen
Kriterien (Schlagwörter) beim Sachverständigenbeweis
→ Sachverständiger hinreichend qualifiziert
→ von zutreffenden Tatsachen ausgegangen
→ Gutachten in sich schlüssig und nachvollziehbar
→ Auseinandersetzung (falls nötig) mit Fachliteratur
→ Nutzung neuester Erkenntnisse und Methoden?
Beweisrecht: Beweiswürdigung beim Zeugenbeweis
Wie ist die Situation aufzulösen, dass zwei neutrale Zeugen unterschiedlich aussagen?
Sofern nichts für die größere Glaubwürdigkeit eines Zeugen spricht: Beweisführung gescheitert
„Dem Kläger ist die Beweisführung nicht gelungen. Als derjenige, der sich auf eine ihm günstige Behauptung beruft, trägt der Kläger nach den allgemeinen Regeln die Beweislast. Aufgrund der Beweisaufnahme vermochte das Gericht im Rahmen der ihm nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung nicht zu der Überzeugung zu gelangen, dass die streitige Behauptung als bewiesen anzusehen ist. Danach ist ein Beweis erst dann erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist und alle vernünftigen Zweifel ausgeräumt sind. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Der Zeuge A hat bekundet, […]. Demgegenüber hat der Zeuge B bekundet, […]. Das Gericht vermochte nicht zu entscheiden, welche der beiden sich widersprechenden Aussagen zutrifft. Beide sind gleichermaßen lebensnah, sie decken sich jeweils mit dem Vortrag der Partei, die den Zeugen benannt hat [Plausibilität]. Objektive Kriterien, an denen der Wahrheitsgehalt der Aussagen gemessen werden könnte, bestehen nicht. Der Vorfall kann sich ebenso gut so zugetragen haben, wie ihn der Zeuge A oder wie ihn der Zeuge B geschildert hat. „
Ist ein Zeuge automatisch weniger glaubwürdig, weil er im Lager einer Partei steht?
Nein, non-liquet, sofern nichts Greifbares für größere Glaubwürdigkeit eines Zeugen spricht
„Das Gericht hat bei seiner Beurteilung sehr wohl gesehen, dass der Zeuge A Bruder der Klägerin ist, während der Zeuge B in keinerlei Beziehung zu den Parteien steht. Die persönliche Nähe eines Zeugen zu einer Partei hat aber nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung keinen grundsätzlichen Einfluss auf die Glaubwürdigkeit eines Zeugen, es sei denn, die Aussage oder das Aussageverhalten des Zeugen hat erkennen lassen, dass er sich von der Nähe zu einer Partei hat leiten lassen. Das ist hier nicht der Fall. [Hier allgemeine Würdigung]
Beweisrecht: Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO)
Wann ist ein Bestreiten mit Nichtwissen zulässig?
Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist nach § 138 Abs. 4 ZPO nur zulässig, wenn es sich um Tatsachen handelt, die weder Gegenstand eigener Handlung des Beklagten noch seiner eigenen Wahrnehmung waren. Unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen steht dem Nichtbestreiten nach § 138 Abs. 3 ZPO gleich. Der Beklagte war bei […] weder zugegen, noch war er daran beteiligt, auch spielte sich der Vorgang nicht in seinem Wahrnehmungsbereich statt.
Beweisrecht: Parteivernehmung
Beispielsfall: Der Beklagte widerspricht dem Beweisangebot des Klägers, den Kläger als Partei zu vernehmen.
Allgemeines: Parteianhörung (§ 141 Abs. 1 ZPO) und Parteivernehmung nicht verwechseln: Parteianhörung ist keine Beweisaufnahme, sondern eine Maßnahme der Prozessleitung, um Lücken und Unklarheiten im Sachvortrag zu klären; Angaben fließen bei Parteianhörung nur nach § 286 ZPO in die Entscheidung des Gerichts ein.
Tatbestand: In die Prozessgeschichte sind die streitige Beweistatsache, die angebotene Parteivernehmung und der Widerspruch aufzunehmen
„Der Kläger hat zum Beweis der Tatsache, dass er mit dem Beklagten einen Darlehensvertrag geschlossen hat, die Vernehmung seiner Person angeboten. Der Beklagte hat der Vernehmung widersprochen.“
Entscheidungsgründe:
„Der Kläger trägt die Beweislast dafür, dass ein entsprechender Vertrag geschlossen wurde. Der Beklagte hat das Zustandekommen eines Vertrages wirksam bestritten der Kläger ist insoweit beweisfällig geblieben; er hat lediglich die Vernehmung seiner Person gem. § 447 ZPO angeboten. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung nach dieser Vorschrift lagen nicht vor, da der Beklagte sich damit nicht einverstanden erklärt hat. Es war aber (nicht) eine Parteivernehmung von Amts wegen gem. § 448 ZPO angezeigt, weil […].“
Beweisrecht: Urkundenbeweis
Bei einer Urkunde kann es sich um qualifizierten Parteivortrag oder um ein Beweismittel halten. Regelmäßig wird durch eine Urkunde eine zuvor streitige Tatsache nur unstreitig gestellt, so dass es sich um Parteivortrag handelt. Sofern die Urkunde aber ein Beweismittel ist, ist zwischen formeller und materieller Beweiskraft zu unterscheiden. Die in den §§ 415–419 ZPO geregelte formelle Beweiskraft besagt, dass die Urkunde Beweis darüber erbringt, wer die in ihr enthaltenen Erklärungen abgegeben hat (Urheberschaft). Die materielle Beweiskraft betrifft die Frage, ob die abgegebenen Erklärungen mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Dieser Schritt erfolgt im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Musterformulierung zur formellen und materiellen Beweiskraft
„Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Beweisaufnahme fest. Die in der Beweisaufnahme verlesene Urkunde hat vollen Beweis zugunsten des Klägers erbracht. Die Urkunde entfaltet gem. § 416 ZPO formelle Beweiskraft, weil sie äußerlich unversehrt, vollständig und ihre Echtheit nicht bestritten ist. Ihr Inhalt ist auch positiv ergiebig. In der Urkunde heißt es, dass […]. Unter umfassender Würdigung der erkennbaren Interessen der Parteien und unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln von Willenserklärungen gem. §§ 133, 157 BGB sind die Vereinbarungen nur so zu verstehen, dass […]. Der Urkunde kommt auch die materielle Beweiskraft zu. Das Gericht ist im Rahmen der ihm zustehenden freien Überzeugungsbildung gem. § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO sicher, dass die Parteien das, was in der Urkunde niedergeschrieben worden ist, tatsächlich so vereinbart haben.“
Beweisrecht: Verhältnis von Urkunden- und Zeugenbeweis
Fall: K möchte Kaufvertrag rückabwickeln, weil PKW (unstreitig) Heckschaden hat. Ausweislich schriftlichen Kaufvertrages ist Kläger nur auf Frontschäden hingewiesen worden. Der Zeuge F bestätigt Behauptung des Beklagten, dass Kläger mündlich auf Heckschaden hingewiesen worden ist.
Grundsatz: Urkundenbeweis überwiegt
Formulierungsvorschlag
„Es steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass der Kläger über den Heckschaden informiert worden ist. Die in der Beweisaufnahme verlesene Urkunde hat vollen Beweis zugunsten des Klägers erbracht. Formelle Beweiskraft gem. § 416 ZPO (+), weil […]. Materielle Beweiskraft (+), weil […]. Demgegenüber sieht das Gericht die streitige Behauptung des Beklagten nicht als bewiesen an. Nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO [….]. Der Zeuge hat zwar bekundet, dass [….]. Dies führt aber nicht dazu, dass die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde erschüttert worden ist. Der Sinn und Zweck schriftlicher Vereinbarungen besteht gerade darin, in Streitfällen durch die Urkunde den Nachweis getroffener Abreden zweifelsfrei zu erbringen. An die Beweisführung, dass eine Urkunde entgegen der gesetzlichen Vermutung nicht vollständig ist, sind hohe Anforderungen zu stellen. Es müssen besondere Umstände dargelegt werden, die […].“
Beweisrecht: Anscheinsbeweis
„Beweismittel (–). Es spricht jedoch bei […, z. B. Auffahrunfall] der Beweis des ersten Anscheins für die Tatsache, dass der Auffahrende entweder infolge zu geringen Sicherheitsabstandes oder infolge sonstiger Unaufmerksamkeit aufgefahren ist]. Dieser Anscheinsbeweis ist vom Beklagten nicht erschüttert worden. Denn hierzu hätte er Tatsachen dafür vortragen und beweisen müssen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt. Allein die bestrittene und unbewiesene Behauptung, er sei durch […]m reicht als bloße Parteibehauptung hierfür nicht aus.“
Präklusion: Allgemeines
Präklusionsvorschriften stehen in Verbindung mit dem Beschleunigungsgrundsatz; sie haben strengen Ausnahmecharakter, da das rechtliche Gehör eingeschränkt wird. Sanktioniert wird die Darlegungs- bzw. Mitwirkungssäumigkeit einer Partei; dient der Verfahrensbeschleunigung und der Prozessökonomie
§ 296 Abs. 1 ZPO: Bestimmte prozessuale Handlungen (Angriffs- und Verteidigungsmittel), die fristverletzend vorgenommen werden, nach freier richterlicher Überzeugung nur zuzulassen, wenn sie nicht prozessverzögernd wirken oder genügend entschuldigt werden.
§ 296 Abs. 2 ZPO: Partei im Zivilprozess hat grundsätzlich ihre Prozesshandlungen mit Blick auf einen zügigen Gang des Prozesses so zeitig wie möglich vorzunehmen (§ 282 ZPO); anderenfalls können diese nach freier richterlicher Überzeugung zurückgewiesen werden (§ 296 Abs. 2 ZPO)
Angriffs- und Verteidigungsmittel sind insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden (§ 282 Abs. 1 ZPO), nicht aber Klageanträge/Widerklage, weil diese der Angriff selbst sind.
Präklusion: Fristsetzung (§ 296 Abs. 1 ZPO)
Was ist bei der Frist zu beachten?
Frist i. S. d. § 296 Abs. 1 ZPO: Insbesondere Klageerwiderungsfrist
Beachte aber auch Verweisung (z. B. § 340 Abs. 3 S. 3, § 697 Abs. 3 S. 2, § 700 Abs. 5, § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO)
Wann liegt eine Verzögerung des Rechtsstreits vor?
Verzögerung (+), wenn das Verfahren bei Zulassung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung, demnach die Entscheidungsreife verhindert wird.
Einschränkung BGH: Kausalität erforderlich, fehlt insbesondere bei viel Zeit, wenn folglich aufgrund Terminierung eine Berücksichtigung von Zeugen noch möglich ist
Rechtsfolge
Zwingende Zurückweisung (kein Ermessen)
Präklusion: Fristsetzung (§ 296 Abs. 2 ZPO)
Voraussetzungen: Angriffs- und Verteidigungsmittel, Verstoß gegen Prozessförderungspflicht nach § 282 Abs. 1 oder Abs. 2 ZPO, Verzögerung, Grobe Nachlässigkeit
Rechtsfolge: Zurückweisung im Ermessen
Präklusion: Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlungen (§ 296a ZPO)
Tatbestand: Angriffs- und Verteidigungsmittel, nach Schluss der mündlichen Verhandlung, kein Schriftsatznachlass gewährt (§ 139 Abs. 5, § 283 ZPO), keine Wiedereröffnung (§ 156 ZPO [darin letztlich verstecktes Ermessen])
Rechtsfolge: Zwingende Zurückweisung (kein Ermessen)
Präklusion: Flucht in die Säumnis
Fall: Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von 10.000,00 Euro in Anspruch. Das Landgericht ordnet das schriftliche Vorverfahren an. Eine Verteidigungsanzeige der Beklagten geht fristgerecht ein, eine Klageerwiderung dagegen nicht. In der Güteverhandlung erklärt die Beklagte u.a. die Hilfsaufrechnung mit einer Gegenforderung über 10.000,00 Euro. Die Klägervertreterin ruft: „Präklusion!“ Das Gericht weist die Beklagte darauf hin, dass ihre sonstigen Verteidigungsmittel nicht durchgreifen und die Hilfsaufrechnung präkludiert sein dürfte. Wie sollte die Beklagte hierauf reagieren?
„Flucht in die Säumnis“: Angriffs- und Verteidigungsmittel werden erstmals im Einspruch vorgetragen. Sofern Einspruch fristgemäß: Präklusion nach § 340 Abs. 3, § 296 Abs., 1 ZPO (–).
Aber Präklusion (direkt) nach § 296 Abs. 1 ZPO möglich: Rückversetzung nach § 342 ZPO hilft nicht, wenn schon am Säumnistag das Vorbringen verspätet gewesen wäre (z. B. Klageerwiderungsfrist schon abgelaufen wäre)
I. Präklusion § 296 Abs. 1 ZPO (+)
Der Vortrag ist verspätet, wenn er erst nach Ablauf einer vom Gericht gesetzten und in § 296 Abs. 1 ZPO (abschließend) aufgeführten Frist in den Prozess eingeführt wurde. Vorliegend ist die Klageerwiderungsfrist des § 276 Abs. 1 Satz 2 ZPO berührt, die zum Zeitpunkt der Hilfsaufrechnung der Beklagten bereits abgelaufen war. Gemäß § 277 Abs. 1 Satz 1 ZPO war die Beklagte gehalten, in der Klageerwiderung sämtliche Verteidigungsmittel vorzubringen.
Die Beklagte hat die Verspätung nicht entschuldigt.
Verzögerung (+) (jedenfalls, sofern Gegenforderung bestritten wird)
II. Folge
Gegenforderung kann nach § 531 Abs. 1 ZPO nicht im Berufungsverfahren geltend gemacht werden. Auch im Rahmen einer VAK wäre sie nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert. Auch im Aktivprozess könnte die Beklagte die Forderung nicht mehr verfolgen: Nach Auffassung des BGH erfasst § 322 Abs. 2 ZPO auch die Zurückweisung der Gegenforderung wegen Präklusion
III. Lösung 1
Flucht in die Säumnis: Die Beklagte lässt ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lässt, dagegen (zulässig!) Einspruch einlegt (§ 338 ZPO) und in dem nach § 341a ZPO anzuberaumenden Einspruchstermin die Beweisaufnahme stattfindet. Die Flucht in die Säumnis erfolgt dergestalt, dass die Beklagte keinen Sachantrag stellt, denn dann gilt sie gemäß § 333 ZPO als nicht erschienen.
Dieses Vorgehen ist zum einen mit dem Vollstreckungsrisiko behaftet, denn das Versäumnisurteil ist unabhängig von der Höhe der Verurteilung ohne Sicherheitsleistung und ohne Abwendungsbefugnis vorläufig vollstreckbar (§§ 708 Nr. 2, 711 ZPO). Auch wenn die Beklagte im Falle des Obsiegens mit dem Einspruch einen Anspruch auf Erstattung des Vollstreckten hätte (§ 717 Abs. 2 ZPO), trägt sie insoweit das Insolvenzrisiko der Klägerin. Sie sollte deshalb mit dem Einspruch zugleich die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragen (§ 719 Abs. 1 ZPO). Zum anderen muss sie auch im Erfolgsfall die Kosten ihrer Säumnis tragen (§ 344 ZPO).
III. Lösung 2
Flucht in die Widerklage: Die Beklagte würde in der mündlichen Verhandlung Widerklage erheben, was gemäß § 261 Abs. 2 ZPO zulässig ist. Begründen würde sie diese mit (einem Teil) ihrer Gegenforderung. Präklusion droht ihr dabei nicht, weil die Widerklage kein Angriffs- und Verteidigungsmittel ist.
Stufenklage
Die Stufenklage ist ein Sonderfall objektiver, kumulativer Klagehäufung nach § 260 ZPO. Auf der ersten Stufe geht es um Auskunfterteilung oder Rechnungslegung. Auf der zweiten Stufe um die eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit der Angaben auf der ersten Stufe. Auf der Dritten Stufe geht es dann um Zahlungs- oder Herausgabeansprüche, die darauf aufbauen. Feststellungsklage mangels RSB (–), weil Stufenklage rechtsschutzintensiver. Entscheidung im ersten Urteil nur durch Teilurteil (§ 301 ZPO).
Beispiel: Anträge
1. Auskunftserteilung
2. Abgabe eidesstattlicher Versicherung
3. (Noch) unbezifferter Leistungsantrag
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