Vollständige Informationen
Unvollständige Informationen
7.1 Informationsökonomie
7. FORTGESCHRITTENE MIKROÖKONOMIE
Die theoretische Annahme, dass Wirtschaftssubjekte über alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Tatbestände und Ereignisse, die das Handeln beeinflussen, Bescheid wissen, wird als „vollständige Informationen“ bezeichnet.
Unter „unvollständigen Informationen“ versteht man die Situation, in der die Annahme vollständiger Informationen verletzt wird
Asymmetrische Informationen
Assymetrische Informationen machen eine Situation aus, in der ökonomische Akteure unterschiedlichen Zugang zu Informationen haben.
unvollständige Informationen über ökonomisch relevante Größen
Einteilung in Klassen
Informationsdefizite, die alle ökonomischen Akteure gleichermaßen betreffen,
BSP —> Wetter im nächsten Sommer
fehlende Info gleichmäßig verteilt
es lassen sich Verträge schließen, die auf die zu erwartenden oder später eintretenden Zustände konditionieren
Informationsdefizite, von denen ökonomische Akteure unterschiedlich betroffen sind
wirtschaftlichen Akteure hierbei über unterschiedliche Informationsmengen verfügen => asymmetrischen Informationen
problematisch bei Prinzipal-Agenten-Verhältnisse, bei denen der Abschluss und die Erfüllung von Verträgen zwischen zwei oder mehr Vertragsparteien im Zentrum stehen.
„Prinzipal“ bezeichnet dabei einen Auftraggeber und
„Agent“ einen Beauftragten, wobei der Agent üblicherweise über einen Wissensvorsprung (also: private Informationen) verfügt, der in unterschiedlicher Weise entweder zugunsten oder zuungunsten des Prinzipals eingesetzt werden kann.
Verkäufer (Agent) eines Gebrauchtwagens besser über den tatsächlichen Zustand und die Mängel des Autos informiert als der Käufer (Prinzipal) des Wagens
verborgene Handlungen („hidden actions“) und verborgene Eigenschaften („hidden characteristics“) können weitreichende ökonomische Konsequenzen für den Abschluss und die spätere Erfüllung eines Vertrages haben, da für den Agenten als besser unterrichtete Vertragspartei bestehen Anreize, die Informationen zu verheimlichen
Verborgene Handlung
Eine verborgene Handlung ist jener Typ von Informationsasymmetrie, der nach Vertragsabschluss auftritt, wenn der Prinzipal die Handlungen des Agenten nicht vollständig beobachten kann.
Verborgene Eigenschaft
Eine verborgene Eigenschaft ist jener Typ von Informationsasymmetrie, die vor Vertragsabschluss auftritt, wenn der Prinzipal die Eigenschaften des Agenten oder der von ihm angebotenen Güter und Dienstleistungen nicht kennt
Adverse Selektion
Verborgene Eigenschaften und Adverse Selektion
Negativauslese, die bei verborgenen Eigenschaften auf einem Markt auftreten kann, sodass einige Marktteilnehmer auf einen Vertragsabschluss verzichten
kann es überall dort auftreten, wo verborgene Eigenschaften vorliegen und der Prinzipal die Eigenschaften des Agenten oder der von ihm angebotenen Güter oder Dienstleistungen vor dem Vertragsabschluss nicht beurteilen kann.
BSP S120 + S121 oben
Verborgene Handlungen und Moral Hazard
Moral Hazard
Die Neigung einer Person, deren Verhalten unzulänglich beobachtbar ist, sich unehrlich oder auf andere Weise unerwünscht zu verhalten.
bei verborgenen Handlungen
nach Vertragsabschluss während der Vertragserfüllung auf und lässt sich auf ökonomische Fehlanreize zurückführen, wenn Agenten verantwortungslos oder leichtsinnig ein Risiko auslösen oder verstärken.
ex ante Moral Hazard —> Verhaltensänderungen vor einem Schadenseintritt
ex post Moral Hazard —> Änderungen nach dem Eintritt eines Schadens
BSPs S121+122
Signalling
Signalling und Screening zur Überwindung von Informationsasymmetrien
Handlungen, die von einer informierten Partei unternommen werden, um Informationsasymmetrien gegenüber Dritten glaubhaft zu verringern.
BSP: Geld für Werbung, Garantien, Hochschulabschluss
In all diesen Beispielen nutzt also die informierte Seite (Verkäufer eines Produkts, der Hochschulabsolvent oder der Versicherungsnehmer) ein Signal, um die uninformierte Seite (Käufer eines Produkts, Arbeitgeber oder Versicherungsunternehmen) zu überzeugen, dass die informierte Seite etwas Hochwertiges anzubieten hat oder, wie im Falle der Krankenversicherung, ein geringes Risiko darstellt Entscheidend für ein wirksames Signal ist dabei, dass es kostspielig sein muss. Ein Signal, das kostenfrei wäre, würde hingegen von jedem genutzt werden und dementsprechend keine Information transportieren
Screening
Aktionen einer uninformierten Partei mit dem Ziel, die informierte Partei zur Preisgabe von privaten Informationen zu bewegen.
BSP: Auto von Mechaniker vor Kauf untersuchen lassen, Einstellungstest, Einstellungsgespräch vor Anstellung, Versicherung mit Selbstbeteiligungen
Homo oeconomicus
Begrenzte Rationalität
7.2 Verhaltensökonomie
Der Homo oeconomicus ist in den Wirtschaftswissenschaften das Modell eines rationalen, stets nutzenmaximierenden Akteurs
Obwohl Menschen und deren Organisationen in manchen Situationen diesen rational kalkulierenden Akteuren des mikroökonomischen Standardmodells teilweise nahekommen, sind in der Realität dennoch regelmäßig Abweichungen von diesem Modell zu beobachten. Statt rational zu entscheiden, sind Menschen manchmal vergesslich, impulsiv, verwirrt und emotional aufgeladen oder treffen kurzsichtige, unausgewogene Entscheidungen. Insbesondere wird häufig kritisiert, dass ein vollständig rationales Verhalten unbegrenzte kognitive Fähigkeiten von einem Menschen erfordern würde, sodass alle verfügbaren Informationen und Handlungsalternativen sowie deren Konsequenzen in kürzester Zeit mental verarbeitet werden können. Während die Annahme der Rationalität bei einfachen Entscheidungen noch plausibel erscheint, wird dies mit zunehmender Komplexität der Entscheidungssituation immer schwieriger. Einige Volkswirte nehmen deshalb an, dass Menschen lediglich begrenzte Rationalität aufweisen. So empfehlen einige Wissenschaftler auch eine veränderte Sicht auf den Menschen – nicht als (Nutzen-)Maximierer, sondern als Satisfizierer.
KK BWL mal vergleichen
Modell der Entscheidungsfindung eines Individuums unter der Annahme begrenzter kognitiver Ressourcen
Satisfizierer
Annahme, dass Menschen, die Entscheidungen treffen, lediglich ein befriedigendes Ergebnis sichern, statt das optimale Ergebnis anzustreben
sucht ein Individuum nur so lange nach Handlungsalternativen, bis eine davon ein gewünschtes Nutzenniveau erreicht, unabhängig davon, ob es noch weitere, bislang nicht entdeckte Handlungsalternativen gäbe, die einen höheren Nutzen stiften würden
Neuroökonomie
interdisziplinäre Verknüpfung der Methoden der Neurowissenschaften mit inhaltlichen Fragestellungen der Wirtschaftswissenschaften
Das Standardmodell des Verbraucherverhaltens
Einfluss von Referenzpunkten und Framing
Das Standardmodell des Verbraucherverhaltens unterstellt, dass Konsumenten den von ihnen gekauften Waren und Dienstleistungen jeweils einen bestimmten Wert beimessen, entsprechend dem Nutzen, den sie daraus ziehen können. Allerdings zeigt die Verhaltens- ökonomie, dass der wahrgenommene Wert eines Gutes vom Ausgangspunkt und der Umgebung der jeweiligen Entscheidungssituation beeinflusst wird. Man spricht dabei auch vom Referenzpunkt.
Referenzpunkt
Ausgangspunkt, von dem aus ein Individuum eine Verbrauchsentscheidung trifft.
Besitztumseffekt/Endowment-Effekt
Der Wert eines Gutes wird durch den Besitzer höher bemessen als durch jemanden, der das Gut nicht in seinem Besitz hat.
Menschen einem Gut einen höheren Wert bei, wenn sie es bereits besitzen, als wenn sie es (noch) nicht besitzen
Verlustaversion
Eine Aversion gegen Verluste ist die Tendenz von Individuen, sich mehr auf das Vermeiden von Verlusten als auf das Erzielen von Gewinnen zu konzentrieren
Tendenz, dass Menschen mehr Gewicht darauf legen, Verluste zu vermeiden, als zusätzliche Gewinne zu erzielen. Verschlechterungen in Relation zum Referenzpunkt werden stärker empfunden als Verbesserungen.
Framing
Der Begriff „Framing“ bezeichnet die Tendenz von Menschen, sich bei Entscheidungssituationen auf den Kontext zu verlassen, in dem die zur Auswahl stehenden Alternativen beschrieben werden
der Rahmen einer Entscheidungssituation
Werbung
Menschen legen Wert auf Fairness
Menschen in wirtschaftlichen Transaktionen Wert auf Fairness legen und deren Gerechtigkeitsempfinden Einfluss auf das Entscheidungsverhalten hat
Unternehmen solten bei ihrer Preissetzung auch die Gerechtigkeitsvorstellungen der Konsumenten berücksichtigen
Ultimatumspiel
Das Ultimatumspiel ist ein verhaltenswissenschaftliches Experiment zur Erforschung von Altruismus und Egoismus von Individuuen.
Einen weiteren Beleg für die ökonomische Relevanz von Fairness liefert das sogenannte Ultimatumspiel. Dabei werden zwei Personen, die einander nicht kennen, zu einem Spiel aufgefordert, durch das sie insgesamt 100 Euro gewinnen können. Hierzu muss ein Spieler zunächst einen Vorschlag unterbreiten, wie die 100 Euro in ganzen Euro zwischen den bei den Spielern aufgeteilt werden sollen. Akzeptiert der zweite Spieler die vorgeschlagene Aufteilung, so erhalten beide ihren Anteil entsprechend dem Vorschlag von Spieler 1. Lehnt der zweite Spieler den Vorschlag hingegen ab, so erhält keiner der beiden Spieler einen Geldbetrag. Entsprechend der konventionellen Theorie, die von einem Homo Oeconomicus ausgeht, sollte der zweite Spieler jeden Geldbetrag, den ihm Spieler 1 anbietet, annehmen, da jeder Eurobetrag besser ist, also mehr Nutzen stiftet, als null Euro. Wären beide Spieler also reine Nutzenmaximierer, könnte Spieler 1 das Verhalten von Spieler 2 antizipieren und würde eine Aufteilung von 99 Euro für sich und einem Euro für den zweiten Spieler vorschlagen, wobei der zweite Spieler diesen Vorschlag auch tatsächlich akzeptieren würde.
Wird das Ultimatumspiel allerdings mit wirklichen Menschen gespielt, weichen die Ergebnisse deutlich von den Vorhersagen der klassischen Theorie ab. So lehnt der zweite Spieler eine Aufteilung von 99 zu 1 in der Regel ab und Spieler 1 weiß das auch. So unterbreitet der erste Spieler vielmehr als gerechter empfundene Aufteilungen, die dem zweiten Spieler 30, 40 oder sogar 50 Euro einbringen. Zwar ist eine Aufteilung von beispielsweise 70 zu 30 weiterhin unfair, allerdings deutlich gerechter als eine Aufteilung von 99 zu 1, weshalb Spieler 2 einer solchen Aufteilung auch deutlich häufiger zustimmt.
Insbesondere für die Lohnsetzung von Unternehmen ist die Erkenntnis aus dem Ultimatumspiel von Bedeutung. Fährt ein Unternehmen in einem erfolgreichen Jahr hohe Gewinne ein, könnten die Mitarbeiter die Zahlung eines fairen Anteils erwarten, auch wenn die ansonsten auf dem Markt übliche Entlohnung dies eigentlich nicht vorsieht. Wie bei Spieler 2 im Ultimatumspiel gesehen, der auf Geld verzichtet und sich selbst schadet, um ungerechtes Handeln zu bestrafen, könnten Mitarbeiter, die sich ungerecht entlohnt fühlen, Maßnahmen wie Streiks, verminderte Arbeitsleistungen oder andere unternehmensschadende Aktionen ergreifen, um ihrem Gerechtigkeitsempfinden Ausdruck zu verleihen. Sprich, Mitarbeiter könnten gewillt sein, selbst einen Nachteil zu erleiden, um die Ungerechtigkeit ihres Arbeitgebers zu bestrafen
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