Warum spricht Martin Albrow von einem neuen Zeitalter, dem “Global Age”?
gleichnamige Publikation von 1997
durch den Titel Signalisierung des Beginns einer neuen Epoche
Beginn charakterisiert durch Ende der Moderne
Zeit multipler Differenzierung und Dezentrierungen
In Abgrenzung zu Strukturprinzipien der Moderne (dominante Bezugspunkte wie Nationalstaat als Ordnungsprinzip, Regierung und staatlich gedachte Ökonomie und gesellschaftlicher Normen, wie ein klarer Kulturbegriff)
heute: Globalisierung als Normalität; immernoch stark medial diskutiert; wenig weist darauf hin, dass der Globalisierungsprozess endet oder rückläufig sei —> stattdessen: Um- bzw. Neuordnung von Globalisierungsprozessen (Beispiel: neue Grenzen in Anknüpfung an aktuelle politische Globalisierungsprozesse)
“Neues Netzwerk Globalisierung”: neue Löcher im Netzwerk, neue Verbindungen im Netzwerk
Erläutern Sie die Konzepte “Time-Space-Convergence”, “Time-Space-Compression” und “Time-Space-Distanciation”!
Schrumpfung der Welt in Hinblick auf Raum, Zeit und Distanzen aufgrund technologischer Fortschritte (Schrumpfung der Raum-Zeit-Relation)
Eine Definition, drei Begriffe:
Time-Space-Convergence: faktisch-technologisch
Time-Space-Compression: polit-ökonomische Analyse
Time-Space-Distanciation: Annahme der Soziologie, dass im Zuge von Globalisierungsprozessen soziale Interaktionen und Systeme (stabilisierte Form sozialer Interaktion) über immer größere Distanzen funktionieren (face-to-face Interaktion nicht mehr obligatorisch, Mobilität enorm erhöht)
defizitärer Blick auf Globalisierungsprozess, da Fokus auf technologischen Aspekten, ABER sehr relevant, da es sich um kritische Infrastruktur/Mobilitätsformen handelt, die fundamental für Stabilität des Systems sind
Wann wird der Begriff “Globalisierung” in der wissenschaftlichen Literatur populär?
Globalisierungsprozess(e) in den 90er Jahren zunehmend intensiver wissenschaftlich diskutiert (Einsetzen der Frage, ob Globalisierung eine Fortsetzung der Moderne sei ODER eine Zeitenwende/Epochenwandel (nach Albrow))
Globalisierungsthematik hat dominante Themen (z. B. Ökonomie), aber keine rein sektorale Ausbreitung, sondern bezieht sich auf zahlreiche Themenfelder
bis heute hohe Anzahl (sozial)wissenschaftlicher Artikel und Publikationen und Thematisierung in Massenmedien
Erläutern Sie das Konzept “Entbettung”! (Im Zusammenhang mit “Wiederverankerung” und “alltäglicher Rationalisierung”)
„Herausheben sozialer Beziehungen aus ortsgebundenen Interaktionszusammenhängen und ihre unbegrenzte Raum-Zeit-Spannen übergreifende Umstrukturierung.“ (Giddens, Anthony. 1995 [1990]. Die Konsequenzen der Moderne. Frankfurt a.M. S. 33.)
Soziale Beziehungen und Systeme werden herausgehoben aus notwendiger räumlicher Bindung und können trotzdem stabil(isiert) sein
Stabilisierung ist nur durch permanente Verfügbarkeit möglich (Unterschied zwischen Existenz von Technik und Verfügbarkeit derselben)
„Expertensysteme“: Technische Systeme oder Systeme professioneller Sachkenntnis, die heute immer stärker unseren Alltag prägen und auf deren Funktionsweise wir uns verlassen, ohne sie verstehen zu müssen. (Folie 10)
als Merkmale von Globalisierungsinfrastrukturen prägen sie den Alltag
„Entankerung“: Herauslösen aus dem territorialen Umfeld (Benno Werlen: Sozialgeographie)
Erläutern Sie das Konzept “Wiederverankerung”! (Im Zusammenhang mit “Entbettung” und “alltäglicher Rationalisierung”)
„Ich kann mich entscheiden lokal oder global z. B. Klamotten zu kaufen.“ —> Begriff „Können“ suggeriert vermeintlich gewährleistete Entscheidungssouveränität der Subjekte à ABER häufig Positionen, die Entscheidungsspielraum vorgibt
Notwendigkeit der „Wiederverankerung“ durch vorherige „Entbettung“ —> nicht mehr territorial (Region als etwas territoriales mit Grenzen), STATTDESSEN Nahraum in der Globalisierung nicht mehr territorial, sondern kann weltweit sein; in der territorialen Nähe, z. B. Nachbarn häufig Fremde
Erläutern Sie das Konzept “alltäglicher Rationalisierung”! (Im Zusammenhang mit “Entbettung” und “Wiederverankerung”)
(heterogene) Neubildung der Kommunikations- und Interaktionsräumen
Vorher territorial, heute weltweite sowohl intensive als auch lose Netzwerke
Jetzt z. B. Kombination aus gleichzeitig hoher Austausch in der Stammkneipe und über Social Media
Auf welche unterschiedlichen Dimensionen kann der Begriff „Globalisierung“ verweisen?
Einteilung in Dimensionen (FOLIE 11), die in enger Wechselwirkung stehen, wie
Ökonomisch: Transnationale Unternehmen, Zunahme des internationalen Handels, globale Finanzmärkte, …
Technologisch: Mikroelektronik, Internet, Kommunikationstechnologie und neue Medien, neue Transporttechnologien, …
Politisch: globaler Neoliberalismus, Bedeutungsverlust des Nationalstaats, supranationale Organisationen, Weltbürgergesellschaft, …
Sozial: Abbau des Wohlfahrtsstaates, gefährdete gesellschaftliche Integration, neue Migration, transnationale soziale Räume, …
Kulturell: globalisierte Symbolsysteme, globale Konsumkultur, Akzentuierung kultureller Unterschiede
Gleichzeitig Homogenisierung und Akzentuierung zwischen und innerhalb der einzelnen Dimensionen
(b)ordering – Grenzen in dialektischem Wechselspiel neu gezogen und damit Welt neu geordnet
Was kennzeichnet Globalisierung als eine Forschungsperspektive?
Eher relational-topologische (Was hängt wie zusammen?) als topographische (Was ist wo?) Fragen —> Eher „Wie und mit welchen Konsequenzen“ als „Was und wo?“
Eher Verknüpfung (nicht nur der Veränderung) unterschiedlicher Maßstabsebenen als deren Größenveränderung (und auch nicht die vermeintliche Dichotomie zwischen „global“ und „lokal“).
Eher qualitative Veränderung als quantitative Zunahme / eher die Art als der Grad der Veränderung
Wie würden Sie Globalisierung definieren? (FOLIE 12)
Kein Konsens möglich: von eindeutiger Definition bis Negation des Konzeptes
Wer verwendet den Begriff wann für was und in welchem Zusammenhang?
In der Wissenschaft teils unausreichende Auseinandersetzung mit Genealogie des Globalisierungsprozesses
Globalisierung eher als Forschungsperspektive
Gleichzeitig selbstverständlich wahrgenommene bzw. nicht wahrgenommene Effekte im alltäglichen Leben
„Definieren lässt sich der Begriff Globalisierung demnach als Intensivierung weltweiter sozialer Beziehungen, durch die entfernte Orte in einer solchen Weise miteinander verbunden werden, dass Ereignisse an einem Ort durch Vorgänge geprägt werden, die sich an einem viele Kilometer entfernten Ort abspielt und umgekehrt.“ (Giddens, Anthony. 1995 [1990]. Die Konsequenzen der Moderne. Frankfurt a. M. S. 85.)
Globalisierung (in Anlehnung an Giddens) (FOLIE 14)
bedeutet also eine radikale Veränderung aller (nicht sektoraler) Lebensbereiche
ist ein sozialer, von Menschen gemachter und damit von Machtasymmetrien geprägter Prozess
definiert das Verhältnis zwischen „Globalem“ und „Lokalem“ völlig neu
ist ein widersprüchlicher Prozess, der entgrenzt und neue Grenzen zieht („order and border“), homogenisiert und differenziert, angleicht und neue Ungleichheiten schafft
besitzt zugleich räumliche, zeitliche, technologische, soziale, politische und ökonomische Dimensionen
Warum verwenden wir die Begriffe „Globaler Süden“ bzw. „Globaler Norden“?
Eurozentrismus-Kritik in Globalisierungsdebatten: Knüpft an Theorien und Debatten an, die von Prozessen in Europa bis Nordamerika ausgehend
Sichtbarmachung von Macht-Asymmetrien
Schwieriger Zugang zu Literatur und Daten aus nicht-westlichen Gebieten
Kartenprojektionen sind politisch und aufgeladen mit Macht —> prägen unsere Weltwahrnehmung
Hervorhebung der gegenseitigen Bedingtheit und wechselseitige Abhgängigkeit statt Hierarchisierung in („reichen“) Norden und („armen“) Süden
„Zweiteilung der Welt gibt die Realität in doppelter Hinsicht nicht angemessen wieder. Erstens hat die zunehmende globale Verflechtung dazu geführt, dass Sektoren und Inseln des Nordens auch im Süden anzutreffen sind [z. B. Ressorts in 3. Welt Ländern] und umgekehrt. Zweitens können Nord und Süd nicht als separate, sondern nur als miteinander verflochtene und sich gegenseitig konstituierende Kategorien verstanden werden.“ Lindner, Peter und Stefan Ouma. 2010. Von Märkten und Reisenden: Geographische Entwicklungsforschung oder Wirtschaftsgeographien des Globalen Südens? In: Geographische Rundschau 62 (2010, 10). S. 12-19. S. 12. (FOLIE 16)
Was meint die Forderung „provincializing Europe“?
„…‘Europe‘ remains the sovereign, theoretical subject of all histories, including the ones we call ‚Indian‘, ‚Chinese‘, ‚Kenyan‘, and so on. There is a peculiar way in which all these other histories tend to become variations on a master narrative that could be called ‚the history of Europe‘.“ (Dipesh Chakrabarty, zit. nach: Sheppard, Eric S. 2016. Limits to Globalization: The Disruptive Geographies of Capitalist Development. Oxford. S. 92.)
Nicht nur territorial in Europa fixierte Geschichte, sondern auch konzeptionell (entstammt aus modernem Denken in Bezug auf Fortschritt/Technik —> normativer Maßstab: „weiter entwickelt/zivilisiert“ vs. „wenig entwickelt/zivilisiert“)
Europäische Geschichte als Geschichte von Aufklärung und technischer Entwicklung findet Anwendung als Masterplan für alle anderen Geschichtsnarrative anderer Staaten und Gemeinschaften
Verstellen einer eigenen Geschichtsschreibung und entsprechenden (globalen) Wahrnehmung anderer Staaten und Gemeinschaften
Globalisierungsnarrativ geprägt von Vorstellungen der Entwicklung des Globalen Nordens/Europas
Erläutern Sie die Geschichte des Begriffs „Globalisierung“!
Begriffsgeschichte nicht (nur) semantisch, sondern Rekonstruktion der Geschichte des Prozesses eingebettet in weiteren gesellschaftlichen Kontext
Identische Begriffe können die Bedeutung wechseln/zeitgleich unterschiedlich verstanden werden —> keine semantische Konstanz Frage: Was war wann damit gemeint?
„globus“ (lat.): „Kugel“, „Haufe“
„globe“ (engl.): seit ca. 400 Jahren Etablierung im anglophonen Raum (im Zuge des heliozentrischen Weltbildes Kopernikus)
Frage nach der Verortung der Menschen in der Welt bzw. im Universum
„global“ (engl.): ändert seine Bedeutung von „sphärisch“ zu „weltumfassend“
um 1930: „globalization“ taucht in der anglophonen Literatur verschiedentlich auf
um 1940: „globalize“ wird als Verb gebräuchlich (Auftreten der Verbform als Marker für wichtigen dynamischen Prozess, Substantiv (z. B. Globus) eher für Zustand)
1951: „globalization“ taucht erstmals in einem Wörterbuch auf (Webster’s Third New International Dictionary of the English Language Unabridged)
In den 1960er Jahren: Entwicklung von zwei Debattenstränge in Bezug auf das heutige Verständnis von Globalisierung (begriffliche Ebene)
Globalisierung als ökonomielastiger Prozess: Weltweite ökonomische Verflechtung (Stichwort Wirtschaft & Globalisierung)
Globalisierung als politiklastiger Prozess: im Zusammenhang mit internationalen politischen Verflechtungen (Stichwort Politik & Globalisierung)
Neuere Ebene/Ausrichtung: Globalisierung als Prozess der Auflösung eines territorialisierten, lokalisierten Kultur(en)verständnisses (Stichwort Kultur & Globalisierung)
ab 1980: „globalization“ wird in der wissenschaftlichen Literatur populär à Etablierung des Begriffs, wie er heute (häufig) verwendet wird
zweite Hälfte der 90er Jahre: Mainstreamverwendung des Begriffs „Globalisierung“ in der (sozial)wissenschaftlichen Literatur
Geographie & Globalisierungsforschung:
Erst spät (seit 2000ern) Verbindung von Geographie und Globalisierungsforschung
Vernachlässigung der historische Bedeutung des Fachs Geographie
Vernachlässigung der Rolle der Sozialwissenschaftler*innen als „Wahrheitsgeber*innen“ für gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung von Phänomenen —> durch in der Rezeption stattfindende Zustimmung oder Ablehnung von Theorien und Modellen
Warum steht „Globalisierung“ als ein wissenschaftliches Konzept häufig in der Kritik?
umfassender, wandelbarer Begriffs —> Konsequenz der Kritik an einer zu pauschalen Verwendung des Begriffs (in der Wissenschaft)
in der wissenschaftlichen Anwendung des Konzepts/Begriffs muss (selbstkritisch) deutlich gemacht werden, welches Verständnis von Globalisierung zugrunde liegt
Keine klare Verwendung des Begriffes: wird zu unterschiedlichen Zeiten und auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich verwendet
DESHALB: nicht nur ein Prozess in bestimmten Feldern, sondern epochaler Umbruch (Stichwort Global Age)
Inwiefern ist das Phänomen „Globalisierung“ zugleich längst selbstverständlich geworden und dennoch von andauernder Aktualität?
Gesamtgesellschaftlich und in der Wissenschaft häufig als quasi-natürlicher Prozess behandelt
Ausgestaltung und Rezeption von Globalisierungsprozessen ist mitgestaltet durch u. a. Wissenschaft
Inwiefern ist die Globalisierungsforschung performativ? (FOLIE 3, 23.04.)
Performativität: kulturelle Konstitution von Phänomenen durch Sprache und Handlungen, d.h. wissenschaftliche Annahmen über Globalisierung ausgehend von gesellschaftlichen Prozessen beeinflussen ebendiese —> sie übersetzen sich in die Wirklichkeit
Wissenschaftliche Konzepte erlangen unmittelbaren Zugang zur Politik
Sprache repräsentiert nicht nur die Wirklichkeit, sondern verändert sie
Erläutern Sie das Konzept der Performativität von Wissenschaft anhand eines stadtpolitischen Beispiels!
Die Performativität von (Alltags-)Sprache und wissenschaftlichen Modellen: Das Beispiel der Kreativwirtschaftsdebatte
Internationaler Standortwettbewerb: Die Zukunft von Städten im globalen Norden, hängt davon ab, ob sie kreative Köpfe gewinnen können
Neues Paradigma: „people follow jobs“ wird zu „jobs follow people“ —> Notwendigkeit der Entwicklung von „creative cities“, z. B. durch ein ausreichendes Kulturangebot
Globaler Wettbewerb um die „high potentials“ (hochqualifizierte Arbeitskräfte in Bereichen der Entwicklung und Innovation)
Dreht sich letztendlich um wirtschaftlichen Erfolg —> Bedeutung der globalen Neoliberalisierung
Welche wissenschaftlichen Imaginationen prägten diese neuen Weltordnungen der Globalisierung?
Ende der Moderne markiert Beginn des „Global Age“ (als „beyond modernity“) —> siehe Albrow
Mitte des 17. Jh.: Beginn der Entstehung souveräner, nationaler Staaten
Nationalismus als Idee/Ideologie transformiert diese von autokratischen zu nationalen Staaten
Idee diffundiert (nicht machtfrei) von Europa aus um die Welt à wurde zum Referenzpunkt für Staatengestaltung weltweit und Narrativen über diese Staaten
Internationale Beziehungen = Beziehungen zwischen Nationalstaaten
Globalisierung „bedroht“ diese territoriale Ordnung in Nationalstaaten und kulturelle (lokalisierte) Identität
Bis dahin: Nationalstaat als Grundeinheit von Politik
Kritik an der Vorstellung, dass allein Globalisierungsprozesse dies beeinflussten
Phänomen der Bildung der Ost-West-Blöcke hat Nationalstaatsideologie schon vor Einsetzen der Globalisierungsprozesse nach aktuellem Verständnis beeinträchtigt
Versuch die Welt in nationale Einheiten einzuteilen, hat an den Grenzen Konfliktlinien geschaffen, die durch Blockbildung latent gehalten wurden
1990er Jahren zunehmende Instabilisierung des Systems der Nationalstaaten durch
Anhaltende Globalisierungsprozesse (von oben)
Neue Spielräume durch Ende des Ost-West-Konfliktes/Kalten Kriegs/Ende der Sowjetunion (von unten)
Weshalb spricht Fukuyama vom „Ende der Geschichte“? Was für ein polit-ökonomisches System steht seiner Ansicht nach am „Ende der Geschichte“ und damit am Anfang des globalen Zeitalters?
Geht in seiner gleichnamigen Publikation der Frage nach: Wie sieht die Welt jetzt (nach Ende der Sowjetunion) aus?
Voraussetzung/Annahme: Dialektischer Motor geschichtlicher Entwicklung durch Spannungsverhältnis von Kapital- und Planwirtschaft (Westen und Osten) fällt weg
Annahme einer rosigen Zukunft basierend auf (globalem) zentralem Markt und (globaler) Demokratie
Aus einem westlichen Siegesbewusstsein heraus formuliert
Implizite Theorien, Vorstellungen und Wertesysteme prägen seine Annahmen mit und diese formen die Wirklichkeit mit
Merkmale seiner Theorie:
Selbstbezeichnung als Modernisierungstheorie
Annahme: Geschichte ist teleologisch (zielgerichtet, nicht zufällig)
Werte und Mechanismen sind nicht kulturell variabel, sondern universal
Vor dem Hintergrund rationales Denkens und sozioökonomischen Rationalisierung des Denkens werden andere Systeme nicht als legitim angesehen (aka „Der Westen hat gewonnen“)
Das ökonomische System des Westens hat gewonnen, weil sie universale Werte verkörpern (die stärker sind als Kultur)
Annahme, dass am Ende die Welt nach diesen Werten funktionieren wird —> Welt ohne Konflikte, Gegensätze, Ideologien
Heute: Distanzierung von diesen Annahmen
Inwiefern und weshalb sieht Huntington zunehmende kulturelle Differenzen als die Ausgangssituation für das globale Zeitalter?
1966, Publikation “Kampf der Kulturen” (engl. “Clash of Civilizations”)
eigene Vorstellung der (politischen Situation der) globalisierten Welt als Gegenpol zu FUkuyama
Kultur als zentrales Strukturelement
Kultur als etwas, das wir im Laufe der Sozialisierung (einmalig) erwerben
historischer Kontext: Ende der Ost/West-Trennung (als “Motor der Geschichte”) —> neue Möglichkeiten der Globalisierung
Nachdenken über neue Weltordnung unter Globalisierungsbedingungen und Mitprägen der anschließenden Debatten und Politik
Ausgangsfrage (wie Fukuyama): Wie sieht die globalisierte Welt nach dem Ende des Kalten Kriegs aus?
Auf den Gegesatz der politisch-ökonomischen Systeme (Ost und West) folge der Gegensatz der Kulturen (als etwas Bedrohliches)
Kultur sei nicht verhandelbar und determiniere Identität und menschliche Eigenschaften
Kulturelle Identität setze Nationalstaatsystem außer Kraft
Vorstellung, dass an “Überlappungen”/kulturellen Grenzen verschiedener Kulturkreise besonders hohes Potential für Ausbrechen von Konflikten herrscht
Welche Unterscheidungen zieht Huntington für seinen Kulturbegriff heran?
Kartierung der Welt anhand einer Imagination von acht identitätsstiftenden Kulturkreisen (Folie 10)
Vermischung von Indikatoren für Kultur ohne Erläuterung
zeichnet sich aus durch bestimmte Religionen/Traditionen, Sprache, Territorium und gemeinsame Geschichte (bzw. Geschichtsnarrativ)
Nehmen Sie kritisch zur politisch-ökonomischen Konvergenzthese wie auch zur These zunehmender kultureller Differenzen Stellung!
Welche Bedeutungsveränderungen erfuhr der Kulturbegriff zwischen dem 18. und dem 20. Jahrhundert?
Kulturbegriff in der Funktion zur Schaffung von Ordnung und Einheiten
Jh.
Abgrenzung “Mensch” bzw. “Gesellschaft” von “Natur” und “Religion”
Verbindung zu “Bildung” und “Erziehung” im Zuge der Aufklärung
menschliche Produktion von Geschichte abgegrenzt von Religions- und Naturgeschichte
dynamisches, prozesshaftes Verständnis von “Kultur” —> als die Entwicklung von Menschen und Gesellschaften
ab ca. 1815
zunehmende Verwendung als Charakteristikum von Kollektiven: Ausweitung vom Individuum auf Kollektive (Völker, Staaten, …)
gleichzeitig Ausweitung auf weitere Bereiche (Erziehung, Landwirtschaft, …) bzw. auf alle “menschlichen Hervorbringungen” —> Etablierung als allumfassender Begriff, der alles beschreibt, was menschliche Existenz hervorbringt
Übergang von der dynamischen “Kultivierung” auf das statische Ergebnis “Kultur” —> “Einfrieren” des Begriffs
Kulturbegriff etabliert sich als Ausdruck des kolonialen Überlegenheitsgefühls des Westens
Vorstellung einer unilinearen Entwicklung zur “Zivilisiertheit” bzw. “Kultiviertheit” in Abgrenzung zu “Wildheit” bzw. “Barbarei”
Aufgabe des Abendlandes/Europas “Kultur” und “Zivilisation” “in die Welt zu bringen”
hierarchisierender Kulturbegriff
Alltagssprache: zunehmende Unterscheidung von “Kultur” (als Sphäre des Geistigen, früher praktischer landwirtschaftlicher Begriff) und “Zivilisation” (als materiell-technische Einheit)
wissenschaftlich: “Kultur” als Gesamtheit menschlicher Hervorbringungen (symbolisch und materiell)
parallel dazu besteht der normativ-bildungbürgerliche Kulturbegriff weiter
Nennen und erläutern Sie die wichtigsten Kritikpunkte („Problematiken“) am Kulturbegriff!
Verkürzend
Exkludierend
Simplifizierend
Homogenisierung (sozial, politisch, usw.)
Vermeintlicher Konsens
Essentialisierung statt Dynamik und Veränderbarkeit
Statisch
Determinismus
Vernachlässigung von Macht
Territorialität
Geht von den Fragen aus: „Auf welcher Seite stehst du?“ bzw. „Wer oder was bist du?“
Was zeichnet einen Kulturbegriff aus, der diese ‚Problematiken‘ vermeidet und wie könnte er lauten?
“'A culture' is never a simple, unified entity, but always has to be thought of as composed of similarities and differences, continuities and new elements, marked by ruptures and always crosscut by difference. Its meanings are the result of a constant, ongoing process of cultural negotiation which is constantly shifting and changing its contours to accommodate continuing tensions. Cultures conceptualized in this way do not stretch backwards unchanged, into 'time immemorial' (...) guaranteeing that all those who ever belong to them were, have become, or are destined to remain the same (i.e. identical).” Hall, Stuart. 1995. S. 185.
Erläutern Sie die Hervorbringung vermeintlich „kultureller“ Grenzen als sozio-ökonomische und sozio-politische Grenzen anhand eines Beispiels!
Debatte um Kopftuchverbot
Imagination einer „Leitkultur“
Konflikt um Land/Ressourcen von ansässigen Landwirten und Nomaden verkauft als “ethnischer” Konflikt
Inwiefern verändert Distanz durch die „Schrumpfung der Welt“ ihre Qualität?
Fähigkeit der Vernetzung in der Welt: soziale Netze können in kürzerer Zeit über weitere Strecken entstehen und bestehen
Prozess der Neuordnung der Welt geht immer mit Änderungen bestehender Prozesse einher
Beispiel: “In 80 Tagen um die Welt”, Jules Verne, Mitte 19. Jh. —> andere Qualität von Distanz als heute
“Schrumpfung der Welt” geht einher mit Innovationen von Verkehrs-Infrastrukturen und der Fähigkeit von Infrastrukuren Raum zu überbrücken
1869 Öffnung des Suez-Kanals und erste Eisenbahnstrecke Ost-West-Verbindung in Amerika
(Globalisierungsprozesse können aber auch gestoppt/rückgängig gemacht werden, z. B. Abschaffung von Überschall-Flugzeugen)
Raum bzw. Distanz haben ihre Qualität verändert
Vergleich zu mittelalterlichen Karten (Übertragung der Erfahrung der Reise in die kartographische Darstellung, z. B. eine überdimensionale Darstellung von Flüssen, deren Überwindung ein Risiko/Hindernis war)
Raum als solcher wird weniger erlebbar (z. B. Gefühl von Geschwindigkeit im ICE oder (Nicht)Wahrnehmung von Tages- und Nachtzeiten im Flugzeug)
Distand wird eher in Zeit gemessen/wahrgenommen, statt in Strecke (z. B. Entfernung nach LA sind 11h)
vollständige Auflösung/Gleichzeitigkeit von Zeit und Raum im virtuellen Raum bzw. Internet
Ergebnis: Veränderung des Wesens von Sozialem im Verhältnis zu Raum und Zeit
Hinweis: Darstellung als allumfassende Phänomene bzw. Prozesse ist homogenisierend —> Abkehr von eurozentrischer Weltanschauung, betrifft nicht alls Menschen überall auf der Welt in gleichem Maße
Nennen Sie empirische Beispiele, die deutlich machen, wie sich die vor-globale geographische Perspektive von den „Geographies of Circulation“ als Perspektive unterscheidet!
“Geographies of Circulation” als Perspektive auf Forschungsfelder der Geographie (als wissenschaftliche Antwort/Reaktion auf Globalisierungsprozesse)
Veränderung des traditionell geographischen Blicks und der Frage “Was ist wo und warum?” hin zu “Was bewegt sich wie (und wo) und warum?”
Bedeutung von Mobilisierung und Infrastrukturen nimmt zu —> Funktion zur Ermöglichung von Zirkulation
in Form von
Logistik, z. B. Transportgeschwindigkeit von Standard-Containern
Verteilung, z. B. Kabel, Satelliten
in den 1960ern Modernisierungstheorien und -schübe (enorme Infrastruktur-Innovationen)
Blick auf mobilisierende Infrastrukturen der Mobilisierung werden heute auch kritisch/problematisierend betrachtet —> nicht nur positive Mobilität, z. B. Mobilwerdung der Tropenmücke oder von CO2
Beispiel: “Brain Drain” —> Phänomen der Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte aus dem Globalen Süden
Abwerden in den Globalen Norden und gleichzeitig Annahme der Entwicklungshemmung im Globalen Süden
Kritik daran z. B. in “Die neuen Argonauten” von AnnaLee Saxenian
Beobachtung: Leben im Pendelzustand im Silicon Valley, kein dauerhafter räumlicher Wechsel —> stattdessen “Brain circulation”
Möglichkeit der Entwicklungschancen und des skill sharings durch Erwerben von Kompetenzen/Aufbau von Netzwerken und Transport dieser in die Herkunftsländer
—> Mobilisierung und die damit zusammenhängende “Schrumpfung von Distanz” wird durch die Perspektive der “Geographies of Circulation” anders wahrgenommen: nicht mehr als Entwicklungshemmnis, sondern als Chance
Beispiel “Zollkontrollen - Nationalstaatliche Grenzen werden verwisscht durch globalen Zirkulationsraum
Etablierung globaler Standards für möglichst freie Mobilisierung von Waren
Möglichkeit der Reaktivierung vorheriger (nationaler) Standards, z. B. während der Corona-Pandemie
—> Aufrechterhalten der Zirkulation als neues politisches, soziales und ökonomisches Ziel
Was charakterisieren Knorr Cetina et al. mit dem Konzept „global microstructures“? Warum dieser Begriff? Erläutern Sie das Konzept anhand eines Beispiels!
Frage danach, was globale Infrastrukturen und damit zusammenhängende Mobilisierung in der sozialen Gemeinschaft bedeuten
Wiederverankerung von mit Globalisierungsprozessen zusammenhängenden Phänomenen im Alltag
Empirische Arbeit in der Soziologie von Knorr Cetina et al. von, mit und über den internationalen Währungshandel in London und Zürich (Notwendigkeit eines Zugangs zu den Währungs-Institutionen)
Voaussetzungen für Funktionieren des Währungssystems
bestimmte Infrastruktur ist nowendig (technologischer Aspekt)
bestimmtes Zeichensystem ist notwendig (Symbolsprache)
Beispiel: “Kommunikation zwischen Währungshändlern”
Etablierung eines (teilautomatisierten) Sprach- und Zeichensystems zur Kommunikation und Interaktion
Entsprechende Technologie ermöglicht diesen Austausch
“global microstructures” sind eine bestimmte Form von Netzwerken: lokale Verbindung wird ersetzt durch globale Netzwerke
nicht bzw. schwach verräumlichte Formen von (sozialen) Netzwerken
Erläutern Sie, inwiefern Währungshändler als eine „a-territoriale globale Gemeinschaft“ gesehen werden können! Was zeichnet ihre Interaktionen aus?
voraussetzungsvoll/Austausch von Expert*innen (inhaltlich und in Bezug auf die Anwendung, die verwendet wird)
keine face-to-face Interaktion, sondern face-to-screen mit Merkmalen von face-to-face —> nur möglich durch Globalisierungsprozesse
Merkmale dieser Kommunikation und Interaktion
kontinuierliche, globale Kommunikation mit bestimmten Codes und Zugängen
informelle Regeln (z. B. angemessene Reaktionszeit informell festgelegt) und emotionale Involviertheit (nicht nur rein technische Kommunikation, sondern Form persönlicher Interaktion)
bestimmte Art körperlicher Verankerung und Reaktion bei face-to-screen Interaktion (eigentlich nur bei face-to-face durch Verbindung von verbaler Kommunikation und Körpersprache, aber kann hier auch erreicht werden) und Einbindung
gemeinsame Wissensbasis trotz fehlender räumlicher Bindung —> gleichzeitig Entstehung eines “Wir”-Gefühls, dass sich mobilisieren lässt
Quelle: Knorr Cetina, Karin und Urs Brügger. 2005. Globale Mikrostrukturen der Weltgesellschaft: Die virtuellen Gesellschaften von Finanzmärkten. In: Windolf, Paul (Hg.). Finanzmarktkapitalismus: Analysen zum Wandel von Produktionsregimen (=Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie; Sonderhefte Bd. 45).
Wie wurde der Begriff „place“ ab den 1960er Jahren in der Geographie verwendet?
Was bedeuten die neuen, globalen Formen von Netzwerk-Gesellschaften für “Orte”?
Ort als Zentralbegriff der Wissenschaft/Geographie: gelebter Nahraum eines Menschen
heute nicht mehr nur ortsbezogen
überwiegend in der anglophonen, aber auch deutschsprachigen Geographie verbreitetes Verständnis vor Einsetzen der Globalisierungsdebatten
traditionell “place” als Verbindung von Materialität (z. B. Haus, Straße), Bedeutungskomponente, die der jeweiligen Materialität beigemessen wird (z. B. “Zuhause”) und Praxiskomponente (Was mache ich wo (nicht)?, z. B. “Nicht Zuhause” die Schuhe ausziehen)
Begriff u.a. geprägt von Yi-Fu Tuan (in der Geographie) und Martin Heidegger
Heidegger: Erde im Gegensatz zu Globus (Erde als Raum unmittelbarer Interaktion von Menschen, um Vertrauen an diesem Ort herzustellen —> Basis des place-Konzepts von Tuan // Globus als Gesamtkonzept(?)
“place” bei Heidegger: Verbindung von Menschen zu ihrer materiellen Umwelt
schafft Heimat (heute problemtisierter Begriff), Zugehörigkeit
individuell einzigartig durch menschliche Produktion von Bedeutungen
“place” bei Yi-Fu Tuan: konkreter Ausschnitt auf Heideggers Erde
konkreter, individueller Raum
Nennen Sie Kritikpunkte am traditionellen Konzept „place“, wie sie in der Geographie ab Ende der 1970er Jahre verstärkt diskutiert wurden!
Zurückführung dessen, was ein konkreter “place” tatsächlich ist, auf seine Geschichte
Vernachlässigung der Tatsache, dass “place” ein soziales Konstrukt ist (Konstruktionscharakter)
Vernachlässigung der Tatsache, dass die konkrete Gestaltung von “place” das Abbild von Auseinandersetzungen und Machtverhältnissen ist (stattdessen übermäßig positiv emotionaler Aufbau von Bindung an Ort)
Vernachlässigung der Tatsache, dass die gängigen Definitionen von “place” immer auch Gruppen von Menschen ausgrenzen
Vernachlässigung der Tatsache, dass “place” sich im Laufe der Zeit verändert (Vernachlässigung der Dynamik von “place”, stattdessen Fokus auf Konstitution)
Vernachlässigung der Bewegung von Menschen und Dingen, die einen “place” mitbestimmen und mitausmachen
Vernachlässigung der vielfältigen Beziehungen zwischen einem konkreten “place” und seinem “Außen” (keine/kaum Netzwerke einbezogen)
Vernachlässigung der Tatsache, dass der Ausschnitt aus der Erdoberfläche, der jeweils als “place” bezeichnet wird, keineswegs homogen ist (Gleichzeitigkeit von verschiedenen Praktiken exkludierend)
Unmöglichkeit, feste Grenzen für einen “place” anzugeben
Was verstehen Sie unter „global sense of place“ (Massey) als einem Place-Konzept, das Globalisierungsbedingungen angemessen ist?
Müssen wir den Begriff „place“ aufgeben (im Zuge von Globalisierungsprozessen) oder können Merkmale eines „global sense of place“ etabliert werden? (analog zu Kulturbegriff)
Massey: links-marxistische, politökonomische Denktradition
gleichnamige Publikation “A Global Sense of Place”, Doreen Massey, 1991
Place-Konzept war schon immer problematisch
Identifikation einer Verschärfung der Problematik durch Globalisierungsprozesse
Notwendigkeit der Infragestellung des Konzepts
Beispiel von Massey: Kritische Reflektion subjektiv emotionale aufgeladener Orte unter wissenschaftlichen Kriterien
“my local shopping center”
zwei Komponenten
Wiedergabe ihrer subjektiven Impressionen (Place als emotionaler Nahraum)
Kriterien der Merkmale des Lokalen bestimmt durch nicht-lokale Faktoren (zum Beispiel Anschluss zu Autobahn prägt den Ort)
Versuch die eigene, unmittelbare Wahrnehmung einzuordnen in angemessene Formate von Globalisierungsprozessen und place-Konzepten
Formulierung von Masseys Verständnis eine “global sense of place”:
Place als Knoten eines Netzwes, definiert durch spezifische Ströme von globalen Dingen, die sich an dieser Stelle überschneiden —> keine lokalisierten Phänomene, sondern zirkulierende Elemente, die aufeinandertreffen und den Kern eines Ortes bilden
Ort als Ergebnis globaler Strömungen
Dynamisierung des Orts-Verständnisses: Für Verständnis eines Ortes ist ein globales Verständnis notwendig
Verständnis eines “Global Sense of Place“ nach Massey
Place ist nicht das Ergebnis der Gestaltung der Umwelt “vor Ort”, sondern des kontinuierlichen historischen Austauschs
Dieser Prozess ist niemals abgeschlossen, places und ihre Identität entwickeln sich dauernd weiter
Dieser Prozess ist immer auch eine konfliktreiche Auseinandersetzung, in der Machtasymmetrien eine große Rolle spielen
Places können niemals mit einer bestimmten sozialen oder ethnischen Gruppe verknüpft werden, sondern sind für unterschiedliche Gruppen von Menschen gleichzeitig auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlicher Bedeutung Bezugspunkt und “Heimat”
Places haben nicht eine, sondern viele Identitäten gleichzeitig; bezogen auf ein und denselben Ort existieren unterschiedliche “senses of place” nebeneinander
Places haben keine festen Grenzen, sie sind offen, variabel und unscharf und immer auch von individuellen Erfahrungen und konkreten Kontexten abhängig
Wie verändert sich Politik unter Globalisierungsbedingungen? Wie verändert sich die Rolle des Nationalstaates im Globalisierungsprozess?
Annahme/Proklamation in den 1990er-Jahren (Im Zuge des Einsetzens von Globalisierungsprozessen): Nationalstaat verliert an Bedeutung —> Rechte und Gestaltungsspielräume werden nach oben und nach unten abgegeben
ABER eigentlich antagonistischer Prozess: Stabilisierung/Neuordnung nationaler Grenzen <-> Machtverlust/Entgrenzung von Nationalstaaten
Erläutern Sie an einem Beispiel, wie internationale Organisationen die Souveränität von Nationalstaaten beschränken, aber auch den Alltag aller Bürger*innen verändern!
Abgabe von Governance nach oben (Internationale Institutionen)
Beispiel: NATO —> Kompetenzen nationaler Parlamente reduziert durch freiwillige Abgabe von Kompetenzen an supranationale Institutionen
Enormer Anstief internationaler Institutionen seit 1979 [Was war da los?]
Probleme und die Wahrnehmung dieser Probleme und ihrer Lösungen verändern sich durch globale Perspektive
Merkmale internationaler Institutionen
mindestens 3 Staaten repräsentativ
öffentliche Geschäftsstelle
gemeinsame Zwecke/Ziele
internationale Verregelungsprozesse struturieren Nationalstaatsverständnis und Alltag der Bürger*innen um
Beispiel: ISO (International Organization of Standardization, 168 Nationen)
Entwicklung und Festlegung internationaler Standards für technische Vorgaben
Strukturieren unsere materielle Umwelt (als selbstverständlich wahrgenommen und unhinterfragt angenommen)
Beispiel eines Expertensystems nach Giddens
Verlagerung der Politik auf eine Ebene überhalb von Nationalstaaten
Abgabe von Governance nach unten (NGOs)
enormer Anstieg von NGOs seit den 1970/80ern
nicht nur auf staatlicher Ebene, sondern auch politischer Ebene, die nicht staatlich ist
Politische Geographie in Deutschland wenig entwickelt —> Themen wurden immer eher der Politikwissenschaft zugeordnet
Was verstehen Sie unter Kreativwirtschaftspolitik? In welchem Kontext ist sie entstanden?
Fallstudie: Kreavivwirtschaftspolitik (Beispiel für Mobilität von Politik)
Ausgangspunkt der global-lokalen Kreativwirtschaftspolitik ist trotz vielseitiger Kritik: “The Rise of the Creative Class”, Richard Florida
Frage: Haben wir (der Globale Norden) ein ökonomisches Entwicklungsproblem?
Florida geht davon aus, dass die post-fordistischen, post-industriellen Staaten des Globalen Norden ein fundamentales Wirtschaftsproblem haben, das möglicherweise bewirkt, dass Wirtschaftswachstum zukünftig nicht mehr möglich sein wird
Ausgangsanalyse: Produktion im Globalen Norden wird immer teurer, dahei kein Aufbau/Ausbau eines auf Produktion basierenden Wirtschaftsmodells möglich —> Verlagerung in den Globalen Süden
Kritik: Entstehung von smart cities, Industrie 4.0, Verschmelzung von Industrie und Dienstleistung legt nahe, dass eher eine Transformation des verarbeitenden und produzierenden Gewerbes om Globalen Norden stattfindet, statt eine Auflösung/vollständige Verlagerung in den Globalen Süden
Lösung (nach Florida): Konzentration auf Innovation und Kreativität (um vermeintliches Fehlen von Produktion auszugleichen)
Folge: in Regionen des Globalen Nordens (im Sinne nationaler Strategien, nicht globaler/internationaler) entsteht eine globale Konkurrenz um “high potentials”
Vorgehensweise/empirische Messung seiner These: Zahlen des Wirtschaftswachstums können zeigen, dass es Indikatoren gibt, die einen Zusammenhang von kreativen Köpfen und Wirtschaftswachstum geben kann (z. B. in Form der Anzahl von Patenten, die angemeldet werden)
Warum werden manche Regionen zu dynamischen Wirtschaftsräumen?
Korrelation von High Potentials und kreativem Milieu (ausgezeichnet durch hohen Freizeitwert und kulturelle Offenheit)
Ergebnis: Modell regionaler/kommunaler Entwicklung (nach der Annahme: jobs follow people)
Wirtschaftswachstum korreliert mit High Potentials
High Potentials korrelieren mit Innovativität und Kreativität
Innovativität und Kreativität korrelieren mit kreativem Milieu
nach dieser Annahme entstehen neue Aufgaben für die WIrtschaftsförderung, z. B. Förderung von Kultur
Kritik an Florida betreffen
Empirie und Methode (z. B. Ermittlung des gay index)
RIsiko der Elitenförderung
inhaltliche Kritik
Instrumentalisierung von Kunst und Kultur als wirschaftliche Zwecke
neoliberaler Charakter (Überhöhung des kreativen Subjekts und der Responsibilisierung)
(vorsichtige) Anknüpfungen an These von Florida: Was sind heute relevante Standortfaktoren? Wie muss die Standortpolitik städtischer Wirtschaftsförderung aussehen?
Auswirkungen auf Stadtpolitik: Hinwendung des Blicks zum offenen, kreativen Milieu
z. B. in Form von Beauftragungen städtischer Kreativwirtschaftsberichte (auch in FFM als Auftragsarbeit am humangeographischen Institut (dort nur Bestandsaufnahme ohne tiefere kritische Betrachtung oder Strategieansätzen)
Erläutern Sie, inwiefern einer politischen Strategie gleichzeitig unterschiedliche Rationalitäten des Regierens zugrunde liegen können?
Wie übersetzt sich die (pseudo)wissenschaftliche These Florias in die Praxis und Politik?
Notwendigkeit von Netzwerken und Consulting (z. B. durch Erstellen von Kreativwirtschaftsberichten in der Wissenschaft)
Was ist die Problembeschreibung? Regionen des Globalen Nordens müssen etwas für ihren Wirtschaftswachstum tun —> reine Annahme, aber Wissenschaft beeinflusst Politik (Prozess einer Problematisierung)
Vorgehensweise der Anwendung
Bestandsaufnahme (z. B. Kreativwirtschaftsberichte)
Formulierung einer Stratgie
Entwicklung und Entscheidung von Governance-Instrumenten
Implementierung der Politik
Evaluation
4 Säulen der Kreativwirtschaftspolitik (in DE)
Kreativität zunehmend als individuelle Kapazität —> Stimulation der Bereitschaft zur Kreativität notwendig (aber auch immer als unternehmerische Subjekte)
Kreativität ist das Ergbenis eines bestimmten Milieus, das gepflegt werden muss
Kreativität kommt auch von außen —> internationale Bekanntheit ist notwendig (Leuchtturmpolitik)
Bestimmte “Infrastrukturen” sind notwendig, für die Anziehung kreativer Köpfe
Beispiel einer konkreten Implementierung (Übersetzung einer Idee in die reale Politik) in Frankfurt
Orientierung an lokalen Bedürfnissen und Phänomenen
Leerstand von zweitklassigem Wohnraum in der Stadtentwicklung hemmend —> Raummangel und Finanzierungsschwierigkeiten von Start-Ups, dadurch Blockade von Entwicklung
Politische Antwort: Veröffentlichung “Frankfurter Programm zur Förderung des Umbaus leerstehender Räume für Kreative. Richtlinien für Vergabe von Bauzuschüssen”, 2010
Zusammenarbeit von Wirtschaftsförderung, Stadtplanungsamt und Kulturdezernat (verschiedene Interessensschwerpunkte —> dadurch Abschwächung der jeweiligen Anforderungen, “Verwässerung” durch Kompromisse)
Ergebnis: RADAR als ausführende Institution der Richtlinie, bestehend aus Leuten aus der Kunstbranche (Standort: Basishaus, Gutleutviertel)
höhere Autorität als Einzelpersonen
Anfrage von Leerstand bei Eigentümer*innen für temporäre oder dauerhafte Nutzung durch Künstlerinnen
Was verstehen Sie unter travelling policies oder mobile policies?
Wie verändert sich unter Globalisierungsbedingungen die Implementierung von Politiken auf lokaler Ebene?
Klassische Fragen der klassischen policy transfer Forschung (Vorglobalisierungsbedingungen) —> konzentriert sich auf Eugene McCann
- Wer sind die beteiligten Schlüsselakteure?
- Warum? Mit welchem Ziel?
- Was wird übertragen?
- Von wo nach wo?
- Zu welchem Grad kann übertragen werden? Grenzen?
- Warum existieren die Grenzen?
- Wie wird der (Miss-)Erfolg in Verbindung gebracht mit der Übertragung?
Nennen Sie Beispiele für travelling policies!
Lokale Konzepte, die allerdings später in globaler Verbreitung zirkulieren und auf globale Probleme reagieren —> Policy transfer ohne Globalisierungsbedingungen:
- Beispiele für diese Art Politiken zu implementieren: Housing First, Superblocks, Business Improvement Districts, …
Was charakterisiert das policy transfer-Konzept?
1. (national-)staatliche Rahmen bleibt mindestens implizit wichtig à Ausgangspunkt sind nationale Gegebenheiten
2. Akteure und Institutionen
3. „Transfer“ beinhaltet die Vorstellung von fertigen Konzepten bzw. „stabilen Paketen“, die mobil sind und woanders implementiert werden können
4. Dabei setzt sich in Selektion das durch, was am besten funktioniert (Diffusion und Selektion)
Wie unterscheidet sich das policy mobility-Konzept vom policy transfer-Konzept?
- Beides wichtige Konzepte über die Anpassung von Politiken zwischen verschiedenen Kontexten
- Unterschiedliche Schwerpunkt und theoretische Hintergründe
- Policy Transfer
o Prozess, bei dem Wissen über Politiken, administrative Arrangements, Institutionen und Ideen zwischen politischen Systemen getauscht wird
o Schwerpunkt: bewusster und zielgerichteter Transfer/Austausch
- Policy mobility
o Erweiterung des Konzepts, um dynamische und kontinuierliche Bewegung von Politiken
o Nicht nur von A nach B interessant, sondern, wie Politiken in verschiedenen Kontexten modifiziert und neu interpretiert werden, während sie sich bewegen
o Schwerpunkte: Flexibilität und Anpassung, räumliche und zeitliche Dynamik, Akteure und Netzwerke
Welche Akteure/Institutionen können an der Mobilisierung von Politiken beteiligt sein?
Zu 2: Akteure und Institutionen der klassischen policy transfer Forschung
Nach Dolowith/Marsh (2000)
- Elected officials
- Political parties
- Bureaucrats/civil servants
- Pressure groups
- Polica entrepreneurs and experts
- Transnational corporations
- Think tanks
- Supra-national governmental and nongovernmental institutions and consultants
Was verstehen Sie unter „Problematisierung“ und welche Rolle spielt der Begriff im Kontext der policy transfer/policy mobility-Forschung?
Was wird noch mobil durch solche travelling policies?
- Problemverständnisse und Problematisierung werden global (nicht nur Menschen, Güter, …) à ein sich global annäherndes Verständnis von Problem(-Wahrnehmungen)
- Teile von Lösungsansätzen werden mobil à Welche? Best practice Ansätze oder bestimmte kombinierte Einzelansätze?
- Normen, die hinter den Problemen stehen, werden mobil à Angleichung von Normvorstellungen, bevor lokale Politiken eingreifen
Welche Zusammenhänge sehen Sie zwischen der zunehmenden Bedeutung von policy mobility und den veränderten Rahmenbedingungen der Globalisierung?
From transfer-diffusion to mobility-mutation
- Mutation on the move
- Acceleration: Fast policy
- Circulation
- Multi-scalar perspective
- Micro spave of policy practice
- Epistemic communities
- Governance
- Local articulation
Nennen und erläutern Sie Veränderungen im internationalen Migrationsgeschehen in den 1990er Jahren!
Mit Einsetzen von Globalisierungsprozessen in den 1980ern/90ern (bzw. bereits davor und danach beobachtbar, aber in den 90ern besonders prägnant) hat sich das globale Migrationsgeschehen verändert
Charakteristika:
Zunahme bzw. Beschleunigung: mengenmäßige Zunahme von Globalisierung und Beschleunigung/Dynamisierung von Migrationsströmungen
Vielfältigere internationale Verflechtungsmuster: zunehmend unübersichtlicher werdendes Netz an Regionen (aus einer eurozentrischen Perspektive), davor eindeutigere Migrationsländer, -ziele und -routen
Differenzierung der Migration: Ursachen und Motivationen, Gruppen nach Alter/Geschlecht/Einkommen usw. differenzieren sich aus
Feminiserung von Migration: Anteil von Frauen am globalen Migrationsgeschehen nimmt international aus verschiedenen Gründen zu (z. B. Familiennachzug, Bedeutung von Care Arbeit und damit verbundene Migration als z. B. “Dienstmädchen”)
Zunahme der Bedeutung politischer Faktoren: politische Rahmenbedingungen werden auf Grundlage ökonomischer Bedürfnisse geschaffen (Wirtschaftsmigration) UND politische Großereignisse, wie Zerfall der Sowjetunion
Reglementierung und seitdem kontinuierliche politische Auseinandersetzung mit Migration: beginnend in den 90er Jahren Regelungen, Versuche der Regelung und Neuregelungen zur Steuerung (i.d.R. Eindämmung) der Migration
Inwiefern ist das Beispiel der Aussiedler/Spätaussiedler aus dem ehemaligen Ostblock typische für das Spannungsfeld „Migration und Identität“ unter Globalisierungsbedingungen?
Beispiel 1: Bewegung in den 1990ern in Form eines Zuzugs in die BRD von Aussiedlern (deutscher Abstammung aus einem Staat der ehemaligen Sowjetunion)
Grundlegende Veränderung des Migrationsgeschehens in der BRD
Zeitraum von etwa zehn Jahren (1988-1999)
Anstoß einer gigantischen politischen Debatte: nicht nur Zunahme und Intensivierung einer bestehenden Migration, sondern komplett neue Form der Migration
Unterschied/Besonderheit: keine Identiät/Heimat an dem Ort, von dem sie kommen —> keine national und identiäre Anbindung an den Ursprungsort (eigentliche nationalstaatliche Logik)
Beispiel: Das russlanddeutsche “Haus der Heimat” in Nürnberg
Forschungsperspektive auf Identitätsformatierung und -infragestellung von Russlanddeutschen
in Russland als Deutsche wahrgenommen (teilweise seit mehreren Generationen dort)
Migrationserfahrung: Als Aussiedler in Deutschland als Russen/Ausländer wahrgenommen
tiefgreifende Auswirkungen auf Kategorien und Identitäten
“keine Russin”, “keine Deutsche” —> Identität geprägt durch Negativbezeichnung
von Migrationsschock zu Angehörigkeit zu zwei Nationalitäten als “Russlanddeutsche” (Nationalkonzept bis dahin eigentlich als exklusiv verstanden)
Verbindungen zu Herkunftsregionen bleiben erhalten, Bezeichnung als “Bürger zweier Welten” —> aber nicht als erster Zustand (zeitliche Komponente), sondern als Ergebnis eines Prozesses der Erfahrung der zweifachen Absprache einer eindeutigen Identität
aber keine einheitliche Erfahrung, sondern immer subjektiv
Kritik: Lassen sich die Auseinandersetzungen mit den Migrationserfahrungen in diesem Forschungsrahmen sinnvoll erfassen? —> tendiert zu einer vereinfachenden Einordnung in Prozenten (“70% deutsch, 30% russisch” bzw. “mehr oder weniger integriert”)
Erläutern Sie das Konzept „Third Space“ sowohl theoretisch-konzeptionell wie auch anhand eines empirischen Beispiels!
Homi Bhabha (Literaturwissenschaftler), “The Location of Culture” —> postkoloniale Perspektive auf Identität und Migration
Feststellung wichtiger Rahmenbedingungen als aus einer postkolonialen Konfiguration heraus entstanden, lassen sich aber auch als Rahmenbedingungen der Globalisierung wahrnehmen
Überschneidung: Kritisches Nachdenken über die Verbindung von Identiätsbildungsprozessen und räumlichen Kategorien (Kolonien, Globaler Norden/Süden, usw.)
Haben die, in der Globalisierung zunehmenden, Begegnungen mit “dem Anderen” dazu geführt, dass binäre Zuschreibung viel stärker grundsätzlich in Frage gestellt werden müssen und auch stärker in Frage gestellt werden?
Eröffnung eines neuen Diskursraum, in dem Fragen der Identität neu behandelt werden können —> “Third Space”
Als Kritik an binärem Ordnungssystem in z. B. “deutsch” bzw. “russisch” —> nicht mehr Globalisierungssituation angemessen
positiver Blick auf globales Migrationsgeschehen und damit zusammenhängende Änderungen der Identitätsbildung (durch Netzwerke gebildet, anstatt binär konstituiert)
„[A space that] … challenges our sense of the historical identity of culture as a homogenizing, unifying force, authenticated by the originary past, kept alive in the national tradition of the people.” (Homi Bhaba. 1994. The Location of Culture. London: Routledge.)
An indeterminate, fluid, mutable, liminal space that is neither dominated by one group or another. It … refers to a space positioned in between the colonizer and colonized characterized by hybridity in which translation and negotiation can happen. Here, the conjunction of colonizer and colonized space produces a space that is productive of new possibilities, creating new cultural meanings and inclusionary politics.” („Third Space“ in: Castree, Noel, Rob Kitchin und Alisdair Rogers. 2013. A Dictionary of Human Geography (online version). Oxford)
Erläutern Sie das Konzept des „transnationalen/globalen sozialen Raums“ anhand der sog. „neuen Argonauten“!
Beispiel 2: Rückkehr aus den USA nach Taiwan von 1976 bis 1997
basiert auf dem Buch von AnnaLee Saxenian “Die neuen Argonauten” über das Silicon Valley
Anstoß einer Debatte über veränderte Migrationsmuster und damit verbundenen Vergemeinschaftungs- und Vergesellschaftungsmustern
Saxenian stellt fest, dass ausländische, hochqualifizierte Arbeitskräfte, die aus dem Globalen Süden kommen und in den Globalen Norden migrieren, auch im Silicon Valley eine entscheidende Rolle spielen —> als “die neuen Argonauten”
Kritik an Idee des “brain drain”: Beobachtung, dass eine erhebliche Zahl an Personen eine gewisse Zeit in den USA verbringt und dann zurückkehrt in die Herkunftsländer im Globalen Süden —> “globale Pendler”/dauerhaft auf der Reise
Bewegung in wissensintensiven Milieus und remigrieren temporär mit gezielter Intention, in der Herkunftsregion Unternehmen zu gründen —> Etablierung/Institutionalisierung und Stabilisierung neuer Arten multipler Verbindungen bzw. transnationalen Netzwerken zwischen unterschiedlichen Regionen in der Welt durch die Migration der neuen Argonauten
Entwicklungsökonomisch werden dadurch drei große Entwicklungshemmnisse für den Globalen Süden reduziert bzw. überwunden
Globaler Süden ist nicht mehr von “high tech knowledge” abgeschnitten
Globaler Süden ist nicht mehr von Risikokapital abgeschnitten (globalen “high tech Regionen”
Globaler Süden nicht mehr ohne Zugang zu globalen Märkten
Identifikation von Zielländern nach Saxenian (Auswahl): Taiwan, China, Indien, Israel, Mexiko, Philippinen
Neue Argonauten als “Globalisierungs-Kombinierer”
Talentpools
Netzwerke
Kostenvorteile
Kollektivitätskompetenz (Fähigkeit aufgrund bestimmter Kenntnisse und Praktiken, neue Kontakte herzustellen)
„The existence of a network of technologists with strong ties to global markets and the linguistic and cultural skills to work in their home country is proving to be a more efficient and compelling way to overcome the limitations of distance.“ (Saxenian, AnnaLee. 2006. The New Argonauts Regional: Advantage in a Global Economy. Cambridge, Mass. S. 14)
„Silicon Valley’s role as the dominant technology centre will most likely continue to diminish. This does not imply decline, rather that it will become one of many nodes in a more open and distributed global network of differently specialised and complementary regional economies.“ (Saxenian, AnnaLee. 2006. The New Argonauts Regional (Word Into Action). Washington: IMF/World Bank. S. 110.)
Verallgemeinerung der Annahmen von Saxenian über das Silicon Valley:
Betrachtung von transnationalen sozialen Räumen (bereits 10 Jahre früher bei Ludger Pries (Soziologe))
Wie können neue Formen von sozialem Zusammenhalt in diesem Austausch entstehen und bestehen?
„…relativ dauerhafte, auf mehrere Orte verteilte bzw. zwischen mehreren Flächenräumen sich aufspannende verdichtete Konfigurationen von sozialen Alltagspraktiken, Symbolsystemen und Artefakten. Sie sind […] in verschiedenen Territorien bzw. locales verankert, die wiederum in andere sozialräumliche Einheiten – z.B. von nationalen Container-Gesellschaften – eingewoben sind.” (Pries, Ludger. 2008: 195.)
Erläutern Sie die Kritik der Mobility Studies am ‚statischen Blick‘ der Sozialwissenschaften!
Sesshaftigkeit, abgegrenzte Räume und authentische Orte als Ausgangspunkt (vgl. “Containerraumkonzept” zur Verortung, statt von vorneherein mobil zu denken) —> stattdessen: Orte als Knoten in globalen Netzen
Undifferenzierter Umgang mit Mobilität —> stattdessen: ungleich verteilte Mobilität, neue In- und Exklusionen in den Blick nehmen (nicht nur “Knoten”, sondern auch “Löcher” betrachten)
einseitige Konzentration auf Mobilität —> stattdessen Anerkennung der wechselseitigen Abhängigkeit von Mobilität/Mobilisierung und Immobilität/Immobilisierung (Multiple Mobilitäten und Immobilitäten)
Mobilität als Zustand/Prozess —> stattdessen Mobilität als Ressource (Bereitschaft zur und Möglichkeit der Mobilität, Praktik der Mobilität hat Auswirkungen auf Beruf, sozialen Status usw.)
Erläutern Sie den Begriff „kosmischer Blick“!
Versuch, die chaotische Welt durch die Einnahme einer fiktiven äußeren Perspektive, die Welt ordnen und erklären zu können
Mithilfe der territorialen Fixierung von Orten in der Aufklärung
Klassifikationssystem der Verortung
Gegenvorschlag: Was ist das globale Netzwerk, mit dem dieser Ort in Austausch steht und das diesen Ort konstituiert? (vgl. zu Massey “a global sense of place”) im Sinne des mobility turn
Welche Anforderungen wären an sozialwissenschaftliche Ansätze zu stellen, die der Kritik der Mobility Studies Rechnung tragen?
in den 2000ern/2010ern Annahme bzw. Übernahme der Kritik in die Sozialwissenschaften bzw. Humangeographie
Gründung zahlreicher Zeitschriften (in Reaktion auf die Kritik), z. B. “Mobilities”, “transfers”, “Introducing movements”)
tiefe Spuren auch in der Humangeographie, angelehnt an Entwicklungen in der Sozialwissenschaft
Erhöhte Sensibilität über Auswirkungen und Dimensionen von Mobilität quer durch Disziplinen (der Humangeographie)
Merkmale/Anforderungen
Denken von Mobilität in Verknüpfungen und Strömungen
Mobilität und Immobilität wechselseitig aufeinander beziehen
Mobilität als Kriterium sozialer Differenzierungen/soziale Ressource
Moblilität als Medium von sozialen Beziehungen
Was verstehen Sie unter dem Begriff „Topologie“?
Mit welchen Raumkonzepten/Topologien untersuchen wir die Relationen zwischen Dingen, zwischen Menschen/Gesellschaften und Dingen und zwischen Menschen/Gesellschaften untereinander?
Auf der Grundlage welcher Raumkonzepte/Topologien erklären wir welche Ähnlichkeiten und Variationen?
Nicht “Welche Topologie ist richtig?”, sondern “Welche Topologie ist dem Gegenstand und der Fragestellung angemessen?”
Welche (neuen) Topologien sind unter Globalisierungsbedingungen angemessen bzw. welche neuen Topologien bringt der Prozess der Globalisierung hervor?
Was meint Latour, wenn er von der „Tyrannei der Geographie“ spricht?
Historischer, traditioneller Raumbegriff: Raum ist das, was die physische Distanz zwischen Menschen und Lebewesen und Dingen entstehen lässt —> Lage-Distanz-Relation
in der Geographie lange Zeit einziger Raumbegriff —> Kritik: “Tyrannei der Geographie”, nach Latour
„The difficulty we have in defining all associations in terms of networks is due to the prevalence of geography. It seems obvious that we can oppose proximity and connections. However, geographical proximity is the result of a science – geography –, of a profession – geographers –, of a practice – mapping system, measuring, triangulating. Their definition of proximity and distance is useless for ANT [Actor-Network-Theory] – or should be included as one type of connections, one type of networks as we will see below. All definitions in terms of surface and territories come from our reading of maps drawn and filled in by geographers. Out of geographers and geography, ‘in between‘ their own networks, there is no such thing as a proximity or a distance which would not be defined by connectibility. […] The notion of network helps us to lift the tyranny of geographers in defining space and offers us a notion which is neither social nor ‘real‘ space, but associations.“ (Latour, Bruno. 1996. On actor-network theory: A few clarifications. In: Soziale Welt 47 (1996, 4). S. 369-381.)
Befreiung von der Tyrannei der Geographie notwendig, durch Topologie des Raumverständnis des Netzwerks
Warum werden traditionelle geographische Raumkonzepte unter Globalisierungsbedingungen immer weniger sinnvoll?
Geographie verfolgt Themen und Fragestellungen auf der Grundlage des euklidischen Raums weiter (wie sie sie immer verfolgt haben) —> unter Globalisierungsbedingunen funktioniert das aber immer schlechter
Fragestellungen ändern sich, damit ändert sich auch das zugrundeliegende Verständnis von Raum
Euklidischer Raum als Ausgangspunkt und einziges Raumkonzept lässt sich nicht (mehr) bei jeder Fragestellung anwenden
Was versteht man unter dem „euklidischen Raum“?
Raum als Raum der Distanzen bzw. Raum in dem Objekte lokalisierbar sind
Anschauungsraum (mit der Materialität von Dingen verbunden)
Einfaches Raumverständnis aus der Mathematik
Durch Relativitätstheorie infrage gestellt
System, in dem alle Punkte eine eindeutige und dauerhafte Zuordnung in einem (in der Geographie dreidimensionalem) Koordinatensystem haben, der durch Vektoren bestimmt wird
heute nicht mehr einziges Raum-Konzept in der Geographie
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