Vorsatzschuld
Wechselbeziehung zwischen der Verhaltensform und der Schuldform des strafbaren Geschehens
Nach der Lehre von der Doppelfunktion des Vorsatzes ist der Vorsatz einerseits als Tatbestandsvorsatz Element der im TB zu prüfenden Handlung und andererseits als Schuldvorsatz Träger des in der Tat aktualisierten Gesinnungsunwertes, in dem sich die mangelhafte Einstellung zur Rechtsordnung offenbart.
Bejahung des TB-Vorsatzes indiziert das Vorliegen von Vorsatzschuld
Aber: keine schematische Prüfung
Nicht sehr klausurrelevant
Entschuldigungsgründe allgemein
Entschuldigungsgründe bewirken eine so starke Herabsetzung des Unrechts- und Schuldgehalt der Tat, dass die Grenze der Strafwürdigkeit nicht mehr erreicht wird
Nach dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät ist eine strafbare Teilnahme nach §§ 26, 27 StGB möglich
Keine Abwägung erforderlich ➔ § 35 StGB greift z.B., wenn § 34 StGB an der Abwägung scheitert
z.B. weil man Leben gegen Leben nicht abwägen kann
Entschuldigungsgründe: Unterschied zu den Rechtfertigungsgründen
Wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, wird die Tat von der Rechtsordnung gebilligt.
Bei einem Entschuldigungsgrund wird die Tat grundsätzlich von der Rechtsordnung missbilligt, aber aufgrund bestimmter Umstände wird mit dem Täter Nachsicht geübt und kein Schuldvorwurf erhoben.
Entschuldigungsgründe: Unterschied zum Schuldausschließungsgrund
Beim Schuldausschließungsgrund fehlt es an einer Schuldvoraussetzung bzw. an einem schuldbegründenden Merkmal.
Schuldausschließungsmerkmal z.B.: Schuldunfähigkeit; unvermeidbarer Verbotsirrtum gem. § 17 StGB
Entschuldigungsgrund gem. § 35 I, II StGB
=> Allgemein
Scheidet aus, wenn § 34 StGB greift:
Wäre falsch, die Frage nach der Rechtswidrigkeit mit dem Argument offen zu lassen, dass jedenfalls § 35 StGB greift
Grund: Wenn § 34 StGB greift Duldungspflicht des Betroffenen
Grund: Wenn nur § 35 StGB greift, hat der Betroffene ein Notwehrrecht gegen den Entschuldigten
=> Schema
Notstandslage
Grenze: Zumutbarkeit, § 35 I 2 StGB
Subjektives Entschuldigungselement
Eine Notstandslage i.S.d. § 35 I StGB ist eine nicht anders abwendbare Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit des Täters selbst, eines Angehörigen i.S.d. § 11 I Nr. 1 StGB oder einer anderen ihm nahestehenden Person.
=> Notstandsfähige Güter
Notstandsfähiges Gut: Leben, Leib, Freiheit
= abschließende Aufzählung
Enger als bei § 34 StGB
Das Rechtsgut Leben ist die physische Existenz eines Menschen, also der Begriff des Lebens i.S.d. § 211 StGB.
P.: Auch der nasciturus erfasst? ➔ h.M.: (-)
Das Rechtsgut Leib schützt die körperliche Unversehrtheit.
Nicht erfasst: geistig-seelische Unversehrtheit
Nicht jede drohende einfache Körperverletzung genügt
Zeigt sich durch die Zusammenstellung mit dem Rechtsgut Leben
Sondern: Nur schwere Körperverletzungen
Einzelfallbetrachtung
Das Rechtsgut Freiheit umfasst die körperliche Fortbewegungsfreiheit.
Nicht: Freiheit der Willensbetätigung
Ergibt sich aus dem Vergleich mit den anderen geschützten Rechtsgütern Leib und Leben
Entschuldigugnsgrund gem. § 35 I, II StGB
=> Gegenwärtige Gefahr
Entspricht § 34 StGB
Eine Gefahr ist ein Zustand, der den Eintritt eines Schadens als sicher oder höchstwahrscheinlich erscheinen lässt, wenn nicht alsbald Abhilfe geschaffen wird.
Ursache der Gefahr ist grds. unerheblich
Ausnahme: Gefahr wurde durch den Täter selbst verursacht ➔ § 35 I 2 StGB
Somit möglich: Naturereignisse, gefährlicher Zustand einer Sache, von Menschen ausgehende Gefahren
Gegenwärtig ist eine Gefahr dann, wenn sich die Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutsverletzung so verdichtet hat, dass die zum Schutz des bedrohten Rechtsguts notwendigen Maßnahmen sofort einzuleiten sind.
Dauergefahr ist grds. ausreichend, wenn sie jederzeit akut werden kann
=> Nicht anders abwendbar
Notstandshandlung als letzter und einziger Ausweg
Notstandshandlung ist objektiv erforderlich und geeignet
Notstandshandlung ist ultima ratio
Muss geeignet und das relativ mildeste Mittel sein
=> Betroffenheit
Täter
Angehöriger i.S.d. § 11 I Nr. 1 StGB
§ 11 I Nr. 1 StGB knüpft abschließend an die formelle Beziehung zwischen zwei Menschen an
Ob das typischerweise bestehende persönliche Näheverhältnis tatsächlich besteht, ist irrelevant
Kommt auf den Augenblick der Tathandlung an, § 8 StGB
Verlöbnis: Kommt nicht auf die zivilrechtliche Wirksamkeit an, aber: ernst gemeintes Eheversprechen erforderlich
Nahestehende Person
= persönliche Verhältnisse, die in der Intensität des Zusammengehörigkeitsgefühls der Beziehung zwischen Angehörigen vergleichbar ist
Auf Dauer angelegte Beziehung, die über den üblichen Sozialkontakt hinausgeht
z.B. eheähnliche Lebensgemeinschaften, enge Freundschaften, langjährige Hausgemeinschaften
Bei § 34 StGB ist der Personenkreis nicht beschränkt
Täter ist nach § 35 I 2 StGB nicht entschuldigt, wenn es ihm zuzumuten war, die Gefahr hinzunehmen.
Fallgruppen:
Wenn der Täter die Gefahr selbst verursacht hat
Besonderes Rechtsverhältnis
Sonstige Fälle
=> Wenn der Täter die Gefahr selbst verursacht hat
P.: Begriff Verursachung
m.M.: Jede Kausalität
(-): Würde Einschränkung des § 35 I 2 StGB ins Uferlose erstrecken
a.A.: Schuldhaftes Vorverhalten erforderlich
(-): Widerspricht den Gesetzgebungsmaterialien
h.M.: pflichtwidrige Verursachung
Bei der Frage der Zumutbarkeit kommt es auf die Umstände an, die im Wege einer Gesamtbewertung zu ermitteln sind
z.B. Vorwerfbarkeit der Gefahrverursachung, Verhältnis des bedrohten zu dem vom Täter verletzten Rechtsgut, mögliche Handlungsalternativen
Nicht erfasst: Wenn ein Angehöriger oder eine den Täter nahestehende Person die Gefahr verursacht hat
Arg.: Fehlender Zumutbarkeitszusammenhang
=> Besonderes Rechtsverhältnis
Besonderes Rechtsverhältnis, aufgrund dessen dem Täter die Hinnahme der Gefahr zugemutet werden kann
Rechtsverhältnis ➔ bloße moralische Pflichten nicht ausreichend
= Personen, die eine berufliche oder berufsähnliche Schutzfunktion haben
z.B. Arzt, Feuerwehrmann, Polizist, Soldat, Seemann
Es muss sich um eine Gefahr handeln, die der Täter typischerweise tragen muss und regelmäßig dem Täter selbst drohen
Täter ist nicht die Hinnahme jeder Gefahr i.R.d. Erfüllung seiner Pflichten zumutbar
Konkret drohende Rechtsgutsverletzung kann außer Verhältnis zu einer Verletzung des von ihm pflichtgemäß zu schützenden Rechtsguts sein
P.: Muss die Schutzpflicht gegenüber der Allgemeinheit bestehen?
(-): Erwartungen, die an das Durchstehen einer berufstypischen Gefahr gestellt werden, sind unabhängig von Art und Umfang des geschützten Personenkreises
Deshalb stehe auch der Bergführer in einem besonderen Rechtsverhältnis
Was ist noch erfasst von der Fallgruppe?
Auch erfasst von der Fallgruppe: institutionalisierte Duldungspflichten aus spezialgesetzlichen Regelungen
z.B. Pflicht zur Duldung körperlicher Eingriffe aus § 81a StPO
z.B. Pflicht zur Duldung der Freiheitsentziehung durch rechtmäßigen Hoheitsakt
Werden teilweise auch unter die „sonstigen Fälle“ gerechnet
=> Sonstige Fälle
Sonstige Fälle (z.B. Garantenstellung):
Aufzählung ist nicht abschließend („namentlich“)
Garantenstellung aus Gefahrgemeinschaft oder aus der Übernahme von Obhutspflichten
Ingerenzfälle gehören zu der Fallgruppe der Gefahrverursachung
=> P.: Wenn in Fällen der Notstandshilfe der Angehörige oder die nahe stehende Person die Gefahr selbst verursacht hat?
h.M.: Auch dem Notstandshelfer ist die Gefahr zumutbar
=> Folge
Bei Fällen des § 35 I 2 StGB kommt eine fakultative Strafmilderung gem. § 35 I 2 Hs. 2 StGB i.V.m. § 49 I StGB in Betracht
Außer in Fällen, in denen ein besonderes Rechtsverhältnis besteht
Vor allem bei unverschuldeter Gefahrverursachung
Subjektives Rechtfertigungselement
Kenntnis
Rettungswille
Rettungswille liegt vor, wenn der Täter handelt, um die Gefahr von sich oder einer anderen geschützten Person abzuwenden.
= Täter muss die Gefahrabwendung bezwecken
=> P.: Nötigungsnotstand
Ein Nötigungsnotstand liegt vor, wenn der Täter von einem Dritten durch Gewalt oder Drohung zu einem strafbaren Verhalten genötigt wird.
e.A.: § 34 StGB nicht von vornherein ausgeschlossen (s.o. bei § 34 StGB)
h.M.: Fälle des Nötigungsnotstands sind von § 35 StGB erfasst
=> § 35 II StGB
§ 35 II StGB: Regelung des Irrtums über das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands
Handelt sich um einen Sachverhaltsirrtum wie bei § 16 StGB ➔ bezieht sich nur auf die Vss. des § 35 I StGB
Bei einem unvermeidbaren Irrtum: Strafbarkeit entfällt
Bei einem vermeidbaren Irrtum: Strafe ist nach § 49 I StGB zu mildern, § 35 II 2 StGB
Notwehrexzess gem. § 33 StGB
=> Allgemeines
= wenn der Täter die Grenzen der Erforderlichkeit bei § 32 StGB überschreitet
Grund: Aufgrund des Angriffs ist das Unrecht zumindest gemindert
Überschreitung der Grenzen der Notwehr
“aus”
Verwirrung, Furcht, Schrecken
Subjektive Merkmale
h.M.: Nur intensiver Notwehrexzess
Ein intensiver Notwehrexzess ist dann gegeben, wenn der Angegriffene in einer zum Tatzeitpunkt objektiv gegebenen Notwehrlage die Grenzen der Notwehr überschreitet, also über das nach § 32 II StGB erforderliche Maß oder die gebotene Abwehr hinausgeht.
z.B. Messerstich, wenn auch ein Faustschlag zur Abwehr genügt hätte
m.M.: auch extensiver Notwehrexzess
Ein extensiver Notwehrexzess liegt vor, wenn es an der Gegenwärtigkeit des Angriffs fehlt.
Lit.: § 33 StGB greift auch in Fällen des Nachzeitig-extensiven Notwehrexzesses ein
Nachzeitig-extensiv: Wenn der Angriff bereits beendet ist
Arg.: § 33 StGB spricht nur von den Grenzen der Notwehr ➔ auch zeitliche Grenzen davon erfasst
Arg.: Mit der Situation beim intensiven Notwehrexzess vergleichbar
(-): Unrechtsmindernde Notwehrlage besteht nicht mehr
Vorzeitig-extensiv: Wenn der Angriff noch nicht vorliegt und noch nicht unmittelbar bevorsteht, aber in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgen wird.
Lit.: Direkte Anwendung des § 33 StGB nicht möglich
Arg.: Privilegierung des § 33 StGB greift nur aufgrund der mit der Notwehrlage einhergehenden psychischen Ausnahmesituation
Teilw.: Analoge Anwendung des § 33 StGB beim vorzeitig-extensiven Notwehrexzess
Arg.: Nichtbestrafung des Täters resultiert auch aus der aus dem rechtswidrigen Angriff resultierenden Unrechtsminderung
Kein Verstoß gegen § 103 II GG ➔ keine Analogie zulasten des Täters
(-): Bereits von § 32 StGB unmittelbar bevorstehende Angriffe erfasst ➔ würde noch zu einer weiteren Vorverlagerung führen
BGH: Anwendung des § 33 StGB beim extensiven Notwehrexzess (-)
Nach dem Wortlaut des § 33 StGB setze dieser für seine Anwendung voraus, dass überhaupt eine Notwehrlage besteht
Sonst ist ein Überschreiten der Grenzen der Notwehr nicht möglich
Mangels Gegenwärtigkeit des Angriffs Notwehrlage (-)
(+): Unrechtsmindernde Notwehrlage ist noch nicht oder nicht mehr gegeben
P.: Ist der Täter auch gem. § 33 StGB entschuldigt, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen verteidigtem und beim Angreifer verletzten Rechtsgut besteht
h.M.:
(+): Wortlaut stellt lediglich auf ein Überschreiten der Grenzen ab
Ausklammerung von § 33 StGB für Fälle mit einem krassen Missverhältnis wäre eine Analogie zulasten des Täters
=> Unterscheidung von Irrtümern
Putativnotwehr:
= Irrige Annahme, dass die tatsächlichen Vss. einer Notwehr vorliegen, obwohl eine Notwehrlage objektiv nicht gegeben ist
Allg. Irrtumsregeln gelten ➔ Erlaubnistatbestandsirrtum
Putativnotwehrexzess:
= Irrige Annahme, dass die tatsächlichen Vss. einer Notwehr vorligen, obwohl eine Notwehrlage objektiv nicht gegeben ist, und gleichzeitiges Überschreiten der Erforderlichkeit
h.M.: Anwendung von § 33 StGB (-)
deutet auf einen inneren Zusammenhang zwischen Überschreiten und Affekt hin
Grund für die Überschreitung der Grenzen der Notwehr muss gerade in dem asthenischen Affekt liegen
Mitursächlichkeit genügt
Verwirrung, Furcht Schrecken
= sog. Asthenische Affekte
Furcht i.S.d. § 33 StGB ist nicht schon jedes Angstgefühl, sondern es muss durch den im Sinnzusammenhang der Panik liegenden Affekt die Fähigkeit, das Geschehen richtig zu verarbeiten, erheblich reduziert sein.
h.M.: Keine Ausweitung des § 33 StGB auf die sog. Sthenischen Affekte
z.B. Wut, Zorn oder Kampfeseifer
=> P.: Wenn sowohl asthenische als auch sthenische Affekte vorliegen
Wenn die asthenischen Affekte für den Notwehrexzess mitverantwortlich sind, Anwendung des § 33 StGB (+)
Nicht erforderlich, dass die asthenischen Affekte alleinige oder überwiegende Ursache sind
Arg.: Angreifer löst die Affekte durch seinen Angriff aus ➔ hat die ihn treffenden Folgen überzogener Abwehr grds. selbst und allein zu verantworten
Täter muss trotz seines Exzesses in Verteidigungsabsicht handeln
h.M.: Keine Unterscheidung zwischen bewusster und unbewusster Überschreitung der Grenzen
Arg.: Wortlaut unterscheidet auch nicht danach
Täter ist auch dann nicht strafbar, wenn er sich des Exzesses bewusst ist, aber von seinem Affekt hingerissen wird
§ 33 StGB gilt dann nicht, wenn sich der rechtwidrig Angegriffene planmäßig in eine tätliche Auseinandersetzung eingelassen hat, um ihn mit eigenen Mitteln abzuwehren
=> P.: Analoge Anwendung des § 33 StGB, wenn der Täter die Grenzen eines anderen Rechtfertigungsgrundes (§ 34 StGB) aus einem in § 33 StGB genannten asthenischen Affekt überschreitet?
h.M.: (-)
Arg.: Gesetzgeber wollte den Anwendungsbereich auf die Überschreitung des § 32 StGB begrenzen
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