Was ist Toxologie?
Und was ist das Ziel davon?
Sachgebiete der Toxikologie
Was ist Giftkunde toxikologia und was ist ein Gift/Giftstoff?
= Lehre von den gesundheitsschädlichen Substanzwirkungen
Ziel: Einschätzung der Risiken, biologischer und chemischer Substanzen für Organismen
Sachgebiete der Toxologie:
⚫ Arzneimitteltoxikologie
⚫ Gewerbetoxikologie
⚫ Nahrungsmitteltoxikologie
⚫ Umwelttoxikologie
⚫ Klinische Toxikologie
⚫ Forensische Toxikologie
➢ Toxikologie: toxikologia– Giftkunde
o Lehre von den Giftstoffen, den Vergiftungen und den Behandlungen von
Vergiftungen
o Wissenschaft von den unerwünschten (schädlichen) Wirkungen von
Substanzen auf lebende Organismen
➢ Gift/Giftstoff:
o Stoff, der in Lebewesen einen Schaden verursachen kann
• synthetische Gifte
• natürliche Gifte
Als sicher gelten Nährstoffe wie Wasser, Fette, Kohlenhydrate, Proteine, Spurenelemente, Vitamine und als schädlich die Toxine (Xenobiotoka, Noxe). In jedem Organismus steckt der Metabolismus zusammengesetzt aus dem Katabolismus (Abbauender Stoffwechsel) und dem Anabolismus (aufbauender Stoffwechsel). Und im Anschluss erfolgt die Stoffabgabe/-Ausscheidung.
Xenobiotoka: Für einen bestimmten Organismus fremde Substanz (biochemische Definition)
Spruch: “Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift sei.” – Paracelsus
Grundprinzip der Toxikologie: sola dosis venenum
Kann H2O giftig sein?
Ja, Wasser kann in sehr extrem hohen Mengen toxisch sein. Bei Erhöhung der Wasserzufuhr steigt der h2o Spiegel im Extrazellulären Raum an und die Konzentration an Natrium sinkt. Das Wasser diffundiert in den intrazellulären Raum.
Auch im Gehirn finden Diffusionsvorgänge statt. Bei erhöhtem Wasservorkommen im Extra zellulären Raum steigt das intrazelluläre Volumen durch die Diffusion des Wassers nach intrazellulär.
Infolgedessen kann es zu einer Hyponatriämie Und im Extremfall zu einem Gehirnödem Kommen. Die Symptome sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Tremor, epileptische Anfälle,, gegebenenfalls bis zum Tod.
Geschieht bei einer Vitamin Überdosis/Hypervitaminose?
Beispiel Vitamin A, Vitamin D
Vitamin A (fettlöslich):
Die Folie erschwert die Ausscheidung, Einreichung in Leber (Kupfer – Zellen)
—> Vitamin A. Induzierte Hepatotoxität
Gefahr für Kinder: Nahrungsergänzungsmittel (Vitamine, Spurenelemente) als Fruchtgummi
Vitamin D: stimuliert die Osteoklasten und löst Kalzium aus dem Knochen (vermehrter Knochenabbau) so dass der Kalzium und Phosphat Spiegel im Blut aufrecht erhalten wird; bei Überdosierung Vitamin D zur Hyperkalzämie führen
Weitere Grundbegriffe der Toxikologie:
Toxizität
Intoxikation/Vergiftung
Toxikose
Toxikokinetik
Toxikodynamik
➢ Toxizität: (griechisch toxikón „Gift für Pfeile“); Giftigkeit
➢ Intoxikation/Vergiftung: Form der Giftaufnahme sowie die Manifestierung
der Vergiftung
➢ Toxikose: Krankheitsbild der Intoxikation
➢ Achtung:
toxikologische Gefährdung/Gefahr ist nicht das selbe wie toxikologisches Risiko
WHO Definition
Gefährdung/Gefahr:
o Möglichkeit, dass eine unerwünschte Wirkung eintreten könnte
o unklar, ob beim Menschen überhaupt ein Effekt eintritt
o reiner Verdacht
Risiko:
o quantitative Aussage
o Wahrscheinlichkeit pro Toxinmenge für einen bestimmten Effekt
• z.B.: Bei einer Dosis von xx mg des Agens A tritt bei yy % der Exponierten der Effekt B auf.
o nur Gültig für getestete Spezies (nicht einfach übertragbar!)
➢ Toxikokinetik: Verhalten des Toxins im Körper
➢ Toxikodynamik: Wirkmechanismen des Toxins im Körper
Noch weitere Grundbegriffe der Toxikologie:
➢ Exposition: (lat. expositio „Aussetzung“) ein Faktor, dem ein Organismus ausgesetzt ist (Maß für Exposition ist die „Dosis“)
Es gibt eine äußere Exposition durch die Aufnahme der Substanz (der mal, oral/Ingestion, inhalativ, intravenös, intramuskulär, intraperitoneal), Dann gibt es im Organismus eine Barriere (Haut, etc.), dann der Metabolismus, und dann kommt es zur inneren Exposition.
➢ Latenzzeit: Zeit zwischen Giftaufnahme und Manifestation der Wirkung
➢ Dosis: Stoffmenge, die innerhalb einer bestimmten Zeit aufgenommen wird
Meint das Verhalten des Toxins im Körper
Das Toxin tritt in den Körper ein (Haut, Lunge, Verdauungstrakt), dann wird es im Blut aufgenommen und verteilt zwischen Geweben und Organen, dies kann direkt zur Toxizität führen, oder aber es wird erst tabuisiert und wird dann Toxizität, oder es wird nach dem Metabolismus gespeichert im Körper. Im Anschluss kommt es zur Ausscheidung.
Exposition – Invasion
Je nach Art der Aufnahme beziehungsweise Darreichungsform (Dermal, oral/Ingestion, inhalativ, intravenös, intramuskulär, Intraperitoneal) kann man unterschiedlich hohe Plasma Konzentrationen erreichen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit.
Determinanten der Resorptionsgeschwindigkeit:
Aggregatzustand
Dispersionsgrad
Löslichkeit
Oberfläche
Ionisationsgrad
Nahrungseinnahme
Verteilung
– Bioverfügbarkeit
= Ausmaß/Geschwindigkeit, mit dem/der ein Gift nach Resorption am Wirkort einflutet
Über den Gastrointestinaltrakt gelangt die Substanz zur Leber (First-Pass-Effekt und enterohepatischer Kreislauf über die Pfortader), (Galle wieder in GI Trakt); Verteilung im Körper
Biotransformationtransformation: (Erhöhung der Hydrophilie)
Phase-I-Transformation: Oxidation durch cytochrom-p450-abhängigen Monooxygenasen (CYP450)
Phase-II-Transformation: Konjugation (von sauren funktionellen Gruppen)
S. Graphen
o sehr schnelle Aufnahme (z.B. Gas)
o Elimination 1. Ordnung
o Aufnahme 1. Ordnung (z.B. toxisches Metabolit)
Toxikodynamik: Wirkmechanismen des Toxins im Körper
Was ist LD50?
Meint das Wirkmechanismen des Toxins im Körper
Dosis-Wirkungs-Beziehung
o lineare Darstellung o halblogarithmische Darstellung
Mittlere letale Dosis LD50: die dosis bei der 50% der Menschen versterben
LDLo (lethal dose low): niedrigste (bekannte) letale Dosis
LD99: sicher tödliche Dosis
LD100: absolut tödliche Dosis
Toxikologische Studien und Grenzwerte
Wie ermittelt man Grenzwerte?
NO(A)EL:
no observed (adverse) effect level
➔ Menge eines Stoffs, bei der keinerlei Schadeffekte beobachtet werden kann
➔ in Tierversuchen ermittelt (BfR)
➔ dient als Ausgangspunkt, um Grenzwerte für Menschen zu bestimmen
➔ ermittelter NO(A)EL wird durch einen (Un)Sicherheitsfaktor (100 –1000) geteilt, um den Grenzwert zu ermitteln
LO(A)EL:
lowest observed (adverse) effect level
-> geringste Menge, bei der ein Effekt beobachtet wurde
Wer war Fritz Haber?
Vater des Gaskrieges (WWI)
➢ Giftgasentwicklung für Kriegseinsatz:
o Chlorgas
o Phosgen
o Zyklon B
o…
➢ Entwicklung von Gasmasken mit Filtern
Haber-Verfahren/Haber-Bosch-Verfahren
➢ katalytische Ammoniaksynthese
o industrielle Düngemittelproduktion
o ungeahnte Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion
o 50 % des Stickstoffs im Menschen vom Haber-Bosch-Verfahren
➢ 1918 Nobelpreis
5 gasförmige Toxine
Chlorgas (Cl2)
Phoasgengas (COCl2)
Ozon (O3)
Distickstoffmonoxid (N2O)
Kohlenstoffmonoxid (CO)
➢ Bildet mit H2O in der Mukosa der Lunge HCl und HClO
➢ Verätzung der Lunge
o Unfälle in Schwimmbädern und mit chlorhaltigen Reinigungsmitteln
Phosgengas (COCl2)
➢ Bildet mit H2O in der Mukosa der Lunge langsam HCl
➢ In hohe Dosen reagiert Phosgen direkt mit den Zelloberflächenproteinen in
der Lunge und verhindert den Sauerstoffaustausch (Tod nach wenigen Minuten)
o Kampfgas; Zwischenprodukt in der chemischen Industrie
➢ Hoch reaktiv/ oxidiert Biomoleküle
➢ Veränderung der Lungenfunktion und des Immunsystems
➢ Verschlimmerung bereits vorhandener respiratorischer Erkrankungen
➢ Entzündungen und gestört Infektionsabwehr in der Lunge
o In Industriegebieten und vielbefahrenen Straßen erhöht
Distickstoffmonoxid (N2O
o Analgetikum
➢ Oxidiert Vitamin B12
➢ Perniziöse Anämie
➢ Erstickungsgefahr
➢ Höhere Affinität zu Hämoglobin als O2
o Teilvorgang der Rauchgasvergiftung
Habersche Regel
Dosis-Dauer-Beziehung: Wirkung/Schaden hängt von Einwirkzeit und Dosis ab
Habersche Regel:
c x t = W = konstant
c Konzentration des Toxins
t Einwirkzeit
W Wirkung/Schaden
Die Habersche Regel besagt, dass ein konstantes Produkt aus Konzentration (c) und Dauer (t) einer konstanten biologischen Wirkung (W) entspricht.
Mit anderen Worten besagt die Habersche Regel, dass identische Produkte von Konzentration und Dauer der Verabreichung dazu führen, dass die gleiche Wirkung eintritt. Das heißt, dass bei ständiger Zufuhr einer unterschwellig toxischen Dosis die Giftigkeit mit der Zeit ansteigt.
Toxikokinetik und Toxikodynamik Im Gesamtbild
Und 3 Phasen
Giftquelle
Giftfreisetzung
Gifttransfer
—> Exposition
−äußere
−innere
—> Aufnahme, Verteilung, Biotransformation, Exkretion, Akkumulation, Toxische Wirkung
− akut
− chronisch
Expositionphase
toxikokinetische Phase
Toxikodynamische Phase
Akute vs Chronische Toxizität
4 Subtypen Toxizität
Akute Toxizität
o Einzeldosis
o sofortige Intoxikation
Chronische Toxizität
o mehrfache Dosis
o latente Intoxikation
Akute Toxizität, Dosis einmal, (mehrfach innerhalb von 24 Stunden möglich), Beobachtung Dauer 24 Stunden bis 14 Tage, Beispiel LD50 Draize-Test, Endpunkt Tod, Reizzustände
Subakute Toxizität, Mehrfache Dosis, Beobachtung Dauer, weniger als 1 Minute, Endpunkt Organschäden
Subchronische Toxizität, Mehrfache Dosis, Beobachtung Dauer weniger als 10 % Lebenserwartung, Beispiel NOEL
Chronische Toxizität, mehrfache Dosis, mehr als 10 % Lebenserwartung, Kanzerogenitätstest, Neoplasien
Reversibel und irreversible Toxizität
o abhängig von der Regenerationsfähigkeit der betroffenen Zellen und subzellulären Strukturen
reversible Toxizität
z.B.:
• Darmepithel besitzt hohe Regenerationsfähigkeit und geschädigte Zellen können schnell ersetzt werden
• CO-Vergiftung: CO-Bindung an Hämoglobin ist reversibel
—> unwirksame Dosen lassen sich festlegen
Irreversible Toxizität
• abgestorbene Nervenzellen können nicht ersetzt werden
• mutagene, teratogene und kanzerogene Wirkungen von Stoffen (genotoxisch); DNA
wird oft nicht vollständig repariert
—> jede Exposition kann zu einer bleibenden Veränderung führen und ist daher mit einem Risiko verbunden
Ethanolvergiftung
Ethanol wird über die Alkoholdehydrogenase (ADH) zu Acetaldehyd und dann über die Acetaldehyddehydrogebase (ALDH) zu Acetat, In der Leber erfolgt der Abbau zu nicht toxischen Metaboliten (circa 8 g/h)
Das Zellgift führt zu:
• Hepatotoxizität
• Erytopoese-hemmend
• Embryotoxizität
• Neurotoxizität
Akute Toxizität:
▪ Koma
▪ Tod durch Atemstillstand und Kreislaufversagen
Chronisch (Alkoholkrankheit)
▪ alkoholtoxische Verhaltensveränderung
▪ Leberzirrhose
Methanolvergiftung
Methanol wird über die Alkoholdehydrogenase (ADH) zur vor Acetaldehyd, dann über die Acetaldehyddehydrogenase (ALDH) zur Ameisensäure, In der Leber erfolgte Abbau zu toxischen Metaboliten
Methanol hat eine geringe Toxizität
Gegenmaßnahme (an ADH):
▪ Ethanol
• Hat höhere Affinität zu ADH
▪ metabolische Azidose
▪ Schädigung der Nerven
• Sehnerv (Erblindung)
• Atemlähmung (Tod)
Wirkung von Thalidomid (Contergan®)
S- Thalidomid -> teratogen
R-Thalidomid -> Schlaf-/Beruhigungsmittel
Wirkung:
Hemmung von Blutgefäßneubildung
Entzündungshemmung
Hemmung von Tumorwachstum
➢ Behandlung von schwerer Lepra
➢ Behandlung von multiplen Myelomen
Paracetamol toxisch?
Toxische Reaktionen mit Proteinen und Nukleinsäuren
Dentalfluorose
➢ Dentalfluorose tritt in Gegenden mit erhöhter Fluoridgehalt (> 2 mg/L) im Wasser
auf (vulkanische Gebiete)
o Dosierung von ca. 1 mg/Tag als ein wirksames Mittel zur Prophylaxe der Karies
o Fluorid inhibiert Enzymaktivität besonders in Ameloblasten (Störung der Zahnentwicklung)
Geringgradig: schwache weiße Streifen, nur für geübte Untersucher erkennbar
Fortgeschritten: weiße Flecken und größere opaque Flächen, braune Verfärbung und
Vertiefungen im Zahnschmelz können auftreten
Schwere Form: Abbau des Zahnschmelz
Quecksilbervergiftung
Amalgam: Legierung mit ca. 50 % metallisches Hg (Hg0)/ fest gebunden
➢ Reagiert mit funktionellen Gruppen (Sulfhydryl- und
Selenohydrylgruppen) in Proteinen und beschädigt diese
➢ Kann im Prinzip die Funktion aller Zelltypen/Organe stören
Schwermetallvergiftung: Chelat-Therapie z.B.
mit DMPS (Dimercaptopropansulfonsäure)
Prinzipien der Therapie akuter Vergiftungen
➢ Aufrechterhalten der Vitalfunktionen
Beatmung, Sauerstoffzufuhr, Schocktherapie, Korrektur von Elektrolyten und Säure-Basen- Status, Körpertemperatur, Herzfunktion
➢ Primäre Giftentfernung (bei peroraler Aufnahme)
Erbrechen, Magenspülung, Aktivkohle, Laxantien
➢ Sekundäre Giftentfernung
forcierte Diurese; ggf. alkalische Diurese
Hämodialyse, Hämoperfusion
Unterbrechung des enterohepatischen Kreislaufs (mit Aktivkohle, Colestyramin)
Hyperventilation (z.B. bei Chloroform)
➢ Spezifische Antidote
Leitsatz: Treat the Patient (Symptomes) not the Poison
Mithridatisation
Einnahme geringer Mengen von Gift, um eine Immunität gegen das Gift aufzubauen.
➢ Generell nicht empfehlenswert
➢ Kann bei komplexen biologischen Giften funktionieren, gegen die der Körper Antikörper bilden kann
➢ Aufbau einer metabolischen Toleranz: Induktion von Leberenzymen wie CYP450-
Enzymen oder ADH (z.B.: bei übermäßiger Alkoholaufnahme)
➢ Ausnahme Arsen: Genetische Adaption führt zu erhöhter Arsentoleranz, die mittels
Mithridatisation nachgeahmt werden kann
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