-Karl Polanyi (1886-1964)
o Märkte beruhen auf sozialen Voraussetzungen – die negativen Konsequenzen produziert die Marktgesellschaft selbst
o Freie Märkte seien eine Utopie da Märkte als soziale Produkte auch immer sozialen Gesetzmäßigkeiten unterworfen seien - Entwicklung des Kapitalismus erzeugen zwangsläufig eine Gegenbewegung der sozialen Schließung
o Politik und Gesellschaft versuchen die negativen (Verteilungs-) Konsequenzen von Märkten abzufedern
-Max Weber (1864-1920)
o Ausbreitung und Funktionsweise des Kapitalismus beruht auf den religiösen Einstellungen und Normen der frühen Protestanten, Puritaner und Calvinisten– Sparsamkeit und Fleiß befördern die kapitalistische Produktionsweise ==> Der Geist des Kapitalismus ist die protestantische Ethik (Weber)
o Sammelt empirische Daten darüber, dass in eben diesen Gebieten die Wirtschaft sich besser entwickelt
==> begründen zusammen die Soziologie der Märkte, bzw. heute: Wirtschaftssoziologie
o Märkte funktionieren nur mit und durch soziales Handeln und soziale Voraussetzungen – Normen, Netzwerke und Institutionen sind wichtig für das Funktionieren des Marktes
==> Wirtschaftliches Handeln ist immer auch soziales Handeln
o Rational Choice Ansatz & methodologischer Individualismus allein können das Funktionieren von Märkten und des Kapitalismus (Annahme des Homo sociologicus anstatt des homo oeconomicus) nicht erklären.
-Schreibt vor dem Hintergrund zweier Weltkriege und der Weltwirtschaftskrise
-Kritik an Adam Smith: Natürliche Neigung des Menschen zum Tausch gibt es nicht
-Kapitalismus erzeugt gesellschaftliche (Gegen-)Reaktionen
-Zusammenbruch der liberalen Wirtschaftsordnung/Demokratien und Krisen der Zwischenkriegszeit: Märkte zerstören ihre eigene gesellschaftliche Grundlage
o Goldstandard (1870 - ca.1936) mit festen Wechselkursen führte zum Zusammenbruch der Demokratie & Ökonomie
§ Goldstandard: Banknoten können in Gold umgetauscht werden – somit wurde versucht den internationalen Handel ökonomisch zu regulieren
§ Bricht de facto bereits 1914 zusammen
o Soziale und internationale Spannungen (statt flexible Wechselkurse, Anpassung durch restriktive Haushaltspolitiken und Senkung der Löhne, Massenarbeitslosigkeit)
==> freie Marktwirtschaft gescheitert
-”Great Transformation“ = Doppelbewegung = In der Marktgesellschaft gibt es zwei Kräfte:
o (1) Die Bewegung: Den Markt, die Freihändler, den Laissez Faire Kapitalismus; (2) Die Gegenbewegung: Die Gesellschaft, die sich durch staatliche Intervention schützen will.
o „Ein Jahrhundert lang wurde die Dynamik der modernen Gesellschaft von einer Doppelbewegung bestimmt: der Markt erweiterte sich ständig, doch stieß diese Bewegung auf eine Gegenbewegung, die diese Expansion in bestimmte Richtungen bremste.” (Polanyi 1944: 182)
o Gegenbewegung ist der Selbstschutz der Gesellschaft
o Menschen (Arbeits- und Sozialgesetze), Produktion (Zölle) und Geld (zentrales Bankwesen, Lenkung des Geldwesens, Zentralbanken) werden durch staatliche Intervention geschützt.
o Polanyi erklärt nicht wer die Urheber dieser Gegenbewegung sind
==> New Deal & Stalinismus & Faschismus (weist ebenfalls soz. Programme auf) sind politische Abwehrreaktionen gegen den Kapitalismus & Liberalismus
-Der Mechanismus, der aus der Bewegung die Gegenbewegung erzeugt: Warenfiktion
o Arbeit, Boden (Natur) und Geld werden als Ware der grenzenlosen Verwertung zugeführt – d.h. kommerzialisiert und für Lohngewinnung eingesetzt
o Weder Arbeit noch Boden oder Geld sind aus der Perspektive der Gesellschaft Waren: man spricht daher von fiktiven Waren
§ Werden nicht produziert um verkauft zu werden - ihr Warencharakter ist nur Fiktion
o Arbeit, Boden und Geld werden durch den Markt zerstört, weil sie nicht wieder reproduziert werden – Gesellschaft dient schließlich der Wirtschaft
o Die Warenfiktion vernichtet daher Arbeitsmärkte, Märkte für Boden und den Geldmarkt
==> Durch die Warenfiktion wird die Dienerschaft der Gesellschaft gegenüber am Leben erhalten
==> Erzeugt entsprechende interventionistische Gegenbewegung von Gesellschaft (und Staat) – weil eben die völlig liberale Marktwirtschaft sonst stets droht zusammenzubrechen
-Polanyi äußert auch Kritik an Adam Smith
o Die Neigung zum Tauschhandel, sei so nicht vorhanden
o Die Geschichte des Handels und der Märkte sei völlig anders verlaufen
o Der Markt ist Resultat einer bewussten und oft gewaltsamen Intervention von Seiten der Regierung, die der Gesellschaft der Marktorganisation aus nichtökonomischen Gründen aufzwang - eben nicht natürlich entstanden, wie Smith es behauptet
==> durch die digitale Ökonomie wird die Gesellschaft eher noch abhängiger vom Markt
Protestantismus-Kapitalismus-These
o Kapitalismus: rationale Arbeitsorganisation & rationale Kapitalverwertung
o Ideen des Protestantismus gehen dem Kapitalismus aber voraus: Ideen sind nicht wie bei Marx der Überbau ökonomischer Situationen, sondern die handelnde Folge der protestantischen Ethik
o Protestantismus (eigentlich: Calvinismus) ist die ethische Grundlage des Kapitalismus - Nach Auffassung der Protestanten erbrachte eine harte und wertbringende Arbeit einen Platz im Himmel
§ Ihre religiöse Gesinnung führt sie also zu einem asketischen, effizienten und rationalen Lebensstil, der nicht impulsbehaftet ist
==> Geist des Kapitalismus war keine Idee für ihn, sondern die Realität der protestantischen Bevölkerung und schaftt damit die Grundlagen für den neuzeitlichen Kapitalismus
==> Puritanische Lebensauffassung führte zu bürgerlicher, rational-ökonomischer Lebensführung – Wiege des modernen Wirtschaftsmenschen
Empirische Analyse:
-Historisch gesehen war der Protestantismus vor allem in Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz weit verbreitet. Später auch über die Pilgerväter in den USA (Benjamin Franklin als deren Nachfolger). Diese Länder gelten als Vorreiter des frühen Kapitalismus und später der Industrialisierung.
o Überproportionaler Anteil von Protestanten an Kapitalbesitzern, Unternehmern in frühindustrialisierten und kapitalisierten Regionen
o Protestanten haben eher eine technische (statt humanistische) Bildung, beteiligen sich mehr am Erwerbsleben
==> Weber kritisiert Marx
==> Damit jene Eigenart des Kapitalismus angepaßte Lebensführung und Berufsauffassung >ausgelesen< werden, d.h.: über andere den Sieg davontragen konnte, mußte sie offenbar zunächst entstanden sein, und zwar nicht in einzelnen isolierten Individuen, sondern als eine Anschauungsweise, die von Menschengruppen getragen wurde. Die Entstehung ist also das eigentlich zu erklärende. Auf die Vorstellung des naiven Geschichtsmaterialismus, daß derartige Ideen als „Wiederspiegelung“ oder >Ueberbau< ökonomischer Situationen ins Leben treten, werden wir eingehender später zu sprechen kommen. An dieser Stelle genügt es für unseren Zweck wohl, darauf hinzuweisen, daß jedenfalls ohne Zweifel im Geburtslande Benjamin Franklins (Massachusetts) der >kapitalistische Geist< (in unserem hier angenommenen Sinn) vor der >kapitalistischen Entwicklung< da war (...) In diesem Fall liegt also das Kausalverhältnis jedenfalls umgekehrt als vom >materialistischen< Standpunkt aus zu postulieren wäre (Weber) ==> negiert Marx: die Puritaner und ihre Ideen und damit auch der Geist das Kapitalismus seien bereits vor der Industrialisierung existent gewesen - und
-Vier Entwicklungen aus denen sich die Wirtschaftssoziologie als Theorie entwickelt
o Durkheim, Polanyi, Weber, Simmel, Marx (…): sozialer Kontext beeinflusst wirtschaftliches Handeln
o 1920er/30er: Formalisierung der neoklassischen Wirtschaftstheorie (Modellökonomie ohne sozialen Kontext, ceteris paribus!)
o Krise des Keynesianismus: Deregulierung von Märkten
o Einzug der Rational Choice Theorie in die Soziologie und die Analyse der Gesellschaft (Gary Becker)
-„Neue Wirtschaftssoziologie“ als Gegenreaktion
o Kritik an der Handlungstheorie der Neoklassik (rational choice, homo oeconomicus, rationale Entscheidungen, Nutzermaximierung auf perfekter Information - Risiko ist dadurch relativ gering) ==> Empirische Forschung, die Gesellschaft & Kultur berücksichtigt (homo sociologicus - nicht allwissend) wird populär
§ Ökonomische Entscheidungen sind von Gesellschaft & Kultur beeinflusst (=soziale Einbettung):
§ Unsicherheit macht Berechnung des Risikos unmöglich (rationale oder adaptive Erwartungen können nicht gebildet werden), deswegen entsteht ökonomisches Handeln nur bei Vertrauen (kann erzeugt werden durch Auftreten, Stil, evtl. Vorwissen, etc.) ==> Unsicherheit ist weit mehr als das bloße Risiko, da nicht kalkulierbar
o Unsicherheit führt dazu, dass Situationen offen & unvorhersehbar sind
==> Soziale Netzwerke, soziale Normen (Werte, Traditionen), kognitive Strukturen und formale Institutionen reduzieren Unsicherheit, Kontingenz, Informationsprobleme und schaffen Vertrauen (homo sociologicus anstatt homo oeconomicus), weil sie Strukturen für das Handeln bereitstellen und damit Sicherheit schaffen
==> Warum gibt es Unterschiede in der Entwicklung der nationalen Eisenbahnen und der sie fördernden staatlichen Wirtschaftspolitik in USA, Frankreich & Großbritannien (1825-1900)?
==>Einfluss von nationaler politischer Kultur: (1) Rolle des Staates in der Wirtschaft; (2) Wie wird der Bau dieser Megaprojekte finanziert?
o USA: Lokale Selbstverwaltung und schwacher Zentralstaat; Finanzierung erfolgt über den Markt per Anleihen und große Eisenbahngesellschaften
o Frankreich: Zentralistische Planungskultur (alles geht über Paris) führte zu einer strikten staatlichen Kontrolle (auch finanziell) von Märkten und Industrie als Mittel zu ökonomischer Ordnung und Effizienz
o GB: Kultur der unternehmerischen Kontrolle und staatliche Wettbewerbspolitik (Wettbewerb zwischen kleinen Firmen – sorgt für leichten Ausgleich)
==> Wirtschaftshistorische Ereignisse sagen viel über die wirtschaftlichen Funktionsweisen der Länder aus
o Wirken zweier Organisationsprinzipien mit jeweils unterschiedlichen Zielen
o Prinzip des Wirtschaftsliberalismus, Schaffung eines selbstregulierenden Marktes – Methode Freihandeln und Laissez-faire Kräfte einsetzte
o Andere Prinzip nutzt dem Schutz der Gesellschaft, Erhaltung des Menschen und der Natur sowie der Produktivkräfte abzielt, vor allem der arbeitenden und bodenbesitzenden Klassen, Schutzgesetze und andere Interventionsmittel als Methoden nutzt
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