Buffl uses cookies to provide you with a better experience. You can find more information in our privacy policy.
Gliederung
1. Einführung in die Verwendung von Fragebogenverfahren
2. Vorstellung wichtiger klinischer Fragebogenverfahren
3. Hinweise zur Durchführung und Auswertung
Lernziele
• Sie lernen einzelne Fragebogenverfahren kennen:
○ Störungsübergreifend (SCL-90)
○ Zur Erfassung der Lebensqualität (WHO-QOL)
○ Interaktions- und Beziehungsdiagnostik (IIP-D)
○ Störungsspezifisch (AUDIT, HAMD, Y-BOCS)
• Sie kennen die Prinzipien der Beurteilung von (Veränderungen von) Fragebogenwerten im therapeutischen Prozess
Einführung in die Verwendung von Fragebogenverfahren
-> was ist das?
-> wo kommt das zum Einsatz?
-> beliebt?
• zunehmende Ausdifferenzierung und Operationalisierung psychischer Störungen in der klinischen Psychologie und Psychiatrie -> Flut von neuen Fragebögen, Ratingskalen und Tagebüchern
• Fragebögen meist zunächst für Prüfung wissenschaftlicher Fragestellungen; erst danach Nutzen für die verhaltenstherapeutische Praxi
• ABER: In Praxis: häufige Vorbehalte gegen den Einsatz von Fragebögen, Ratingskalen und Tagebüchern
○ Nutzen sei für einzelne Patient*innen / individuelle Problematiken begrenzt
○ Aufwand für Therapeut*innen zu hoch (vgl. Bruchmüller et al. 2011)
• Einsatz von Fragebögen in Praxis folgt anderen Zielsetzungen als in Forschung
• konkreter Nutzen für Patient*innen bzgl. Lebensqualität und dafür notwendige Verhaltensänderungen
○ kontinuierliche Erfassung der Symptome ist Voraussetzung für differenzielle und adaptive Indikation
○ standardisierte Daten fließen in Behandlungsplanung zurück und steuern diese
• Jede/r Psychotherapeut*in lebt von Informationen, die Patient*in gibt
• Fragebögen, Ratingskalen und Tagebuchdaten = ökonomischer und sinnvoller Bestandteil diagnostischer Informationserhebung
• Beurteilung inter- und intraindividueller Abweichungen wird durch normierte Instrumente erheblich erleichtert
Petermann (2005) Konzept der »kontrollierten Praxis«
-> Prinzipien für systematisiertes, strukturiertes therapeutisches Handeln
1. regelgeleitete Dokumentation von Diagnose- und Therapieschritten;
2. explizites Erfassen der subjektiv bedeutsamen Beschwerden;
3. einzelfallbezogene Prüfbarkeit der Beschwerden und Vorgehen;
4. minimale zusätzliche Belastung des Patienten durch die Datengewinnung;
5. Datengewinnung und Behandlung dürfen sich nicht negativ beeinflussen;
6. unmittelbare Umsetzung der erhobenen Informationen, das heißt, die Schritte der Datensammlung und -verwertung sind eng aufeinander bezogen;
7. Auswertungsschritte müssen ohne größeren Aufwand durchführbar sein.
Außerdem: gründliche Diagnostik wird von Patient*innen akzeptiert und sogar erwartet (vgl. Suppiger et al. 2009)
Anwendungsbereiche von Fragebögen, Ratingskalen und Tagebüchern
▪ Auswahl von Patient*innen
▪ Beschreibung von Patient*innen
▪ dimensionale Diagnostik
▪ Problemanalyse
▪ Messung des Therapieverlaufs
▪ Messung des Therapieerfolgs
Gängige psychodiagnostische Verfahren bei Erwachsenen
Störungsübergreifend
• Verfahren zur allgemeinen Psychopathologie dienen der übersichtsartigen Erfassung psychischer Probleme der Patient*innen
• Verfahren zur allgemeinen Psychopathologie sind, je nach den Ergebnissen der kategorialen Diagnostik, um störungsspezifische Maße zu ergänzen.
• Symptom-Checklist-90-R (SCL-90-R)
• Brief-Symptom-Checklist (Kurzform der SCL-90-R)
SCL-90-R - Symptom Checklist-90-Revised (Franke, 1995)
• häufig eingesetzt, 90 Items
• Selbsteinschätzungsfragebogen, der nach aktuellen Symptomen/aktueller Psychopathologie fragt
• 9 Symptomdimensionen (z.B. Somatisierung, Zwanghaftigkeit)
• Möglichkeit der Berechnung eines Global Severity Index (SCL-90-R GSI), Durchschnittsgesamtwert (Angabe eines allgemeinen Symptomschweregrades über alle Items und Dimensionen)
Lebensqualität
• Neben Wissen um Vorhandensein und Ausmaß psychopathologischer Symptome, Beeinträchtigung von Patient*innen in zentralen Lebensbereichen essentiell
○ entscheidend für die Behandlungsplanung
○ Informationen über zentrale Lebensbereiche (Partnerschaft, soziales Umfeld) wichtig, da Partnerschaftszufriedenheit / soziale Unterstützung Einfluss auf die Beeinträchtigung haben können.
• Ausmaß der Belastung über verschiedene Lebensbereiche variierend, daher Bereiche getrennt betrachten
• Beeinträchtigungsratings zu Beginn und am Ende der Therapie durchführend (Ausmaß der Veränderung durch die Behandlung abbilden)
• WHO-QOL 100 (WHO – Quality of Life)
○ Dimensionen: Physisches Wohlbefinden, psychisches Wohlbefinden, Unabhängigkeit, soziale Beziehungen, Umwelt und Religion/ Spiritualität
• WHO-QOL BREF: gesundheitsbezogene Lebensqualität
○ Dimensionen: Physisches Wohlbefinden, psychisches Wohlbefinden, soziale Beziehungen und Umwelt
Interaktions- und Beziehungsdiagnostik
• Inventar Interpersoneller Probleme (IIP-D)
• Helping Alliance Questionnaire II (HAQ-II)
IIP - Inventar interpersoneller Probleme (Horowitz, Strauß, Thomas & Kordy, 2016)
• Gut etabliertes Instrument für die Erfassung interpersoneller Probleme
• 8 so genannte Zirkumplex-Skalen werden mit Hilfe von 64 Items erfasst
• Beispielitems: Es fällt mir schwer...
○ andere wissen zu lassen, was ich will
○ jemandem gegenüber die Chef-Rolle einzunehmen
○ aus einer Beziehung herauszukommen, in der ich nicht sein möchte
○ mir selbst Ziele zu setzen ohne den Rat anderer einzuholen
○ das Gefühl des Verlustes zu überwinden wenn eine Beziehung zu Ende ist
○ andere zu bitten, mit mir etwas zu unternehmen
Störungsspezifische Erhebungsinstrumente
• Die meisten Fragebögen und Ratingskalen liegen Bereich der Angst- und depressiven Störungen vor
• Da sich die Leitsymptome innerhalb der Kategorie Angststörungen deutlich unterscheiden, werden spezifische Fragebögen für einzelne Angststörungen genutzt
• Verfahren zur allgemeinen Psychopathologie sind (je nach Ergebnissen der kategorialen Diagnostik) um störungsspezifische Maße zu ergänzen
• Für jede Problemstellungen - von Spinnenphobie über Tinnitus bis zur Paruresis (Shy Bladder Syndrome) – liegen testtheoretisch gut fundierte Verfahren vor
Alcohol Use Disorders Identification Test (AUDIT)
Hamilton Depressionsskala (HAMD/HDRS)
• Die Hamilton Depression Scale, kurz HDRS oder HAMD, ist eine Fremdbeurteilungsskala zur Einschätzung des Schweregrades einer Depression.
• Sie wurde 1960 von Max Hamilton eingeführt.
• Ursprünglich wurde die Hamilton Depression Scale mit 17 Items definiert (HDRS17).
• Weitere Versionen besitzen z.B. 21 (HDRS21) oder 24 Fragen (HDRS24)
• Je höher die Punktzahl, umso stärker ist die Depression.
• Je nach Version ergeben sich unterschiedliche Maximalpunktzahlen.
• Für die HDRS gibt es keinen normierten Cut-Off-Wert, viele Studien verwenden folgende Einteilung:
Yale-Brown Obsessive Compulsive Scale
• Halbstrukturiertes Interview zur Beurteilung des Schweregrads von Denk- und Handlungszwängen
• Folgende Kriterien werden zur Erfassung des Schweregrads beurteilt:
○ Zeitaufwand
○ Beeinträchtigung bei alltäglichen Aufgaben
○ Versuchter Widerstand
○ Erfolg bei Widerstand
• Erfassung erfolgt getrennt für Denk- und Handlungszwänge
• Beurteilung von 0 („nicht vorhanden“) bis 4 („extrem“)
Hinweise zur Durchführung und Auswertung
Praktische Hinweise für den Einsatz
• Fragebögen und Ratingskalen sollten Patient*innen vorgestellt und begründet werden (diagnostische Zwecke/ Erfolgsmessung)
• anbieten, jederzeit Fragen zu stellen (Inhalt/ Datenschutz etc.)
• Nach Auswertung Rückmeldung an Patient*innen über Befunde (oft computerisiert, mit Grafiken) -> hier auch erfragen, ob wichtige Aspekte des Problemverhaltens durch die vorgelegten Verfahren nicht abgedeckt wurden
• Insbesondere bei Therapieabschluss ist (grafische) Darstellung der Veränderung durch die Therapie besonders hilfreich
• Häufig: Unsicherheiten in Bezug auf die Auswertung von standardisierten und normierten Fragebögen (Zeit Fragebogenmanual zu studieren ist häufig knapp)
• Aber: interindividuelle wie auch intraindividuelle Abweichungen sind für Therapeut*innen Anhaltspunkte zur Beurteilung der Frage, ob (weiterhin) behandlungsbedürftige Störung vorliegt
• Wichtig! Veränderungen in Fragebogenwerten nicht »naiv« interpretieren
○ Ob reliable bzw. interpretierbare Veränderung vorliegt, hängt von der Schwankungsbreite der Werte (i.e. Messfehler eines Verfahrens) ab.
○ Aber: in klinischer klinische Praxis können auch kleinere Schwankungen interpretiert werden, wenn sie im Einklang mit sonstigen klinischen Informationen stehen
Limitationen von Fragebögen und Ratingskalen
• Antworttendenzen können nicht berücksichtigt werden
• Individuelle Symptomatik kann aufgrund des standardisierten Vorgehens möglicherweise nicht vollständig abgedeckt werden
• Kombination verschiedener Verfahren (Offenes diagnostisches Gespräch, strukturiertes Klinisches Interview, Fragebögen, …)
Last changeda year ago