-Bikamerales System: Parlament + Rat
-Unterschied zu nationalen Systemen: Initiativrecht für neue Gesetze hat ausschließlich die Kommission
-Rat der EU vertritt Interessen der Regierungen der Mitgliedsstaaten
-Europäisches Parlament vertritt Interessen der europäischen Bevölkerung
==> Es ist gewollt, dass beide Gruppen entsprechend repräsentiert werden
-Traditionell repräsentiert die zweite Kammer (Oberhaus) bestimmte gesellschaftliche Gruppen (e.g. Adel im House of Lords, UK) oder Gebiete (zB Bundesrat).
-Klassifizierung nach Lijphart
o Dimension 1: Vetorecht der zweiten Kammer?
o Dimension 2: Ideologische Zusammensetzung/Repräsentation kongruent? (Gleiche Verteilung von Parteien/Ideologien? Wenn ja, dann wenig Einfluss auf die Gesetzgebung)
==> EU: Zweite Kammer hat Vetorecht und ist inkongruent = starker Bikameralismus
-Sitz in Brüssel
- 1 Minister pro EU-Mitgliedsstaat (kann von Staatssekretären, Mitarbeitern, etc. vertreten werden)
-Zusammensetzung ändert sich mit jedem nationalen Regierungswechsel
-Vergleichbar mit Bundesrat in Deutschland
o Teilt sich Gesetzgebungsaufgaben mit dem Europäischen Parlament
o Teilt sich Exekutiveaufgaben mit der Europäischen Kommission (bsp. Außenpolitik und Sanktionen gegen Russland, Komitologieverfahren) – muss demnach vom Rat mitgetragen werden – entwirft Mandat für die Kommission bei internationalen Verhandlungen
o Minister entscheiden über kontroverse Themen – Sie debattieren in 48% der Gesetze und entscheiden Konflikte in 35% der Fälle
-COREPER und Arbeitsgruppen
o COREPER steht für “'Committee of the Permanent Representatives of the Governments of the Member States to the European Union’”.
o In COREPER werden die Ratssitzungen vorbereitet und Positionen koordiniert (Mehrheiten organisiert)
o In den COREPER-Treffen kommen die Ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten zusammen. Diese agieren ähnlich wie Botschafter.
o Beschlüsse sind nicht bindend, nur der Rat kann bindende Entscheidungen treffen, sondern dienen der Koordination (Verhandlungen, Kompromisse, etc.)
o Arbeitsgruppen entscheiden auf bürokratischer Ebene über unkontroverse Themen und bereiten die Entscheidungen über politische und kontroverse Themen im Rat vor
-Abstimmungsregel im Rat: Qualifizierte Mehrheit
o Definition: 55% (15/27) der Mitgliedsstaaten des Rates, sofern diese mindestens 65% der EU-Bevölkerung ausmachen.
o Enthaltungen zählen als Gegenstimme
o Sperrminorität: mind. 4 Mitglieder müssen gegen votieren, andernfalls gilt die qualifizierte Mehrheit als erreicht. Dies verhindert, dass drei große Mitgliedsstaaten (z.B. Deutschland, Frankreich, und Italien) eine Entscheidung blockieren, da sie zusammen mehr als 35% der Bevölkerung ausmachen.
==> 82% der Abstimmungen fallen einstimmig aus (trotz Mehrheitsregel)
o Ratspräsidentschaft rotiert alle 6 Monate zwischen den EU-Mitgliedsstaaten (festgelegte Reihenfolge, die sich immer wiederholt – sog. Trio-Präsidentschaften - mehr lanfristige Kontinuität)
o Ausnahme: Vorsitz im Rat für Auswärtige Angelegenheiten hat Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik
o Achtung: nicht zu verwechseln mit permanenter "Präsidentschaft des Europäischen Rates" (Charles Michel)
o Kommission verantwortlich für inhaltliche Gesetzesinitiative - Aber: Vorsitz kann Abstimmung über Vorschlag ansetzen oder vertagen. Außerdem Vermittlerrolle
o Gesetzesvorschläge können bis zu einem halben Jahr verschoben werden (agendaabhängig)
o Forschung zeigt: Länder in Trio-Präsidentschaft stimmen öfter für Vorschläge, vor allem aufgrund ihrer Agendasetzungsmacht
-Wirkliche Konsenskultur oder strategisches Abstimmungsverhalten? (gibt keine klare Opposition)
o Hohe Zustimmungsraten = signalisieren wirklich Konsens?
o Shadow of the vote: unterlegene Regierungen stimmen mit der Mehrheit
§ Vermeidung von Gesichtsverlust
§ Hoffnung auf Kompromiss, also strategische Abstimmungen, etc.
o Prozedurale Besonderheit: Rat protokolliert nur Abstimmungen zu Gesetzen, welche Mehrheit erhalten haben.
o Vorhaben, die absehbar keine Mehrheit erzielen können, werden von der Kommission zurückgezogen.
§ Unpopuläre Vorhaben kommen gar nicht erst zur Abstimmung
-Abstimmungsverhalten im Rat
o Das nationale Abstimmungsverhalten hängt von mehreren Faktoren ab:
§ Wirtschaftliche Interessen, z.B. Zahler/Empfänger im EU-Haushalt
§ Ideologische Ausrichtung der Regierung des jeweiligen Landes
§ Unterstützung in der Öffentlichkeit im Politikbereich
§ Anstehende Wahlen
-Einzig direkt gewähltes EU-Organ (seit 1979)
-Plenarsitzungen auch in Straßburg (12x jährlich), in der Praxis arbeitet das EP in Brüssel
-Mehrsprachiges Parlament, mit einer Vielzahl an Übersetzern
o Indirektes Initiativrecht des EU-Parlament – kann Kommission zu Gesetzesvorschlägen auffordern - seit einem Zugeständnis für die Wahl zur Kommission von der Leyen
-Europawahlen
o Europaparlament wird alle fünf Jahre gewählt
o Ab Wahl 2024: 720 Abgeordnete
o Sitze werden Mitgliedsstaaten nach Größe (degressiv) über Listen zugeteilt
o Wahlsystem: Verhältniswahl in allen Mitgliedsstaaten.
o 27 nationale Wahlen? – meist spielen eher nationale Themen eine Rolle (siehe Olaf Scholz auf SPD-Wahlplakaten)
o Europawahlen in Deutschland
§ Deutschland hat 96 Sitze
§ Reine Verhältniswahl mit geschlossenen Parteilisten
§ Unterschied zur Bundestagswahl (personalisierte Verhältniswahl)
§ Momentan keine Sperrklausel: das bedeutet ca. 0.5% der Stimmen reichen für einen Sitz aus
o Verteilung der Sitze auf die Mitgliedsstaaten
§ Für 2024 wurde die Anzahl der Sitze von 705 auf 720 erhöht (um demografische Veränderungen auszugleichen).
§ Das vertragliche Maximum für Sitze ist 750, jeder Mitgliedstaat muss zwischen 6 und 96 Sitze erhalten.
o Unterschiede beim Wahlrecht für Europawahlen – In allen EU Ländern ist eine Verhältniswahl vorgeschrieben. Nationale Varianten sind möglich. Beispiele:
§ Wahlalter (meist 18 Jahre, auch 16 oder 17 Jahre)
§ Flexible Parteilisten (Vorzugsstimme für einzelne Kandidaten) in den meisten Mitgliedsstaaten (aber nicht Deutschland)
§ Wahlpflicht (in Belgien, Griechenland, Luxemburg, Zypern)
§ Sperrklausel (entweder festgelegt oder de facto aufgrund der Sitzanzahl, Beispiel Frankreich 5%)
§ Wahltermin: Zwischen 6. Juni (Niederlande) und 9. Juni. Ein oder mehrere Tage.
-Fraktion im EP = mind. 25 Abgeordnete, die in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten, derzeit also sieben Mitgliedstaaten, gewählt wurden.
-EU-Abgeordnete können maximal einer Fraktion angehören oder fraktionslos bleiben.
-Fraktion = organisatorische Vorteile (Büros, Finanzierung, Redezeit, Ausschüsse, etc.)
-Rolle der Abgeordneten
o Abgeordnete haben zwei Ziele im EP:
§ Ämter: Office seeking (Karriere innerhalb der Fraktion / der nationalen Partei / des EP)
§ Politik: Policy seeking (Erreichen von ideologischen Zielen)
o Sind MEPs AgentInnen mit zwei Prinzipalen?
§ Nationale Parteien entscheidend für Nominierung bei nächster Wahl.
§ EP-Fraktionen sind wichtig für eine Karriere im EP.
-Was machen Europaabgeordnete bei einem Interessenkonflikt?
o Konflikte zwischen nationalen Parteien und den EP-Fraktionen sind eher selten.
o In solch einem Fall entscheiden sich Abgeordnete aber häufiger für die nationale Parteiposition
o Links-rechts Positionen dominieren Abstimmverhalten der MEPs
o Extrem linke oder extrem rechte Abgeordnete sind EU-kritischer als moderate
o Nationale Regeln können bedeutend stringenter sein (bspw. Hinsichtlich maximaler Arbeitszeit oder Urlaub)
==> Vermittlungsausschuss zwischen EP und Rat
==> Enthaltungen sind wie Nein-Stimmen
-Beteiligung: Fast alle Politikbereiche wie z.B.:
o Landwirtschaft, Fischerei
o Freiheit, Sicherheit und Recht
o Handelspolitik
o Umwelt
o Verkehr
o Binnenmarkt und die Freizügigkeiten
o Arbeit und Soziales
o Bildung und Ausbildung
o Verbraucherschutz
-Keine Beteiligung:
o Besteuerung,
o Sozialsystem, Außenpolitik
o → Themen, die die nationale Souveränität berühren
-Seit Mitte der 1990er spielen Triloge (10 PAX - informelle Treffen zwischen Kommission, Rat, und Parlament) eine immer größere Rolle in der Gesetzgebung.
-fraktionlose MEPs haben keine Möglichkeit daran teilzunehmen
-Ausschluss der Öffentlichkeit
-Kommission nimmt an Trilog-Verfahren als Vermittlerin teil, Rat und Parlament zu einem Kompromiss zu verhelfen (Honest Brooker)
-Verfahren sind nicht bindend, Akteure letztlich trotzdem frei
==> führt dazu, dass Rat und EP sich meistens bereits schon zur ersten Lösung einigen – um eben die nachfolgenden langwierigen Verfahren zu vermeiden
==> schnellere Entscheidungsfindung und kaum Scheitern von Gesetzen – geht aber zu Lasten der Transparenz
==> Bereiche die Souveränität betreffend
-Nationale Parlamente in Vergangenheit nur vertreten über ihre Regierung. Seit Vertrag von Lissabon ein geregeltes Verfahren
-Subsidiaritätsprinzip: EU wird nur tätig in Bereichen, in denen sie Politiklösungen besser durchführen kann, als die MS das alleine tun
o 1. Schließt ein Tätigwerden der Union aus, wenn eine Angelegenheit auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene wirksam(er) durch die Mitgliedstaaten geregelt werden kann
o 2. Ermächtigt die Union, ihre Befugnisse auszuüben, wenn die Ziele einer in Betracht gezogenen Maßnahme von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können.
-Gelbe Karte
o Erreicht die Anzahl der Ablehnungen durch nationale Parlamente mindestens ein Drittel, muss Kommission den Entwurf überprüfen.
-Orange Karte
Wenn Mehrheit der nationalen Parlamente eine Rüge erhebt, besteht ebenfalls eine Überprüfungspflicht. Hält Kommission an ihrem Vorschlag fest, kann ihn der Rat oder das EP verwerfen
o Gemeinsame Erklärung zwischen Rat, Parlament und Kommission – Joined Declaration, die die nächsten Ziele der EU priorisiert und skizziert – auch hier sind in Teilen Kompromisse nötig
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