-Historische Bildung und Tradition von Gewerkschaften beeinflusst heute noch den Markt und die Arbeitswelt
-Mögliche Ansätze sind Theorien Kollektiven Handelns, die Machtressourcentheorie und der Korporatismusansatz
o Haben Arbeitnehmer:innen und Unternehmen dieselben Chancen sich kollektiv zu organisieren?
o Unter welchen Bedingungen entstehen Kollektives Handeln und Kollektive Organisationen?
==> Theorien Kollektiven Handelns (Olson, Offe/Wiesenthal)
o Warum können Gewerkschaften unterschiedlichen starken Einfluss in der Wirtschaft und Politik ausüben?
==> Machtressourcen-Theorie (Korpi)
==> Korporatismus-Ansatz
-Gewerkschaft (Gewerkverein, Gewerksgenossenschaft, union of a trade)
-Historisch haben sich Gewerkschaften organisatorisch unterschiedlich organisiert: Betrieb (business unions), Beruf (craft unions), Branche (industrial unions)
o Gewerkschaften agieren in den Arbeitsbeziehungen: Gewerkschaftskassen, Tarifvertrag, Streik
o Gewerkschaft agieren in der Politik: Beeinflussung von Parteien, Regierung und Parlamenten, Demonstrationen, politischer Streik, Kampagnen, Selbstverwaltung, Kommissionen
-Im Ländervergleich gibt es erhebliche Unterschiede, wie sich Gewerkschaften organisiert haben & wie sie in den Arbeitsbeziehungen & in der Politik agieren.
-Verlauf der Industrialisierung, Demokratisierung & Nationenbildung (industrielle Revolution & nationale Revolution) hat Einfluss auf:
o Gewerkschaftstypen & Ideologisierung je nach Nationalität und Geschichte
o Legale, politische und ökonomische Bedingungen gewerkschaftlichen Handelns in den Arbeitsbeziehungen und in der Politik sowie für das Verhältnis Parteien-Gewerkschaften
-1. Frühe Industrialisierung & frühe Demokratisierung (England, USA)
o Weniger Repression gegen Gewerkschaften: frühes und weniger umstrittenes Organisations- und Koalitionsrecht
o Craft unions (Berufsgewerkschaften – auf bestimmte Berufe spezialisiert; haben dieses Berufsbild z.T. aufgebaut), USA: auch business unions / General unions (Allgemeine Gewerkschaften)
o Gewerkschaften setzen die Interessen der AN eher in den Arbeitsbeziehungen als in der Politik um ==> sind weniger politisch engagiert und erwarten Sozialleistungen eher von der Gewerkschaft als vom Staat
-2. Späte Industrialisierung & späte Demokratisierung (Deutschland, Schweden)
o Repression: Gewerkschaften mussten Anerkennung erkämpfen; Politisierung d. Arbeiterbewegung – Arbeiterschaft wurde verfolgt, kein natürliches Interesse der Gewerkschaften an einem starken Sozialstaat, da eine eigene Sozialpolitik eigentlich einfacher ist ==> machen später aber den Staat für die Sozialpolitik verantwortlich
o Industrial unions (Industriegewerkschaften) / General unions
==> unterschiedliche Ideologisierung und Fragmentierung – in Dt. sind die Gewerkschaften von der politischen Ausrichtung her heute aber relativ homogen & politisch sehr aktiv
==> Warum höhere Organisationsgrade der Gewerkschaften in FL, SWE als in Deutschland, USA und Frankreich?
o Arbeitslosenversicherung wird dort von Gewerkschaften organisiert (wird vom Staat aber gefördert) – um an ihnen teilnehmen zu können, muss man aber Mitglied einer Gewerkschaft sein
-Arbeitsbeziehungen: „Gesamtheit der Beziehungen zwischen Arbeitern (Angestellten) und Arbeitgebern in einem konkreten Betrieb, einer Industrie, einem Industriezweig oder einem Land“ (Müller-Jentsch 1997: 10).
-Diese Beziehungen können durch individuelle Arbeitsverträge, durch Firmentarifverträge,( z.B. Volkswagen, Deutsche Bahn); Branchentarifverträge (z.B. Tarifvertrag Öffentlicher Dienst)) oder nationale Tarifverträge (z.B. Frankreich) und durch Gesetze (z.B. Mindestlohn; Kündigungsschutzgesetz) reguliert werden.
-Reguliert werden Löhne, Arbeitszeit, soziale Absicherung, Schlichtung, Mitbestimmung usw.
-Wichtigster Indikator zur Messung der Bedeutung von Tarifverträgen in einem Land: Tariflicher Deckungsgrad (Coverage Rate) – Prozent der Beschäftigten für die ein Tarifvertrag gilt.
-Mancur Olson: The Logic of Collective Action (1965)
o Organisationen handeln kollektiv und stellen Kollektive Güter bereit; Mitglieder handeln aus individuellen Eigeninteresse
o Nicht-Exklusivität im Gebrauch & Nicht-Rivalität im Konsum Kollektiver Güter führt zu Trittbrettfahrern – Auch Nicht-Mitglieder profitieren vom Kollektiven Gut & unbeschränkte Anzahl der Nutzer (z.B. Gewerkschaft & Tarifvertrag)
o Wenn sich alle rational verhalten, wird keiner dem Verband beitreten (Dilemma zwischen individueller & kollektiver Rationalität)
o Kollektives Handeln entsteht:
§ Kleine Gruppen (höhere gegenseitige Abhängigkeit der Mitglieder) haben geringere Probleme die Mitgliederinteressen zu organisieren (so haben bspw. Spartengewerkschaften (Lokführer, Piloten, etc.) weniger Organisationsprobleme als die NGG
§ Vor allem große Gruppen müssen selektive Anreize als private Güter einsetzen (z.B. Gewerkschaftskassen; Serviceleistungen (siehe EVG))
==> Für alle Gruppen gilt dieselbe Logik!
==> siehe das Kollektivgutproblem, dass über selektive Anreize gelöst wird (siehe bspw. der ADAC mit seinem Abschleppservice)
-Offe/Wiesenthal: „Two Logics of Collective Action“ (1980): Es gibt Interessenunterschiede & strukturelle Organisationsunterschiede zwischen Arbeit (Gewerkschaften) und Kapital (Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände)
o Inputfaktoren (Was wird organisiert?): Wirtschaft organisiert „tote Arbeit“ (Kapital), Gewerkschaften „lebende Arbeit“ (Abeiter): „Lebende Arbeit ist nicht teilbar und verflüssigbar wie Kapital” – Die Arbeit kann vom Träger der Arbeitskraft nicht getrennt werden, Arbeiter abhängig vom Kapital (Job), können nicht “fusionieren”, das Kapital schon -> struktureller Klassenvorteil des Kapitals, Arbeiter müssen sich organisieren & eine kollektive Identität entwickeln
o Interne Prozesse (Strukturen und Prozesse in der Organisation): G. sind sehr viel stärker vom Engagement ihrer Mitglieder abhängig (Diversität der Interessen, keine monologen Interessen (wie das Kapital: Profitinteresse), deswegen auch Heterogenität innerhalb und zwischen Gewerkschaften
-Es gibt daher nicht eine (Olson), sondern zwei Logiken des Kollektiven Handelns & Wirtschaft kann sich besser und einflussreicher organisieren
2.2 Machtressourcen-Ansatz (PRA: Power Ressources Approach)
-Walter Korpi: „The Democratic Class Struggle“ (1983): Wie Marx: Klassenkonzept & Klassenkonflikt, aber …
o Kapitalismus kann reformiert werden aufgrund demokratischer Wahlen & Gesetze
o Ziel der Arbeiterklasse politischer Einfluss, um soziale Ungleichheiten zu mindern.
o Machtressourcen = Fähigkeit der Akteure andere zu bestrafen oder zu belohnen – je mehr Machtressourcen, desto eher kann eine Gewerkschaft die Situation der Arbeitnehmer verbessern
§ Kapital kontrolliert das Produktionsmittel Kapital
§ Arbeit verfügt über Humankapital (Bildung)
==> Verteilung im Markt zunächst ungleich, Arbeitgeber:innen sind Arbeitnehmer:innen überlegen. Diese Ungleichheit könne nur überwunden werden, indem sich AN organisieren, zum Beispiel in Gewerkschaften oder linken Parteien, da diese Gruppierungen über Machtressourcen verfügen.
o Klassenkonflikt = Machtressourcenkonflikt = Konflikt um ungleiche Verteilung von Machtressourcen: Kapital vs. Humankapital (Kapitaltransfer & -akkumulation möglich, bei Humankapital nicht)
o Träger des Kapitals (Klasse der Kapitalisten) wollen Marktlösung & Träger des Humankapitals (Arbeiterklasse) müssen sich kollektiv organisieren (Gewerkschaften, sozialdemokratische & linke Parteien)
==> bei starker Organisation kann es zu politischer und korporatistischer Teilhabe der Arbeitnehmer kommen, was einen Machtausgleich zur Folge hätte
-Hypothese Korpi: Je mehr Machtressourcen Gewerkschaften haben desto einflussreicher desto mehr Wohlfahrtsstaat
o Machtressourcen helfen politische Maßnahmen durchzusetzen, die Benachteiligung verringern (z.B. Streikrecht, Tarifverträge etc.)
o 3 Schritte der Machtressourcennutzung: Mobilisierung, Aufrechterhaltung und Verwendung, die belohnend oder bestrafend sein kann
o So lassen sich Länderunterschiede in Maßnahmen des Wohlfahrtsstaats erklären, da Gewerkschaften nicht überall gleich viele Machtressourcen haben.
o Zwei Einflussmöglichkeiten für Arbeiter:innenbewegungen: ein politischer(Wahlen und Regierungsbeteiligungen) und ein korporatistischer (Kollektivverhandlungen und Mitbestimmung in Arbeitsbeziehungen)
o Machtressourcen von Parteien lassen sich messen über Sitz- und Stimmenanteile, Regierungsbeteiligung, Parteimitglieder.
o Machtressourcen von Gewerkschaften lassen sich messen über Mitgliederstärke
o Kritik an MRT: Parteien und Gewerkschaften waren zwar wichtig für den Aufbau des Wohlfahrtsstaat, heute sind sie es aber nicht mehr. Heute sei der Wohlfahrtsstaat auch vom Kapital (AG) akzeptiert und ein wichtiger Teil der nationalen Produktionsregime (VoC-Ansatz)
==> Bis 1985: Je stärker die Machtressourcen der Gewerkschaften desto mehr Wohlfahrtsstaat
-Wichtigster Indikator zur Messung der Stärke von Gewerkschaften:
o Organisationsgrad: Gewerkschaftsmitglieder/Zahl der Beschäftigten (potentielle Gewerkschaftsmitglieder, minus Arbeitslose & Rentner:innen)
-Messung von Machtressourcen (Labor Power!)
o (Netto-)Organisationsgrad der Gewerkschaften
o Stärke der linken bzw. arbeitnehmernahen Parteien: Mitglieder, Wahlergebnis, Stimmenanteil, Regierungsbeteiligung
-Wesentliche Voraussetzung zur Mobilisierung in Gewerkschaften ist die Überwindung des Trittbrettfahrertums (Olson 1965), also der Tatsache, dass alle vom Wohlfahrtsstaat profitieren, unabhängig davon, ob sie sich engagiert haben und sich deshalb Engagement rational nicht lohnt (positive Anreize oder sozialer Druck wirken entgegen)
-Staat beeinflusst Macht der Gewerkschaften durch:
o a) Formelle Regeln des gewerkschaftlichen Einflusses: “[institutions] determine the ways in which decision-making on behalf of the whole society can legitimately be made and enforced” (Korpi)
o Beispiele: Organisationsrecht (Koalitionsrecht) & allgemeines Wahlrecht & Wahlsystem: Arbeiter können Gewerkschaften & Parteien gründen & im Parlament vertreten
o b) Politische Maßnahmen (Public Policies) Gesetzgebung, die ungleiche Einkommensverteilung mindert (Mindestlöhne, Sozialpolitik, Inflationspolitik, Steuerpolitik etc.)
-Korporatistischer Einflusskanal und vier Stufen der korporatistischen Integration: 1. Koalitionsrecht, 2. Streikrecht, 3. Kollektivverhandlungen, 4. Mitbestimmung
-Messung über 1. Zentralisierungsgrad und Konzentration von Interessen in Dachverbänden (wenige Mitgliederorganisationen erwünscht, damit die Interessen wenig fragmentiert vertreten werden), 2. Zentralisierung von Entscheidungen in Arbeitgeberverbänden, 3. Tarifpolitische Ebene, 4. Koordination, 5. Partizipation, 6. Konsensfindung der Sozialpartner:innen in wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen.
-Korporatismus als Analyse-Ansatz (seit den 1980er Jahren):
o „Der Begriff Korporatismus (auch Neo- Korporatismus, liberaler Korporatismus, demokratischer Korporatismus) bezeichnet die institutionalisierte und gleichberechtigte Beteiligung von gesellschaftlichen Verbänden an der Formulierung und Ausführung staatlicher Politik.”
-Strukturelle Definition: Korporatismus = System der Interessenvermittlung
§ Jede Seite hat ihre eigenen Interessen, Verpflichtungen und Abhängigkeiten
§ Bestreitet die Machtkonzentration beim Kapital
§ Jeder Akteur hat Macht oder Nicht-Macht, je nach Organisationsgrad
-Funktionale Definition: Korporatismus = System des Policy-Making & Policy-Implementation
o Beteiligung der Gewerkschaften an der Politik -Artikulieren ihre Interessen an die Poliik und arbeiten diese aus
o “Corporatism is more than a peculiar pattern of articulation of interests. Rather, it is an institutionalized pattern of policy-formation in which large interest organizations cooperate with each other and with public authorities not only in the articulation (or even “intermediation”) of interests, but– in its developed forms– in the “authoritative allocation of values” and in the implementation of such policies.” (Lehmbruch 1977: 94).
==> Einflüsse werden messbar, wobei die Macht ist bei vielen kleinen Gewerkschaften geringer, als bei wenigen Großen
==> Die Korporatismustheorie ist die Institutionalisierung der Machtressourcentheorie – mittels Teilhabe
-Rückgang des Korporatismus in Deutschland: Mitgliederrückgang in Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, zunehmende Abnahme der Tarifdeckung
-Siehe das Corona-Kurzarbeiterbeispiel
-Gewerkschaften beteiligen sich an der Politik, sind sich ihrer Machressourcen bewusst und versuchen diese anzuwenden
-Gewerkschaften wecken ohnehin aber auch Partizipationstendenzen
-Gewerkschaften können aber auch negative Konsequenzen haben – so kann die Durchsetzung eines zu hohen Mindestlohns, Arbeitgeber bspw. auch zu Outsourcing verleiten
-Gewerkschaften spielen eine zentrale Rolle in der Politik
-Zusammenhang zwischen Gewerkschaften und Einkommensverteilung in den letzten 15-20 Jahren aufgeweicht
-Der Verfall von Gewerkschaften und der Effekt dieser Organisationen sind stark von politischen Institutionen abhängig.
i) Wirkung auf ökonomische Ungleichheit
o Gewerkschaften streben Lohnanhebung an. Dadurch wird Ungleichheit zwischen organisierten Arbeitnehmer:innen reduziert, allerding wird die Ungleichheit gegenüber nicht-organisierten Arbeitnehmer:innen erhöht. Allerdings kommt es auch zu spill-over-Effekten, von denen alle profitieren (z.B. höhere Mindestlöhne)
o Hohe Gewerkschaftsdichte führt zu einer engeren Gehaltsverteilung und kleineren Anteilen der Spitzenverdienste, Effekt hat aber abgenommen
o Der zweite genannte Punkt überwiegt den ersten, also insgesamt führen Gewerkschaften empirisch zu weniger Ungleichheit, Kausalitäten allerdings schwierig zu identifizieren
o Diskriminierung von Minderheiten: zum Beispiel für lange Zeit Ausgrenzung von Frauen und Afro-Amerikaner:innen aus amerikanischen Gewerkschaften
o Limitierung: all diese Studien beziehen sich auf westliche Industrienationen
ii) Wirkung auf politische Ungleichheit
o Gewerkschaften bieten politische Bildungsprogramme an
o In einigen Staaten sind Gewerkschaften direkt mit politischen Parteien verbunden.
o Evidenz: Gewerkschaftsmitglieder sind politisch informierter und aktiver, ideologisch sind sie eher links orientiert
o Streiks können zur politischen Meinungsäußerung genutzt werden (vor allem in Entwicklungsländern der Fall)
o Gewerkschaften mobilisieren Wähler:innen, was sich positiv auf die Wahlbeteiligung auswirkt (Eeekt bei Kommunalwahlen am größten)
o Demokratisierung: Gewerkschaften als wichtiger Treiber für Demokratisierung.
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