1. Nennen Sie die Ebenen der Normenpyramide auf internationaler und nationaler Ebene.
2. Erklären Sie, welche Gesetze im Rahmen der Normenpyramide Vorrang haben.
Ranghöhere Gesetze stehen oben in der Normenpyramide und haben Vorrang (z. B. das europäische
Recht vor dem deutschen Grundgesetz), gerade wenn es zu Widersprüchen zwischen zwei Regelungen
kommt.
3. Diskutieren Sie die ethische Vertretbarkeit von psychologischen Experimenten, bei denen Ver-
suchspersonen widrigen oder aversiven Bedingungen ausgesetzt werden.
Psycholog*innen sind ethisch dazu verpflichtet, den ihnen anvertrauten Menschen keinen Schaden
zuzufügen (vgl. Renner, Haydasch & Ströhlein 2012, S. 131). Im Rahmen psychologischer Experimente
kann es erforderlich sein, Testpersonen Leid zuzufügen (vgl. ebd.). Wenn das Erleben von Stress bei-
spielsweise einen Faktor darstellt, der empirisch untersucht werden soll, kann es in diesem Zusam-
menhang notwendig sein, Stress bei Testpersonen experimentell zu induzieren.
In solchen Fällen gilt immer, dass auf Freiwilligkeit und Verhältnismäßigkeit zu achten ist: Die Testper-
son muss sowohl informiert als auch einverstanden sein und die Belastung ist so gering wie möglich zu
halten (vgl. ebd.).
4. Vergleichen Sie die rechtlichen Regelungen zur Schweigepflicht (§ 203 StGB) und Offenbarungs-
pflicht (§ 138 StGB). Wann gilt statt der Schweigepflicht die Offenbarungspflicht?
Eine Ausnahmeregelung in Bezug auf die Schweigepflicht besteht immer dann, wenn die rechtlichen
Bestimmungen zur Offenbarungspflicht in §138 des Strafgesetzbuches gelten (vgl. Schmidt-Atzert,
Krumm & Amelang 2021, S. 31). § 138 regelt die Nichtanzeige geplanter Straftaten und besagt, dass
sich jede Person strafbar macht, die vom Vorhaben oder der Ausführung künftiger oder noch abwend-
barer Straftaten weiß, ohne die Behörden rechtzeitig darüber zu informieren (vgl. ebd.).
Die Offenbarungspflicht gilt jedoch nicht für alle Straftaten, sondern nur für in §138 spezifisch formu-
lierte gravierende Vergehen, zum Beispiel (vgl. ebd. S. 31):
➢ Hochverrat
➢ Landesverrat, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit
➢ Mord, Totschlag, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen
➢ Raub, räuberische Erpressung
➢ gemeingefährliche Straftaten
➢ Bildung terroristischer Vereinigungen
Die Offenbarungspflicht gilt nicht, wenn Straftaten bereits begangen und nicht mehr zu verhindern
sind (vgl. ebd.).
5. Erklären Sie die statistische mit der funktionalen Norm von Gesundheit.
Die statistische Norm von Gesundheit wird durch die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Eigenschaft
des Organismus bestimmt. Hierzu sind breit angelegte Normierungsstudien mit großen Kollektiven nö-
tig, deren Mitglieder das interessierende Merkmal nicht tragen. Was auf die Mehrzahl der Menschen
zutrifft, wird als gesund definiert. Abweichungen von diesen Durchschnittswerten (und Grenzwerten)
dagegen werden als pathologisch bzw. auffällig bezeichnet.
Die funktionale Norm von Gesundheit orientiert sich daran, ob eine Person in der Lage ist, die durch
ihre Verpflichtungen (z. B. familiär, schulisch, beruflich) gegebenen Aufgaben angemessen zu erfüllen.
6. Nennen Sie Grundaussagen, die dem biopsychosozialen Krankheitsmodell entnommen werden
können.
Krankheit und Gesundheit sind im biopsychosozialen Krankheitsmodell nicht als ein singulärer Zustand
definiert, sondern werden als ein dynamisches Geschehen aufgefasst. Eine Krankheit hat grundsätzlich
biologische (z. B. organischer Befund), psychische (z. B. Krankheitsgefühl) und ökologisch-soziale An-
teile (z. B. Gesundheitssystem, Arbeitsbedingungen). Alle Ebenen sind miteinander stark verflochten
und wirken sich aufeinander aus. Beispiel: Eine erfolgreiche medizinische Therapie kann auch dann als
Misserfolg eingeschätzt werden, wenn hohe Kosten durch Eigenbeteiligung resultieren und sich ein
Gefühl des „Alleingelassenseins“ einstellt.
7. Vergleichen Sie Symptom und Syndrom. Worin liegt der Unterschied? Was macht darüber hinaus
die Diagnose einer konkreten psychischen Störung aus?
Symptome sind einzelne Krankheitszeichen, die bei einer Krankheit auftreten. Es gibt subjektive und
objektive Symptome. Die objektiven Symptome werden anhand von klinischen Befunden dargestellt
(das Gesamtbild wird Klinik genannt). Syndrome bezeichnen eine Gruppe an bestimmten Symptomen,
die bei einer Krankheit gemeinsam auftreten (Symptomenkomplex). Eine Syndromdiagnose wird nur
dann vergeben, wenn die meisten zugehörigen Symptome vorliegen.
Darüber hinaus sind bei der Diagnose einer konkreten psychischen Störung Zusatzkriterien zu berück-
sichtigen wie relevante Zeitkriterien (erforderliche Dauer der Symptome) und der Ausschluss alterna-
tiver Diagnosen (Differentialdiagnosen).
8. Nennen Sie Ihnen bekannte Diagnosemanuale.
Eines der verbreitetsten Klassifikationssysteme, das maßgeblich die differenzialdiagnostische Einord-
nung von Krankheitssymptomen steuert, ist die Internationale statistische Klassifikation der Krankhei-
ten und verwandter Gesundheitsprobleme bzw. die ICD (englisch: International Statistical Classification
of Diseases and Related Health Problems) der Weltgesundheitsorganisation WHO (vgl. DIMIDI 2017, S.
5). Die ICD wird ständig aktualisiert. Die neueste Fassung ist das ICD-11. Krankheiten werden in der ICD
durch spezifische Codes gekennzeichnet. In der Diagnoseklassifikation werden ähnliche Krankheitsbil-
der in Abhängigkeit von einem gruppenbildenden Merkmal zu Gruppen zusammengefasst.
Ein weiteres Klassifikationssystem, das selektiv für die psychiatrische Klassifikation Geltung besitzt, ist
der Diagnostische und statistische Leitfaden psychischer Störungen bzw. das DSM (englisch: Diagnostic
and Statistical Manual of Mental Disorders) der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (vgl.
American Psychiatric Association 2017, S. 5). Die aktuelle Fassung ist das DSM-5. Das DSM-5 enthält zu
jeder Erkrankung sehr präzise diagnostische Kriterien und gibt außerdem relevante klinische Marker
(z. B. Hirnstrombild, Blutserumdiagnostik), Risikofaktoren der Krankheitsentstehung sowie häufige Be-
gleiterkrankungen (Komorbidität) an.
9. Vergleichen Sie das ICD 11 mit dem ICD 10: Was hat sich verändert?
Wichtige inhaltliche Veränderungen sind beispielsweise die Aufnahme der Spielsucht (gaming disor-
der), die künftig als psychische Erkrankung klassifiziert ist.
Auch wurden die Störungen der Geschlechteridentität aus dem ehemaligen Kapitel V herausgenom-
men und künftig nicht mehr den psychischen Störungen zugeordnet.
Weiterhin wurde pathologisches Horten als psychische Störung anerkannt und ist im ICD-11 entspre-
chend kodierbar. Ebenfalls aus den psychischen Störungen entfernt und einem neuen Kapitel zugeord-
net werden künftig Schlafstörungen.
10. Erklären Sie, wodurch die Interpretation von biografischen Daten und Persönlichkeitsdaten er-
schwert wird.
Bei der Erfassung von biografischen Daten und Persönlichkeitsdaten durch Anamneseschemata oder
Fragebogen können vonseiten der Testperson Verfälschungen oder Verzerrungen auftreten. Die Ten-
denz zu Verfälschungen kann absichtlich sein oder relativ unterbewusst ablaufen. Beispiele hierfür
sind, dass die Testperson versucht, möglichst „positiv“ zu erscheinen oder sich nicht klassifizieren las-
sen möchte (Tendenz zu mittleren Entscheidungen). Mitunter kann es auch sein, dass eine Testperson
daran interessiert ist, eine bestimmte Klassifikation zu erhalten, die tatsächlich gar nicht vorliegt (Si-
mulation).
11. Erklären Sie, bei welchen Fragestellungen die Erfassung von Leistungsdaten sinnvoll ist.
Leistungsdaten in der psychologischen Diagnostik geben einen Überblick über das Funktionsniveau
einer Testperson in spezifischen Bereichen. In der klinischen Psychologie und Neuropsychologie geht
es um die Erfassung des psychischen bzw. kognitiven Gesundheitszustands und möglicherweise vor-
liegender Störungen. In den Fragestellungen kann es darum gehen, ob die Testperson besser oder
schlechter als eine Kontrollgruppe ist bzw. wie ausgeprägt die Leistungsunterschiede sind. Leistungs-
daten dienen auch der Einschätzung der funktionellen Entwicklung einer Versuchsperson, die über
viele Messzeitpunkte erfasst wird. Bei einem Gedächtnistraining kann beispielsweise geprüft werden,
ob sich im Verlauf messbare Verbesserungen ergeben.
12. Diskutieren Sie, welche Probleme bei der Intelligenzmessung bestehen.
Es gibt vielfältige Kritik an „IQ-Tests“. Auch in der heutigen Zeit ist das Konstrukt Intelligenz, das ge-
messen werden soll, nicht ausreichend definiert. Bei der Intelligenztestung werden nur spezifische
Teilbereiche des „Superkonstrukts“ Intelligenz erfasst. Außerdem spiegeln sich im Intelligenzquotien-
ten viele Persönlichkeitsaspekte wie Kreativität, Intuition oder Offenheit für neue Erfahrungen nicht
wider. Überdies werden Testleistungen maßgeblich durch die Tagesform, die Vertrautheit mit be-
stimmten Fragestellungen und die kulturelle Herkunft der Versuchspersonen beeinflusst.
13. Erklären Sie, wozu Interviewdaten dienen.
Interviews werden in der psychologischen Diagnostik eingesetzt, um die Lebenszusammenhänge eines
Individuums zu verstehen und – zum Beispiel bei einem psychiatrischen Interview – eine Diagnose zu
vergeben und therapeutische Indikationen aufzustellen. Ein wichtiges Format zur Sammlung von Da-
ten über eine Person ist die Anamnese. Hier werden in systematischer Form Informationen über wich-
tig erachtete Lebensbereiche einer Person zusammengetragen, die für die weitere Entscheidungsfin-
dung sehr wertvoll sein können.
14. Nennen Sie Beispiele für Intelligenztests.
Beispiele für Intelligenztests sind der CFT, der Hawik, der IST, der BIS-4, der Wisc, der AED, der K-ABC.
15. Erklären Sie, welche Arten von Verhaltensbeobachtungen es gibt.
Es gibt die:
➢ freie versus systematische Verhaltensbeobachtung (hier liegt der Unterschied im Grad der
Standardisierung)
➢ direkte Verhaltensbeobachtung versus Videoaufnahme
➢ Verhaltensbeobachtung im Feld oder unter laborähnlichen Bedingungen
➢ verdeckte versus offene Verhaltensbeobachtung (hier liegt der Unterschied darin, ob die beo-
bachtete Person weiß, dass sie beobachtet wird)
➢ Teilnehmende versus nichtteilnehmende Verhaltensbeobachtung (hier liegt der Unterschied
darin, ob der/die Testleiter*in Teil des Verfahrens ist wie z. B. bei Hawik)
➢ Selbst- versus Fremdbeobachtung
16. Nennen Sie die Skalen, die durch das Teamklima-Inventar erfasst werden.
Das TKI erfasst das Klima für Innovation und Leistung in Arbeitsgruppen anhand von vier Skalen und
13 Subskalen: (1) Vision mit den Subskalen Klarheit, Wertschätzung, Einigkeit und Erreichbarkeit, (2)
Aufgabenorientierung mit den Subskalen hohe Standards, Reflexion und Synergie, (3) partizipative Si-
cherheit mit den Subskalen Informationsverteilung, Sicherheit, Einfluss und Kontaktpflege sowie (4)
Unterstützung für Innovation mit den Subskalen Bereitschaft (artikulierte Normen) und Umsetzung (im
Handeln erkennbare Normen).
17. Erklären Sie den Messgegenstand des Demat.
Der Demat ist ein Deutscher Mathematiktest für die Jahrgangsstufen 1 bis 4. Er misst verschiedene
mathematische Fähigkeiten wie Multiplikation, Division, Addition, Textaufgaben usw.
18. Diskutieren Sie Vor- bzw. Nachteile der computerbasierten Testung.
Ein Vorteil ist die millisekundengenaue Erfassung von Reaktionszeiten, welche die Untersuchung auch
kleinster Unterschiede, die bereits bedeutsam sein können, ermöglicht. Zudem werden Antwortmus-
ter der Versuchsperson registriert (z. B. Nichtbeachtung von Reizen in einem Bereich des Bildschirms),
welche ebenfalls aufschlussreich sind. Die Itempräsentation kann durch die Kombination von visuellen
und akustischen Signalen verbessert werden. Reize können auch beliebig oft wiederholt werden, um
zum Beispiel Monotoniesituationen zu simulieren.
Unter Umständen ist durch den Einsatz computergestützter Verfahren eine Zeitersparnis zu verzeich-
nen, welche sich auch in einer geringeren Belastung für die Versuchsperson niederschlägt.
Demgegenüber sind diverse Nachteile zu nennen. Verschiedene Einflussfaktoren wie zum Beispiel Se-
heinschränkungen müssen bei der Anwendung und Interpretation beachtet werden. Dazu gehört auch
die allgemeine Fähigkeit der Versuchsperson, mit dem Eingabegerät umzugehen, was insbesondere
bei älteren Patienten*innen problematisch sein kann. Es besteht die Möglichkeit einer nicht mehr ge-
gebenen Vergleichbarkeit von Testergebnissen, weil die Testleistung von der Grafik bzw. Akustik ab-
hängig ist und diese wiederum von unterschiedlichen Bildschirmen und Soundsystemen bestimmt
werden.
19. Erklären Sie die Grundprinzipien psychosozialer Diagnostik
Die Grundprinzipien lauten Prävention, ganzheitlicher Ansatz, Familienorientierung: Stärkung und
Einbeziehung des familiären Umfelds durch Beratung und psychoedukative Maßnahmen; individuelle
Ausrichtung: Beachtung persönlicher Wertvorstellungen (z. B. religiös), Emotionen und Verständnis-
möglichkeiten der Betroffenen, Aktivierung von Ressourcen; supportive Therapieangebote: Initiierung
von Therapiemaßnahmen (z. B. Abfederung von Krisensituationen durch Psychotherapie oder
Rehabilitationsangebote); interdisziplinärer Austausch: Austausch im interdisziplinären Team,
Koordination supportiver Maßnahmen (z. B. Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe); psychosoziale
Grundhaltung: würdevoller, wohlwollender und stützender Umgang durch die psychosozial Tätigen
20. Nennen Sie Konfliktarten, die in der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik diffe-
renziert werden.
Folgende Konfliktarten werden unterschieden:
➢ Abhängigkeit vs. Individuation
➢ Unterwerfung vs. Kontrolle
➢ Versorgung vs. Autarkie
➢ Selbstwertkonflikt
➢ Schuldkonflikt (v. a. egoistisch versus prosozial)
➢ ödipaler Konflikt (v. a. Sexualisierung versus Entsexualisierung)
➢ Identitätskonflikt
21. Nennen Sie Informationsquellen, aus denen sich das psychodynamische Interview zusammen-
setzt.
Das Interview setzt sich zusammen aus dem Erstgespräch (Initiierung einer Patient*in-Therapeut*in-
Beziehung; vonseiten des/der Therapeut*in zugewandte, wohlwollende Haltung, um eine Sensibilität
für die möglicherweise vorliegende unbewusste Konfliktproblematik zu schaffen), dem
Behandlungskontrakt: Prognose der möglichen Behandlungsdauer; erste Überlegungen hinsichtlich
der Psychodynamik des/der Patient*in (z. B. Konfliktthemen, Ich-Stabilität, Bereitschaft zur
Übertragung, Reflexionsfähigkeit), der gleichschwebenden Introjektionsbereitschaft: Analytiker*in
achtet im Therapieprozess auf seine/ihre inneren Vorgänge und ist in der Lage, die Rolle, welche
der/die Patient*in ihm/ihr zuschreibt, kontrollierend anzunehmen.
22. Nennen Sie Merkmale, die vorliegen müssen, um eine Testung als objektiv zu klassifizieren.
Bei einem objektiven Test sollten bei einer Versuchsperson dieselben Ergebnisse herauskommen, un-
abhängig davon, wer den Test durchführt. Um dies zu gewährleisten, muss ein Test anhand eines Ma-
nuals exakt angeben, wie die Durchführung erfolgen soll und wie die Ergebnisse auszuwerten bzw. zu
interpretieren sind.
23. Erklären Sie, was eine hohe Reliabilität über ein Testverfahren aussagt.
Die Reliabilität oder Zuverlässigkeit gibt Auskunft darüber, in welchem Maße ein Test bei wiederholter
Durchführung zu demselben Ergebnis führt. Um dies zu prüfen, existieren verschiedene statistische
Methoden. Wird eine hohe Reliabilität festgestellt, ergibt sich bei einer Versuchsperson bei erneuter
Testung mit demselben Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit ein ähnliches Ergebnis.
24. Erklären Sie, welche Vorgehensweise bei der Bestimmung der Konstruktvalidität sinnvoll ist
In der psychologischen Diagnostik werden größtenteils sogenannte hypothetische Konstrukte unter-
sucht. Dies sind nicht direkt beobachtbare Merkmale wie zum Beispiel Intelligenz, von deren Existenz
theoretisch ausgegangen wird. Eine Methode der Konstruktvalidierung besteht in der Untersuchung,
wie gut ein Konstrukt durch verschiedene Testverfahren, die einen vergleichbaren theoretischen An-
satz verfolgen, erfasst werden kann (konvergente Validität). Die Vorgehensweise besteht nun darin,
Versuchspersonen mit verschiedenen Intelligenztests zu untersuchen. Die konvergente Validität ist
hoch, wenn die Korrelationen zwischen den Testverfahren hoch sind. Dies dient neben der Festlegung,
was der Test tatsächlich misst, auch der Spezifikation des hypothetischen Konstrukts.
25. Nennen Sie Fehler, die bei der Verwendung von Normangaben in Tests gemacht werden können.
Um für einen Test Normdaten zu erhalten, müssen breit angelegte Studien mit großen Probandenkol-
lektiven durchgeführt werden. Wichtig ist, dass die Normierung an einer Stichprobe durchgeführt wird,
die für die Bezugspersonen repräsentativ ist. Relevante Kriterien sind zum Beispiel Alter, Geschlecht
und Schulabschluss. Hierzu sollten in den Testmanualen ausführliche Informationen und tabellarische
Angaben vorhanden sein. Ein Hauptfehler liegt in der fehlenden Beachtung dieser Kriterien. Zum Bei-
spiel werden zum Vergleich des Testwerts einer Versuchsperson nur die Angaben der Gesamtstich-
probe berücksichtigt, obwohl gleichfalls Angaben existieren, die verschiedene Altersbereiche differen-
zieren. Um diesen Fehler zu vermeiden, sollten Testmanuale ausführlich inspiziert werden.
26. Erklären Sie, warum die Testökonomie ein wichtiges Gütekriterium ist.
Das Nebengütekriterium Testökonomie wird erfüllt, wenn ein Test einfach durchzuführen und auszu-
werten ist sowie wenig Zeit- und Materialaufwand besteht. Insbesondere bei zeit- und kostenintensi-
ven Tests ist zu prüfen, ob der erwartete Erkenntnisgewinn die Anwendung rechtfertigt.
27. Erklären Sie die Begriffe Sensitivität und Spezifität.
Als Sensitivität bezeichnet man dann die Wahrscheinlichkeit aller korrekten Treffer bezüglich aller Tref-
fer, als Spezifität den Anteil richtiger Zurückweisungen. Eine hohe Sensitivität geht dabei oft einher mit
einer geringen Spezifität, die man bei manchen Themen (z. B. Suizidgefahr) aber in Kauf nehmen muss.
28. Diskutieren Sie, inwieweit die Beleuchtung der Ursachen für die Diagnosestellung relevant ist.
Beleuchtet man die Ursachen, lässt sich ein Symptom in einen Kontext einordnen und verstehen. So
kann die geeignete Diagnose gefunden werden.
29. Nennen Sie mögliche Gründe für eine Konzentrationsschwäche.
Es gibt viele Möglichkeiten, die eine Konzentrationsschwäche bewirken können wie z. B. eine Trink-
schwäche, Seh- oder Hörprobleme, Über- und Unterforderung, Mobbing, Sorgen, familiäre Probleme.
30. Nennen Sie Möglichkeiten, um bei einer Untersuchung auf die speziellen Bedürfnisse von Senio-
ren einzugehen.
Man sollte laut, langsam und deutlich sprechen, Pausen ermöglichen, Tests/ Fragebögen größer ko-
pieren, ggf. vorlesen oder selbst ankreuzen, darauf achten, ob Fragen tatsächlich verstanden wurden
(beispielsweise bei Demenz). Zudem sollte man auf ethische Folgen der Befragung achten (manche
Fragen sind sehr intim und können viel auslösen z. B. „Denken Sie manchmal daran, nicht mehr leben
zu wollen?“ Hier trägt man bei der Auswahl, der Durchführung und im Nachgang Verantwortung für
das, was eine Testung auslösen kann).
31. Diskutieren Sie, was bei der Testung auf Hochbegabung berücksichtigt werden muss.
Zur Intelligenzdiagnostik als Teilbereich der Leistungsdiagnostik werden eine Vielzahl heterogener
Tests für verschiedene Ziel- und Altersgruppen eingesetzt.
Da Intelligenz als theoretisches Konstrukt verschieden definiert und operationalisiert wird, unterschei-
den sich Intelligenztests in Abhängigkeit des jeweils zugrunde liegenden Intelligenzmodells in dem,
was sie messen teils erheblich voneinander.
Es gibt beispielsweise Testverfahren, die neben spezifischen Intelligenzbereichen wie sprachliches,
räumliches oder rechnerisches Denken eine übergeordnete allgemeine Intelligenz, den sogenannten
g-Faktor, erfassen.
Allerdings wird allgemeine Intelligenz hierbei oft unterschiedlich definiert.
Bei einigen Test quantifiziert der Durchschnittswert der einzelnen Subskalen für die spezifischen Intel-
ligenzteilbereiche die allgemeine Intelligenz, bei anderen Tests indiziert schlussfolgerndes Denken den
g-Faktor.
Unterschieden werden Tests auch dahingehend, ob sie fluide Intelligenz (intellektuelles Leistungsver-
mögen, z. B. Verarbeitungskapazität) und/oder kristalline Intelligenz (durch Erfahrung erworbenes
Wissen) messen.
Je nach Ziel und Zielgruppe der Testung können bei der Testauswahl spezifische Kriterien oder Charak-
teristika des Testmaterials relevant sein.
So kann es eine Rolle spielen, ob der Test etwa zur Feststellung einer Hochbegabung geeignet sein soll
(differenziert der Test gut im oberen Bereich und wurde er an einer ausreichend großen Normstich-
probe hochbegabter Personen geeicht?) oder das Itemmaterial numerisch, sprachlich oder bildhaft
dargeboten wird.
32. Erklären Sie, weshalb Persönlichkeitstests auch im psychotherapeutischen Kontext angewendet
Persönlichkeitstests spielen im Rahmen klinisch-psychologischer Diagnostik eine Rolle, da Forschungs-
befunde die Bedeutsamkeit bestimmter Persönlichkeitsmerkmale als Prädiktoren für den Verlauf einer
Psychotherapie belegen (vgl. Fydrich 2021, S. 713).
33. Nennen Sie die Skalen des NEO PI-R.
Der NEO PI-R erfasst die fünf Persönlichkeitsdimensionen Extraversion, Verträglichkeit, Offenheit für
Erfahrung, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus.
34. Nennen Sie Konstrukte der Familienklima-Skalen.
Die Familienklimaskalen erheben drei Beziehungsskalen (Zusammenhalt, Offenheit und Konfliktnei-
gung), fünf Persönlichkeitsreifungsskalen (Selbstständigkeit, Leistungsorientierung, kulturelle Orien-
tierung, aktive Freizeitgestaltung und religiöse Orientierung) und zwei Systemerhaltungsdimensionen
(Organisation und Kontrolle).
35. Erklären Sie, welche primäre Funktion der Hippocampus im Gehirn hat.
Der Hippocampus ist ein wichtiges funktionelles System des Gehirns, das die Einspeicherung neuer
Informationen steuert. Der Hippocampus dient der Feindifferenzierung und Speicherung gedächtnis-
relevanter Informationen. Dies sind vor allem Informationen, die für das Individuum neu und interes-
sant sind und daher eine hohe subjektive Wertigkeit besitzen (z. B. Einprägen der Abflugzeiten bei
einem Urlaub). In der linken Hirnhälfte ist der Hippocampus insbesondere für die Speicherung sprach-
licher Informationen zuständig (z. B. Lernen einer Einkaufsliste). Wird der Hippocampus geschädigt,
können neue Informationen nur noch eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr eingeprägt werden.
36. Diskutieren Sie den Stellenwert der bei Frau Schmidt festgestellten Depression.
Die wichtigsten Annahmen können der Anamnese entnommen werden. Die Patientin gibt an, dass ihr
Schlaf und Appetit sehr wechselhaft seien. Auch schränke sie das Auftreten epileptischer Anfälle sehr
bei der Wahrnehmung von Sozialkontakten ein. Wenn sie einen schweren Anfall habe, fühle sie sich
am nächsten Tag niedergeschlagen und betrübt. Es gebe ebenfalls häufige krankheitsbedingte Arbeits-
ausfälle. Demgegenüber stehen die Zukunftsperspektiven der Patientin. Sie hat eine abgeschlossene
Berufsbildung und ein Bachelorstudium. Sie plant darüber hinaus den Beginn eines Masterstudiums.
Die Patientin hat kürzlich geheiratet. Ihr Beruf als Logopädin füllt sie aus. Ihr Ehemann ist beruflich
häufig im Ausland unterwegs. Gerne würde sie ihn begleiten, doch das nicht planbare Auftreten der Anfälle erfordert eine ständige medizinische Überwachung. Nach ihrer Einschätzung sei ein Mitreisen
aufgrund der schwierigen medikamentösen Versorgung in anderen Ländern zu riskant. Werden diese
Erkenntnisse zusammengenommen, ergibt sich das Bild einer schwierigen, mitunter sogar „zerrisse-
nen“ Lebenssituation. Vieles ist möglich, doch schwebt über allem die ständige Angst vor neuen Anfäl-
len. Jede Lebensentscheidung kann durch eine Verschlechterung des Krankheitszustands zunichte ge-
macht werden. Es ist nachvollziehbar, dass dieser wahrgenommene Kontrollverlust die eigene Weiter-
entwicklung lähmt. Steht dem eigenen Lebensantrieb ein beständiges „Ich kann es nicht tun.“ gegen-
über, ist das Auftreten einer reaktiven Depression durchaus annehmbar. In jedem Fall ist bei Pati-
ent*innen mit hoher Depressionsausprägung die Notwendigkeit einer psychotherapeutischen Anbin-
dung und gegebenenfalls medikamentösen Therapie zu prüfen. Eine Nichtbeachtung vonseiten
des/der Diagnostiker*in ist ethisch nicht tragbar. Hilfreich wäre zum Beispiel eine Konsultation thera-
peutisch tätiger Kolleg*innen oder eine Vermittlung entsprechender Adressen von Therapieeinrich-
tungen.
37. Nennen Sie Themenbereiche, die bei einer fundieren Anamnese vorkommen sollten.
Es handelt sich insbesondere um die Themenbereiche Krankheitsanamnese, soziale Anamnese, Bil-
dungsanamnese, berufliche Anamnese, psychische Anamnese, Anamnese des Freizeitverhaltens und
Anamnese der individuellen Krankheitsverarbeitung. Ergänzend kann es sinnvoll sein, weitere Bereiche
aufzunehmen, zum Beispiel eine Sexualanamnese oder die Thematisierung familiärer Beziehungen.
38. Erklären Sie, warum bei der Patientin keine Gedächtnisprobleme bestehen, obwohl eine links-
seitige Hippocampussklerose vorliegt, die eben diese Störungen nahelegt. Formulieren Sie hierzu
eine Hypothese.
Der Bildungsanamnese von Frau Schmidt ist zu entnehmen, dass während der Schulzeit keine Lernbe-
einträchtigungen aufgetreten sind. Sie hat die Schule mit dem Abitur abgeschlossen und studiert. In
der neuropsychologischen Diagnostik haben sich keine Hinweise auf Gedächtniseinbußen ergeben.
Dies ist überraschend, da in der bildgebenden Diagnostik als mutmaßlicher Auslöser der Epilepsie eine
linksseitige Hippocampussklerose offenkundig geworden ist. Ein massiver Verlust von Nervenzellen im
Hippocampus ist ein schwerwiegender Schaden, schließlich ist diese Struktur maßgeblich für das Ler-
nen neuer Inhalte zuständig. Wird im Rahmen eines evidenzbasierten Vorgehens wissenschaftliche
Literatur berücksichtigt, wird deutlich, dass Hirnschädigungen in der frühen Kindheit zu einer Neuor-
ganisation des Gehirns führen können. Je früher der Schaden auftritt, desto größer ist das Ausmaß der
funktionellen Umverteilung. Es kann sein, dass eine Funktion von der geschädigten Hemisphäre regel-
recht in die gesunde Hemisphäre „überspielt“ wird. Dies ist eine Art Notprogramm des jungen Gehirns,
um drohende Verluste zu kompensieren. Aus der Krankheitsanamnese von Frau Schmidt ist bekannt,
dass bei ihr im Kleinkindalter Fieberkrämpfe aufgetreten sind. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
hat dies zu einer funktionellen Neuordnung geführt. Wegen der guten schulischen Leistungen kann
angenommen werden, dass die Gedächtnisfunktion teilweise oder möglicherweise komplett in die
rechte Hemisphäre transferiert worden ist. Diese Systematik kann gut durch eine Zusammenhangshy-
pothese dargestellt werden: Bei intakter kognitiver Leistungsfähigkeit und bekannten frühen Hirnschä-
digungen (z. B. durch Fieberkrämpfe, Verletzungen) ist eine von der Norm abweichende funktionelle
Organisation des Gehirns wahrscheinlich. Dies ist ein Schutzmechanismus des Gehirns, um eine mög-
lichst störungsfreie geistige Entwicklung zu gewährleisten. Ob diese Hypothese auch tatsächlich auf
den Einzelfall zutrifft, kann nur durch zusätzliche Untersuchungen festgestellt werden.
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