beyond the black box…
Attribution: Die Frage nach dem Warum
- Attribution: attribūtum 'zugeteilt, beigefügt' von lat. attribuere 'zuteilen, verleihen'; vgl. lat. tribuere '(zu)teilen, erweisen, zuschreiben'
- Das aus dem Lateinischen stammende Wort Attribution (häufig auch Attribuierung) bezeichnet in der Sozialpsychologie und in der Sozialpsychiatrie sowohl die subjektive als auch soziale Zuschreibung von Eigenschaften (Attributen) wie Fähigkeiten oder Erfahrungen als auch die von angenommenen bzw. vermuteten Ursachen von Handlungen der eigenen Person oder anderer Menschen sowie die der Verursachung von realen äußeren Vorgängen und Situationen (Kausalattribuierung). Auch bezeichnet es aus diesen Annahmen resultierende Konsequenzen und Wirkungen für das Erleben und Verhalten. Unterschiedliche Attributionen von realen Situationen können als Wirklichkeitskonstrukte angesehen werden und lassen unterschiedliche Motivationen für künftiges Verhalten plausibel erscheinen.
Fritz Heider (1896 – 1988): internale vs. externale Attribution
- Menschen sind Amateurwissenschaftler, sie versuchen Erklärungen zu finden für das, was in ihrer Umwelt passiert
- Zentrale Dimension:
Attributionsstile in Beziehungen
Harold Kelley (1921-2003): Das Kovariationsmodell
- Zentrale Frage: Unter welchen Umständen attribuieren Menschen internal vs. external?
- Nach dem Kovariationsmodell nutzen Menschen dafür drei Informationen:
1. Konsensus (zeigen andere Menschen auch dieses Verhalten?)
2. Distinktheit (zeigt der Akteur dieses Verhalten auch gegenüber anderen Stimuli?)
3. Konsistenz (verhält der Akteur sich in vielen Situationen so?)
Bewertung von Kelleys Modell
- Prinzipiell zutreffend, aber: Streng rationales Vorgehen, das Vorliegen aller Informationen voraussetzt
- Häufig wissen wir aber gar nicht, ob z.B. Andere sich in derselben Situation genau verhalten
- Insbesondere die Konsensusinformation wird häufig vernachlässigt
- …und ggf. für viele Personen internal attribuiert
Correspondance Bias
(fundamentaler Attributionsfehler)
Experiment: Text über Castro verfassen
- ...oder der fundamentale Attributionsfehler
- Menschen sind eher naive Persönlichkeitspsychologen als naive Sozialpsychologen (Persönlichkeit >> Situation)
- Untersuchung von Jones & Harris (1967)
- Studenten werden aufgefordert Aufsatz von Kommilitonen zu Fidel Castro zu lesen
- UV 1: Pro vs. Contra Castro
- UV 2: freie Themenwahl vs. Themenzuweisung
- AV: Einschätzung der Einstellung des Autors
Exkurs: Jones & Davis‘ .„Correspondent Inference Theory
Unter welchen Bedingungen wird internal attribuiert?
- versucht zu erklären, unter welchen Bedingungen Menschen internal attribuieren.
- Annahme, dass dies umso stärker der Fall ist, wenn es plausibel ist, anzunehmen, dass der Akteur weiß was er tut und was die Folgen sind wenn das Verhalten sozial unerwünscht ist (d.h., der situative Druck sich konform zu verhalten keine Alternativerklärung bietet)
- wenn der Akteur die Handlung aus eigenem freien Willen zeigt (wenn mich jemand vor eine Laterne stößt, macht es keinen Sinn auf meine Tollpatschigkeit zu schließen)
Jones & Harris, 1967
„Culture“
der Correspondance Bias in individualistischen vs. kollektivistischen Kulturen
- Ursprungsvermutung, dass der Correspondence Bias besonders stark in individualistischen Kulturen (USA) ist, in kollektivistischen Kulturen, die Menschen weniger als autonome Individuen und mehr als Inhaber sozialer Rollen für die Gemeinschaft betrachten weniger ist.
- Unter normalen Bedingungen zeigen US-Amerikaner:innen und Koreaner:innen/Japaner:innen gleich starken Correspondence Bias (Krull et al., 1999; Miyamoto & Kitayama, 2002)
- Exemplare kollektivistischer Kulturen aber sensitiver wenn situative Constraints salienter sind (Choi et al., 1998, 1999)
Warum attribuieren wir eher internal?
- Perzeptuelle Salienz:
- Wir sehen die Person, aber nicht ihre psychologische Situation
- Was ist ihr heute schon passiert?
- Wie nimmt sie die Situation wahr?
- Situation ist unsichtbar, Akteur sticht heraus
- Lässt sich der Einfluss perzeptueller Salienz empirisch prüfen?
Taylor & Fiske, 1975
Einschätzung von Einfluss in einer Diskussion
Attribution immer internal?
Externale Attribution also bei…
1. … ausreichenden kognitiven Kapazitäten
2. … kollektivistischen eher als individualistischen Kulturen
3. … uns selbst
- Akteur-Beobachter-Divergenz
- Handelnde kennen die situationalen Zwänge, die sie zu bestimmten Verhaltensweisen bringen
Beobachtende „sehen“ sie nicht
- Erneut perzeptuelle Salienz?
Storms (1973)
- Weiterer Grund: Verfügbarkeit alternativer Verhaltensweisen für Akteur (Gedächtnis für hohe Distinktheit/ niedrige Konsistenz)
Storms (1973) revisited
- Diskutant A diskutiert mit Diskutant B
- Beobachter C beobachtet Diskutant A
- Beobachter D beobachtet Diskutant B
- AV: bewerten sich bzw. den ihnen Zugeteilten
- Diskutanten auf vier Dimensionen (friendliness, talkativeness, nervousness, and dominance) mit jeweils noch zwei Items (AV ist Differenzwert)
Der experimentelle Clue
· BEVOR die Bewertungen abgegeben werden erhalten Probanden entweder
- keine weitere Instruktion
- eine Videoaufnahme der Diskussion aus der gleichen Perspektive, wie sie gesehen haben
- Eine Videoaufnahme aus der entgegengesetzten Perspektive
- Werte sind aggregiert über die beiden Actor (A+B) und die beiden Observer (C+D)
Motivierte Attributionen
- Attributionen dienen der Erklärung der Welt
- Manchmal aber auch profaneren Motiven:
- Selbstwertdienliche Attribution: Erfolge werden internal attribuiert (Können, Leistung, Anstrengung) Misserfolge external (das Wetter, der Schiri, die Piste, die Klausur)
- Defensivattribution: Negative Dinge, die anderen widerfahren werden internal attribuiert (blaming the victim)
-> Jeder bekommt, was er verdient und verdient, was er bekommt
- Illusion einer gerechten Welt hält Illusion aufrecht, ich hätte Kontrolle darüber, ob mir so etwas widerfährt
Attributionen für den Holocaust
Fazit: Attributionen
- Attribution
- Menschen sind intuitive Wissenschaftler (suchen nach Ursachen), v.a. Persönlichkeitspsychologen (vermuten internale Faktoren)
- Häufig Effekt der schlichten Verfügbarkeit von Informationen durch Gedächtnis oder perzeptuelle Salienz
- Manche Attributionsverzerrungen sind auch motiviert, um Selbstwert oder Kontrollillusion zu schützen
Soziale Wahrnehmung
- Wie nehmen wir andere wahr?
- Wie kommunizieren wir jenseits von Inhalten?
Nonverbale Interaktion
· Wir nehmen auf mehr Kanälen dar, als dem reinen Text
- Intonation, Klang der Stimmt
- Mimik, Gesichtsausdruck
- Gestik
· Universelle Prinzipien des Emotionsaudrucks vor allem der Mimik
· Zusammenspiel verbaler und nonverbaler Kommunikation kann zusätzlichen Inhalt kommunizieren (Ironie)
Emotionsausdruck in der Mimik
Charles Darwin (1809-1882): Emotionen
- Emotionaler Gesichtsausdruck ist universell, speziesspezifisch, nicht kulturspezifisch
- Basisemotionen: Wut, Freude, Überraschung, Furcht, Ekel, Trauer
- Ursprünglich adaptives Verhalten (Ekel) gewinnt kommunikative Funktion
- Mimischer Ausdruck wichtigster Kanal nonverbaler Kommunikation
Ekman & Friesen (1971)
Basisemotionen
Haben Gesichter nur emotionale Bedeutung?
- Oosterhof & Todorov, 2008
- Probanden beschreiben 66 Gesichter mit eigenen Worten
- Am häufigsten genannte Eigenschaften (15 Stück) werden ausgewählt und dieselben Gesichter von anderen Probanden auf den Dimensionen beurteilt
- Redundanz eliminiert (z.B. Einschätzungen von Vertrauenswürdigkeit korrelieren fast perfekt positiv mit Attraktivität und nahezu perfekt negativ mit Aggressivität)
- Computermodellierte Darstellung der Gesichter – welche Komponenten korrelieren mit Ratings?
Spielt es eine Rolle?
- Forschung zeigt: Menschen haben eine (relativ konsensuelle) Vorstellung davon, wie sich Eigenschaften im Gesicht widerspiegeln – so what?
Predicting elections? Child‘s play
- Schweizer Kinder (Alter 5-13) sollen zwischen zwei Kandidaten bei französischen Regionalwahlen entscheiden
Die „Big 2“ Sozialer Wahrnehmung
- Nicht nur für Gesichter gelten zwei zentrale Dimensionen als maßgeblich
Theoretisch orthogonale Dimensionen (hier: Interpersonal Circumplex)
But really? 4 theoretische Einsprüche
1. Statusniedrige Leute haben nicht die Mittel, anderen prosozial zu helfen (nicht gut), statushohe haben nicht die Motivation dazu (power corrupts)
2. Allgemeines Prinzip der Homeostase (Aristoteles; Nikomachische Ethik): jede Tugend, jeder positive Zustand wird flankiert von einem Mangel und einem Exzess
3. Allgemein folgen alle Verteilungen einer Normalverteilung, d.h. durchschnittliche Agency ist häufiger als sehr gering oder sehr hoch; häufig Gesehenes ist vertrauter, d.h. positiver
4. Aus Normalverteilung folgt auch, dass durchschnittliche Zustände im Mittel dem Urteiler ähnlicher sind; Ähnlichkeit als Hinweis auf Vertrauen
Recent developments in face perception
A meaningless dimension
Putting it to the critical test…
Last changed5 months ago