Modernisierung - Definition
• Modernisierung ist ein Komplex miteinander zusammenhängender sozialer Veränderungen....
• z.B. Industrialisierung, Individualisierung & Pluralisierung der Lebensstile, Säkularisierung, Demokratisierung, Urbanisierung, Massenkonsum & Wachstum, Steigerung sozialer Mobilität
• ...und historisch gesehen eine spezifische Entwicklung.
• Ursprung in der englischen industrillen Revolution (1760-1830) und in der politischen Französischen Revolution (1789-1794)
Modernisierung - Universelle Bedeutung
• Darüber hinaus hat Modernisierung eine universelle Bedeutung:
„Modernisierung (...) besteht im wirtschaftlichen und politischen Fortschritt einiger Pioniergesellschaften und den darauffolgenden Wandlungsprozessen der Nachzügler.“
Modernisierungstheorie - Vier Grundannahmen
• „Modernisierungstheorie" ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche Theorien und Ansätze, die gewisse
Grundannahmen teilen (ähnlich wie bei Rational Choice-Ansätzen).
Vier Grundannahmen nach Berger:
1. Modernisierung ist primär eine Eigenleistung der Gesellschaften /ein endogener Prozess (Passiert nicht von außen /exogen, sondern aus Gesellschaften selbst heraus /endogen)
2. Strukturelle Innovationen stützen sich gegenseitig (Teilkomplexe fördern sich gegenseitig)
3. Die Vorreiter behindern die Nachzügler nicht
4. Konvergenz in einem gemeinsamen Ziel (Alle Weltstaaten sollen modernisiert werden)
Modernisierungstheorie
Sechs Eigenschaften des Modernisierungsprozesses
1. Revolutionär: Traditionelle und moderne Gesellschaften unterscheiden sich radikal voneinander (es gibt nichts negatives in Theorie)
—> neues Entwicklungsniveau wird erreicht
2. Multidimensional: Kann nicht auf einen Faktor zurückgeführt werden
3. Systemisch: Veränderung der einen Dimension beeinflussen Veränderungen in anderen Dimensionen
4. Global: Schafft eine Gesellschaft den Durchbruch, beeinflusst das andere
5. Irreversibel: Entwickelte Gesellschaften kehren nicht wieder auf alten Entwicklungsstand zurück
6. Fortschrittlich: Langfristige Modernisierung unvermeidbar und wünschenswert
—> Normativ!
Kritik an der Modernisierungstheorie
• Ideologieverdacht & Ethnozentrismus
Die Theorie wird von westlichen Staaten oft als Maßstab genutzt, um Länder bspw. als „Entwicklungsländer" oder „Schwellenländer" einzustufen. (von der „I. Welt" für die „Ill. Welt" gemacht)
• Dichotomie Tradition-Moderne
Etwas als „modern" einzustufen kann sehr wertend sein.
• Teleologisch
Der Zweck ist der Grund für das Dasein der Entwicklung /Zielgerichtetheit (Denken, dass alles in einem
gemeinsamen Ziel konvergiert) Telos —> auf ein Ziel orientiert (hier auf dieses eine Ziel, sich zu einer wesl. Gesellschaft zu entiwckeln)
• Vernachlässigung von Katastrophen und Krisen
Werden als Zwischenstadium „abgetan“ = revolutionär, Modernisierung “unaufhaltbar”
• Nachzügler werden (entgegen der 3. Grundannahme) oft behindert und ausgebeutet
Die Lipset These - Betrachtung als modernisierungstheoretische These
Makro-Gesetz, das dem methodologischen Kollektivismus folgt:
Sozioökonomische Modernisierung —> Demokratie
Gestützt durch die ersten beiden Grundannahmen der Modernisierungstheorie:
1. Modernisierung ist eine Eigenleistung der Gesellschaften.
2. Strukturelle Innovationen stützen sich gegenseitig.
Demokratir als evolutionäre Universelle (Parsons)
Methodologisch kollektivistische Erklärung
• Politischer Pluralismus und Wettbewerb sind notwendig für höhere Komplexität und dafür, dass industrielle Massengesellschaften höhere Stufen der Komplexität und Anpassungskapazität erreichen.
Drei Einwände gegen das Konzept evolutionärer Universalien:
1. Die langfristige Anpassungskapazität von Gesellschaften lässt sich wissenschaftlich nicht beurteilen.
2. Kein Verständnis der Ursachen, die zur Herausbildung bestimmter Strukturen führen.
3. Vernachlässigung exogener Faktoren, d.h. der Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Gesellschaften.
Wie lässt sich die Lipset These methodologisch-individualistisch erklären?
Abbildung:
Brückenhypothesen: mehr Ressourcen an Demonstrationen teilzunehmen , politisches Handeln ist grundsätzlich möglich
Unten Akteure - Handeln
—> Wie ist der Zusammenhang auf Mikro Ebene zu erklären?
Erklärung 1: Wertewandel (Inglehart)
Methodologisch individualistische Erklärung der Lipset-These
• These eines postmaterialistischen Wertewandels: Wirtschaftliche Entwicklung führt zu einer Verschiebung
von „materialistischen“ hin zu „postmaterialistischen“ Werten
Materialistische Werte: Ökonomische Sicherheit /Physische Sicherheit
Postmaterialistische Werte: Individuelle Selbstverwirklichung /Lebensqualität
—> Dieser grundlegende kulturelle Wandel ändert auch die politischen Einstellungen der Bevölkerung:
Nachfrage nach öffentlicher Teilhabe wächst (vs. Bedürfnis nach starken Führern, Fremdenfeindlichkeit / Fundamentalismus)
—> Der Wertewandel stärkt also die Nachfrage nach Demokratie
Erklärung 2: Wandel der Sozialstruktur (Rüschemeyer) - 1
• Was passiert mit bestimmten gesellschaftlichen Gruppierungen?
• Großgrundbesitzer: Haben von Leibeigenschaft extrem profitiert (ökonomischer Erfolg)
Vor der Industrialisierung war die Produktion sehr arbeitsintensiv und Leibeigenschaft für die Großgrundbesitzer notwendig.
—> Die Demokratie bedroht dies à demokratiefeindliche Einstellung
Erklärung 3: Wandel der Sozialstruktur (Rüschemeyer) - 2
Auswirkung der Industrialisierung:
• Produktion wird technologieintensiver
• Schwächung der Großgrundbesitzer
• Stärkung von Klassen, die nicht strukturell demokratiefeindlich sind: Arbeiterklasse und Mittelschicht
—> Diese Klassen gewinnen durch die Demokratisierung, haben also ein Interesse an ihrer Durchsetzung.
—> Der sozialstrukturelle Wandel stärkt also die Nachfrage nach Demokratie.
Das Tocqueville Paradox
„Man gelangt nicht immer nur dann zur Revolution, wenn eine schlimme Lage zur schlimmsten wird. Sehr oft geschieht es, daß ein Volk, das die drückendsten Gesetze ohne Klage und gleichsam als fühle es sie nicht, ertragen hatte, diese gewaltsam beseitigt, sobald ihre Last sich vermindert. Die Regierung, die durch eine Revolution vernichtet wird, ist fast stets besser als die unmittelbar voraufgegangene, und die Erfahrung lehrt, daß der gefährlichste Augenblick für eine schlechte Regierung der ist, wo sie sich zu reformieren beginnt.“
Alexis de Tocqueville, 1856
Widerspruch zur Marx‘schen Verelendungsthese!
Tocqueville Paradox - Erklärungsskizze
• Revolution findet also nicht immer dann statt, wenn die Lage am schlimmsten ist, sondern sobald sich die Repressionen vermindern und die Regierung sich zu reformieren beginnt.
—> Das deckt sich mit der Lipset-These (Modernisierung führt zur Demokratisierung)
Abbildung Makro-Mikro-Makro:
Tocqueville-Paradox
1. Brückenhypothesen: Wirtschaftlicher Aufschwung führt zu:
—> Ressourcen für politisches Engagement
—> Unzufriedenheit („relative Deprivation“) der weniger Begünstigten (siehe Durkheims Selbstmordstudie)
—> Erhöhter Erfolgserwartung einer Revolution
2. Handlungstheorie: Theorie rationaler Wahl
3. Aggregationsregel: Komplexe Prozesse
(siehe Spieltheorie /Shelling-Modell)
Die zwei Soziologien
Methodolischer Kollektivismus vs. Individualismus
Methodologischer Kollektivismus
Die Makro-Ebene weist eigenständige Gesetzmäßigkeiten auf, die ohne Rückführung auf die Mikro-Ebene analysierbar sind.
Methodologischer Individualismus
Um kollektive Phänomene zu erklären, ist es notwendig, die Individuen, ihre Beziehungen zueinander, ihr Handeln und die Folgen ihres handelnden Zusammenwirkens zu betrachten.
—> In der Makrosoziologie haben wir es meist mit langen und „offenen“ Kausalketten zu tun. Sozialer Wandel ist daher nur sehr begrenzt vorhersagbar.
—> Weitgehender Verzicht auf Großtheorien
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