Vorlesung 6

Edward Gordon Craig prägte die Idee des Regisseurs als zentraler Figur im Theaterprozess, was zu Diskussionen über das Machtverhältnis zwischen Regisseur und Schauspieler führte. Craig beharrte darauf, dass selbst die führende Schauspielerin seinen Anweisungen folgen müsse. Diese Betonung der Regie als höchster kreativer Autorität reflektiert den Aufstieg des Regisseurs im modernistischen Theater und die damit verbundene Herausforderung der Autonomie der Schauspieler.

Craig prägte die kontroverse Metapher vom Schauspieler als "Über-Marionette", was zu Diskussionen über die kreative Macht innerhalb des Theaters führte. Später reflektierte Craig darüber, ob Schauspieler tatsächlich kreative Künstler sein können, insbesondere in einer Ära, die vom Fotorealismus und Film geprägt war. Er betrachtete historische Szenarien, insbesondere aus dem italienischen Theater des 16. und 17. Jahrhunderts, um diese Frage zu beantworten.

Im Kontext der Theateravantgarde des frühen 20. Jahrhunderts wurden vielfältige Experimente mit Masken durchgeführt. Diese Experimente sollten die Dominanz des Wortes herausfordern und neue Wege der Darstellung eröffnen. Beispiele hierfür sind Oskar Schlemmers "Triadisches Ballett", das geometrische und mathematische Prinzipien nutzte, sowie Jacques Copeaus Schauspielschule und Theater, das die traditionellen Masken der Commedia dell'arte durch zeitgenössische Charaktermasken ersetzte.

Wsewolod E. Meyerhold betonte die Kunst der Akteure und Aktricen als zentralen Aspekt des Theaters. Er verwarf das traditionelle Modell zugunsten eines neuen Ansatzes, bei dem die Schauspieler als Vermittler zwischen Autor/Regisseur und Publikum fungieren. Meyerhold integrierte Elemente wie Masken und Grotesken in seine Theaterarbeit, um eine neue ästhetische Sprache zu entwickeln, die die Phantasie des Publikums ansprach und überraschte.