Begriffliches
Diskriminierung
· Behaviorale Komponente: z.B. Diskriminierung
-> Diskriminierung ist ein inhärent relatives Konzept: Ungeleichbehandlung eines Menschen aufgrund seiner Mitgliedschaft einer bestimmten Menschensorte
-> Ist die diskriminierende zu jedem unfreundlich?
· Der Term an sich ist nicht evaluativ (?)
Sequentielle Alternativen
top-down vs bottom-up Prozesse
Im Zentrum der Sozialpsychologie
· ursprüngliches Ziel der SP: Erklärung des Holocausts und der Rassenkonflikte
Realistic Conflicts
Intergruppenanimositäten
· realistischer Gruppenkonflikt
· Intergruppenanimositäten
-> Animosität: feindselige Einstellung
· frühe Forschung geht von realistischen Konflikten um Macht und (knappe) Ressourcen aus, die Vorurteile begünstigen
A study in conflict and cooperation
Robber’s Cave Experiment
· Muzafer Sherif (1954): Robber‘s Cave Experiment
· Ferienlager für ca. 11-jährige Jungen, gemeinsame Gruppe
· Stage 1:
- Nach mehreren Tagen in zwei gleich große Gruppen geteilt, beste Freunde werden jeweils getrennt, Gruppen unternehmen getrennte Aktivitäten
- zunehmender Konflikt
· Stage 2:Wettkämpfe gegeneinander um rare Ressourcen (z.B. Kinobesuch für nur eine Gruppe o.ä.)
Problem der realistischen Konflikte
· Bleibt in der essentialistischen Konzeption von Gruppen gefangen
· „Rassen“ oder „Ethnien“ werden als a priori existierende Gruppen akzeptiert.
-> Gruppen werden individuell wahrgenommen
-> Nationen und Nationalitäten sind von Menschen ausgedacht
· Warum schlagen weiße Farmer nicht andere weiße Farmer tot, mit denen sie ja auch konkurrieren – oder Brillenträger?
Ein Schritt weiter: Minimale Gruppe
Spielt alleine die Zuordnung zu einer Gruppe eine Rolle?
· Tajfel, Billig, Bundy, & Flament (1971)
positive Distinktheit
· Gruppen ohne gemeinsame Erfahrung oder Geschichte – spielt alleine die Zuordnung zu einer Gruppe eine Rolle?
- Kein direkter Kontakt zwischen oder innerhalb der Gruppen
- Komplette Anonymität
- Keine rationale Verknüpfung zwischen Kategorisierungskriterien und späterem Verhalten
- Proband darf keinen persönlichen Nutzen von speziellen Verhaltensalternativen haben
· Probanden schätzen Anzahl von projizierten Punkten (Studie 1) bzw. bewerten Bilder (Studie 2)
· Rein zufällige Zuteilung in Gruppe der „Überschätzer“ oder „Unterschätzer“ bzw. „Klee-Typ“ oder „Kandinsky-Typ“
· Probanden verteilen Geld, kennen die andere Probanden nicht (wissen nur, ob eine Person in ihrer Gruppe ist oder nicht)
· Probanden weichen von „rationalen“ Strategien ab und vernachlässigen Gewinn und Gerechtigkeit zugunsten positiver Distinktheit
-> positive Distinktheit: indem wir nach Möglichkeiten suchen, unsere Eigengruppe in günstiger Weise von Fremdgruppen zu unterscheiden, blenden wir unpassende Aspekte gern aus oder überhöhen den ein oder anderen, der uns gelegen kommt
Social Identity Theory
· Soziale Identität ist Teil unseres Selbst
· Eigene Gruppen (Ingroup) wird aufgewertet, positiver gesehen (positive soziale Distinktheit), um darüber eigenen Selbstwert zu erhöhen
· Ich: Überlappung meiner sozialen Identität
· Achtung: die social identity theory ist empirisch nicht gut belegt
Effekte der Sozialen Identifikation
· Unterteilung in Ingroup und Outgroup hat auch Effekt auf Wahrnehmung von Gruppenmitgliedern
· Outgroup Homogeneity: Wahrnehmung von Menschen aus anderen Gruppen als austauschbar (einander ähnlicher) vs. als individuell in der eigenen Gruppe -> Motivation
· Quattrone & Jones (1980):
· Studierende zweier Unis sehen Video über Studierenden, der vorgeblich an gleicher oder anderer Uni war.
· Nachdem dieser sich für eine von zwei Optionen entscheidet sollen Probanden einschätzen, wie viele Studierende an seiner Uni sich identisch entscheiden würden
Zusammenfassung SIT
· Individuen sind motiviert ihre Gruppen als besser wahrzunehmen
· Steigert ihr Selbstbewusstsein
· Arbiträre soziale Identitäten sind ausreichend, brauchen keine Geschichte, Interaktion etc. (vgl. Sherif)
· sprachliche Label einer Gruppenzuordnung
Lassen sich Vorurteile rein kognitiv erklären – ohne Motivation?
· Illusionäre Korrelationen
· Auf Basis von Vorannahmen werden Zusammenhänge gesehen, wo objektiv keine sind (z.B. zwischen Hautfarbe und Kriminalität)
· Viel interessanter (und rein kognitiv): ich brauche nicht einmal Vorannahmen – seltene Ereignisse werden miteinander zusammenhängend wahrgenommen
„Unschuldiger“ Prozess 1 (Hamilton & Gifford, 1976): illusorische Korrelationen zwischen kleinen Gruppen und seltenen Verhalten
· Distinktheit: die eigene Gruppe hebt sich von einer anderen Gruppe deutlich abhebt
Illusorische Korrelation zwischen kleinen Gruppen und seltenem Verhalten
Doppelte Distinktheit
„Unschuldiger“ Prozess 2 (Alves, Koch, & Unkelbach, 2018): Das Zusammenspiel sozialer Vergleiche mit der Informationsökologie
3 basale Annahmen
Änderungsresistenz
Von Stereotypen
Subtyping
Wem schadet es?
Race & the Legal System
Even worse: Looking Deathworthy
race and the legal system
· Eberhardt et al. (2006): Analyse von 44 Fällen (1979-1999), in denen ein Afroamerikaner beschuldigt wurde, einen schwarzen bzw. weißen Amerikaner umgebracht zu haben
· Rater raten die Fotos der Beschuldigten darauf, wie typisch afroamerikanisch (Haare, Lippen, Haut, …) sie aussehen
· Kontrollieren statistisch für Tatumstände, Schweregrad des Mordes, sozioökonomischer Status des Beschuldigten und des Opfers, Attraktivität des Beschuldigten
Achtung: nicht präregistriert, wenig statistische Power
Stereotype schaden – auch subtiler
Weitere Ergebnisse der Studie zum Stereotype Threat Effect
· Schwarze Probanden geben in einer Nachbefragung weniger „typisch schwarze“ Hobbies an und machen die freiwillige Angabe der ethnischen Zugehörigkeit seltener (25% vs. 100%)
· Effekt zeigt sich auch bei Frauen, wenn man Geschlecht salient macht (z.B. durch Ankreuzen des Geschlechts am Kopf des Antwortbogens oder sexistischen Witz)
· Effekt zeigt sich auch bei Männern, wenn man darauf hinweist, dass in diesem Test weiße Amerikaner typischerweise schlechter sind als asiatische Amerikaner
· Vermittelt durch Sorgen (dem Stereotyp zu entsprechen; z.B. Gerstenberg, Imhoff, & Schmitt, 2012), die wiederum von der eigentlichen Aufgabe ablenken
Stereotype-Threat-Effekt
· Stereotype-Threat- Effekt: Die Konfrontation mit Stereotyp, weniger intelligent zu sein führt zu der Befürchtung, dieses Stereotyp zu bestätigen und diese Sorgen ziehen Ressourcen von der Aufgabe ab
The times they are a-changing?
· Spätestens seit den 1980er Jahren gehen Vorurteile und Stereotype auf Selbstberichten zurück
· So gut wie niemand behauptet mehr, dass Afroamerikaner faul und dumm sind oder Juden gierig und gerissen
· Sind die Stereotype und Vorurteil, der Rassismus, Sexismus und Antisemitismus damit aus der Welt?
Aversive Racism
· Bewusste Befürwortung von Gleichberechtigung, aber weniger bewusst negative Gefühl ggü. Minderheiten
· Es fühlt sich nicht gut an, als Rassist zu gelten, also vermeiden Individuen Urteile und Verhalten, das so interpretiert werden könnte
· Aber: wenn Situationen mehrdeutig sind und man nicht klar auf Rassismus attribuieren kann, kommen dennoch Vorurteile zum Vorschein
· Rogers & Prentice-Dunn (1981):
- Phase 1: Können „Schülern“ Elektroschocks verabreichen
- Dann hören Sie den Schüler abfällige Bemerkungen über sich selbst machen
- Phase 2: anschließendes Ausmaß der Elektroschocks
-> Rechtfertigung eines starken Stromschlags durch die Beleidigung (rassistisches Vorurteil war allerdings der wahre Grund)
Out of sight, out of mind?
· Selbst wenn Vorurteile nicht mehr geäußert werden und auch nicht mehr bewusst befürwortet werden, können sie auf der automatischen Ebene vorhanden sein
· Patricia Devine (1989):
- auf der automatischen Ebene sind Stereotype weit verbreitet und werden ohne unsere Intention aktiviert
- das stereotype Wissen ist uns auch bewusst
- auf einer zusätzlichen kontrollierten Ebene jedoch unterdrücken wir die Anwendung von Stereotypen und versuchen uns egalitär zu verhalten
Devine (1989) – Study 1
Stereotype auf der automatischen Ebene
· Wenn Probanden auflisten sollen, welche Stereotype es
· über Afroamerikaner gibt und zu welchem Grad sie
· rassistischen Einstellungen zustimmen zeigt sich:
- Das Wissen über kulturelle Stereotype ist unabhängig von der Überzeugung ,dass diese zutreffen
· Kommen diese zur Anwendung, wenn Kontrolle unmöglich ist (weil gar nicht bewusst ist, dass diese aktiviert wurden)?
-> alle kennen die Stereotype (kulturell geteiltes Wissen)
Devine (1989) – Study 2
· Probanden werden subliminal Wörter dargeboten
· UV: Anteil von Wörtern, die das Konzept „afroamerikanisch“ aktivieren (Gewalt wird nicht erwähnt)
· Gruppe 1: 80 der 100 Wörter sind mit Konzept „afroamerikanisch“ assoziiert aber nicht mit „Aggression“ (z.B. negro, lazy, Black, blues, athletic, ghetto, busing, Harlem)
· Gruppe 2: nur 20 der dargebotenen 100 Wörter stammen aus dieser Liste, der Rest sind neutrale
· AV: Beurteilung einer fiktiven Person, die mehrdeutiges, potentielles feindseliges Verhalten zeigt (Donald; s.a. Srull & Wyer, 1979) auf sechs neutral und sechs feindseligen Eigenschaften
Implikation
Stereotype im IAT
· Vorurteile und Stereotype funktionieren z.T. automatisch,
· ohne bewusste Intention
· Zwei-Prozess-Modell ist mittlerweile relativ gut bestätigt
· Aber: Devine geht davon aus, dass wir automatisch alle Rassisten sind – das ist nicht mehr Stand der Forschung
· Moderne Zwei-Prozess-Konzeptionen gehen davon aus, dass sich Menschen sowohl auf der expliziten, als auch auf der impliziten Ebene unterscheiden
· Manche Individuen verknüpfen auch automatisch nicht Minderheiten mit schlecht
· Ein Selbsttest: https://implicit.harvard.edu/implicit/
Reflective-Impulsive-Model für Vorurteile
ABER: META-ANALYTISCH SEHR SCHWACHE KORRELATION MIT VERHALTEN! (Oswald et al., 2013,w JPSP)
Outside of Awareness
· Wenn Stereotype zu großen Teilen außerhalb unserer introspektiven Zugänglichkeit operieren, können wir sie effektiv unterdrücken?
Stereotypes on the rebound
· Macrae et al. (1994)
· Probanden bekamen ein Foto von einem Skinhead und die Aufgabe ein typischen Tag im Leben dieser Person zu beschreiben
· UV: Aufforderung, keine Stereotype anzuwenden vs. Keine zusätzliche Instruktion
· AV Studie 1: Stereotypikalität anschließend geschriebener Passage über weiteren Skinhead (neues Foto)
· AV Studie 2: gewählter Sitzabstand zu Skinhead in angeblich folgender Diskussion
Von Beurteilern eingeschätzte Stereotypikalität der geschriebenen Passage
Ups, der ist wohl gerade auf der Toilette
Vorurteile einem Skinhead gegenüber
- Vorurteile kann man nicht so einfach unterdrücken
- um zu unterdrücken (zu kontrollieren, ob man sie gerade anwendet), muss man Stereotype erstmal aktivieren
Kontakthypothese
· Bisherige Forschung stütz sich insbesondere auf Kontakt zwischen Gruppen zum Abbau von Vorurteilen.
· Pionierstudie: Robber‘s Cave von Muzafer Sherif
· Ferienlager für Jungen, gemeinsame Gruppe
· Stage 2:
- Wettkämpfe gegeneinander um rare Ressourcen (z.B. Kinobesuch für nur eine Gruppe o.ä.)
· Stage 3: vertragen
- Gruppen werden miteinander in Kontakt gebracht, später: gemeinsames übergeordnetes Ziel (das auch nur gemeinsam erreicht werden konnte)
- interdependent ein Ziel erreichen
- Kontakthypothese
- Kontakt hilft bei Verbesserung der Intergruppenbeziehung
Boundary Conditions
· Sechs zentrale Bedingungen damit Kontakt Stereotypen und Vorurteile reduziert
- Wechselseitige Abhängigkeit
- Gemeinsames Ziel
- Gleicher Status
- Zwanglose zwischenmenschliche Kontakte
- Mehrere Kontakte
- Gleichheit als soziale Norm
Man muss die Menschen nicht einmal treffen…
Wege zur Vorurteilsreduktion
· Forschung zeigt auch Reduktion von negativen Einstellungen durch
- Extended Contact
-> Erfahren, dass Freundschaften über die Gruppengrenzen hinweg existieren
- Vicarious Contact
-> Ein Mitglied der Eigengruppe dabei beobachten, wie es Kontakt mit einem Mitglied der Außengruppe hat
- Imagined Contact
-> Sich vorstellen, man würde mit einem Mitglied der Fremdgruppe interagieren
Ende gut, alles gut?
Was hilft benachteiligten Gruppen wirklich?
· The irony of harmony (Saguy et al., 2009)
· Vordergründig stimmt es, dass Kontakt zu positiveren Einstellungen führt
· Aber: die meisten Intergruppenbeziehungen sind asymmetrisch, eine Gruppe ist diskriminiert, die andere hat hohen Status
· Wollen benachteiligte Gruppen vor allem von der dominanten Gruppen gemocht werden?
· Saguy et al. (2009): was benachteiligte Gruppen eigentlich brauchen, ist Gerechtigkeit und eine Veränderung ihrer benachteiligten Position
Saguy et al. (2009)
· nach positivem Intergruppenkontakt erwartet statusniedrige Gruppe eigentlich, ab jetzt fairer behandelt zu werden
· Statushohe Gruppe tut das aber nicht, sondern glaubt jetzt sei alles gut
· Studie 2: Kontakt reduziert Bereitschaft, Status Quo zu ändern
Current State
· Aktuellste umfassende Meta-Analyse zu „prejudice reduction“ Interventionen: Paluck et al., (2021): 418 Studien 2007-2019
Fazit von E. Paluck
· „light-touch interventions“, imagined contact (?)
· Kaum Verhaltensmaße
· Typischerweise explizite Einstellungen, gemessen direkt nach der Intervention, selten längerfristige Effekte nachgewiesen
· Methodisch besten Studien zeigen die kleinsten Effekte
· Landmark studies
- long-term face-to-face contact in indischen Cricket Teams (randomisiert über Kasten hinweg; Lowe, 2020), oder durch Inklusion von muslimischen Spielern in christlicher Fußballliga (Irak; Mousa, 2020), oder durch randomisiert zusammengestellte Computerkurse (christlich-muslimisch in Nigeria; Scacco & Warren, 2018)
- Alle zeigen: kaum Effekte auf Einstellungen, Angst etc., aber: auf Verhalten (Tendenz mit Muslimen zu spielen 1 Monat später, kooperatives Verhalten in Dilemmata)
Fazit
· Positiver Kontakt zwischen Gruppen reduziert negative Sicht aufeinander
· Aber gleichzeitig lullt er beide Seiten ein, ohne etwas an den materiellen, institutionalisierten Ungleichheiten zu ändern
· Manchmal ist Harmonie nicht der beste Weg, um strukturelle Veränderungen herbeizuführen
· Neuere Studien zeigen aber auch: Interventionen ändern z.T. Verhalten auch ohne dass sich Einstellungen oder Stereotype ändern
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